33R108/20z – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Teilwiderspruchs gegen die Schutzzulassung der österreichischen Marke Nr. 300518 (Wortbildmarke „SmoKings“) über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 18.5.2020, WM 25/2019-5, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird geändert und lautet:
«Dem Teilwiderspruch gegen die österreichische Marke Nr. 300518 wird Folge gegeben und die Registrierung der Marke in Bezug auf sämtliche Waren und Dienstleistungen der Klassen 34 und 35 aufgehoben.»
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
1. Im Widerspruchsverfahren stehen einander folgende Wortbildmarken gegenüber:
2. Die Antragstellerin brachte in ihrem Teilwiderspruch vor, dass zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke sowie den angegebenen Waren und Dienstleistungen beider Marken in den Klassen 34 und 35 Verwechslungsgefahr bestehe.
3. Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Widerspruchs und bestritt die Verwechslungsgefahr.
4. Mit dem angefochtenen Beschluss wies die Rechtsabteilung den Widerspruch ab. Die Marken würden sich zwar auf ähnliche Waren und Dienstleistungen beziehen, würden sich aber in begrifflicher und klanglicher Hinsicht sowie aufgrund ihrer grafischen Gestaltung deutlich und sofort erkennbar voneinander unterscheiden, sodass keine unmittelbare Zuordnungsverwirrung zu befürchten sei.
5. Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss zu ändern und dem Widerspruch Folge zu geben. Hilfsweise stellt die Antragstellerin einen Aufhebungsantrag.
Die Antragsgegnerin erstattete keine Rekursbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt .
6. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.
6.1. Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (C 191/11 P, Yorma’s, Rz 43; EuG T 599/10, Eurocool, Rz 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159, T One mwN; ÖBl 2003, 182, Kleiner Feigling ua; RS0121500 [T4]; RS0121482; RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 10 Rz 397 ff mwN).
Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Kennzeichnungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (RS0121482). So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (C 39/97, Cannon/Canon, Rz 17).
Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RS0116294; 4 Ob 36/04d, FIRN; 17 Ob 36/08f, KOBRA/cobra-couture.at; Koppensteiner, Markenrecht 4 111 mwN). Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (C 39/97, Cannon/Canon, Rz 23; Koppensteiner, Markenrecht 4 117 mwN bei FN 108).
6.2. Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21; RS0117324; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 3 § 10 Rz 416 mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt ( quattro/Quadra; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; ecolex 2003, 608, More; RS0078944; C 342/97, Lloyd, Rn 26).
6.3. Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist für den Gesamteindruck in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RS0066779). Für die Ähnlichkeitsprüfung ist damit insbesondere auf Wortklang, Wortbild und Wortsinn Bedacht zu nehmen (RS0117324, RS0066753 [T9]; C 251/95, Sabel/Puma).
Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Klang, Bild oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a, GO; 4 Ob 55/04y = RS0079190 [T22], RS0108039, RS0117324, RS0079571; 4 Ob 57/14g, Ionit/Isonit ). Entscheidend ist der Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels; RS0117324). Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp, ua ÖBl 1993, 156, Loctite mwN; ÖBl 1996, 279, Bacardi/Baccara; ÖBl 1999, 82, AMC/ATC; EuGH Slg 1997, I 6191 = ÖBl 1998, 106, Sabel/Puma, Rz 23; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; ecolex 2003, 608, More; RS0117324; RS0066753; C 120/04, Thomson life, Rn 28; C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21) .
Dem Durchschnittsverbraucher bietet sich nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (C 342/97, Lloyd, Rn 26; C 291/00, Slg 2003, I 2799, LTJ Diffusion, Rn 52; C 104/01, Orange, Rn 64; 17 Ob 23/07t, Henson ; Om 6/11, revölution ; RS0117324 [T7]; 4 Ob 25/05p, Zorro ; Om 9/04, McCruise ). Schutzunfähige oder schwache Bestandteile, die den streitverfangenen Zeichen gemeinsam sind, tragen im Regelfall nur wenig zum Gesamteindruck bei, sodass schon geringe Abweichungen in den übrigen Bestandteilen ausreichen können, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (4 Ob 334/74, Pregnex/Pregtest; RS0066749, RS0066753; 17 Ob 18/11p, Junkerschinken ).
6.4. Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b, gotv ; 17 Ob /08h, Feeling/Feel ; 4 Ob 181/14t, Peter Max/Spannmax ; zuletzt 4 Ob 199/18w, Granny‘s ; RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr aber nur dann, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01, Jack Jones ; RS0079033 [T20], 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel ; 17 Ob 32/08t, Jukebox; RS0079033 [T26]).
6.5. Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RS0066553 [T13]; RW0000786; RW0000810). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden ( Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 30 Rz 10 f mwN). Die Verwechslungsgefahr ist somit eine Rechtsfrage und grundsätzlich keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227, Ritter/Knight; RW0000786).
7. In Anwendung dieser Grundsätze kommt das Rekursgericht zu einem anderen Ergebnis als die Rechtsabteilung. Es teilt die Ansicht der Antragstellerin, dass zwischen der Widerspruchsmarke und der angegriffenen Marke hinsichtlich der Waren und Dienstleistungen der Klassen 34 und 35 Verwechslungsgefahr besteht:
7.1. Die Antragstellerin zeigt zutreffend auf, dass der Wortbestandteil der Widerspruchsmarke zur Gänze in die angegriffene Marke aufgenommen und nur um den Buchstaben „s“ ergänzt wurde, der klanglich, bildlich und bedeutungsmäßig völlig in den Hintergrund tritt. Das übernommene Zeichen dominiert damit die angegriffene Marke. Der Antragstellerin ist auch zuzustimmen, dass die Bildbestandteile nur dekorative Funktion und keine vom Wortbestandteil wegführende Bedeutung haben, die das übernommene Zeichen gänzlich in den Hintergrund treten lassen würden. Dazu kommt die hochgradige Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit in den Klassen 34 und 35 („Raucherartikel“ und damit zusammenhängende Dienstleistungen), sodass die Verwechslungsgefahr zu bejahen ist. Auf die von der Rechtsabteilung betonten Unterschiede in den Details der grafischen Gestaltung kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.
7.2. Auch die weiteren Argumente der Rechtsabteilung überzeugen das Rekursgericht nicht: Aufgrund des farblich hervorgehobenen Gestaltungselements der (angedeuteten) Wasserpfeife wird der maßgebliche Durchschnittsverbraucher die angegriffene Marke weder mit Herrenanzügen („Smokings“) noch mit Königen („Kings“), sondern zunächst ausschließlich mit dem Rauchen („Smoking“) in Verbindung bringen. Wenn er dann den Buchstaben „K“ als Großbuchstaben beachten sollte, wird er möglicherweise die gedankliche Verbindung herstellen, dass die mit der angegriffenen Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen von besonderer Qualität sein werden, weil sie von den „Königen des Rauchens“ stammen. Auch in diesem Fall wird er die angegriffene Marke aber wie die Widerspruchsmarke auf der ersten Silbe („SMO“) und nicht, wie von der Rechtsabteilung angenommen, auf der zweiten Silbe („KINGS“) betonen. Den von der Rechtsabteilung betonten Unterschieden in den Details der grafischen Gestaltung könnte man im Übrigen deren Gemeinsamkeiten gegenüberstellen, etwa die hochgradig ähnliche Groß- und Kleinschreibung (mit Ausnahme des Buchstaben „K“) oder die ähnliche Schriftart (jeweils eine Art „Schreibschrift“). Jedenfalls kann keine Rede davon sein, dass die vollständig übernommene Widerspruchsmarke in der angegriffenen Marke gänzlich in den Hintergrund treten würde.
7.3. In Abänderung der Entscheidung der Rechtsabteilung ist daher dem Widerspruch Folge zu geben und die Registrierung der angegriffenen Marke in Bezug auf sämtliche Waren und Dienstleistungen der Klassen 34 und 35 aufzuheben.
8. Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 30.000 übersteigt (§ 59 Abs 2 AußStrG iVm § 139 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG).
9. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RS0111880 [Ermessensspielraum]; RS0066779 [T24]), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
[Der Oberste Gerichtshof hat den außerordentlichen Revisionsrekurs am 20.4.2021 zurückgewiesen, 4 Ob 48/21v.]