133R138/19w – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden, den Richter Dr. Stiefsohn und den fachmännischen Laienrichter Patentanwalt DI Dr. Poth, MBA, in der Patentrechtssache des Antragstellers M***** , vertreten durch die Hübscher Partner Patentanwälte GmbH in Linz, wider die Antragsgegnerin E***** , vertreten durch die Kliment Henhapel Patentanwälte OG in Wien, wegen Nichtigkeit des Patents Nr. AT 507 995 (im Umfang der Ansprüche 1 bis 10 und 19 bis 20) über die Berufung des Antragstellers gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 14.8.2019, N 7/2017-7, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen die Kosten des Berufungsverfahrens von EUR 3.074,40 (darin EUR 512,40 USt) zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Text
1. Die Antragsgegnerin ist die Inhaberin des österreichischen Patents Nr. 507 995 betreffend eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Bekämpfen von bienenschädlichen Milben (in der Folge kurz: „ angegriffenes Patent“). Es wurde am 11.5.2009 angemeldet, am 10.6.2010 erteilt und am 15.10.2010 veröffentlicht. Es umfasst 20 Patentansprüche (die Verfahrensansprüche 1 bis 9, die Vorrichtungsansprüche 10 bis 18 und die Verwendungsansprüche 19 und 20). Der Vorrichtungsanspruch 10 lautet wie folgt:
«10. Vorrichtung (100) zum Bekämpfen von bienenschädlichen Milben durch Wärmeeinwirkung mittels eines Warmluftstroms in ein Brutzellen enthaltendes Behältnis, insbesondere in eine Zarge für einen Bienenstock, wobei die Vorrichtung (100) eine Wärmequelle (101) und eine Luftführung (102) zum Erzeugen eines Warmluftstroms aufweist und der Vorrichtung (100) eine Temperaturregeleinrichtung (110) zum Regeln der Lufttemperatur des Warmluftstroms mit zumindest einem Temperaturfühler (111, 112) zugeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Vorrichtung (100) weiters eine Befeuchtungseinrichtung (104, 109, 103) zum Befeuchten des Warmluftstroms aufweist und dass der Temperaturfühler (111, 112) in zumindest eine der Brutzellen (114) hineinragt oder an einer von außen zugänglichen Oberfläche einer Brutzelle angeordnet ist.»
Das angegriffene Patent beschreibt die Aufgaben der Erfindung und die technische Wirkung der Vorrichtung nach dem Anspruch 10 wie folgt:
«[0011] Es ist eine Aufgabe der Erfindung, ein verbessertes und kontrollierbares Verfahren zum Bekämpfen von in Brutzellen befindlichen Milben bereitzustellen, mit welchem die Milben effektiv bekämpft, insbesondere abgetötet, werden, aber die Bienenbrut nicht geschädigt wird. Weiters ist es eine Aufgabe der Erfindung, eine Vorrichtung bereitzustellen, welche zum Durchführen des Verfahrens geeignet ist. Darüber hinaus soll die Vorrichtung kostengünstig in der Herstellung und im Betrieb, praktikabel in der Anwendung und insbesondere leicht zu transportieren sein.
[0012] Diese Aufgabe wird mit einem Verfahren wie eingangs genannt gelöst, mit den folgenden, an einer aus einem Bienenstock entnommenen und von ansitzenden Bienen befreiten Brutwabe mit Brutzellen ausgeführten Schritten:
[0013] – Erwärmen der entnommenen Brutwabe mittels des regelbaren Warmluftstroms, wobei der Warmluftstrom befeuchtet wird und die relative Luftfeuchtigkeit des so befeuchteten Warmluftstroms zumindest 70 % beträgt, und wobei die Brutzellen bis zum Erreichen einer Brutzellentemperatur, welche 39 bis 42 Grad Celsius beträgt, erwärmt werden, und
[0014] – Halten der Brutzellentemperatur für einen vorgebbaren Zeitraum. […]
[0016] Diese Aufgabe wird weiters mit einer Vorrichtung der eingangs genannten Art gelöst, welche erfindungsgemäß eine Befeuchtungseinrichtung zum Befeuchten des Warmluftstroms aufweist und wobei der Temperaturfühler in zumindest eine der Brutzellen hineinragt oder an einer von außen zugänglichen Oberfläche einer Brutzelle angeordnet ist. […]
[0019] Durch die Messung und Regulierung der Temperatur in der Brutzelle, also an dem Ort, an dem sich die Milben befinden, kann die Bekämpfung der Milben zielgerichteter und kontrollierbarer als mit den bekannten Vorrichtungen bzw. Verfahren durchgeführt werden. Es existiert nur ein sehr schmales Temperaturband zwischen der für die Milben tödlichen Brutzellentemperatur und der Temperatur, die auch die Bienenbrut schädigen würde. Daher ist es von großem Vorteil, die Temperatur unmittelbar in der Brutzelle zu messen und zu regeln. Auf diese Weise kann einer möglichen Überhitzung der Brut durch eine kontrollierte Messung der Brutzellentemperatur entgegengewirkt werden.»
2. Der Antragsteller beantragte die teilweise Nichtigerklärung des angegriffenen Patents im Umfang der Verfahrensansprüche 1 bis 9, des Vorrichtungsanspruchs 10 und der Verwendungsansprüche 19 und 20. Zum Vorrichtungsanspruch 10 brachte er zusammengefasst vor, er beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, und stützte sich auf die ./D, ./E und ./G sowie die folgenden Veröffentlichungen:
3. Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Antrags. Zum Vorrichtungsanspruch 10 entgegnete sie, er beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4. Die Nichtigkeitsabteilung (NA) gab dem Antrag teilweise statt und erklärte das angegriffene Patent im Umfang der Ansprüche 1 bis 9 sowie 19 und 20 – rechtskräftig – für nichtig, weil diese Ansprüche dem Erteilungshindernis des § 2 Abs 1 Z 2 PatG (Verfahren zur therapeutischen Behandlung des tierischen Körpers) unterlägen.
Hinsichtlich des Anspruchs 10 wies sie den Antrag mit der Begründung ab, der Gegenstand dieses Anspruchs sei neu und erfinderisch.
Zur erfinderischen Tätigkeit führte sie aus, der nächstliegende Stand der Technik ergebe sich aus der ./F, die eine Brut- und Behandlungseinrichtung für Bienen mit thermischer Bekämpfung bienenschädlicher Milben beschreibe. Die objektive technische Aufgabe bestehe darin, die vorhandenen Vorrichtungen zur thermischen Varroa-Bekämpfung dahingehend zu verbessern, dass eine genaue Kontrolle der Temperatur innerhalb der Brutzellen, wo sich die Bienenlarven mit den anhaftenden Milben befinden, ermöglicht werde. Die Vorrichtung nach Anspruch 10 unterscheide sich von der Vorrichtung nach der ./F durch einen Temperaturfühler, der in zumindest eine der Brutzellen hineinrage oder an einer von außen zugänglichen Oberfläche einer Brutzelle angeordnet sei. Damit könne die Temperatur innerhalb der Brutzellen, wo sich die Bienenlarven mit den anhaftenden Milben befinden, genau kontrolliert werden. Dies sei notwendig, weil nur ein sehr schmales Temperaturband existiere zwischen der für die Milben tödlichen Brutzellentemperatur und der Temperatur, die auch die Bienenbrut schädigen würde.
Die beanspruchte Erfindung sei für eine Fachperson auch aufgrund der ./D, ./E und ./G nicht naheliegend gewesen. Dasselbe gelte für die ./H und ./J:
Die ./H behandle das Verhalten von Bienen, die vorübergehend leere Brutwaben beziehen, und dessen Auswirkungen auf das Klima der benachbarten Brutzellen. Sie befasse sich nicht mit der thermischen Bekämpfung bienenschädlicher Milben, die sie nur in der Einleitung ganz allgemein erwähne, und wäre daher von einer Fachperson nicht herangezogen worden.
Die Vorrichtung nach der ./J unterscheide sich nach Ziel und Methodik wesentlich vom Stand der Technik: Die Erhitzung der Bienenwabe erfolge nicht mit einem Warmluftstrom, sondern mit Widerstandsdrähten, die Behandlung ziele nicht auf alle Bienenlarven, sondern ausschließlich auf die Drohnenbrut ab, und die Vorrichtung könne nicht an vorhandene Bienenkästen angebracht werden, sondern erfordere speziell präparierte Bienenkästen. Die ./J sehe zwar ein Messgerät vor, um die Temperatur der Wabe zu messen, die Position des Messfühlers bleibe aber unklar. Eine Fachperson hätte daher keine Veranlassung, den Stand der Technik unter Berücksichtigung der Lehre von ./J zu ändern oder anzupassen und somit zum Gegenstand des Vorrichtungsanspruchs 10 zu gelangen.
5. Gegen die Teilabweisung im Umfang des Anspruchs 10 richtet sich die Berufung des Antragstellers aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung der NA abzuändern und das angegriffene Patent auch im Umfang des Anspruchs 10 für nichtig zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist im Ergebnis nicht berechtigt.
6. Ein Patent ist für nichtig zu erklären, wenn der Anspruch nicht patentierbar war (§ 48 Abs 1 Z 1 PatG; 4 Ob 228/18k, Glatirameracetat ).
Eine erfinderische Tätigkeit liegt nach § 1 Abs 1 PatG vor, wenn sich die Neuerung für die Fachperson nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Die erfinderische Tätigkeit fehlt aber nicht schon dann, wenn die Fachperson aufgrund des Stands der Technik zur Erfindung gelangen hätte können, sondern erst, wenn sie sie aufgrund eines hinreichenden Anlasses in Erwartung einer Verbesserung oder eines Vorteils auch tatsächlich vorgeschlagen hätte – could-would-approach.
Diese Prüfung kann insbesondere nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz erfolgen, der sich in drei Phasen gliedert: a) Ermittlung des „nächstliegenden Stands der Technik“, b) Bestimmung der zu lösenden „objektiven technischen Aufgabe“ und c) Prüfung der Frage, ob die beanspruchte Erfindung angesichts des nächstliegenden Stands der Technik und der objektiven technischen Aufgabe für die Fachperson naheliegend gewesen wäre (stRsp, zuletzt etwa 4 Ob 17/15a, Gleitlager; 4 Ob 80/18w, Wischkopf; 4 Ob 228/18k, Glatirameracetat ).
7. Der nächstliegende Stand der Technik ist die ./F (Entscheidungsseite [ES] 23; Berufungsseite [BS] 2-9).
8. Die objektive technische Aufgabe besteht allgemein darin, durch Änderung oder Anpassung des nächstliegenden Stands der Technik die technischen Effekte oder Wirkungen zu erzielen, die die Erfindung von ihm unterscheidet ( Wildhack/Groß/Müller-Huber in Stadler/Koller, PatG Nach § 3 (1) Rz 52, 59).
Zu den technischen Wirkungen, die das angegriffene Patent von der ./F unterscheiden, hat die NA auf den einleitend zitierten Absatz [0019] des angegriffenen Patents verwiesen (ES 23, offenbar irrtümlich als „Absatz [0016]“ bezeichnet). Auf dieser Grundlage hat sie die objektive technische Aufgabe darin gesehen, „die vorhandenen Vorrichtungen zur thermischen Varroa-Bekämpfung dahingehend zu verbessern, dass eine genaue Kontrolle der Temperatur innerhalb der Brutzellen, wo sich die Bienenlarven mit den anhaftenden Milben befinden, ermöglicht wird. Dies ist notwendig, denn es existiert nur ein sehr schmales Temperaturband zwischen der für die Milben tödlichen Brutzellentemperatur und der Temperatur, die auch die Bienenbrut schädigen würde“ (ES 23-24). Der Antragsteller teilt diese Ansicht (BS 3, 5).
9. Zur Anwendung des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes im konkreten Fall hat das Berufungsgericht, dem die umfassende rechtliche Prüfung der Entscheidung obliegt, erwogen:
9.1 Die NA und der Antragsteller vermengen dabei die objektive technische Aufgabe mit deren Lösung . Die auch in Absatz [0019] des angegriffenen Patents angesprochene, über den nächstliegenden Stand der Technik hinausgehende technische Wirkung des Anspruchs 10 ist, dass die Bekämpfung der Milben „zielgerichteter und kontrollierter als mit den bekannten Vorrichtungen bzw. Verfahren“ durchgeführt werden kann. Dies steht im Einklang mit dem Absatz [0011] des angegriffenen Patents, der es als die Aufgaben der Erfindung beschreibt, „ein verbessertes und kontrollierbares Verfahren zum Bekämpfen von in den Brutzellen befindlichen Milben bereitzustellen, mit welchem die Milben effektiv bekämpft, insbesondere abgetötet, werden, aber die Bienenbrut nicht geschädigt wird“, und „eine Vorrichtung bereitzustellen, welche zum Durchführen des Verfahrens geeignet ist“.
Der weitere Inhalt des Absatzes [0019] des angegriffenen Patents bezieht sich in der Zusammenschau mit Absatz [0013] dagegen auf die konkrete Erfindung , mit der die über den nächstliegenden Stand der Technik hinausgehende technische Wirkung erzielt wird, nämlich durch eine Vorrichtung für das Erwärmen der Brutwabe mittels eines regelbaren Warmluftstroms mit 70 % relativer Luftfeuchtigkeit und einer Temperatur von 39 bis 42 Grad Celsius sowie die Messung und Regulierung der Temperatur unmittelbar in der Brutzelle, also an dem Ort, an dem sich die Milben befinden. Dieser Teil der Patentschrift beschreibt somit nicht die objektive technische Aufgabe, sondern deren Lösung durch den Vorrichtungsanspruch 10.
Abgegrenzt von der ./F als nächstliegendem Stand der Technik besteht damit die objektive technische Aufgabe allein darin, eine Vorrichtung zum Bekämpfen von bienenschädlichen Milben durch Wärmeeinwirkung zur Verfügung zu stellen, bei der die Bekämpfung der Milben zielgerichteter und kontrollierbarer abläuft, das heißt möglichst ohne dass die Bienen – in jeglichem Entwicklungsstadium – dabei zu Schaden kommen (so auch S 21 in ./I = Gutachten im Verfahren des Handelsgerichts Wien, 34 Cg 65/16i).
9.2 Die Lösung dieser objektiven technischen Aufgabe erfolgte in der hier zu beurteilenden Erfindung , dem Vorrichtungsanspruch 10, also durch eine Temperaturregeleinrichtung mit zumindest einem Temperaturfühler, der in zumindest eine der Brutzellen hineinragt oder an einer von außen zugänglichen Oberfläche einer Brutzelle angeordnet ist, mit deren Hilfe das oben genannte Lufttemperatur-Band und die genannte relative Luftfeuchtigkeit erzielt werden. Der Ansicht der NA und des Antragstellers, dass diese Lösung in die Formulierung der Aufgabe einzubeziehen sei, vermag sich das Berufungsgericht nicht anzuschließen.
9.3 Aufgabe und Lösung sind einander wie folgt gegenüberzustellen:
9.4 Damit bleibt nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz zu klären, ob der Vorrichtungsanspruch 10 angesichts des nächstliegenden Stands der Technik und der objektiven technischen Aufgabe für die Fachperson naheliegend gewesen wäre (sodass sie ihn aufgrund eines hinreichenden Anlasses in Erwartung einer Verbesserung oder eines Vorteils auch tatsächlich vorgeschlagen hätte ). Der Antragsteller will dies zuletzt nur noch aufgrund der ./J in Zusammenschau mit der ./H bejahen (BS 3-9). Auf die ./D, ./E und ./G, mit denen sich die NA im Übrigen überzeugend auseinandergesetzt hat (ES 24-25), stützt er sich in der Berufung nicht mehr.
9.5 Der Antragsteller fasst richtig zusammen, dass die ./J die folgenden Merkmale offenbart: a) Durch die direkte oder indirekte Erwärmung der Drohnenlarven oder -puppen werden die Milben getötet, b) zur direkten Temperaturüberwachung der Wabe sind Mittel zur Temperaturmessung auf oder innerhalb der Wabe vorgesehen und c) zur Bestätigung der Heizschaltung können elektronische Steuermittel vorgesehen sein (BS 5). Es liegt daher zwar nahe, dass die Fachperson aus der ./J den Schluss zieht, die Milbenbekämpfung durch Mittel zur Temperaturüberwachung, insbesondere durch einen Temperaturfühler, zu optimieren. Nicht hingegen legt die ./J die beschriebene und konkret bemessene Temperaturband-Luftfeuchtigkeits-Atmosphäre zum Erhalten der Bienenbrut bei gleichzeitiger Tötung der Milben nahe.
Auch die Bezugnahme nur auf die Drohnenbrut, das Erfordernis speziell präparierter Bienenkästen und die Erhitzung der Brutwabe mit Widerstandsdrähten (ES 25) in der ./J führen die Fachperson nicht zu diesem Schluss, weil der Fachperson die Verwendung eines bestimmten Temperaturbands als Neuerung des angegriffenen Patents gegenüber dem Stand der Technik unabhängig von der Art der Bienenlarven, der Konstruktion des Bienenkastens und der Methode der Erhitzung der Brutwabe als nützlich erscheint, um die Milbenbekämpfung zu optimieren.
9.6 Der Antragsteller zeigt zwar auf, dass sich die Neuerung des angegriffenen Patents in Zusammenschau der ./J mit der ./H (die jeweils für sich genommen nicht neuheitsschädlich sind) für die Fachperson in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt (BS 7-8), blendet aber dabei den wesentlichen Aspekt der erzielten Lösung (nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz) aus, nämlich die Verwendung eines bestimmt bemessenen Temperaturbands zur Erfüllung der Aufgabe. Die Fachperson weiß auf der Grundlage der Entgegenhaltungen ./J und ./H nicht, dass nur dieses schmale Temperaturband (verbunden mit einer bestimmten relativen Luftfeuchtigkeit) existiert zwischen der für die Milben schon tödlichen Brutzellentemperatur und der darüber liegenden Temperatur, die auch die Bienenbrut schädigen würde.
Der ./J hat die Fachperson die Anregung zur Temperaturüberwachung durch Mittel zur Temperaturmessung entnommen und der Dissertation ./H (= ./4) mit dem Titel „Wärmeübertragung im Brutbereich der Honigbiene“ (die das Berufungsgericht nicht als „gattungsfremdes Dokument“ sieht) die Verwendung der Temperaturmessung im Inneren der Brutzelle (S 31):
«Von der abgewandten Seite des Beobachtungsstocks wurden Temperaturfühler (2 NTC-Thermistoren und 3 NiCr-Ni Thermoelemente) in den Boden von 5 gedeckelten Brutzellen implantiert. Dadurch blieben die Brutzelldeckel auf der Beobachtungsseite unbeschädigt, und die Bewegung der Bienen wurde nicht durch die wegführenden Drähte behindert (Abb. 15). […] Nach der Positionierung des Zellenfinders über einer auf der Beobachtungsseite des Stocks liegenden geeigneten Brutzelle wurde auf der Rückseite mit der Stahlnadel (Durchmesser 1 mm) ein kleines Loch in den Zellboden gebohrt. Der Temperaturfühler wurde implantiert (Abb. 15) und die wegführenden Drähte mit Klebeband am Gehäuse befestigt. Am Ende des Versuchs wurden die Temperaturfühler nach vorne durch die Zelldeckel gedrückt, um ihre Position in der angewählten Zelle zu bestätigen.»
Die von der ./J zur Temperaturüberwachung durch Mittel zur Temperaturmessung angeregte Fachperson kann somit der ./H die Idee, einen Temperaturfühler direkt in die Brutzelle einzuführen , und die Methode der Umsetzung dieser Idee entnehmen.
Damit liegt für die Fachperson noch nicht der Schluss nahe, die Varroa-Bekämpfung bei gleichzeitigem Überleben der Bienenbrut mittels des Temperaturbands zu ermöglichen.
9.7 Wiewohl dieses Verfahren, das in den Ansprüchen 1 bis 9 offenbart war, keinen Patentschutz genießt, weil es der therapeutischen Behandlung des tierischen Körpers dient, ermöglicht das Gesetz in § 2 Abs 1 Z 2 letzter Halbsatz PatG den Patentschutz für Erzeugnisse zur Anwendung eines solchen Verfahrens. Bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit fließt somit auch die Prüfung mit ein, ob das mit Hilfe des zu schützenden Erzeugnisses ermöglichte Verfahren neu und erfinderisch ist, und es kommt nicht nur darauf an, ob das Erzeugnis als solches erfinderisch ist (gleichgalagert bei medizinisch-therapeutischen Präparaten, die nicht als solche neu sind – vgl Timmann in Haedicke/Timmann, Handbuch des Patentrechts 2 § 3 Rz 71). Die Wendung „Erzeugnisse (insbesondere Stoffe oder Stoffgemische)“ in § 2 Abs 1 Z 2 letzter Halbsatz PatG beschränkt die Ausnahme ausdrücklich nicht auf Wirkstoffe.
Die im Verfahren vorgekommenen Entgegenhaltungen legen dieses Verfahren zur Bekämpfung der Varroa-Milbe und auch die Verwendung des Erzeugnisses laut Anspruch 10 nicht nahe.
Dass zum Erhalten einer bestimmten Temperatur Temperaturfühler dort angebracht werden, wo es auf die Erhaltung der Temperatur gerade ankommt, wäre weder neu noch erfinderisch, doch legt der Stand der Technik nicht nahe, diese Fühler in eine Brutzelle von Bienen hineinragen zu lassen, weil die Erhaltung eines bestimmten Temperaturbands in Verbindung mit einer bestimmten relativen Luftfeuchtigkeit zur Erhaltung der Brut bei gleichzeitiger Tötung der Milben dem Stand der Technik nicht angehörte.
9.8 Zwar nennt der Anspruch 10 dieses Temperaturband nicht konkret. Da die Patentansprüche gemäß § 22a Abs 1 PatG jedoch auch unter Berücksichtigung der Beschreibung auszulegen sind, schadet es nicht, dass das erfinderische Merkmal nicht im Patentanspruch, sondern in den Absätzen [0013] und [0014] (sowie überdies im Patentanspruch 1 und in den Patentansprüchen 2 bis 9) beschrieben ist.
10. Das Berufungsgericht sieht somit das Ergebnis der Entscheidung der NA nicht als korrekturbedürftig an.
11. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 122 Abs 1, 141 Abs 1 PatG iVm den §§ 41 Abs 1, 50 ZPO.
12. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands beruht auf § 500 Abs 2 Z 1 ZPO und ergibt sich aus der Bedeutung von Patentansprüchen im Wirtschaftsleben.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zu lösen war.