32Bs25/21t – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Vetter und den fac h - kundigen Laienrichter Oberst Wolf als weitere Senatsmi t - glieder in der Vollzugssache des W***** N***** über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts ***** als Vollzugsgericht vom *****, GZ *****, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
B e g r ü n d u n g :
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Vollzugsgericht einer Beschwerde des Verurteilten gegen die Entscheidung des Anstaltsleiters der Justizanstalt ***** vom *****, mit der seinem Antrag auf Ausgang für den *****, 8:00 bis 14:30 Uhr nicht bewi l ligt worden war (ON 5 S 27), nicht Folge.
Begründend führte das Vollzugsgericht zusammeng e fasst aus, W***** N***** habe mit Ansuchen Nr. 743 vom ***** um einen Stadtausgang in ***** am 23. September 2020, 8:00 bis 14:30 Uhr, ersucht. Am ***** habe W***** N*****, der eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüße, eine erste freiheitsbezogene Maßnahme in Form eines 3-stündigen begleiteten Sozialtrainings bei einem Stadtausgang in ***** absolviert. Mit Ansuchen vom ***** habe er wie folgt beantragt: „Stadtausganges in *****, Besprechung im Hafen mit Firmen notwendig, wie letztes Mal, Treffen in ***** am 25. Hochzeitstag mit Ehefrau, Besuch eines Haushaltswarengeschäftes für Ankauf eines Kochtopfs mit Einsatz, Mitnahme meines Handys, welches meine Ehefrau übergibt vor Benutzung oder es in JA abgibt. Alles in Begleitung von StRVB AI C***** S*****“.
Das Erstgericht ging davon aus, dass aus der Form u lierung der §§ 99 Abs 1 und 99a Abs 1 StVG kein subje k tiv-öffentliches Recht auf ein konkretes vom Insassen bezeichnetes Datum bzw Zeitausmaß eines Ausgangs abgele i tet werden könne, wobei auch zu berücksichtigen sei, dass begleitete Ausgänge Personalressourcen voraussetzen wü r den. Zudem sei die Häufigkeit der Gewährung von Ausgängen vom Gesetz auf zwei im Vierteljahr begrenzt, wobei ein Ausgang höchstens zweimal pro Kalenderquartal gestattet werden dürfe. Aus dem Gesetzeswortlaut sei demnach ke i nesfalls ein subjektiv-öffentliches Recht auf zweimalige Gewährung eines Ausgangs binnen 20 Tagen innerhalb eines Monats entnehmbar. Darüber hinaus müsse das Ausmaß und die Anzahl der gewährten Unterbrechungen mit den Zwecken des Strafvollzugs im Einklang stehen. Weiters sei eine Besprechung im Hafen, ein Treffen mit der Ehefrau zum 25. Hochzeitstag und der Besuch eines Haushaltswarengeschä f tes nicht zur Erledigung unaufschiebbarer, nicht subst i tuierbarer persönlicher Angelegenheiten notwendig. Ein derartiges Treffen erweise sich als durchaus (bis zum nächsten Ausgang) aufschiebbar und seien vom Beschwe r deführer behauptete allfällige Eheprobleme - wie auch bisher - anlässlich der von ihm angeführten regelmäßigen Besuchskontakte mit seiner Gattin besprech- und regelbar.
Darüber hinaus habe er einen konkret begründeten Antrag zu stellen und die erforderlichen Umstände bekanntzugeben, weil es sich dabei um Umstände handle, die in seiner Sphäre lägen. Es sei nicht Aufgabe der Vollzugsbehörde, aus seinen Angaben allfällige Ausgang s zwecke abzuleiten.
Letztlich sei zum Entscheidungszeitpunkt § 7 Abs 1 der Verordnung der Bundesministerin für Justiz über besondere Vorkehrungen im Anwendungsbereich des Stra f vollzugsgesetzes zur Verhinderung der Verbreitung von Covid-19, BGBl II 120/2020 idF BGBl II Nr. 376/2020, anzuwenden gewesen, wonach Freiheitsmaßnahmen nach § 99a StVG bis zum Ablauf des 30. September 2020 grundsätzlich unzulässig waren. Ausnahmen konnten gemäß § 7 Abs 2 di e ser Verordnung idF BGBl II Nr. 241/2020 nur zur Erled i gung unaufschiebbarer, nicht substituierbarer persönl i cher Angelegenheiten, sowie im Einzelfall etwa zur Vorb e reitung der Entlassung bewilligt werden, sofern durch entsprechende präventive Hygienemaßnahmen das Infektion s risiko minimiert werden kann. Eine solche Ausnahme habe nicht vorgelegen.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des W***** N***** (ON 9), der weitschweifig moniert, dass der Anstaltsleiter seine negative Erkenntnis ausschlie ß lich auf die Anzahl der Ausgänge pro zwei Monate stütze, was von der Generaldirektion vorgegeben worden sei. Das Vollzugsgericht habe es unterlassen, die Gesetzeskonfo r mität dieser Interpretation der Generaldirektion zu pr ü fen. Der Vollzugsleiter habe gegenüber der Generaldire k tion empfohlen, ihm einmal pro zwei Monate begleitete Ausgänge mit Justizwachebeamten bzw zuständigen Soziala r beitern zu gewähren. Mit dieser Empfehlung überschreite das Fachteam der Justizanstalt ***** sein Ermessen und erfülle das Tatbild iSd § 302 StGB. Dies widerspreche nämlich § 99 Abs 1 StVG, wonach einem nicht besonders gefährlichen Strafgefangenen iSd § 99a StVG auf sein Ansuchen höchstens zweimal im Vierteljahr zu gestatten sei, die Anstalt zu verlassen, wenn die noch zu verb ü ßende Strafzeit drei Jahre nicht übersteige und der Au s gang zu einem der in § 93 Abs 2 StVG genannten Zwecke benötigt werde. Einem Strafgefangenen seien sohin zweimal im Kalenderquartal, sohin innerhalb von drei Monaten zwei Ausgänge zu gestatten.
Darüber hinaus habe es das Vollzugsgericht unterla ssen , die Wertigkeit des beantragten Ausgangsdatum en t sprechend zu würdigen, weil in der Gesellschaftsordnung der 25. Hochzeitstag von erheblicher Bedeutung sei. Nac h dem der Gesetzgeber einen Scheidungstermin als Grund für einen Ausgang anerkenne, sei dies auch einem 25. Hoc h zeitstag zuzubilligen. Von einer Gesellschaft hoch geschätzte Tage seien zu berücksichtigen, ansonsten drohe eine Verrohung der Gesellschaft. Der Anstaltsleiter schränke die möglichen Ausgangstage künstlich ein und vollziehe an ihm systematisch einen Vollzug der verbran n ten Erde, erkennbar dadurch, dass ihm im Jahr 2020 von gesamt acht zustehenden Ausgängen lediglich ein einziger genehmigt worden sei.
Mit Beschluss vom *****, ***** (ergänze:) des Landesgerichts ***** als Vollzugsgericht, sei festgestellt worden, dass seine Rechte durch ein Erkenntnis des Anstaltsleiters verletzt worden seien.
Überdies sei ein Zeitabstand von 20 Tagen zwischen zwei Ausgängen als ausreichend anzusehen. Darüber hinaus sei zum Entscheidungszeitpunkt die gleiche Verordnung s lage zu den Covid-Maßnahmen vorgelegen wie beim ersten bewilligten Ausgang, sodass auch dies seinem Ersuchen nicht entgegenstünde. Weiters wird pauschal behauptet, dass die Behörde dem Grundsatz der objektiven Festste l lung des Sachverhalts nicht nachgekommen sei.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Let z tere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat. Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, in s besondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.
Gemäß § 99a Abs 1 StVG ist einem im Sinne des § 99 Abs 1 StVG nicht besonders gefährlichen Strafgefangenen auf sein Ansuchen höchstens zwei Mal im Vierteljahr zu gestatten, die Anstalt in der Dauer von höchstens zwölf Stunden am Tag zu verlassen, sofern die voraussichtlich noch zu verbüßende Strafzeit drei Jahre nicht übersteigt und der Strafgefangene einen Ausgang zu einem der in § 93 Abs 2 StVG genannten Zwecke benötigt.
Unter den in § 99a Abs 1 StVG genannten Vorausse t zungen haben Strafgefangene ein subjektiv-öffentliches Recht auf Gewährung eines Ausgangs. Zweck desselben ist die Aufrechterhaltung und Pflege der sozialen Beziehu n gen, einschließlich der wirtschaftlichen und rechtlichen Angelegenheiten außerhalb der Anstalt ( Drexler/Weger, StVG4 § 99a Rz 1).
Gemäß § 93 Abs 2 StVG ist ein Ausgang zur Regelung wichtiger persönlicher, wirtschaftlicher oder rechtlicher Angelegenheiten, die weder schriftlich erledigt noch bis zur Entlassung aufgeschoben werden können, sowie zur Au f rechterhaltung familiärer und sonstiger persönlicher Bi n dungen zu gewähren.
Soweit W***** N***** die Entscheidung des Anstaltsleiters kritisiert, ist vorauszuschicken, dass Bezugspunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht die Entscheidung des Anstaltsleiters ist, sondern jene des Vollzugsgerichts.
Wie vom Erstgericht ausgeführt, bedarf es einer expliziten Begründung (Glaubhaftmachung) durch den Antragsteller im Einzelfall, weshalb seine Angelegenheit nur im Wege eines Ausganges erledigt werden kann. Bloße Schlagworte oder die Wiedergabe der verba legalia sind keine hinreichenden Gründe ( Drexler/Weger , StVG4, § 99a Rz 14).
Aus welchen Gründen der Ankauf eines Kochtopfs weder schriftlich erledigt werden kann, noch bis zum nächsten Ausgang aufgeschoben werden kann, legt schon der Beschwerdeführer nicht dar. Auch eine nicht näher beschriebene geschäftliche Besprechung im Hafen, zu der weder ein Geschäftspartner noch ein Geschäftszweck genannt wird, vermag – wie vom Erstgericht zutreffend erkannt - den oben genannten Kriterien nicht zu entspr e chen.
Darüber hinaus sind - wie vom Vollzugsgericht erkannt - § 7 Abs 1 der Verordnung BGBl II 2020 / 120, wonach Freiheitsmaßnahmen nach den §§ 99, 99a, 126 und 147 StVG bis zum Ablauf des 31. Mai 2020 grundsätzlich unzulässig waren, und BGBl II 2020/241, wodurch das Verbot alternativer Freiheitsmaßnahmen insofern gelockert wurde, als nach Abs 2 der genannten Verordnung mit Wi r kung 1. Juni 2020 Ausnahmen für die Erledigung unau f schiebbarer, nicht substituierbarer persönlicher Ang e legenheiten sowie im Einzelfall Ausnahmen, etwa zur Vorbereitung der Entlassung, bewilligt werden konnten, anzuwenden. Das grundsätzliche Verbot der genannten fre i heitslockernden Maßnahmen und seine Ausnahmen wurden – soweit hier interessierend - zunächst bis 30. Juni 2020 verlängert, mit BGBl II 2020/279 bis 31. Juli 2020, mit BGBl II 2020/341 bis 31. August 2020 und mit BGBl II 2020/379 bis 30. September 2020 (vgl Birklbauer in Resch , Corona-HB1.04 Kap 16 [Stand 29. Jänner 2021, rdb.at] Rz 89, 89/1).
Unter unaufschiebbaren persönlichen Angelegenheiten ist nach der Judikatur zu § 99 Abs 1 Z 1 lit c StVG etwa die eigene, auch konfessionelle Eheschließung oder Sche i dung zu verstehen, nicht jedoch die Teilnahme an religi ö sen Feiern naher Angehöriger wie Taufe, Erstkommunion, Firmung (auch des eigenen Kindes) bzw Hochzeit (als Tra u zeuge der Schwester) oder der Wunsch, zu Weihnachten bei den Kindern zu sein. Auch die Festigung der sozialen Bi n dung zur Lebensgefährtin fällt etwa nicht darunter ( Drexler/Weger , StVG4, § 99a Rz 13 mwN). Die Feier des 25. Hochzeitstages fällt damit – wie auch vom Erstgericht erwogen – nicht unter die in der Verordnung genannten unaufschiebbaren, nicht substituierbaren persönlichen Angelegenheiten. Darüber hinaus lässt die Wortfolge der zitierten Verordnung „Ausnahmen … können … bewilligt werden“ nicht auf das Vorliegen eines subjektiv-öffentl i chen Rechts schließen (vgl Drexler / Weger, StVG4 § 22 Rz 8).
Auch mit seinem weiteren Vorbringen, dass etwa bereits ein Ausgang genehmigt worden sei, oder in einem Erkenntnis festgehalten wurde, dass der Anstaltsleiter seine Rechte verletzt habe, vermag der Beschwerdeführer nicht zu überzeugen, weil die Voraussetzungen der oben angesprochenen Bestimmungen für jedes Ausgangsersuchen einzeln zu prüfen sind.
Im Übrigen sei darauf verwiesen, dass ein Ausgang – bei Vorliegen aller Voraussetzungen - höchstens zweimal im Vierteljahr, das heißt pro Kalenderquartal gestattet werden darf ( Pieber in W K 2 StVG §§ 99, 99a Rz 6, Drexler/Weger StVG4 § 99a Rz 5). Ein subjektiv-öffentliches Recht auf eine bestimmte Anzahl von Ausgängen ist sohin nicht gegeben. Soweit sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf den Vollzugsplan beruft, ist anzumerken, dass aus diesem keine subjektiv-öffentlichen Rechte des Strafgefangenen abzuleiten sind, sondern diese im Einzelfall geltend gemacht werden müssen ( Drexler/ Weger, StVG4 § 135 Rz 1 mwN).
Die Beschwerde war daher unberechtigt.