33R118/20w – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Wortmarke KNABBER STRIZZI über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 4.6.2020, WM 177/2019 3, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird geändert und lautet:
«Dem Widerspruch gegen die Marke AT 304125 wird stattgegeben und die Registrierung aufgehoben.»
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
1. Im Widerspruchsverfahren stehen einander folgende Marken gegenüber:
Dies jeweils bei folgenden Waren- und Dienstleistungen:
2. Die Antragstellerin brachte zusammengefasst vor, dass die angegriffene Marke und die für sie registrierten Waren verwechselbar ähnlich den Widerspruchsmarken und der für sie eingetragenen Waren seien. Zudem sei die Bekanntheit ihrer Marken notorisch. Die Bekanntheit der Widerspruchsmarken sei auch durch eine Studie des Marktforschungsinstituts Marketagent bestätigt worden. Eine im Oktober 2019 durchgeführte repräsentative Umfrage unter den beteiligten Verkehrskreisen (österreichische Verbraucher zwischen 14 und 69 Jahren) zeige, dass
Die market-Studie 2017 für REGAL zeige außerdem, dass die Marke KNABBER NOSSI bei den 6 bis 14 Jährigen eine herausragende Bekanntheit von 86 % (ungestützt) genieße. Zudem bestehe bei dieser Zielgruppe 59 % Kaufbereitschaft. Eine Erhebung des Unternehmens Nielsen belege, dass KNABBER NOSSI im Jahr 2019 einen Anteil von 32,2 % auf dem Markt der Snackwürste halte und daher Marktführer sei. Schließlich spreche für die Bekanntheit der Marken auch, dass die MARESI Austria GmbH als Lizenznehmerin in den vergangenen Jahren durch Verkäufe von mit der Marke KNABBER NOSSI gekennzeichneten Produkten Jahresumsätze in zweistelliger Millionenhöhe in Österreich erzielt habe. Aufgrund der Identität der Waren und der vollständigen Übernahme des identischen Wortelements „KNABBER“ sei eine hochgradige Markenähnlichkeit gegeben.
3. Die Antragsgegnerin bestritt die Verwechslungsgefahr. Der Wortbestandteil „KNABBER“ sei beschreibend und könne nur ein schwacher Bestandteil sein. Der zweite Markenbestandteil „NOSSI“ hebe sich deutlich von jenem der Antragsgegnerin „STRIZZI“ ab. KNABBER NOSSI lehne sich an die Fleischwurstsorte Kabanossi/Cabanossi an. Dabei handle es sich nach dem österreichischen Lebensmittelbuch um Fleischwürste aus mehr oder weniger grob zerkleinertem, gepökeltem Fleisch und je nach Wurstsorte auch um mehr oder weniger grob zerkleinerten Speck, wobei in der Regel der Zusammenhalt der Fleischeinlage durch Brät gewährleistet werde. Diese Wurstsorte sei im Codex Alimentarius Austriacus Kapitel B14 konkretisiert und stelle daher zweifelsfrei ein Wort des allgemeinen Sprachgebrauchs dar. Gerade in Anbetracht der Bekanntheit der Marke KNABBER NOSSI und der Nähe dieser Marken zur Sortenbezeichnung „Kabanossi/Cabanossi“ sei nicht davon auszugehen, dass ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständlicher Durchschnittsverbraucher die Marken miteinander in Verbindung bringe.
4. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Patentamt den Widerspruch ab. Ausgehend von einer ähnlichen bis identen Warengruppe sei in der gebotenen Gesamtbetrachtung das Wortelement „Knabber“ der Widerspruchsmarken nicht kennzeichnungskräftig. Daher sei die Aufnahme dieses Wortelements bei der Widerspruchsmarke nicht so relevant, umso mehr als es durch den erheblich abweichenden Begriff „Strizzi“ ergänzt werde. Dadurch sei eine Zuordnungsverwirrung betreffend der Herkunft der Ware durch die angefochtene Marke weder unmittelbar noch mittelbar zu befürchten. § 30 Abs 2 MSchG komme nicht zur Anwendung, weil weder eine „Ähnlichkeit“ noch „Gleichheit“ vorliege. Darüber hinaus liege die Gefahr der Verwässerung nicht vor, weil eine Vielzahl von anderen „Knabber“-Produkten (innerhalb und außerhalb des Wurstbereichs) auf dem Markt existierten, sodass „Knabber“ als sprachliches Allgemeingut im Bereich der Lebensmittel nicht mehr verwässert werden könne. Eine gedankliche Verknüpfung bestehe nicht, weil nur ein in diesem Warensegment banales Wort übereinstimme. Die angegriffene Marke nütze die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Widerspruchsmarken nicht in unlauterer Weise aus und beeinträchtige sie auch nicht.
5. Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung zu ändern und dem Widerspruch stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragsgegnerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
6. Soweit die Antragstellerin die Feststellungen des Patentamts zur Verwendung von „Knabber“ auf dem Markt und zum Verständnis der beteiligten Verkehrskreise als überschießend beanstandet, ist sie auf ihre eigene zutreffende Würdigung zu verweisen, dass im Widerspruchsverfahren bloß auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen ist (RS0066553 [T13]; RW0000786 ; RW0000810 ). Nicht maßgeblich ist, für welche Waren oder in welchen Vertriebskanälen oder Märkten die Marken tatsächlich verwendet werden ( Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 3 § 30 Rz 10 ff mwN).
7.1 Unerklärlich sei für die Antragstellerin, wie vor dem Hintergrund der überragenden Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken, der unterdurchschnittlichen Aufmerksamkeit der beteiligten Verkehrskreise, der Warenidentität bzw der Warenähnlichkeit und zumindest der durchschnittlichen Zeichenähnlichkeit keine Verwechslungsgefahr vorliegen soll. Die Gesamtbeurteilung sei angesichts der ständigen Rechtsprechung des EuGH, des OGH und des OLG Wien nicht haltbar. Die Reduktion der bekannten Marke KNABBER NOSSI auf den Bestandteil „Nossi“ sei unzulässig; ebenso eine Reduktion der Marke KNABBER STRIZZI auf „Strizzi“. KNABBER NOSSI und KNABBER STRIZZI würden bei der gegebenen Warenidentität bzw hochgradigen Warenähnlichkeit zweifellos gedanklich in Verbindung gebracht, und die beteiligten Verkehrskreise würden annehmen, dass so bezeichnete Produkte vom selben Hersteller stammten oder jedenfalls etwas miteinander zu tun hätten.
Bei der angreifenden Marke sei „KNABBER“ der entscheidende und kennzeichnungskräftige Bestandteil, zumal dieser ausgehend von Cabanossi adaptiert worden sei. Die bezeichneten Verkehrskreise würden annehmen, dass die mit KNABBER STRIZZI gekennzeichnete Wurstprodukte aus dem Haus der Antragstellerin stammen.
7.2 Im Rahmen des besonderen Schutzes der bekannten Widerspruchsmarken (§ 30 Abs 2 MSchG) sei hypothetisch zu prüfen, ob die Nutzung der Marke, wie sie angemeldet/registriert worden sei, zu einem Eingriff in die bekannte Marke führen würde. Auf die tatsächliche Nutzung sei nicht abzustellen. Sie habe über Jahrzehnte massiven Aufwand betrieben, um das Image der bekannten Marke KNABBER NOSSI aufzubauen und zu erhalten. Der Vorteil, dass sich aus der Benutzung einer daran angelehnten Marke ergebe, sei als Vorteil zu betrachten, der aus der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung dieser Marke ungerechtfertigter Weise gezogen werde. Ferner würde es zu einer Verwässerung kommen. Würden diverse Anbieter beginnen, die Bezeichnungen ihrer Snackwürstchen an die bekannte Marke KNABBER NOSSI anzulehnen, so würde die bekannte Marke ihre Kennzeichnungskraft verlieren.
8. Grundsätze zur Verwechslungsgefahr:
8.1 Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.
8.2 Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RS0066553 [T13]; RW0000786; RW0000810). Daher sind die einander gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Warenähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden ( Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 30 Rz 10 f mwN).
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören – ausgehend vom Registerstand – insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren (vgl C 39/97, Cannon/Canon, Rz 23; Koppensteiner, Markenrecht 4 117 mwN bei FN 108).
8.3 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB C 191/11 P, Yorma’s, Rz 43; EuG T 599/10, Eurocool, Rz 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159, T One mwN; ÖBl 2003, 182, Kleiner Feigling ua; RS0121500, insb T4; RS0121482; RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 10 Rz 429 ff mwN).
8.4 Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Kennzeichnungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren Bedacht zu nehmen ist (RS0121482).
So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (C 39/97, Cannon/Canon ). Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Warenidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Warenabstand (RS0116294; 4 Ob 36/04d, FIRN; 17 Ob 36/08f, KOBRA/cobra-couture.at; Koppensteiner, Markenrecht 4 111 mwN).
8.5 Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21; RS0117324; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz ³ § 10 Rz 465 ff mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (4 Ob 61/90, quattro/Quadra; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; ecolex 2003, 608, More; RS0078944; C 342/97, Lloyd, Rn 26).
Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227, Ritter/Knight; RW0000786).
8.6 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a, GO; 4 Ob 55/04y = RS0079190 [T22], RS0108039, RS0117324, RS0079571; 4 Ob 57/14g, Ionit/Isonit ). Entscheidend ist dabei der Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels; RS0117324). Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp ua ÖBl 1993, 156, Loctite mwN; ÖBl 1996, 279, Bacardi/Baccara; ÖBl 1999, 82, AMC/ATC; EuGH Slg 1997, I 6191 = ÖBl 1998, 106, Sabel/Puma, Rz 23; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; ecolex 2003, 608, More; RS0117324; RS0066753; C 120/04, Thomson life, Rn 28; C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21) . Dem Durchschnittsverbraucher bietet sich nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (C 342/97, Lloyd, Rn 26; C 291/00, Slg 2003, I 2799, LTJ Diffusion, Rn 52; C 104/01, Orange, Rn 64; 17 Ob 23/07t, Henson ; Om 6/11, revölution ; RS0117324 [T7]; 4 Ob 25/05p, Zorro ; Om 9/04, McCruise ).
8.7 Bei ausschließlich aus Worten bestehenden Zeichen ist für die Ähnlichkeitsprüfung auf Wortklang, -bild und sinn Bedacht zu nehmen (RS0117324, RS0066753 [insb T9]; C 251/95, Sabel/Puma; C 206/04); für die Verwechslungsgefahr muss eine Übereinstimmung in einem der drei genannten Kriterien bestehen (RS0079571, RS0079190 [T22]; Om 4/02, Kathreiner ).
Schutzunfähige oder schwache Bestandteile, die den streitverfangenen Zeichen gemeinsam sind, tragen im Regelfall nur wenig zum jeweiligen Gesamteindruck bei, sodass schon geringe Abweichungen in den übrigen Bestandteilen ausreichen können, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (4 Ob 334/74, Pregnex/Pregtest; RS0066749, RS0066753; 17 Ob 18/11p, Junkerschinken ).
8.8 Für die Beurteilung der Ähnlichkeit einer zusammengesetzten Marke kann es nur dann allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen, wenn alle anderen Bestandteile zu vernachlässigen sind (C 193/06 P, Quick/Quicky; 34 R 94/15s, OLD SCHOOL
OLYMPIC BOXING CLUB JA*B VIENNA ). Maßgebend sind auch hier der Gesamteindruck und die Wirkung auf einen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren (RS0117324; 4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels ).
Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Warenähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b, gotv ; 17 Ob /08h, Feeling/Feel ; 4 Ob 181/14t, Peter Max/Spannmax ; zuletzt 4 Ob 199/18w, Granny‘s ; RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01, Jack Jones ; RS0079033 [T20], 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel ; 17 Ob 32/08t, Jukebox; RS0079033 [insb T26]).
9. Grundsätze für den besonderen Schutz bekannter Marken:
9.1 § 10 Abs 2 MSchG normiert einen erweiterten Schutz für bekannte Marken. Während „herkömmliche“, das heißt nicht hinreichend bekannte Marken in den Fällen fehlender Doppelidentität von Zeichen und Produkt nur unter der Voraussetzung der Verwechslungsgefahr Schutz genießen, ist eine solche für den besonderen Schutz bekannter Marken gerade keine Voraussetzung.
Die einander gegenüberstehenden Zeichen müssen aber gleich oder ähnlich sein, weil es typischerweise nur dadurch zu einer Rufausbeutung, Rufbeeinträchtigung oder Verwässerung der bekannten Marke kommen kann (RS0120364; Guggenbichler in Kucsko/Schumacher , marken.schutz³ § 10 Rz 583 ff).
Weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 10 Abs 2 MSchG ist, dass das Publikum das Zeichen als Herkunftshinweis auf ein bestimmtes, wenn auch nicht namentlich bekanntes Unternehmen versteht. Das Publikum muss die Zeichen gedanklich miteinander verknüpfen (C 408/01, Adidas; C 487/07, L'Oréal ). Nur dann kann ein Ruf aufgebaut werden, der ausgebeutet oder beeinträchtigt werden kann (17 Ob 20/08b, BOTOX; 17 Ob 28/11h, gameware; Guggenbichler in Kucsko/Schumacher, marken.schutz³ § 10 Rz 664).
10. In Anwendung der vorangestellten Grundsätze kommt das Rekursgericht bereits in Bezug auf die Verwechslungsgefahr zu einem anderen Ergebnis.
10.1 Voranzustellen ist zunächst die Warenidentität bzw hochgradige Warenähnlichkeit in der Klasse 29. Auf dieser Basis ist daher besonders beachtlich, dass die Marken in bildlicher und klanglicher Hinsicht im Wortbestandteil „KNABBER“ und somit auch begrifflich übereinstimmen.
Da die Widerspruchsmarken mit diesem Wortbestandteil vollständig in der angegriffenen Marke aufscheint, ist zu prüfen, ob in weiterer Folge „KNABBER“ durch den zweiten beigefügten Wortbestandteil in der Gesamtbetrachtung so in der Hintergrund tritt, dass die Verwechslungsgefahr zu verneinen ist.
Im zweiten (Wort-)Bestandteil stehen einander „NOSSI“ und „STRIZZI“ gegenüber. Dadurch wird zwar bildlich und klanglich eine Abgrenzung erzeugt, jedoch sind beide Wörter in der Kombination mit „KNABBER“ letztlich Phantasiebegriffe, was dazu führt, dass die gegebene Warenidentität/ ähnlichkeit das Publikum glauben macht, dass die mit KNABBER STRIZZI gekennzeichneten Waren wirtschaftlich zu KNABBER NOSSI gehören.
Der angegriffenen Marke wird mit STRIZZI in und wegen der Kombination mit KNABBER kein eindeutiger und bestimmender Bedeutungsinhalt (STRIZZI als dialektischer Ausdruck für Zuhälter, Strolch, Lausbub, Schlitzohr) beigemessen, der einen ausreichenden Abstand erzeugen könnte. „NOSSI“ ist für sich genommen auch ein Phantasiewort und erhält nur im Zusammenhang mit „KNABBER“ eine mögliche Botschaft in Richtung einer Verballhornung von „Genuss“. Letztlich sind aber beide Wörter in der Kombination mit „KNABBER“ inhaltlich nicht eindeutig zuordenbar.
„Knabber(n)“ ist zwar ein im Verkehr gängiges und/oder bekanntes Wort, das das Essen/Abbeißen von kleinen Stücken beschreibt. Trotz dieser Bedeutung und trotz der Aufmerksamkeit des Verkehrskreises auf den zweiten (Wort-)Bestandteil, um das Zeichen vollständig zu erfassen, bleibt „KNABBER“ – auch wegen der Wortlänge und der nicht gewöhnlichen Schreibform – in der Wahrnehmung haften und tritt somit nicht so stark in den Hintergrund, dass bei der gegebenen Warenidentität/ ähnlichkeit damit die Verwechslungsgefahr beseitigt würde.
Die Ansicht der Rechtsabteilung, „KNABBER“ in der Widerspruchsmarke habe keine Kennzeichnungskraft, kann sich das Rekursgericht daher nicht anschließen.
Im Gesamteindruck wird das Publikum glauben gemacht, dass die fraglichen Waren aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen; dafür ist zum Einen die Identität/hochgradige Ähnlichkeit der Waren ursächlich und zum Anderen der geringe Abstand zwischen den Zeichen in klanglicher und bildlicher Hinsicht; begrifflich besteht keine – eine gedankliche Abgrenzung ermöglichende – eindeutige Zuordenbarkeit.
Somit sieht das Rekursgericht im relevanten Gesamteindruck keinen ausreichend klanglichen, bildlichen aber auch begrifflichen Abstand zwischen den Zeichen, der die übereinstimmende Wortfolge „KNABBER“ in Bezug auf die Warenidentität/ ähnlichkeit neutralisiert und somit die Verwechslungsgefahr beseitigt (RS0079137; RS0079571).
10.2 Da bereits die Verwechslungsgefahr zu bejahen ist, erübrigt es sich, auf den Bekanntheitsschutz näher einzugehen. Anzumerken ist jedoch, dass die Tatsachen, die die Bekanntheit der Widerspruchsmarken (als Rechtsbegriff) begründen, von der Antragsgegnerin von Anfang an nicht in Frage gestellt wurden.
11. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von einer Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RS0111880 [Ermessensspielraum]; RS0066779 [T24]), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.
[Der Oberste Gerichtshof hat den außerordentlichen Revisionsrekurs am 22.9.2021 zurückgewiesen, 4 Ob 98/21x.]