33R70/20b – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat ***** wegen des Widerspruchs gegen die Wortbildmarke Nr 291.315 über den Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 9.10.2017, WM 48/2017-2, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
1. Zur Beurteilung stehen einander folgende Marken gegenüber:
Die Antragstellerin trägt vor, die Zeichen seien ident, zumindest aber verwechselbar ähnlich. Der Antragsgegner wendet ein, es fehle die Gleichheit und die Ähnlichkeit und es bestehe keine Verwechslungsgefahr. Der markante Bildbestandteil (Kaffeetasse) beseitige eine allfällige Verwechslungsgefahr.
2. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 9.10.2017 gab die Rechtsabteilung dem Widerspruch statt und hob die Registrierung der angegriffenen Marke hinsichtlich aller Dienstleistungen auf.
3. Dagegen richtet sich der Rekurs des Antragsgegners, der erkennbar unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, die Entscheidung zu ändern und den Widerspruch abzuweisen, in eventu die Entscheidung aufzuheben und der Rechtsabteilung eine neue Entscheidung aufzutragen.
Die Antragstellerin verband mit der Rekursbeantwortung, die am 16.4.2018 beim Patentamt einlangte, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist für die Rekursbeantwortung. Die Antragstellerin beantragte, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Die Rechtsabteilung gab dem Wiedereinsetzungsantrag mit Beschluss vom 15.11.2019 statt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
4.1 Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RS0066553 [T13]; RW0000786; RW0000810). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden ( Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 30 Rz 5 f mwN).
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören – ausgehend vom Registerstand – insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl C 39/97, Cannon/Canon, Rz 23; Koppensteiner, Markenrecht 4 117 mwN bei FN 108).
Die an die Identität grenzende Dienstleistungsähnlichkeit liegt im vorliegenden Fall auf der Hand.
4.2 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB C 191/11 P, Yorma’s, Rz 43; EuG T 599/10, Eurocool, Rz 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159, T One mwN; ÖBl 2003, 182, Kleiner Feigling ua; RS0121500, insb T4; RS0121482; RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10 Rz 51 ff mwN).
4.3 Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21; RS0117324; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10 Rz 94 mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (4 Ob 61/90, quattro/Quadra; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; 4 Ob 10/03d = ecolex 2003, 608, More; RS0078944; C 342/97, Lloyd, Rn 26).
Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich keinem Beweisverfahren zugänglich (4 Ob 13/94 = ÖBl 1994, 227, Ritter/Knight; RW0000786).
4.4 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a, GO; 4 Ob 55/04y = RS0079190 [T22], RS0108039, RS0117324, RS0079571; 4 Ob 57/14g, Ionit/Isonit ). Entscheidend ist dabei der Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels; RS0117324). Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp) . Dem Durchschnittsverbraucher bietet sich nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (C 342/97, Lloyd, Rn 26; C 291/00, Slg 2003, I 2799, LTJ Diffusion, Rn 52; C 104/01, Orange, Rn 64; 17 Ob 23/07t, Henson ; Om 6/11, revölution ; RS0117324 [T7]; 4 Ob 25/05p, Zorro ; Om 9/04, McCruise ).
4.5 Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b, gotv; 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel; 4 Ob 181/14t, Peter Max/Spannmax; zuletzt 4 Ob 199/18w, Granny‘s; RIS-Justiz RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01, Jack Jones ; RIS-Justiz RS0079033 [T20], 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel ; 17 Ob 32/08t, Jukebox; RIS-Justiz RS0079033 [insb T26]).
5. Ausgehend von diesen Überlegungen bedarf die Entscheidung der Rechtsabteilung keiner Korrektur, weil der dominierende Textbestandteil „Mahlwerk“ unverändert in die angegriffene Marke übernommen wurde. Dass sich die Schreibweise dadurch voneinander unterscheidet, dass in einem Fall Blockbuchstaben und im anderen Fall eine etwas stilisierte Druckschrift verwendet wurde(n), ändert an dieser Überlegung genauso wenig wie der Umstand, dass bei der angegriffenen Marke dem Hauptwort „Mahlwerk“ noch der Artikel „das“ vorangestellt ist.
Die Dominanz des Texts „Mahlwerk“, der besonders mit der Zubereitung von Kaffee assoziiert wird, bewirkt auch – insbesondere auch wegen der an die Identität grenzenden Dienstleistungsähnlichkeit –, dass die grafischen Elemente bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ausreichend weit in den Hintergrund treten, sodass sie die Verwechslungsgefahr nicht beseitigen.
6. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880 [Ermessensspielraum]; RIS-Justiz RS0066779 [T24]), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.