JudikaturOLG Wien

33R96/20k – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
24. Februar 2021

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden und den Richter Dr. Schober sowie den fachkundigen Laienrichter Patentanwalt DI Margotti in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) v***** , und 2.) v***** , vertreten durch die Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG in Wien, unter Mitwirkung von DI Marc Keschmann, Patentanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V***** , vertreten durch Dr. Johannes P. Willheim, Rechtsanwalt in Wien, unter Mitwirkung von Patentanwalt Thomas Greif, Thul Patentanwaltsgesellschaft mbH in Düsseldorf, Deutschland, wegen Unterlassung (EUR 100.000), Beseitigung (EUR 8.000), Auskunft (EUR 8.000), Rechnungslegung (EUR 8.000) und Urteilsveröffentlichung (EUR 8.000) über die Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30.7.2020, 34 Cg 37/16x 87, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 5.683,10 bestimmten Kosten für die Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Text

1. Die Kläger sind Inhaber des Europäischen Patents EP 1 516 091, in Österreich validiert als E 449 882 (kurz: Klagepatent), mit dem Titel „ Weiche mit verstärkter Zungenschiene “. Das Klagepatent wurde am 16.6.2003 unter Inanspruchnahme der Priorität vom 27.6.2002 aus AT 967/2002 angemeldet und am 25.11.2009 erteilt. Es ist bei Zahlung der Jahresgebühren bis zum 16.6.2023 gültig.

2. Die Beklagte produziert ebenfalls Weichen und vertreibt diese weltweit, auch in Österreich. Die im Gleis 2 der „Südbahn“ zwischen Wien und Bruck/Mur im Bereich der Überleitstelle Mürzzuschlag bei der Kilometermarke 124,0 eingebaute Weiche mit der Nr 103 („Weiche Nr 103“) wurde von der Beklagten an die ÖBB verkauft.

3. Gegen das Klagepatent wurde von der Beklagten, von der S***** GmbH und von der D***** AG beim Europäischen Patentamt (EPA) Einsprüche eingelegt. Das Einspruchsverfahren hat in erster Instanz zu einer Beschränkung des Klagepatents geführt (Aufnahme der Merkmale des erteilten Anspruchs 3 in den erteilten Anspruch 1). Diese eingeschränkte Fassung der Patentansprüche liegt dieser Klage zugrunde.

Im Verfahren T 0242/14 der Beschwerdekammer des EPA (in der Folge: BK ) wurde das Merkmal [g] in der Erteilungsfassung des Anspruchs 1 gestrichen (Beilage ./C).

Mit Entscheidung vom 6.4.2017 wies die BK (T 0242/14) die Einsprüche – auch jene der Beklagten – ab.

4. Die Ansprüche 1 bis 7 und 9 des Klagepatents, die dieser Klage zugrunde gelegt wurden, lauten (Hinweis: Die Kläger haben das Klagebegehren in Bezug auf den Anspruch 1 nicht dem im Beschwerdeverfahren T 0242/14 des EPA letztlich um das Merkmal [g] eingeschränkte Erteilungsfassung angepasst):

1 Weiche mit einem Stammgleis und einem Zweiggleis, wobei jeweils eine Schiene eines jeden Gleises als Zungenschiene ausgebildet und in Anlage an die jeweilige Backenschiene bewegbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass wenigstens eine Backenschiene (1) im Bereich ihrer Anlage an die Zungenschiene (2) mit einer im Vergleich zum außerhalb der Anlage liegenden Bereich verringerten Breite des Schienenkopfes ausgebildet ist, wobei die Breite des Backenschienenkopfes ausgehend von der Zungenspitze (3) bis zu einem Punkt (4) innerhalb des Anlagebereichs, an welchem ein auf dem Gleis fahrendes Laufrad eines Fahrzeuges seitlich mit der Zungenschiene (2) in Berührung kommt, abnimmt und im daran anschließenden Anlagebereich zunimmt, dass die Zungenschiene (2) zur Backenschiene (1) hin entsprechend der Verringerung der Breite des Backenschienenkopfes im Querschnitt verstärkt ausgebildet ist, und dass die Backenschiene (1) im Bereich der Anlage an die Zungenschiene (2) angefast ausgebildet ist, wobei die Anfasung von der Fahrkante ausgehend Richtung Schienensteg geneigt verläuft.

2 Weiche nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Breite des Backenschienenkopfes in einem Vertikalabstand von 10 bis 20 mm, insbesondere 14 mm, von der Fahroberkante gemessen ist.

3 Weiche nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die sich aus der Verschneidung der Anfasung mit dem Backenschienenkopfprofil ergebende Kante abgerundet ausgebildet ist.

4 Weiche nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass das Backenschienenkopfprofil am Übergang der Fahroberkante zur Anfasung mit einem gekrümmten Bereich ausgebildet ist, dessen Radius kleiner ist als der des entsprechenden gekrümmten Bereichs eines Regelschienenprofils.

5 Weiche nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Punkt mit der größten Verstärkung der Zungenschiene (2) bzw. mit der geringsten Breite des Backenschienkopfes in einem Abstand von 1/5 bis 1/3, vorzugsweise ¼ der Länge der Anlage der Zungenschienen (2) an die Backenschiene (1) von der Zungenspitze (3) liegt.

6 Weiche nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die maximale Breitenverringerung der Backenschiene (1) bzw. die maximale Verstärkung der Zungenschiene (2) 2 bis 5 mm, vorzugsweise 3 mm beträgt.

7 Weiche nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die vertikale Höhe der Zungenschiene (2) im Bereich der Anlage an die Backenschiene (1) ausgehend von der Zungenspitze (3) in Richtung zum Ende der Anlage zunimmt.

9 Weiche nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Weiche eine Innenbogenweiche ist, und dass die kurvenäußere Zungenschiene im Querschnitt verstärkt ausgebildet ist.

Der Anspruch 1 wurde im erstinstanzlichen Verfahren in folgende Merkmale gegliedert, wobei im Verfahren unstrittig war, dass die Weichen der Beklagten jedenfalls die Merkmale [a] bis [c] und [e] bis [g] verwirklichen; strittig blieb nur die Verwirklichung des Merkmals [d] (durch Fettdruck hervorgehoben).

[a] Weiche mit einem Stammgleis und einem Zweiggleis,

[b] wobei jeweils eine Schiene eines jeden Gleises als Zungenschiene ausgebildet und in Anlage an die jeweilige Backenschiene bewegbar ist,

[c] wobei wenigstens eine Backenschiene im Bereich ihrer Anlage an die Zungenschiene mit einer im Vergleich zum außerhalb der Anlage liegenden Bereich verringerter Breite des Schienenkopfes ausgebildet ist,

[d] wobei die Breite des Backenschienenkopfes ausgehend von der Zungenspitze bis zu einem Punkt innerhalb des Anlagebereichs, an welchem ein auf dem Gleis fahrendes Laufrad eines Fahrzeugs seitlich mit der Zungenschiene in Berührung kommt, abnimmt

[e] und im daran anschließenden Anlagebereich zunimmt,

[f] wobei die Zungenschiene zur Backenschiene hin entsprechend der Verringerung der Breite des Backenschienenkopfes im Querschnitt verstärkt ausgebildet ist,

[g] wobei die Backenschiene im Bereich der Anlage an die Zungenschiene angefast ausgebildet ist, wobei die Anfasung von der Fahrkante ausgehend Richtung Schienensteg geneigt verläuft.

5.1 Die Kläger behaupten, dass die von der Beklagten vertriebene Weiche Nr 103 wortsinngemäß von sämtlichen Merkmalen der Ansprüche 1 bis 4, 7 und 9 Gebrauch mache sowie die Ansprüche 5 und 6 in äquivalenter Weise verwirkliche. Entscheidend sei in Bezug auf das Merkmal [d], ob die Möglichkeit bestehe, dass ein Rad die Zungenschiene an jenem Punkt des Anlagebereichs, an dem die Breite des Backenschienenkopfes ausgehend von der Zungenspitze abnehme, berühre, also an dem Punkt der größten Zungenschienenverstärkung. Aufgrund der Radgeometrien und des Wellenlaufes, in dem sich Züge auf den Schienen bewegen, komme es zu Berührungen in diesem Punkt und dies könne die Beklagte auch nicht ausschließen. Ein weiterer Verletzungsgegenstand sei die Weiche Nr 51 bei der Kilometermarke 147,7 der „Südbahn“, welche ebenfalls von der Beklagten geliefert worden sei. Auch hier würden alle Merkmale der Ansprüche 1 bis 7 und 9 des Klagepatents verwirklicht.

5.2 Die Beklagte hielt dem entgegen, dass das Klagepatent nichtig sei.

Dessen ungeachtet verletze die Weiche Nr 103 nicht das Klagepatent. Gemäß der Zeichnung ./O erreiche die Spitze der Zungenschiene jeweils die Spurmessebene und/oder Fahrkantenebene bereits etwa im Bereich der Hälfte der Länge der abnehmenden Dicke des Backenschienenkopfes. An dem Punkt, an dem der Backenschienenkopf seine geringste Breite aufweise, liege demgegenüber die Spitze der Zungenschiene der Weiche Nr 103 bereits deutlich über der Spurmess- oder Fahrkantenebene. Daher liege der Bereich, an dem ein fahrendes Laufrad seitlich mit der Zungenschiene in Berührung komme, deutlich vor der Stelle, an welchem die Breite des Backenschienenkopfes seine geringste Dicke erreiche.

Auch eine Verletzung mit äquivalenten Mitteln liege nicht vor. Bei der Weiche Nr 103 liege – so wie im vorbekannten Stand der Technik – der Bereich, an dem die Spitze der Zungenschiene die Spurmessebene erreiche, deutlich vor der Stelle der geringsten Dicke des Backenschienenkopfes. Dies entspreche dem Punkt und dem Bereich, an dem ein fahrendes Laufrad seitlich mit der Zungenschiene in Berührung komme.

6. Das Erstgericht wies sämtliche Klagebegehren ab, wobei es von den auf den Seiten 11 bis 15 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen ausging, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

Rechtlich folgerte es, dass die Weichen Nr 51 und Nr 103 nicht alle Merkmale des Klagepatents wortsinngemäß erfüllen; eine äquivalente Verwirklichung sei ebenfalls zu verneinen. Es sei nicht gleichwirkend, wenn ein Laufrad um mehr als 22 % oder um (weit) mehr als 16 % vor dem Punkt der geringsten Breite des Backenschienenkopfes in Berührung komme, weil die statischen oder konstitutiven Gegebenheiten der Zungenschiene in diesem Bereich im Vergleich zum patentgemäßen Punkt schon deutlich geschwächt seien. [Erläuterung: Diese Prozentangaben beziehen sich auf den Abstand zwischen der Zungenspitze und dem „Punkt der geringsten Breite des Backenschienenkopfes“ und sind zu verstehen wie folgt: Wäre dieser Abstand 1000 mm und läge der Berührungspunkt 900 mm von der Zungenspitze und 100 mm vom „Punkt der geringsten Breite des Backenschienenkopfes“ entfernt, wäre die Abweichung 10 %.]

Zudem sei die genannte Abweichung bereits so groß, dass zu erwarten sei, dass regelmäßig die erstmalige Berührung deutlich vor dem Punkt der geringsten Breite des Backenschienenkopfes stattfinde. Daher könne die Fachperson diese abgewandelte Gestaltung nicht als der anspruchsgemäßen Lösung gleichwertige Abwandlung in Betracht ziehen. Ob eine derartige Abänderung naheliegend sei, könne dahingestellt bleiben. Insgesamt hätte die Fachperson ausgehend vom Anspruch 1 und der Lehre des Klagepatents die Weichen Nr 51 und Nr 103 nicht als funktionsgleiche abgewandelte Lösung entnommen.

Da die Weichen Nr 51 und 103 nicht in das Klagepatent eingriffen, sei auf die Frage der Nichtigkeit des Klagepatents nicht einzugehen.

7. Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, unrichtiger Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie Mangelhaftigkeit des Verfahrens (Seite 2 oben der Berufungsschrift) mit dem Antrag, – allenfalls nach Ergänzung des Beweisverfahrens – das Urteil klagestattgebend abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Hilfsweise wird auch beantragt, die Kostenentscheidung dahingehend abzuändern, dass der Beklagten für den Schriftsatz vom 1.6.2017 keine Kosten zugesprochen werden.

Die Formulierung „unrichtige Tatsachenfeststellung auf Grund richtiger rechtlicher Beurteilung“, die sich in der Berufungsschrift auch findet, führt das Berufungsgericht auf einen Schreibfehler zurück.

Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

8. Insofern die Kläger beantragen, der Berufung – allenfalls nach Ergänzung des Beweisverfahrens – Folge zu geben, erachtet der Berufungssenat die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 480 Abs 1 ZPO nicht für erforderlich.

Klarstellend vorauszuschicken ist, dass das Merkmal d von Anspruch 1 einen als „Punkt“ bezeichneten Bereich (so die Auslegung durch die BK, die von einer „Fläche“ spricht, s dazu unten) zwar so definiert, dass „dort“ „ ein auf dem Gleis fahrendes Laufrad eines Fahrzeuges seitlich mit der Zungenschiene in Berührung kommt “, dass jedoch in Übereinstimmung mit der Beschreibung ([0011], Spalte 4 Zeilen 45 f) sinnvollerweise das – im Text des Anspruchs nicht genannte – Attribut „ erstmals [in Berührung kommt]“ mitzulesen ist. Mit dem von der BK quantitativ nicht näher eingegrenzten Verständnis, dass es sich dabei um eine „Fläche“ (einen „Bereich“) handelt, wird diese Lokalisierung in der Folge als „ erstmaliger Berührungspunkt “ bezeichnet.

9.1 Nach dem Berufungsvortrag schütze das Klagepatent eine Eisenbahnweiche mit einer besonderen Geometrie, die so gestaltet sei, dass die Zungenschiene (das sei jener Teil der Weiche, der beim Schalten der Weiche hin und her bewegt werde) verstärkt ausgeführt sei. Es sei eine spezifische Kombination der unterschlagenden Zunge mit einer Einlassung. Die Verstärkung beginne an der Spitze der Zungenschiene und nehme bis zu jenem Punkt zu, an welchem ein fahrendes Laufrad seitlich mit der Zungenschiene in Berührung komme. Dieser „Punkt“ der erstmaligen Berührung sei nach der Interpretation der BK und nach dem Erstgericht zutreffend ein „Bereich“.

Unter dem Berufungsgrund der „unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund [un]richtiger rechtlicher Beurteilung“ führen die Kläger aus, dass vorgebracht worden sei, dass das Merkmal [d] von Anspruch 1 erfüllt werde, wenn das Rad eines Schienenfahrzeugs an jener Stelle mit der Zungenschiene in Berührung komme, an welcher der Backenschienenkopf die geringste Breite habe und die Zungenschiene die größte Verstärkung aufweise. Die Beweisergebnisse hätten ergeben, dass dies der Fall sei. Dennoch habe das Erstgericht auf den Seiten 12 und 13 anderslautende Feststellungen getroffen, nämlich dahingehend, dass bei den Weichen Nr 51 und Nr 103 der Ort, an welchem ein auf dem Gleis fahrendes ideales Laufrad eines Fahrzeugs seitlich mit der Zungenschiene in Berührung komme, deutlich vor dem Bereich liege, an dem die Breite des Backenschienenkopfes am geringsten sei.

Merkmal [d] verlange, dass die Breite des Backenschienenkopfes ausgehend von der Zungenspitze bis zu einem Punkt innerhalb des Anlagebereichs, an welchem ein fahrendes Laufrad seitlich mit der Zungenschiene in Berührung komme, abnehme. Dieser Punkt sei von der BK nicht im mathematischen Sinn ausgelegt worden, sondern als Bereich des Übergangs/Auflaufens des Laufrads auf die Zungenschiene, wo die seitlichen Richtkräfte wirken. Der Grund sei, dass der Berührungspunkt in der Praxis aufgrund vieler Einflussfaktoren, wie insbesondere Sinuslauf, Radgeometrie und Verschleiß wandern könne.

Wenn Räder an der Stelle, an denen der Backenschienenkopf die geringste Breite und die Zungenschiene die größte Verstärkung haben, die Zungenschiene berühren, sei Anspruch 1 wortsinngemäß verwirklicht. Die Beweisergebnisse hätten gezeigt, dass dies möglich sei; wie oft dies geschehe (und nicht, ob dies geschehe), hänge von der Geometrie der Weiche ab.

Folgende Ersatzfeststellungen wäre zu treffen gewesen: „Bei den Weichen Nr 51 und Nr 103 kommt es zu ersten Berührungen der Laufräder von Schienenfahrzeugen im Bereich der größten Verstärkung der Zungenschiene und der geringsten Dicke der Backenschiene. Die Weiche Nr 51 und 103 machen daher von den Merkmalen des Anspruchs 1 des Patents Nr E 449 882 (EP 1 516 091) Gebrauch.“

Das Erstgericht habe diese erstmöglichen Berührungen, die sich aus dem Beweisverfahren ergeben haben, zu Unrecht nicht als Patenteingriff berücksichtigt. Es habe – unter Zugrundelegung eines „idealen Laufrads“ – angenommen, dass erstmalige Berührungen auch vor dem Bereich der größten Verstärkung der Zungenschiene und der geringsten Dicke der Backenschiene stattfänden.

Unrichtig sei auch, dass dem Klagepatent das Abstellen auf das zusätzliche Merkmal eines „idealen Laufrads“ entnommen werden könne. Üblicherweise sei kein „ideales Laufrad“ anzutreffen, sondern nur Laufräder, die bereits ein gewisses Maß an Verschleiß aufweisen. Auch wenn manche Laufräder die Zungenschiene nicht erst im Bereich der größten Verstärkung berühren, sondern schon weiter vorne, mache dies die Berührung im Punkt oder im Bereich der größten Verstärkung und damit die wortsinngemäße Verletzung nicht ungeschehen.

Diesbezüglich sei die Begründung des Erstgerichts auch unschlüssig. Die Außerachtlassung des Querkraftverlaufs (für die Verstärkung der Zungenschiene) eigne sich nicht als Begründung dafür, dass Berührungen, die vor dem Bereich der größten Verstärkung der Zungenschiene liegen, eine Weiche aus dem Schutzbereich führten. Objektive Aufgabe des Klagepatents sei, die Verschleißfestigkeit zu erhöhen und die Bruchgefahr zu verringern. Die klagepatentgemäße Aufgabe werde deshalb dann erreicht, wenn möglichst viele Berührungen im Bereich der größten Verstärkung der Zungenschiene stattfinden. Alleine darauf komme es an. Richtigerweise wären auch der Sinuslauf der Laufräder eines Zuges sowie der Querkraftverlauf zu berücksichtigen gewesen.

Die Kläger führen unter dem Berufungsgrund der „unvollständigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung“ an, dass das Erstgericht folgende Feststellung zum Querkraftverlauf beim Anlaufen eines Rads an der Zungenschiene hätte treffen können:

„Die an einer Weiche auftretenden Querkräfte steigen beim Anlaufen eines Rads an der Zungenschiene schnell von Null bis zu einem Maximum an, um danach wieder abzusinken, neuerlich etwas gemäßigter anzusteigen, bevor sich die Querkräfte auf einen einigermaßen konstant abfallenden Wert einpendeln. Bei einer Weiche mit einem Radius von 500 m sieht der Querkraftverlauf wie folgt aus:

Die ergänzende Feststellung sei wesentlich, weil sich aus ihr ergebe, dass der patentgemäße Bereich der erstmaligen Berührung so breit sei, dass er die Querkraftspitze mit abdecke, sodass auch die festgestellten Berührungspunkte eine wortsinngemäße Verletzung belegen.

9.2 Die Kläger vermengen Elemente der Tatsachenrüge und der Rechtsrüge (rechtliche Feststellungsmängel sind im Rahmen der Rechtsrüge geltend zu machen; vgl Kodek in Rechberger/Klicka 5 § 496 ZPO Rz 10 mwN). Soweit die diesbezüglichen Ausführungen die Zugehörigkeit zum einen oder zum anderen Rechtsmittelgrund erkennen lassen, werden sie auch entsprechend behandelt (RS0041911); Unklarheiten gehen zu Lasten der Kläger (RS0041761).

9.3 Der Schutzbereich des Klagepatents wird durch den in den Patentansprüchen definierten Lösungsgedanken im Zusammenhang mit der durch ihn gelösten Aufgabe bestimmt ( Weiser, PatG GMG³ § 22a PatG 235). Die Beschreibung und die Zeichnungen sind zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen. Das Protokoll über die Auslegung des Art 69 EPÜ ist sinngemäß anzuwenden (§ 22a Abs 1 PatG; vgl auch RS0071537). Bei der Auslegung von Patentansprüchen sind die mit dem Patent verfolgten Ziele gegeneinander abzuwägen: der ausreichende Schutz des Patentinhabers und die ausreichende Rechtssicherheit für Dritte. Für den ersten Gesichtspunkt ist die objektive Bedeutung der Erfindung, wie sie in den Patentansprüchen ihren Niederschlag gefunden hat, und nicht die subjektive Anstrengung des Erfinders maßgeblich; für den zweiten das, was die Fachperson bei objektiver Betrachtung den Patentansprüchen entnimmt ( Weiser, PatG GMG³ § 22a PatG 256; Fox/Strobl in Stadler/Koller, PatG § 22a Rz 26, 30). Der Schutzbereich des Patents muss für Außenstehende hinreichend sicher vorhersehbar sein (RS0118279). Maßgeblich für den Schutzumfang eines Patents ist demnach ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem, was sich aus dem genauen Wortlaut der Patentansprüche (bzw ihrem Sinngehalt; vgl RS0071338 [T4]) ergibt, und dem, was aus der Beschreibung und den Zeichnungen als Lösung des technischen Problems hervorgeht (Op 3/09).

Bei der Auslegung des Schutzumfangs von Patentansprüchen handelt es sich im Wesentlichen um eine Rechtsfrage (4 Ob 214/12t; 4 Ob 228/18k).

9.4 Die BK hat im Verfahren T 0242/14 den Patentanspruch 1 dahingehend ausgelegt, dass das kennzeichnende Merkmal, wonach die größte Verstärkung der Zungenschiene und die geringste Breite des Backenschienenkopfes an jenem Punkt des Anlagebereichs positioniert sind, „an welchem ein auf dem Gleis fahrendes Laufrad eines Fahrzeuges seitlich mit der Zungenschiene in Berührung kommt“ von einer Fachperson aufgrund des allgemeinen Fachwissens auf Anhieb dahingehend interpretiert wird, dass der in diesem Merkmal erwähnte Berührungspunkt kein Punkt im mathematischen Sinn ist, sondern der sensible Bereich des Überganges/Auflaufens des Laufrads auf die Zungenschiene, wo die seitlichen Richtkräfte wirken. Insbesondere weiß die Fachperson, dass in der Praxis der Berührungspunkt aufgrund vieler Einflussfaktoren, wie insbesondere Sinuslauf, Radgeometrie und Verschleiß, wandern kann. Der Berührungspunkt gleicht mithin eher einer Fläche als einem mathematischen Punkt.

Daher sei dieses Merkmal sinnvoll nur so zu verstehen, dass die größte Verstärkung der Zungenschiene und die geringste Breite des Backenschienenkopfes im sensiblen Bereich des Überganges des Laufrads von der Backenschiene aus die Zungenschienen positioniert sind.

Obwohl diese Auslegung keine Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren entfaltet, folgt ihr das Berufungsgericht mit der folgenden Präzisierung:

Laut Merkmal d ist die Zungenschiene in jenem Bereich, in dem der Backenschienenkopf abnimmt, verstärkt ausgeführt. Dass die Verstärkung schon an der Spitze der Zungenschiene beginnt, mag vielleicht faktisch zutreffen, ist aber vom Patent nicht beansprucht, denn die Verstärkung wird derart lokalisiert, dass sie mit jenem Abschnitt übereinstimmt, in dem die Breite des Backenschienenkopfes abnimmt, und dort endet, wo die Breite des Backenschienenkopfes (laut Merkmal e) wieder zunimmt. Dieser Bereich der Zungenschienen-Verstärkung ist somit vom Bereich nicht zu trennen, in dem die Breite des Backenschienenkopfes abnimmt (bevor sie wieder zunimmt); dieser Bereich, der in der Folge als „ Verstärkungsbereich “ bezeichnet wird, ist in Wahrheit nicht aus der Verstärkung der Zungenschiene sondern aus der genannten Eigenschaft des Backenschienenkopfes definiert, nämlich aus der Abnahme seiner Breite. Laut Merkmal d fällt er mit dem ersten Berührungspunkt insofern zusammen, als er durch den – oben beschriebenen – erstmaligen Berührungspunkt lokalisiert wird (und nur durch ihn lokalisiert werden kann), indem die Breite des Backenschienenkopfes „bis dahin“ (also bis zum ersten Berührungspunkt) abnimmt und „im daran anschließenden Anlagebereich“ (also „danach“) abnimmt.

In der Zusammenschau gehen die Patentansprüche somit davon aus, dass der erstmalige Berührungspunkt und der Verstärkungsbereich örtlich zusammenfallen, und zwar unabhängig davon, dass die Patentschrift keine Angaben dazu enthält, wie der erstmalige Berührungspunkt ermittelt werden kann.

Ziel des Klagepatents ist es somit, dass ein Auflaufen eines Laufrads auf die Zungenschiene in einem unverstärkten Bereich, also vor oder nach dem Verstärkungsbereich, vermieden wird. Die Verschleißfestigkeit wird dadurch erhöht, dass das Laufrad erst in diesem Verstärkungsbereich auf die Zungenschiene aufläuft. In der Beschreibung wird als nachteilig im Stand der Technik angeführt, dass Zungenschienen aufgrund ihrer hohen Belastungen einem hohen Verschleiß ausgesetzt sind. Insbesondere bei Weichen, die mit hohen Geschwindigkeiten befahren werden und deren Zungenschienen lange dünne Spitzen aufweisen, ist im Stand der Technik ein Verschleiß der Weiche bzw der Zungenschiene der Weiche beobachtet worden (Absatz [0002], Zeilen 13 bis 25). Bei anderen Lösungen wurde bemängelt, dass eine Schwächung der Backenschiene auftritt und eine erhöhte Bruchgefahr besteht (Absatz [0003], Zeilen 6 bis 9). Diese Nachteile sollen durch die in dem Patent beanspruchte Lehre vermieden werden.

9.5 Im Sinne dieser Auslegung des Schutzbereichs des Patents kann den Klägern daher nicht gefolgt werden, dass nicht der erstmalige Berührungspunkt, sondern der ganze sensible Bereich entscheidend sei, in dem die Verstärkung der Zungenschiene an den Querkraftverlauf angepasst sei. Bereits der erste Satz in Absatz [0006] der Beschreibung des Klagepatents lehrt „eine Weiche gemäß Anspruch 1 auszuführen“. Die weiteren Ausführungen in den Absätzen [0006] und [0007] erläutern die Vorteile dieser anspruchsgemäßen Ausführung. In Absatz [0007] ist angegeben, dass sich beim Befahren einer Weiche besonders hohe Krafteinwirkungen auf die Zungenschiene in dem Bereich ergeben, in dem das Laufrad seitlich mit der Zungenschiene in Berührung kommt, und es ist daher erfindungsgemäß die Breite des Backenschienenkopfes ausgebildet, nämlich ausgehend von der Zungenspitze bis zum erstmaligen Berührungspunkt abnehmend und im daran anschließenden Bereich bis zum Ende der Anlage der Zungenschiene an die Backenschiene zunehmend, wobei korrespondierend die Zungenschiene entsprechend diesem Verlauf verstärkt ausgebildet ist. Die größte Verstärkung der Zungenschiene erfolgt somit im sensiblen Übergangsbereich der Last von der Backenschiene auf die Zungenschiene, und es wird dadurch eine Querschnittserhöhung und damit eine Erhöhung des Trägheitsmoments der Zungenschiene erreicht, sodass die Zungenschiene den erhöhten Querkräften besser standhalten kann.

Auch in Absatz [0014] des Klagepatents ist angegeben, dass die Zungenschiene (2) entsprechend der Verringerung der Breite des Backenschiene (1) in Richtung zur Backenschiene (1) hin verstärkt ausgebildet ist, wobei im Bereich 4, in dem das Laufrad seitlich mit der Zungenschiene in Berührung kommt, die größte Verstärkung vorgesehen ist. Das Ausmaß des Unterschnitts ist im Bereich 4 am größten und somit die Zungenschiene (2) am stärksten verbreitert, da in diesem Bereich der Verschleiß durch die ruckartige Einleitung von Querkräften am größten ist.

Daraus kann unmittelbar abgeleitet werden, dass es auf den Punkt (Bereich) ankommt, an dem das Laufrad seitlich mit der Zungenschiene in Berührung kommt. Und in diesem Punkt (Bereich) soll die größte Verstärkung der Zungenschiene liegen. Vor der ersten Berührung des Laufrads mit der Zungenschiene gibt es weder einen Übergangsbereich der Last von der Backenschiene auf die Zungenschiene noch Querkräfte.

9.6 Den Klägern ist grundsätzlich beizupflichten, dass ein Normrad oder ein „ideales Laufrad“ kein Anspruchsmerkmal ist. Jedoch ist auch ein verschleißbehaftetes reales Laufrad kein Anspruchsmerkmal; das Klagepatent bietet keine Grundlage für die Auslegung des Anspruchs 1 auf der Basis der Abnützung eines Laufrads.

Das Erstgericht konnte trotzdem berechtigt davon ausgehen, dass zur Beurteilung der Frage, wann ein Laufrad auf die Zungenschiene aufläuft, ein ideales Normrad („ideales Laufrad“) zugrunde zu legen ist, weil in Absatz [0008] ausgeführt wird, dass die Abmessungen einer Fahrkante durch eine Norm festgelegt sind. Die Lage der Fahrkante steht aber in einem engen Zusammenhang mit dem Profil des Laufrads. Somit hat der Verfasser des Klagepatents zumindest implizit ein ideales, also normiertes Laufrad vorausgesetzt, um die Fahrkante zu beschreiben.

Dass selbst die Kläger nahezu im gesamten erstinstanzlichen Verfahren von einem solchen idealen Laufrad ausgegangen sind, wird dadurch deutlich, dass sie in der Beilage ./Q zur Darstellung des Berührungspunkts des Laufrads mit der Zungenschiene ein „übliches Laufradprofil S 1002, siehe Seite 18 der ÖNORM EN 13715“ voraussetzen. Erst als durch die Befundaufnahme zum Ergänzungsgutachten (dazu ON 73) deutlich wurde, dass der erste mögliche Berührungspunkt dieses Laufrads mit der Zungenschiene bei den Weichen Nr 51 und Nr 103 deutlich vor jenem laut Klagepatent liegt, brachten sie vor, dass auch Abweichungen von einem solchen Normrad heranzuziehen seien und das Klagepatent nicht auf ein Laufrad nach einer bestimmten Norm beschränkt sei.

Das Klagepatent enthält jedoch keine Hinweise darauf, in welchem Umfang solche Abweichungen heranzuziehen wären, die sich im Übrigen ohnedies einer objektiven Betrachtungsmöglichkeit entziehen würden. Festzuhalten ist auch hier die Auslegung der Patentansprüche, wonach der erstmalige Berührungspunkt und der Verstärkungsbereich örtlich zusammenfallen, und zwar unabhängig von den (nicht weiter erörterten) Verschleiß-Zuständen der Zungenschiene, der Backenschiene oder des Laufrads.

9.7 Die Verwirklichung des Merkmals [d]) in Anspruch 1 wurde vom Erstgericht zutreffend verneint. Es ist dabei rechtsrichtig davon ausgegangen, dass es für die Erfüllung des Merkmals [d] darauf ankommt, wo der erste mögliche Berührungspunkt des idealen Laufrads mit der Zungenschiene liegt. Mit dem Merkmal [d] wird der Punkt („kritischer Punkt/Bereich“) beansprucht, an dem die Breite des Backenschienenkopfes minimal und damit die Verstärkung der Zungenschiene maximal ist (Verstärkungsbereich).

Gemäß Absatz [0014], Zeilen 44 bis 46 der Beschreibung des Klagepatents, ist die Krafteinwirkung auf die Zungenschiene an der Stelle am größten, an der es zur ruckartigen Einleitung von Querkräften kommt. Würde es einen erstmöglichen Berührungspunkt geben, der vor dem durch das Merkmal [d] beanspruchten Punkt liegt, würden Kräfte an einer Stelle in die Zungenschiene eingeleitet, an der die Verstärkung geringer ist und es deshalb zu einem höheren Verschleiß kommt und die Bruchfestigkeit geringer ist. Damit würde aber die erfindungsgemäße Aufgabe (bei einer Berührung in einem solchen Punkt) nicht gelöst.

Die technische Lehre des Klagepatents besteht somit darin, dass eine Berührung des Rads vor dem durch das Merkmal [d] definierten Punkt ausgeschlossen wird, dass also der erstmalige Berührungspunkt nicht vor dem Verstärkungsbereich liegt.

Diese technische Lehre wird auch nicht durch die von den Klägern angeführten Effekte (wie vom Sinuslauf, von auftretenden Querkräfte und vom Verschleiß) außer Kraft gesetzt. Der Sinuslauf tritt auf bei Rad-Schiene-Systemen mit konisch profilierten, also sich nach außen hin verjüngenden, starr gekoppelten Rädern. Zweck der Konizität ist die Selbstzentrierung des Radsatzes im geraden Gleis ohne Benutzung der Spurkränze. Diese Bewegung ist bei kleinen Amplituden sinusförmig und hat eine konstante Wellenlänge, also eine mit der Fahrgeschwindigkeit zunehmende Frequenz. Dazu hat der Sachverständige Folgendes festgehalten:

„Ausgehend von der Patentschrift kann sich der Sinusverlauf nur auf den Bereich auswirken, der hinter dem patentgemäßen kritischen Punkt [Anmerkung des Berufungssenats: hinter dem erstmaligen Berührungspunkt] liegt, wo die Zungenspitze noch weiter verstärkt wird.“

„Bei den zu begutachtenden Weichen wird es jedenfalls [an] diesem kritischen Punkt zu Berührungen kommen, aber es wird auch in Bereichen vorher [Anmerkung des Berufungssenats: im Bereich vor dem Verstärkungspunkt, also näher bei der Zungenspitze] in einem relevanten Abstand zu Berührungen kommen, und das ist ein Bereich, der wortsinngemäß vom Patent nicht erfasst ist.“

Selbst unter Berücksichtigung eines Sinuslaufs würde sich dieser nur auf den Bereich auswirken, der hinter dem patentgemäß kritischen Punkt liegt, wo die Zungenschiene noch weiter verstärkt ausgeführt ist, nicht jedoch auf den Bereich, der näher bei der Zungenspitze liegt, der gemäß Absatz [0005] der Beschreibung des Klagepatents zur Vermeidung von Verschleiß verstärkt werden soll.

Damit ergibt sich als hinreichendes Kriterium für die Beurteilung, ob eine wortsinngemäße Erfüllung des Merkmals [d] vorliegt, dass eine Berührung vor dem Verstärkungsbereich nicht umfasst ist. Wenn nunmehr bei den Weichen der Beklagten die erstmalige Berührung vor dem Verstärkungsbereich erfolgt, liegt keine wortsinngemäße Verletzung vor, auch wenn Berührungen auch im Verstärkungsbereich erfolgen können, zum Beispiel weil sich das Laufrad aufgrund des Sinusverlaufs zunächst wieder von der Zungenschiene löst und dann wieder an diesem kritischen Bereich anliegt.

Ausgehend von der von den Klägern selbst in Beilage ./Q eingereichten Ansicht Schnitt B B ist rechts in der nachfolgenden Figur das Normrad so verändert dargestellt, dass die Lauffläche und der Spurkranz abgelaufen sind.

Wie dieser Zeichnung zu entnehmen ist, entsteht durch den Verschleiß der Lauffläche und der Spurkranzflanke ein Absenken des Spurkranzes. Damit geht nachvollziehbar eine Verringerung der Größe der Hohlkehle zwischen dem Spurkranz und der Schienenkopfflanke einher.

Somit dürfte ein Verschleiß des Rads dazu führen, dass der erstalige Berührungspunkt noch weiter nach vorne in Richtung der Zungenspitze wandert und damit der gegenteilige Effekt auftritt als von den Klägern vorgetragen, nämlich, dass sich der für einen wortsinngemäßen Patenteingriff relevante erste mögliche Berührungspunkt vom kritischen Bereich nach vorne entfernt.

Daher ist die Auslegung des Merkmals [d] durch das Erstgericht auch unter Berücksichtigung des Effekts des Verschleißes nicht korrekturbedürftig.

9.8 Auch die BK interpretierte – wie schon zu Punkt 9.5 ausgeführt – das strittige Merkmal [d] so, dass die größte Verstärkung der Zungenschiene und die geringste Breite des Backenschienenkopfes im sensiblen Bereich des Übergangs des Laufrads von der Backenschiene auf die Zungenschiene positioniert sind. Sie ging daher auch nicht von einer Anpassung an den Querkraftverlauf, sondern von dem Punkt (Bereich) aus, an dem das Laufrad von der Backenschiene auf die Zungenschiene übergeht, also von einem erstmaligen Berührungspunkt.

Weder der Anspruch 1 selbst noch die Beschreibung und auch nicht die Beurteilung der BK liefern eine Basis für eine Auslegung des Anspruchs 1 in dem Sinn, dass nicht der erstmalige Berührungspunkt wesentlich sei, sondern insgesamt nur der sensible Bereich, in dem die Verstärkung der Zungenschiene an den Querkraftverlauf angepasst ist.

Bei den Weichen Nr 51 und Nr 103 war daher zu untersuchen, wo der Bereich liegt, an welchem ein fahrendes ideales Laufrad eines Fahrzeugs seitlich mit der Zungenschiene in Berührung kommt, im Vergleich zu dem Punkt, an dem die Breite des Backenschienenkopfes am geringsten ist, ob also jeweils der erstmalige Berührungspunkt mit dem Verstärkungsbereich zusammefällt. Aufgrund der Feststellungen, die die Kläger nicht in Zweifel ziehen können, liegt bei den Weichen Nr 51 und Nr 103 dieser Bereich deutlich, nämlich um mehr als ca. 22 % bzw 16 % vor dem Punkt der geringsten Breite des Backenschienenkopfes.

Daher erfüllen die Weichen Nr 51 und Nr 103 auch nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht wortsinngemäß das Merkmal [d].

Die Behauptung der Kläger, dass die erstmaligen Berührungspunkte von deutlich mehr als 16 % bzw deutlich mehr als 22 % vor dem kritischen Bereich wortsinngemäß vom Patent erfasst seien, kann nicht geteilt werden, selbst wenn man die von ihnen ins Treffen geführten Effekte des Sinuslaufs, des Querkraftverlaufs und des Verschleißes in Betracht zieht. Anspruch 1 beansprucht nur einen Berührungspunkt auf der Zungenschiene der Weiche, der im Sinne der von der BK in T 0242/14 vorgenommenen Auslegung jedoch nicht als Punkt im mathematischen Sinn zu verstehen ist, sondern als der sensible Bereich des Überganges/Auflaufens des Laufrads auf die Zungenschiene, wo die seitlichen Richtkräfte wirken. Das Klagepatent bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass sich dieser sensible Bereich bis auf eine Länge von 16 % bzw 22 % vor den Berührungspunkt erstrecken würde. Nach dem Klagepatent ist der Punkt der erstmöglichen Berührung des Rads mit der Zungenschiene relevant. Nur wenn der erstmögliche Kontakt eines fahrenden Laufrads mit der Zungenschiene mit dem Verstärkungsbereich übereinstimmt, würde ein wortsinngemäßer Eingriff in das Klagepatent vorliegen. Unter Berücksichtigung des Verschleißes des Laufrads wandert der erstmögliche Berührungspunkt weiter in Richtung der Zungenspitze und entfernt sich noch weiter vom wortsinngemäßen Bereich des Klagepatents.

Eine Berücksichtigung des Sinuslaufs führt nicht zu einer Veränderung der Position des erstmöglichen Berührungspunkts des Rads mit der Zungenschiene, sondern nur dazu, dass es ein Ablösen des Rads von der Zungenschiene geben kann, gefolgt von einem erneuten, hinter dem erstmöglichen Berührungspunkt liegenden Kontakt. Dieser erfolgt somit in einem weiter verstärkten Bereich der Zungenschiene, in dem die Bruchgefahr ohnehin bereits reduziert ist.

Der Querkraftverlauf führt auch nicht dazu, dass bei einem erstmaligen Berührungspunkt des Rads mit der Zungenschiene von deutlich mehr als 16 % vor dem kritischen Bereich (Weiche NR. 103) bzw deutlich mehr als 22 % vor dem Verstärkungsbereich (Weiche Nr 51) die Kraftspitze verlässlich, das heißt für alle Geschwindigkeiten nicht vor dem kritischen Bereich in die Zungenschiene eingeleitet wird (der erstmalige Berührungspunkt also nicht noch weiter vom Verstärkungsbereich entfernt liegt).

9.9 Die Weichen der Beklagten greifen daher nicht wortsinngemäß in den Schutzbereich des Patents ein. Die vom Erstgericht auf Basis der gewonnenen Beweisergebnisse getroffenen Feststellungen sind nicht zu beanstanden und wurden auch richtig rechtlich beurteilt. Soweit überhaupt eine gesetzmäßige Beweisrüge (vgl RS0041835 [insb T2]; RS0043039) unterstellt werden kann, vermag die Berufung daran auch keine berechtigte Zweifel zu erwecken. Für die begehrten Ersatzfeststellungen besteht keine Grundlage; die als fehlend beanstandeten Feststellungen in Bezug auf den Querkraftverlauf sind nicht relevant.

10.1 Unrichtig sei die Beurteilung des Erstgerichts, weil es den Schutzbereich des Klagepatents durch die Einführung des zusätzlichen Merkmales „ideales Laufrad“ beschränke. Dieses Merkmal sei im Klagepatent nicht enthalten und auch nicht definiert. Ohne diese Einschränkung hätte das Erstgericht auf einen wortsinngemäßen Eingriff erkennen müssen, weil unterschiedliche Laufradprofile die Wahrscheinlichkeit weiter erhöhen, dass Laufräder im Bereich der größten Verstärkung der Zungenschiene (diese) berühren.

In Bezug auf einen äquivalenten Eingriff sei als nächster Stand der Technik nur D3.1. (Beil./2) aus dem Einspruchsverfahren festgestellt worden, eine Straßenbahnschiene, auf welchem das Laufrad bereits an der Spitze der Zungenschiene anläuft. Zwischen den beiden Extremen Zungenspitzen und Verstärkungsbereich befinde sich der Äquivalenzbereich. Betrachte man die Feststellungen zu den beiden Eingriffsgegenständen und halte sich vor Augen, dass nach dem festgestellten Stand der Technik in Form von D3.1 eine Berührung bereits an der Zungenspitze stattfinde, werde offenbart, dass hier zumindest eine äquivalente Patentverletzung vorliege: Bei der Weiche Nr 51 komme es zu einer ersten Kontaktaufnahme vor dem Bereich von 1.000 mm gemessen von der Zungenspitze, wobei zu berücksichtigen sei, dass die geringste Dicke der Backenschiene oder die größte Verbreiterung der Zungenschiene bei 1.281 mm sei.

Bei der Weiche Nr 103 liege der Bereich des möglichen Erstkontakts in einem Bereich von weit weniger als 2.000 mm gerechnet von der Zungenspitze. Der Bereich der größten Verbreiterung der Zungenschiene liege bei 2.379 mm.

Selbst wenn man der korrekten Auslegung zur Breite des Bereichs gemäß Merkmal [d] (siehe oben +/- mehr als 22 %) nicht folgen würde, müsste man diese erstmaligen Berührungspunkte von (mehr als) 22 % von der Stelle der größten Verstärkung der Zungenschiene oder gar nur 16 % von der Stelle der größten Verstärkung der Zungenschiene jedenfalls als gleichwirkend beurteilen (allenfalls im Sinne einer geringfügig verschlechterten Ausführungsform), als naheliegend (die Weichengeometrie sei aus dem Klagepatent direkt übernommen worden) und als gleichwertig (es komme nicht zu den schädlichen Berührungen an der Zungenspitze).

10.2 Soweit die Kläger wiederum ein „ideales Laufrad“ als zusätzliche Merkmal ins Treffen führen, sind sie auf die bereits getätigten Ausführungen zu Punkt 9.7 zu verweisen.

10.3 Aus Sicht des Berufungsgerichts wurde auch ein äquivalenter Patenteingriff zu Recht verneint.

Für eine äquivalente Benützung einer patentierten Erfindung müssen folgende Bedingungen kumulativ vorliegen (RS0123522):

a) Die abgewandelte Ausführungsform löst das der Erfindung zugrundeliegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln (Gleichwirkung);

b) die Fachperson kann die bei der Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe ihrer Fachkenntnisse zur Lösung des der Erfindung zugrunde liegenden Problems als gleichwirkend auffinden (Naheliegen);

c) die Überlegungen der Fachperson sind derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert, dass die Fachperson die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der patentgemäßen Ausführung gleichwertige Lösung in Betracht zieht.

Die Kläger stehen auf dem Standpunkt, dass der patentgemäß beanspruchte erstmalige Berührungspunkt ein Bereich ist, der sich ausgehend von der dünnsten Stelle des Backenschienenkopfes und der größten Verstärkung der Zungenschiene nach vorne und hinten erstreckt und quantifizieren diesen Bereich für einen wortsinngemäßen Eingriff mit +/- (mehr als) 22 %.

Diese Ansicht ist – wie schon oben angeführt – verfehlt: Die Kläger sehen den Äquivalenzbereich des Berührungspunkts zwischen den beiden Extremen „Zungenspitze“ und „Bereich der geringsten Breite des Backenschienenkopfes (Verstärkungsbereich)“ liegend und ziehen daraus den Schluss, dass Gleichwirkung, Naheliegen und Gleichwertigkeit vorliege, weil bei den Weichen Nr 51 und Nr 103 der Berührungspunkt nur 22 % bzw 16 % vor der Stelle der größten Verstärkung der Zungenwirkung liege. Wenn die Kläger für die Definition des einen Extrems als nächsten Stand der Technik die Entgegenhaltung D3.1 aus dem Verfahren vor der BK, T 0242/14 (Auszug aus „Oberbau-Richtlinien und Oberbau-Zusatzrichtlinien (OR/OR Z) des VDV für Bahnen nach der BOStrab“, VDV-Schrift 600, Blatt 01) heranziehen, übersehen sie, dass bei einer solchen Definition der Rechtsbestand des Klagepatents zu verneinen wäre.

In diesem Dokument D3.1 wird eine Weiche beschrieben, die der des Klagepatents entspricht. Diese Weichengeometrie war vor dem Prioritätstag des Klagepatents freier Stand der Technik. Entscheidendes Kriterium für die BK zur Bejahung des Rechtbestands war aber, dass der erstmögliche Berührungspunkt bereits an der Zungenspitze liegt und der Fachperson keine Veranlassung gegeben wird, diesen bei idealen Bedingungen vorliegenden erstmöglichen Berührungspunkt nach hinten zu verlegen (siehe 4.5 der Entscheidungsgründe T 0242/14, Beilage ./M = ./16d).

Abweichend von dem auf Seite 16 der Berufung angeführten Äquivalenzbereich des Berührungspunkts zwischen der Zungenspitze und dem Verstärkungsbereich geben die Kläger (auf Seite 20 der Berufung) mit einem nicht näher erläuterten Hinweis auf die Rechtsprechung zum Formsteineinwand (BGH X ZR 28/85) einen Spielraum von zumindest 25 % vor der Stelle der größten Verstärkung der Zungenschiene als Mindestgrenze des Äquivalenzbereichs an.

Diese Zahlenangabe scheint so gewählt, damit die Weichen der Beklagten in den Äquivalenzbereich fallen. Dies ist aber nicht zutreffend, weil es Aufgabe des Klagepatents ist, den Verschleiß der Weichen, insbesondere der Zungenschiene zu verringern. Diese Aufgabe wird durch die Weichen der Beklagten nicht erfüllt, weil die Bruchfestigkeit im ersten Berührungspunkt gegenüber dem im Patent beanspruchten Berührungspunkt deutlich niedriger ist. Die Beklagte hat hierzu die Beilagen ./20 bis ./22 vorgelegt. Diese zeigen den durch die Befundaufnahme vom 15.10.2019 bestätigten Sachverhalt, dass bei der Weiche Nr 51 der erste mögliche Berührungspunkt des Rads mit der Zungenschiene 720 mm von der Zungenspitze entfernt liegt, während der kritische Punkt, also der Punkt der geringsten Dicke der Backenschiene 1281 mm von der Zungenspitze entfernt liegt. Damit liegt der erste mögliche Berührungspunkt 43,8 % vor dem kritischen Bereich.

Der Sachverständige bestätigte dies auch in seinem Gutachten, wobei es ihm aufgrund der fortgeschrittenen Abnützung der Weiche zwar nicht möglich war, den konkreten Abstand des ersten Berührungspunkts des durch die Lehre repräsentierten Profils eines Rads mit der Zungenschiene zu bestimmen. Er konnte aber diesen erstmöglichen Berührungspunkt auf einen Bereich zwischen 500 mm und 1000 mm eingrenzen, somit auf einen Bereich von 60,9 % bis 21,9 % vor dem kritischen Bereich des Klagepatents. Damit zog er nachvollziehbar das Fazit, dass es „spätestens bei einem Abstand von etwa 1000 mm von der Zungenspitze zu einer seitlichen Berührung eines Laufrads mit der Zungenschiene kommt“.

Die Befundaufnahme vom 15.10.2019 bestätigte auch die Angaben in den Beilagen ./20 bis ./22 für die Weiche Nr 103. Daraus zog der Sachverständige das Fazit (ON 73, Seite 8): „Bei der Weiche Nr 103 liegt der Bereich des möglichen Erstkontakts in einem Bereich von weit weniger als 2000 mm gerechnet von der Zungenspitze.“

Diese Ausführungen zeigen, dass der erstmalige Berührungspunkt deutlich näher bei der Zungenspitze liegt als 2000 mm von ihr entfernt, nämlich irgendwo in einem Bereich von 1000 mm bis 2000 mm, also von 57,9 % bis 15,9 % vor dem kritischen Punkt, dem Punkt der geringsten Dicke der Backenschiene bei 2379 mm hinter der Zungenspitze.

Das Berufungsgericht schließt sich daher der Einschätzung des Erstgerichts an, dass es nicht gleichwirkend ist, wenn ein Laufrad um mindestens 22 % bzw um mindestens 16 % vor dem Punkt der geringsten Breite des Backenschienenkopfes mit der Zungenschiene in Berührung kommt, weil bei diesen Werten die Verstärkung der Zungenschiene noch so gering ausfällt, dass die patentgemäße Aufgabe (Verschleißverringerung und größere Bruchfestigkeit) nicht gelöst wird.

Diese Abweichungen sind bereits so groß, dass zu erwarten ist, dass regelmäßig der erstmalige Berührungspunkt deutlich vor dem Verstärkungsbereich stattfindet. Daher kann die Fachperson diese abgewandelte Gestaltung nicht als eine der anspruchsgemäßen Lösung gleichwertige Abwandlung in Betracht ziehen.

Die Frage, ob eine derartige Abänderung naheliegend ist, kann dahingestellt bleiben.

Insgesamt hätte die Fachperson ausgehend vom Anspruch 1 und von der Lehre des Klagepatents die Weichen Nr 51 und 103 nicht als funktionsgleiche abgewandelte Lösung angenommen.

11.1 Die Bekämpfung der auf die Frage der Gleichwirkung und Gleichwertigkeit bezogenen Feststellungen geht aus den selben Gründen ins Leere.

11.2 Soweit die Kläger beanstanden, dass der Beweiswürdigung nicht zu entnehmen sei, warum auf ein „ideales Laufrad“ abgestellt werde, ist zunächst nochmals darauf hinzuweisen, dass ein „ideales Laufrad“ kein Anspruchsmerkmal ist, ebenso auch kein verschleißbehaftetes „reales Laufrad“. Das Erstgericht konnte bei der Beurteilung der Frage, wann ein Auflaufen eines Laufrads auf die Zungenschiene erfolgt (wo also der erstmalige Berührungspunkt liegt), deshalb ein ideales Normrad („ideales Laufrad“) zugrunde legen, weil in Absatz [0008] für die Abmessungen einer Fahrkante ausgeführt wird, dass diese durch eine Norm festgelegt sind. Da die Lage der Fahrkante in einem engen Zusammenhang mit dem Profil des Laufrads steht, hat der Verfasser des Klagepatents zumindest implizit ein ideales, also normiertes Laufrad vorausgesetzt, um die Fahrkante zu beschreiben.

12. Die Zulassung eines Schriftsatzes trotz Rüge sei ein wesentlicher Verfahrensmangel; mit dem Schriftsatz seien erstmals die angeblichen Vorbenutzungen in Mauretanien (SNIM) und im „Eurotunnel“ eingewandt worden, weshalb der Beschluss auf Nichtunterbrechung des Verfahrens nicht sogleich in der Verhandlung vom 8.6.2017 getroffen worden sei, sondern später. In diesem Beschluss sei ohne Beweisverfahren die Weiche „Eurotunnel“ als gegeben betrachtet worden. Damit sei die Zulassung des Schriftsatzes geeignet, ein ungünstiges Verfahrensergebnis zu bewirken.

Eine Mangelhaftigkeit ist schon deshalb nicht gegeben, weil die Kläger nicht darlegen können, worin mit der Zulassung dieses Schriftsatzes ein ungünstiges Verfahrensergebnis bewirkt worden ist. Die Frage der Nichtigkeit des Klagepatents hatte mangels (Patent-)Eingriffs der Beklagten ohnedies keine Relevanz für den Ausgang des Verfahrens.

13. Nicht nachvollzogen werden kann, warum der Schriftsatz vom 1.6.2017 nicht zu honorieren sein soll; zu diesem Zeitpunkt war der Rechtsbestand des Klagepatents schon wegen des Verfahrens vor dem EPA strittig. Dieser Schriftsatz enthält konkretes Vorbringen zu diesem Einwand und diente daher (zum damaligen Zeitpunkt) der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

Der Berufung war insgesamt der Erfolg zu versagen.

14. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 122 Abs 1 und 141 PatG iVm §§ 41 Abs 1 und 50 ZPO.

Die ordentliche Revision war gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage zu lösen war, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukäme.

Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO beruht auf der Bedeutung von Patentansprüchen im Wirtschaftsleben und auf der Bewertung der Kläger, die unbedenklich erscheint.

[Der Oberste Gerichtshof hat den außerordentlichen Revisionsrekurs am 22.6.2021 zurückgewiesen, 4 Ob 76/21m.]

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