32Bs303/20y – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Vetter und den fac h kundigen Laienrichter Hofrat Dr. Mock als weitere Senat s mitglieder in der Vollzugssache des G***** P***** über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht vom 15. Oktober 2020, ***** , nach § 121b Abs 3 StVG in nicht öffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
1. Der Antrag auf Verfahrenshilfe wird zurückgewiesen.
2. Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben .
Text
B e g r ü n d u n g
G***** P***** ist aktuell gemäß § 21 Abs 2 StGB in der Justizanstalt ***** untergebracht. Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 3) wies das Landesgericht für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht seine Beschwerde vom 12. August 2020 (ON 1) als unzulässig zurück. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Genannte gemäß § 13 Abs 3 AVG mit Note vom 25. August 2020 aufgefordert worden sei, seine Eingabe zu konkretisieren, zumal dieser nicht zu entnehmen sei, wo r auf diese konkret abziele. Insbesondere sei der Eingabe nicht zu entnehmen, ob und bejahendenfalls gegen welche konkrete Entscheidung sich sein Rechtsmittel richte oder ob eine Verletzung einer Entscheidungspflicht behauptet werde. Gleichzeitig sei G***** P***** aufgefordert wo r den dem Verbesserungsauftrag binnen einer Frist von si e ben Tagen zu entsprechen, widrigenfalls der Antrag als unzulässig zurückgewiesen werde.
Das in § 120 Abs 1 StVG normierte Beschwerderecht jedes Strafgefangenen wegen Verletzungen seiner subje k tiv-öffentlichen Rechte setze eine Verletzung eines so l chen Rechts durch eine Entscheidung, eine Anordnung oder das Verhalten eines Strafvollzugsbediensteten oder (iVm § 121 Abs. 1 StVG) des Anstaltsleiters voraus. Eine Beschwerde gemäß § 120 StVG müsse den Gegenstand der Beschwerde, nämlich die angefochtene Entscheidung, Anor d nung oder das beschwerdegegenständliche Verhalten auf jede Verwechslung ausschließende Weise bezeichnen und darüber hinaus die Gründe für die Erhebung der Beschwerde, sofern sie nicht offenkundig seien, darlegen, wobei an eine Offenkundigkeit nicht vorgebrachter Beschwerdegründe ein strenger Maßstab anzulegen sei. Die Eingabe vom 12. August 2020 sei insofern mit einem Mangel im Sinne des § 13 Abs 3 AVG behaftet, als dieser der Gegenstand der Beschwerde im Sinne des § 120 StVG nicht zu entnehmen sei, weshalb eine abschließende Beurteilung des Falles nicht möglich sei. Der Verbesserungsauftrag vom 25. August 2020 stehe daher mit dem Gesetz im Ei n klang.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des G***** P*****, der zusammengefasst ausführt, dass sich seine 17-seitige Beschwerde vom 12. August 2020 dagegen richte, dass aufgrund alter Eintragungen in der IVV aus dem Jahr 2016 „keine Vorführung zu weiblichen Fach- und Betreuungspersonen“ erfolge und ihm Kontakt zur einzigen sozialarbeiterischen/ therapeutischen Betreuung verwehrt werde. Weiters wende er sich gegen die Verwehrung einer Therapie trotz Verurteilung zu § 21 Abs 2 StGB. Den Ve r besserungsauftrag habe er nicht beantwortet, weil er damit geistig überfordert sei. Überdies habe er alles und gegen wen sich die Beschwerde richte, dargestellt. Au f grund seiner Minderbegabung benötige er Verfahrenshilfe (ON 5).
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.
Ad 1) Zunächst war der in der Beschwerde(ON 5) gestellte Antrag auf Verfahrenshilfe zurückzuweisen. Da die Strafprozessordnung im Beschwerdeverfahren nach §§ 16 Abs 3, 16a StVG keine subsidiäre Wirkung entfaltet, gelangen neben den Bestimmungen des StVG allein die in § 17 Abs 2 StVG vorgesehenen Normen des AVG und des VStG zur Anwendung, welche die Gewährung von Verfahrenshilfe nicht vorsehen (RIS-Justiz RW0000767; OLG Wien 33 Bs 85/16s; Drexler/Weger 4 § 17 Rz 7).
Ad 2) Gemäß § 16 Abs 3 StVG entscheidet das Vol l zugsgericht am Sitz des Oberlandesgerichts, in dessen Sprengel die Freiheitsstrafe vollzogen wird, über Beschwerden Z 1. gegen eine Entscheidung oder Anordnung des Anstaltsleiters, Z 2. wegen Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts durch ein Verhalten des Anstaltsleiters und Z 3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Anstaltsleiter. Nur wenn sich eine Beschwerde gegen eine Entscheidung, Anordnung oder ein Verhalten des Anstaltsleiters oder gegen die Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Anstaltsleiter richtet und dieser der Beschwerde nicht selbst abhilft, hat darüber das Vollzugsgericht zu entscheiden.
Gemäß § 6 AVG - der aufgrund der Bestimmung des § 17 Abs 2 Z 1 StVG sinngemäß zur Anwendung kommt – hat eine Behörde bei ihr einlangende Anbringen, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen. Demnach hat das Vollzugsgericht zunächst seine sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen und einlangende Anbringen daraufhin zu überprüfen, ob es für die betreffende Sache zuständig ist. Die Frage der Zuständigkeit ist somit „eine stets notwendige verfahrensrechtliche Vorfrage eines Sachbegehrens“ (Hengst- schläger/Leeb, AVG § 6 Rz 7).
Gemäß dem gleichfalls im Verfahren sinngemäß zur Anwendung kommenden § 13 Abs 3 AVG (vgl § 17 Abs 2 Z 1 StVG) ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
Ein Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs 3 AVG ist eine nicht selbstständig anfechtbare Verfahrensanordnung. Mangels Rechtskraftsfähigkeit kann daher nur ein dem Gesetz entsprechender Verbesserungsauftrag Grundlage für eine Zurückweisung des Antrags gemäß § 13 Abs 3 AVG sein ( Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 29). Sohin war fallkonkret zu prüfen, ob erkennbar ist, worauf die Eingabe ON 1 gerichtet war (als welches Anbringen sie intendiert ist), weil nur dann ein Abwe i chen von den für ein solches Anbringen normierten Anfo r derungen bzw die Notwendigkeit von bestimmten „Verbess e rungen“ gem § 13 Abs 3 AVG festgestellt werden kann ( Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 26/1).
G***** P***** leitet seine (an das Vollzugsgericht gerichtete) Eingabe vom 12. August 2020 (ON 1) mit „Beschwerde gem. § 121 StVG“ ein und wendet sich - wie sich schon aus dem „Betreff“ (ON 1 S 1) ergibt - „gegen die h.o. Maßnahmedepartmentleiterin Frau Mag. W*****, wegen Verwährung einer sozialarbeiterlichen/therapeutischen Betreuung durch die Abt. zuständige DSA – Fr. Mag. B*****, u. der Verwährung einer Therapiebehandlung“. Weiters wird etwa ein Antrag auf konstante Betreuung durch die zuständigen Fachdienste gestellt und auch die Aufhebung der Anordnung der Löschung von Sicherheitsve r merken aus der IVV beantragt (ON 1 S 7).
Wie vom Vollzugsgericht zutreffend erkannt, spricht der Beschwerdeführer in dieser Eingabe keine konkrete Entscheidung des Anstaltsleiters an (ON 2), denn En t scheidungen sind inhaltliche Erledigungen von Ansuchen oder Beschwerden (vgl Pieber in W K 2 StVG § 16 Rz 11/3, Drexler / Weger StVG4 § 120 Rz 4). § 22 Abs 3 erster Satz StVG normiert, dass Entsche i dungen der Vollzugsbehörden oder Anordnungen derselben oder ihrer Organe ohne förmliches Ermittlungsverfahren und ohne Bescheid zu erlassen sind. Es ist dabei zunächst gleichgültig, ob durch diese Anordnungen und Entscheidu n gen subjektiv-öffentliche Rechte des Strafgefangenen begründet werden oder nicht ( Drexler/Weger , StVG4 § 22 Rz 4). Wenn aber der Strafgefangene behauptet durch die Entscheidung oder Anordnung in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt worden zu sein, ist ein formelles, mit Bescheid zu erledigendes Beschwerdeverfahren nach §§ 120 f StVG durchzuführen ( Drexler/Weger , StV G 4 § 22 Rz 5). Mit diesem Bescheid ist über das Vorbringen entweder bei Vorliegen eines subjektiv-öffentlichen Rechts inhaltlich abzusprechen oder die Beschwerde aus formellen Gründen oder mangels Bestehen eines solchen Rechtes zurückzuweisen ( Drexler/Weger , StVG4 aao). Für die Frage, ob der Anstaltsleiter über eine Beschwerde des Strafgefangenen mit Bescheid zu entscheiden hat, kommt es nicht darauf an, ob die Behauptung der Verletzung subjektiver Rechte letztlich zu Recht besteht oder nicht, sondern lediglich darauf, ob nach dem Inhalt der Beschwerde erkennbar das Ziel verfolgt wird, dass eine bereits individuell eingetretene Rechtsverletzung bescheidmäßig festgestellt wird ( Drexler / Weger StVG4 § 122 Rz 2, § 120 Rz 7).
Aus der Eingabe ON 1 ist zu folgern, dass G***** P***** mehrere Anliegen zum Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens nach §§ 120 f StVG machen und eine bescheidförmige Entscheidung erwirken wollte. Von einem verbesserungsfähigen Mangel, den das Vollzugsgericht wahrzunehmen hätte, ist hingegen nicht auszugehen, sondern wäre gemäß § 6 AVG – mangels einer aus der Eingabe abzuleitenden Zuständigkeit des Vollzugsgerichts - eine Überweisung der Eingabe an den Anstaltsleiter vorzunehmen gewesen, zumal der Beschwerdeführer eine bescheidförmige Erledigung bereits individuell eingetretener Rechtsverletzungen anstrebt.
Die Eingabe ON 1 wird daher vom Vollzugsgericht zuständigkeitshalber dem Anstaltsleiter zu überweisen sein.