JudikaturOLG Wien

133R61/19x – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
25. März 2020

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungs- und Rekursgericht in der Rechtssache der klagenden Partei ***** , vertreten durch die Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, wider die beklagten Parteien 1. A***** , vertreten durch die e/n/w/c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, und 2. ***** , vertreten durch die Kaan Cronenberg Partner Rechtsanwälte GmbH Co KG in Graz, wegen zuletzt EUR 27.027,19 s. A.

I. aus Anlass der Berufung der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 29.3.2019, 23 Cg 13/18i-32, sowie des Rekurses des klagenden Partei gegen die darin enthaltene Kostenentscheidung (Rekursinteresse: EUR 1.186,20), soweit er die erstbeklagte Partei betrifft, durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden, die Richterin Mag. a Janschitz und den Richter Dr. Stiefsohn den

Beschluss

gefasst:

Spruch

In Ansehung der erstbeklagten Partei werden die Akten dem Erstgericht zurückgestellt.

II. über die Berufung der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 29.3.2019, 23 Cg 13/18i-32, durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden, den Richter Dr. Stiefsohn und den Kommerzialrat Ing. Mitsch in nicht öffentlicher Sitzung (§ 480 Abs 1 ZPO) zu Recht erkannt:

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.395,92 (darin enthalten EUR 399,32 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die Entscheidung über den Ersatz des mit EUR 239,34 (darin enthalten EUR 39,89 USt) verzeichneten Streitgenossenzuschlags bleibt bis zur Entscheidung über die Berufung der erstbeklagten Partei vorbehalten.

Die ordentliche Revision ist zulässig.

III. über den Rekurs der klagenden Partei gegen die im angefochtenen Urteil enthaltene Kostenentscheidung (Rekursinteresse: EUR 1.186,20), soweit er die zweitbeklagte Partei betrifft, durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden, die Richterin Mag. a Janschitz und den Richter Dr. Stiefsohn den

Beschluss

gefasst:

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung des Erstgerichts in Ansehung der zweitbeklagten Partei wird abgeändert und lautet:

„Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 7.596,44 (darin EUR 1.045,60 USt und EUR 1.322,82 Barauslagen) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 194,11 (darin EUR 32,35 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Begründung zu I .

Text

Die Bezeichnung der Erstbeklagten wurde im Kopf der Entscheidung entsprechend dem Firmenbuchstand richtiggestellt (Änderung der Firma eingetragen am 19.2.2020 aufgrund des Antrags vom 17.2.2020).

Nach Vorlage der Akten an das Berufungsgericht wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom ***** das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Erstbeklagten eröffnet. Eine Streitigkeit iSd § 6 Abs 3 IO liegt nicht vor. Das Verfahren ist daher in Ansehung der Erstbeklagten mit 3.3.2020 unterbrochen (§§ 7 Abs 1, 2 Abs 1 IO).

Die Insolvenzeröffnung ist auch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0036752 [T12]). Verfällt eine der Parteien nach Erhebung des Rechtsmittels und nach Vorlage der Akten an die Rechtsmittelinstanz in Insolvenz, ist über das Rechtsmittel, sofern Gegenstand des Rechtsstreits – wie hier – ein zur Insolvenzmasse gehöriges Vermögen ist, während der Dauer der Unterbrechung des Verfahrens nicht zu entscheiden, sondern sind die Akten zunächst dem Erstgericht zurückzustellen (RIS-Justiz RS0036752; RS0037039). Eine Entscheidung über die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingebrachte Berufung ist erst nach Fortsetzung des Verfahrens zulässig (RIS-Justiz RS0036996 [T13]).

Entscheidungsgründe zu II .

I. Sachverhalt:

Der Kläger erwarb von der Erstbeklagten in 61 Transaktionen von 7.1.2003 bis 14.8.2007 zu unterschiedlichen Kursen insgesamt 3.954,17 XY-Zertifikate um EUR 59.009,51 (inklusive Spesen) und verkaufte in vier Transaktionen von 23.1.2007 bis 21.7.2008 zu unterschiedlichen Kursen insgesamt 1.600,30 XY-Zertifikate um EUR 19.865,65. Vor der Klagseinbringung (8.5.2017) erhielt er EUR 5.725,79 Dividende und EUR 6.390,88 aus einem Vergleich mit der A***** Limited. Zuletzt hielt er 2.353,87 XY-Zertifikate, auf die er insgesamt EUR 27.027,19 aufgewendet hatte.

II. Anträge und Vorbringen der Parteien:

Der Kläger begehrte von den Beklagten zuletzt (S 2 in ON 20) zur ungeteilten Hand die Zahlung von EUR 27.027,19 s. A. gegen Übertragung seiner 2.353,87 XY-Zertifikate und stützte sich dabei im Wesentlichen auf Schadenersatz wegen arglistiger Irreführung über die Risikogeneigtheit, wegen Kursmanipulationen durch Zertifikatsrückkäufe und wegen unrichtiger Ad-Hoc-Mitteilungen der XY über die erfolgreiche Platzierung von Kapitalerhöhungen, auf Prospekthaftung und auf Vertragsanfechtung wegen arglistiger Irreführung. Er brachte zusammengefasst vor, die Erstbeklagte habe ihn über die ihr zuzurechnenden Berater und Werbebroschüren arglistig über wesentliche Umstände der Veranlagung getäuscht, insbesondere über ihre Risikogeneigtheit. Dem Kläger sei vorgespiegelt worden, dass XY eine sichere Veranlagung sei, die mit einer Investition in Immobilien vergleichbar sei. Das Verlustrisiko sei ebenso verschwiegen worden wie der Umstand, dass es sich bei den angebotenen Wertpapieren um Zertifikate handle. Bei richtiger Aufklärung über die Risikogeneigtheit der Veranlagung, die Kursmanipulationen oder die unrichtigen Ad-Hoc-Mitteilungen hätte er nicht in XY investiert, sondern das Geld auf ein Sparbuch gelegt oder in Edelmetalle, Staatsanleihen, Aktiendachfonds oder einen Lebensversicherungsvertrag investiert. Mit sämtlichen Veranlagungen hätte er das Kapital erhalten und eine Verzinsung in der begehrten Höhe erzielt. Der Zweitbeklagte sei als Vorstand der Erstbeklagten in die Erstellung und Verbreitung der irreführenden Werbung eingebunden gewesen. Ihm sei bekannt und bewusst gewesen, dass die Werbung irreführend sei. Er habe dessen ungeachtet dafür gesorgt, dass sie vertrieben werde. Zudem habe er die der Erstbeklagten vorgeworfenen Handlungen angeordnet und durchgeführt, sodass er als Organ der Erstbeklagten Schutzgesetze zum Schutz der Anleger verletzt habe, insbesondere die Wohlverhaltensregeln nach dem WAG und das börsenrechtliche Verbot der Marktmanipulation.

Die Erstbeklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und entgegnete zusammengefasst im Wesentlichen, allfällige Schadenersatzansprüche des Klägers seien verjährt. Die Organe der Erstbeklagten hätten nicht arglistig gehandelt, weil die ursprüngliche Fassung der Werbebroschüren mit Schreiben vom 20.9.2002 infolge der in Auftrag gegebenen rechtlichen Prüfung für ordnungsgemäß befunden worden sei. Sämtliche österreichischen Banken hätten zudem für ihre Produkte mit Werbefoldern mit beinahe identen Inhalten geworben. Darin seien die Risiken des Investments detailliert dargelegt worden. Im Hinblick darauf, dass zudem verpflichtend ein Beratungsgespräch oder zumindest eine Risikoaufklärung durch einen Vermittler für Kaufinteressenten stattfinden habe müssen, liege jedenfalls keine vorsätzliche Irreführung vor. Die XY-Zertifikate seien bei einer ex-ante-Betrachtung tatsächlich sicherer als andere Aktien gewesen. Ad-Hoc-Mitteilungen der XY seien nicht der Erstbeklagten zuzurechnen. Der Kläger habe eine Renditeerwartung über der eines Sparbuchs gehabt. Für die Veranlagungsentscheidung des Klägers seien weder Ad-Hoc-Meldungen noch Werbebroschüren kausal gewesen. Im Übrigen treffe ihn ein Mitverschulden, weil er den Konto- und Depoteröffnungsantrag, die Risikohinweise auf den Kaufunterlagen und den Hinweis auf das Totalverlustrisiko in den Werbeunterlagen nicht gelesen habe.

Der Zweitbeklagte beantragte primär die Zurückweisung der Klage wegen Streitanhängigkeit sowie internationaler und örtlicher Unzuständigkeit. Hilfsweise beantragte er die Abweisung des Klagebegehrens und entgegnete zusammengefasst im Wesentlichen, allfällige Schadenersatzansprüche des Klägers seien verjährt. Die Werbebroschüren seien weder irreführend noch für die Kaufentscheidung des Klägers kausal gewesen. Der Zweitbeklagte habe kein haftungsbegründendes arglistiges Verhalten gesetzt. Er sei im Vorstand der Erstbeklagten weder für Vertriebsgeschäfte noch für Werbebroschüren oder Ad-Hoc-Mitteilungen zuständig gewesen. Er habe weder gewusst noch es ernstlich für möglich gehalten, dass die in der Werbung dargestellte Information unrichtig oder zur Irreführung geeignet sein könne, dass sich Anleger in einem ihre Investitionsentscheidung beeinflussenden Irrtum befunden hätten und dass die Anlageberatung so unzureichend gewesen sei, dass dieser Irrtum nicht aufgeklärt worden sei. Den Kläger treffe ein Mitverschulden, weil er den unterfertigten Konto- und Depoteröffnungsantrag, die Risikohinweise auf den Kaufunterlagen und den Hinweis auf das Totalverlustrisiko in den Werbeunterlagen nicht gelesen habe. Das Vorbringen des Klägers zur Alternativveranlagung sei nicht nachvollziehbar.

III. Angefochtene Entscheidung:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch den rechtskräftigen Beschluss auf Abweisung der vom Zweitbeklagten erhobenen Prozesseinreden der Unzuständigkeit und der Streitanhängigkeit enthält, gab das Erstgericht dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es stellte den aus den US 33 bis 46 ersichtlichen Sachverhalt fest, auf den zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (§ 500a ZPO) und aus dem für die Berufungsentscheidung Folgendes hervorgehoben wird (bekämpfte Feststellungen in Fettdruck):

«Mit einem am 23.7.2010 bei der Staatsanwaltschaft Wien zu 608 St 1/08w eingelangten Schriftsatz, der auch Ausführungen zur Irreführung durch Werbung enthält, schloss sich der Kläger – gemeinsam mit 7.880 weiteren Personen – dem seit 20.7.2010 auch gegen die Beklagten wegen §§ 146, 147 Abs 1 und 3 StGB, § 15 KMG, § 255 AktG und § 48b BörseG sowie dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren als Privatbeteiligter an. Die Privatbeteiligten stützten die geltend gemachten Ansprüche insbesondere auf die Verletzung von Ad-hoc-Meldepflichten, vorsätzliche Verbreitung unrichtiger und irreführender Werbeunterlagen, Kursmanipulation durch unzulässige Aktienrückkäufe über die S***** mit Geldern der XY und strafrechtliche Handlungen der Vorstandsmitglieder der Erstbeklagten und der XY, für die die Erstbeklagte und die XY auch nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz einzustehen hätten. Aufgrund der Vielzahl an einschreitenden Personen wurde die Liste mit den Daten auf einer beigelegten CD gespeichert, nicht jedoch in Papierform übergeben. Die Staatsanwaltschaft sah keinen Anlass zur Beanstandung eines Formgebrechens und erteilte keinen Verbesserungsauftrag. Für die klagende Partei wurden die folgenden Daten gemäß Auszug aus der CD, die mit dem Privatbeteiligtenanschluss übermittelt wurde, übernommen (./L). Die Beilage ./L bildet einen integrierten Bestandteil des Urteils.

Es kann nicht festgestellt werden, wann der Schriftsatz vom 21.7.2010 samt CD-Rom oder Ausdruck der darauf enthaltenen Daten der Erstbeklagten und der XY zugestellt wurde. Beim Lokalaugenschein am 2.8.2012 zu 48 Cg 225/11i des Handelsgerichtes Wien erlangten die Beklagtenvertreter jedenfalls Kenntnis vom Privatbeteiligtenanschluss samt CD-Rom und den darauf befindlichen Beilagen und wurden die Listen der Anleger auf dem N:-Laufwerk des HG Wien abgespeichert.

Der OeNB-Bericht, welcher die Zertifikatsrückkäufe und die Vorgänge bei den Kapitalerhöhungen in den Jahren 2006 und 2007 wie festgestellt darstellt, stammt vom 28.1.2008 und gelangte dem Klagsvertreter im Sommer 2008 zur Kenntnis.

Die M***** Gesellschaft für Zentral- und Osteuropa wurde 1997 in einen Handels- und Immobilienbereich geteilt. In letzteren wurden ca. 60 tschechische und ungarische Liegenschaften eingebracht und die C*****, später M***** (= XY), gegründet. Der Ankauf wurde durch eine Anleihe institutioneller Anleger finanziert, die aus den Verkäufen der Zertifikate bis 2007 rückgeführt war. Erstmals im November 2002 wurden Anteile der XY an der Wiener Börse in Form von „Austrian Depositary Certificates“ gehandelt. Die XY hatte ihren Sitz in J*****. Seit 01.08.2008 firmiert sie unter A***** Ltd. Unternehmensgegenstand der XY war Erwerb, Vermietung, Verwaltung und Verkauf von Immobilien in Zentral- und Osteuropa, wobei ihre Geschäftstätigkeit über die M***** E***** R***** E***** Ltd. [...], einer hundertprozentigen Tochter der Beklagten, erfolgte.

Entgegen der in den Verkaufsunterlagen vorgenommenen Bezeichnung als „Aktien der XY“ handelte es sich bei den Wertpapieren der XY um Namensaktien repräsentierende Zertifikate. Um den Börsehandel zu ermöglichen, wurden aufgrund einer Vereinbarung zwischen der Beklagten, der Emittentin (XY), und der Österreichischen Kontrollbank AG die Namenaktien (Austrian Depositary Certificates) von der österreichischen Kontrollbank gehalten, die ein „Global Certificate“ ausstellte. Die ausgegebenen Zertifikate stellten Anteile am Globalzertifikat dar, waren an der Wiener Börse handelbar und repräsentierten jeweils eine Aktie. Der einzelne Anleger wurde als Zertifikatsinhaber nicht unmittelbar Aktionär der XY, sondern erhielt durch den Wertpapierankauf Anteile am Globalzertifikat. Per 01.01.2006 waren die Österreichische Kontrollbank mit 120 Millionen Aktien und die [...] mit einer Aktie Aktionäre der Emittentin XY. Mittlerweile hat die Beklagte den ADC- und Verwahrungsvertrag mit der Österreichischen Kontrollbank aufgelöst, sodass die ADC's im Verhältnis 1:1 in die neue ISIN [...] (A***** Limited Reg. Shares) ausgetauscht wurden.

Die Beklagte hatte mit der XY unter anderen einen Platzierungs- und Marketmakervertrag abgeschlossen, womit der Beklagten die Platzierung der von XY begebenen Wertpapiere bei Investoren übertragen wurde. Ab 2003 waren die Einnahmen im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung zu XY kein unerheblicher Anteil der Betriebserträge der Beklagten. Ihr war unter anderem die Platzierung der Zertifikate an der Börse übertragen. Sie übernahm das „Market making“, also die Sorge für eine ausreichende Liquidität der Zertifikate wie auch die Kursentwicklung.

Die Beklagte gründete unter anderem für den Vertrieb der Zertifikate der XY die M***** S***** AG (im folgenden kurz „MSF“), eine 100 %-ige Tochter der Beklagten, die auf Provisionsbasis über unselbständige und selbständige Vertriebspartner (FN211496) tätig wurde. Die MSF nahm die Schulungen der Mitarbeiter der Vertriebspartner betreffend die „Immobilienaktien der XY“ vor und versorgte Vertriebspartner mit Werbematerial zu den Immobilienaktien der XY, wie zum Beispiel den Werbeprospekt ./FFF. Durch diese von der MSF gesetzten Maßnahmen sollte der Vertrieb bei den Vertriebspartnern begleitet und gefördert werden.

[Der Zweitbeklagte] war in den Jahren 1999 bis 2015 Vorstandsmitglied der Erstbeklagten. Von 18.08.1999 bis 20.06.2005 war er gleichzeitig auch Vorstand bzw Mitglied des Verwaltungsrates (Boards) der XY. Ab 21.06.2015 wechselte er in das Board der M***** E***** R***** Ltd, einer 100 %-igen Tochter der Erstbeklagten, die mit dem operativen Management der XY beauftragt war. Darüber hinaus war er Mitglied des Aufsichtsrates der MSF.

Aus der Platzierung und dem Market Making, der Lizenzierung der Marke M*****, dem Vertrieb von Zertifikaten/„Immobilienaktien“, sowie im Zusammenhang mit weiteren Bankleistungen, wie Abwicklung von Krediten und Anleihen für die XY bezog die Erstbeklagte Einkünfte.

Der Kläger hatte eine abgeschlossenen Ausbildung an einer Handelsakademie. Vor dem Jahr 2003 – vor dem ersten Erwerb des Klägers von der „Aktien“ der XY – veranlagte der Kläger in täglich fällig werdende Sparbücher und in „Bausparer“.

In der zweiten Hälfte des Jahres 2002, zu einem näher nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt, wurde der Kläger durch „Die Presse“ auf das Produkt „XY“ aufmerksam. Ebenfalls in der zweiten Hälfte des Jahres 2002, zu einem näher nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt empfahl man seitens der Hausbank des Klägers, der [...] dem Kläger die „XY-Papiere“ aufgrund der bisherigen „Kursentwicklung“ von XY.

Herr W***** war ein „Vertriebspartner“ der MSF. Der Kläger erhielt vor dem Kaufauftrag vom 02.12.2002 (./64) von Herrn W***** den Werbeprospekt „XY“ (./FFF) und das Formular „Konto und Depoteröffnungsantrag/Kaufauftrag für Aktien der XY“ (./64). Das Formular (./64) war ein Formular der Beklagten, bzw deren Vertriebspartnerin der MSF.

Der Werbeprospekt „XY“ (./FFF), der einen integrierten Bestandteil des Urteils bildet, wurde von der MSF gemeinsam mit der Beklagten herausgegeben und von der MSF und deren Vertriebspartnern für den Vertrieb der „Aktien“ der XY, bzw der „XY-Papiere“ eingesetzt.

[F1] Vor der Erteilung des Kaufauftrages als „Anlageplan“ von 120 Monatsraten zu EUR 200,- laut ./64 an die Beklagte befasste sich der Kläger mit dem Werbeprospekt (./FFF), der ihn von seinem Inhalt und seiner Aufmachung her ansprach.

Für die Erteilung des Kaufauftrages am 02.12.2002 waren für den Kläger die obige Empfehlung seitens der [...] und Inhalte aus dem Werbeprospekt der Beklagten (./FFF) entscheidend.

[...]

[F2] Aufgrund der Informationen im Werbeprospekt, die einen Immobilienbezug aufwiesen, ging der Kläger davon aus, dass hinsichtlich der „XY-Papiere“ absolute Sicherheit gegeben ist, wenn mit dem Geld etwas passiert und er mit der Investition in die „XY-Papiere“ jedenfalls kapitalerhaltend investiert.

Für den Kläger ging aus dem Werbeprospekt (./FFF) der Begriff Aktie oder Aktien hervor. Aber aufgrund der Prospektinhalte zu einer sicheren Veranlagung in Immobilien ging er davon aus, dass es sich bei den XY-Papieren nicht um eine sonstige Aktie mit den Risiken einer sonstigen Aktie handelt. Er ging bei den „XY-Papieren“ eben von einem sicheren, jedenfalls kapitalerhaltenden Sparprodukt aus.

Der Kläger hätte zum 02.12.2002 nicht den Kaufauftrag zum laufenden „Ankauf von Aktien der XY“ in Gestalt eines Anlageplans von 120 Monatsraten zu EUR 200,- monatlich der Beklagten erteilt, wenn er gewusst hätte, dass er mit dieser Investition in „Aktien der XY“ von ihm eingesetztes Kapital verlieren kann.

[F3] Hätte der Kläger von 2003 bis 2007 nicht die „XY-Papiere“ erworben, dann hätte er die monatlich EUR 200,- auf ein Sparbuch gelegt oder das Geld für seinen Konsum ausgegeben. Es kann nicht festgestellt werden, mit welchem Zinssatz ein täglich fällig werdendes Sparbuch im Zeitraum 2003 bis 2007 verzinst war. Es kann auch nicht festgestellt werden in welchem Verhältnis zueinander der Kläger das im Zeitraum von 2003 bis 2007 in XY investierte Geld ausgegeben, bzw auf das Sparbuch gelegt hätte.

Tatsächlich handelte sich aber bei den „Aktien der XY“ um ein Produkt, mit dem man einen lang andauernden Verlust bis hin zu einem Totalverlust des investierten Kapitals erleiden konnte.

Nicht festgestellt werden kann, dass im Zuge des Kaufauftrages vom 02.12.2002 oder zum 02.12.2002 eine Beratung durch Herrn W***** stattfand.

Das Ausfüllen des „Kaufauftrages für XY“ und des Anlegerprofils (./64) wurde von dem Vertriebspartner der MSF, Herrn W*****, abgewickelt.

[...]

Der Börsekurs der XY verlief zwischen 2002 bis Juni 2007 stetig steigend mit nur äußerst geringen Schwankungen und erreichte zum 15.6.2007 mit EUR 21,32 seinen bisherigen Höchststand. Danach trat im Kursverlauf ein Abwärtstrend ein, der zunächst gegenüber dem Höchststand gering ausfiel bis der Kurs mit 31.07.2007 erstmals stärker auf 17,73 abfiel. Im September 2007 (07.09.2007) fiel der Kurs erstmals auf unter EUR 10,-. Mit einer kurzzeitigen Erholung auf knapp über EUR 10,- setzte sich der Kursverfall sodann fort und fiel mit Ende Oktober 2007 auf unter EUR 10. Im November 2007 waren es EUR 7,5. Anfang Februar 2008 fiel der Kurs auf EUR 6,6. Mittlerweile hat sich der Wert der XY bei rund EUR 4,- eingependelt, wobei auch regelmäßig Dividenden ausgeschüttet werden.

Dem Kläger wurden im November 2007 die Kurseinbrüche bei der XY erstmals bekannt.

[F4] Sowohl bei den Organen der Erstbeklagten, sohin bei der Erstbeklagten, als auch beim Zweitbeklagten war seit 2002, mit der Herausgabe des ersten Werbebroschüre, so auch der Broschüre laut ./FFF, bekannt, dass im Gegensatz zum Kapitalmarktprospekt – XY in den Werbebroschüren, die von der Erstbeklagten gemeinsam mit der MSF hergestellt wurden (./FFF), das Risiko des Anlageproduktes „XY“ hinsichtlich des Risikos bewusst unrichtig dargestellt wurde, um ein Anlegerpublikum zu erreichen, das ansonsten von seinem Sicherheitsbedürfnis her nicht in Produkte wie Zertifikate oder Aktien investiert. Mit dieser unrichtigen/verzerrten Darstellung des Risikos des Produktes „XY“ nahmen die Organe der Erstbeklagten, sohin die Erstbeklagte, und der Zweitbeklagte bewusst in Kauf, dass vorsichtige/sicherheitsorientierte Anleger – wie auch der Kläger – mit den „XY-Papieren“ ein Produkt erwerben, das nicht deren Sicherheitserwartung entspricht. Das Produkt „XY“ war seit dem Jahr 2002 von seinem Risiko her nicht kapitalerhaltend wie ein Sparbuch oder ein Bausparer, sondern konnte – wie bei einer Aktie oder einem Zertifikat – zu einem lang andauernden großen Verlust bis hin zu einem Totalverlust führen. Den Organen der Erstbeklagten, sohin der Erstbeklagten und dem Zweitbeklagten war bewusst und bekannt, dass dies bei risikoaversen Anlegern, wie dem Kläger, die auf die Aussagen der Werbebroschüren, wie ./FFF, vertrauten lang andauernde Verluste bis hin zu Totalverlusten des investierten Geldes eintreten können, so und wie auch beim Kläger.

Den Organen der Erstbeklagten, sohin der Erstbeklagten und dem Zweitbeklagten war bewusst und bekannt, dass die „XY-Papiere“ als Zertifikate, bzw Aktien demselben Risiko unterliegen, wie ein sonstiges Zertifikat oder eine sonstige Aktie, dass nämlich ein lang andauernder großer Verlust bis hin zu einem Totalverlust des eingesetzten Kapitals eintreten kann. »

In rechtlicher Hinsicht schloss das Erstgericht, der Privatbeteiligtenanschluss habe nach ständiger Rechtsprechung des OGH die Verjährung unterbrochen. Die Organe der Erstbeklagten, so auch der Zweitbeklagte, hätten den Kläger durch die mit ihrem Willen gerade so gestalteten Werbebroschüren arglistig über die Risikogeneigtheit der XY-Zertifikate in die Irre geführt. Die irreführenden Inhalte seien für die Veranlagung des Klägers kausal gewesen. Die Klagsansprüche bestünden daher zu Recht, weil der Vertrag zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten wegen List aufzuheben sei und die Haftung beider Beklagter aus dem Titel des Schadenersatzes zu bejahen sei. Ein Mitverschulden des Klägers liege allein schon im Hinblick auf das arglistige Verhalten der Beklagten nicht vor.

IV. Berufungen:

Gegen dieses Urteil richten sich die Berufungen der Beklagten aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragen, das gegen sie gerichtete Klagebegehren zur Gänze abzuweisen; hilfsweise streben sie die Aufhebung des Urteils an.

Der Kläger beantragt, den Berufungen nicht Folge zu geben.

Über die Berufung des Erstbeklagten ist derzeit wegen der Verfahrensunterbrechung infolge Insolvenzeröffnung ( I. ) nicht zu entscheiden. In der Folge wird daher lediglich die Berufung des Zweitbeklagten behandelt.

V. Berufungsentscheidung:

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung des Zweitbeklagten ist nicht berechtigt.

Einleitend ist klarzustellen, dass sich die Unterbrechung nach § 7 Abs 1 IO auf Streitgenossen des Schuldners nur dann auswirkt, wenn sie mit dem Schuldner eine einheitliche Streitpartei bilden (RIS-Justiz RS0114497; RS0036752 [T6]). Eine einheitliche Streitpartei liegt hier auf Beklagtenseite trotz der Gemeinsamkeit des rechtserzeugenden Sachverhalts nicht vor, weil keine rechtliche Notwendigkeit zu einer in jedem Falle einheitlichen Entscheidung gegeben ist, abweichende Entscheidungen also nicht zu unlösbaren Verwicklungen führen (vgl 5 Ob 84/16p mit Verweis auf RIS-Justiz RS0035473 [T1].

1. Zur Verfahrensrüge:

1.1. Der Zweitbeklagte wendet sich unter diesem Berufungsgrund gegen Teile der Feststellung [F4] , soweit diese seine innere Tatseite zur Arglist betreffen. Er bringt vor, zu diesen fehle jede Beweiswürdigung, was ein wesentlicher Verfahrensmangel sei:

«Sowohl bei den Organen der Erstbeklagten, sohin bei der Erstbeklagten, als auch beim Zweitbeklagten war seit 2002, mit der Herausgabe des ersten Werbebroschüre, so auch der Broschüre laut ./FFF, bekannt, dass im Gegensatz zum Kapitalmarktprospekt – XY in den Werbebroschüren, die von der Erstbeklagten gemeinsam mit der MSF hergestellt wurden (./FFF), das Risiko des Anlageproduktes „XY“ hinsichtlich des Risikos bewusst unrichtig dargestellt wurde, um ein Anlegerpublikum zu erreichen, das ansonsten von seinem Sicherheitsbedürfnis her nicht in Produkte wie Zertifikate oder Aktien investiert. Mit dieser unrichtigen/verzerrten Darstellung des Risikos des Produktes „XY“ nahmen die Organe der Erstbeklagten, sohin die Erstbeklagte, und der Zweitbeklagte bewusst in Kauf, dass vorsichtige/sicherheitsorientierte Anleger – wie auch der Kläger – mit den „XY-Papieren“ ein Produkt erwerben, das nicht deren Sicherheitserwartung entspricht. Den Organen der Erstbeklagten, sohin der Erstbeklagten und dem Zweitbeklagten war bewusst und bekannt, dass dies bei risikoaversen Anlegern, wie dem Kläger, die auf die Aussagen der Werbebroschüren, wie ./FFF, vertrauten lang andauernde Verluste bis hin zu Totalverlusten des investierten Geldes eintreten können, so und wie auch beim Kläger.»

1.2. Dem Zweitbeklagten ist zuzugeben, dass ein Verstoß des Richters gegen die Begründungspflicht (§ 272 Abs 3 ZPO) ein wesentlicher Verfahrensmangel ist ( Rechberger in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ § 272 Rz 7-8 mwN; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 272 Rz 3 mwN). Der Zweck der Begründungspflicht ist es, die Entscheidung überprüfbar zu machen. Das Urteil muss deshalb klar und zweifelsfrei die erforderlichen Tatsachenfeststellungen und die Begründung dafür zu enthalten, warum es die festgestellten Tatsachen als erwiesen und die anderen behaupteten Tatsachen als nicht erwiesen angenommen hat ( Rechberger/Klicka, aaO). Der Richter verstößt gegen die Begründungspflicht (und begründet einen Verfahrensmangel), wenn seine Entscheidung nicht überprüfbar ist – etwa weil sie nicht die erforderlichen Tatsachenfeststellungen enthält ( Rechberger/Klicka , aaO), für eine wesentliche Feststellung eine nachvollziehbare Begründung fehlt (4 Ob 91/10a) oder er sich in seiner Beweiswürdigung hiezu mit großen Teilen der Beweisergebnisse nicht auseinandergesetzt hat (4 Ob 41/06t).

1.3. Entgegen der Ansicht des Zweitbeklagten leidet das Ersturteil jedoch an keinem Begründungsmangel im eben dargelegten Sinn, weil der Richter die monierten Teile der Feststellung [F4] nicht nur getroffen, sondern auch nachvollziehbar und damit überprüfbar begründet hat. Dazu ist auf folgende Passage der erstgerichtlichen Beweiswürdigung zu verweisen (US 49-50):

«Dass dem Zweitbeklagten als Vorstandsmitglied der Erstbeklagten die Werbebroschüre seit ihrer ersten Herstellung im Jahr 2002 bekannt war, ergibt sich zunächst überzeugend daraus, dass er in ein und denselben Zeiträumen maßgebliche Funktionen bei der XY, der MSF und der Erstbeklagten inne hatte. Zwar stellte der Zweitbeklagte in seinen Aussagen ./ 48 ./80 und ./82 immer in Abrede, mit den Werbebroschüren zu tun gehabt zu haben, da er im Anlegerbereich nur mit den institutionellen Anlegern zu tun gehabt habe, so gab er mit Zurückhaltung an, sie zwar nicht gelesen aber gekannt zu haben (./81-BI/Seite 10). Wesentlich klarer und im Hinblick auf die Kumulierung der Funktionen des [Zweitbeklagten] überzeugender war die Aussage des Zeugen M***** (./81-BI) zu dem Werbeprospekt und der Kenntnis des [Zweitbekagten] vom Inhalt und damit auch den Werbezweck des Prospekts. Aus der Aussage des M***** lässt sich auch schließen, das der Zweitbeklagte den Werbeprospekt 2002 freigab. Sowohl aus den Aussagen des Zweitbeklagten, die immer wieder Bezug nehmen zum Kapitalmarktprospekt, aber auch aus der Kumulierung der Funktionen lässt sich überzeugend schließen, dass dem Zweitbeklagten für sich, aber auch in seiner Funktion bei der Erstbeklagten der Inhalt des Kapitalmarktprospektes zu XY bekannt war. Nachdem der Zweitbeklagte sowohl Kenntnis vom Inhalt des Werbeprospektes, als auch dem Kapitalmarktprospekt hatte, musste ihm auch der Unterschied in der Darstellung des Produktes XY bestens bekannt sein und ihm auch die Wirkung des Werbeprospektes auf risikoaverse Anleger bewusst sein. Nicht zuletzt ergibt sich dies aus seinen Aussagen, in denen er darauf verweist, dass ein Anleger beides lesen muss, um offenbar richtig über das Produkt informiert zu sein (./80 und ./81). Das dem Zweitbeklagten somit das tatsächliche Risiko der Zertifikate/Aktien der XY bekannt sein musste, musste sich für ihn aus dem Kapitalmarktprospekt ergeben, den er offenbar kannte, aber auch seinem Fachwissen, das er durch seine Funktionen und von seiner Ausbildung her unzweifelhaft hatte.

Gerade die große Diskrepanz in der Darstellung der XY-Papiere zwischen Kapitalmarktprospekt und Werbebroschüre im Hinblick auf das Risiko, aber auch die Belehrung zum Risiko ergibt für das Gericht überzeugend die Feststellungen zur subjektiven Seite der Organe der Erstbeklagten, so auch des Zweitbeklagten als Vorstand der Erstbeklagten, aber auch als Person für sich. Gerade die erste oder die ersten Werbebroschüren aus dem Jahr 2002 und 2003 mit den plakativen Slogans wie „Grundbuch statt Sparbuch“ legen nahe, dass man sich den Sparbuchsparer für XY erschließen wollte, der aber nur dann dazu bereit ist, wenn er auch die Sicherheit des Sparbuches, sohin die Kapitalerhaltung hat. Gerade diese Differenz und subtile Gestaltung des Werbeprospektes ergaben für das Gericht auch, dass die Organe der Erstbeklagten und so auch der Zweitbeklagte bewusst eine Strategie verfolgten, die eine unrichtige Produktdarstellung im Hinblick auf das Risiko zum Gegenstand hatte. Die Risikohinweise im Kaufauftrag und im Werbeprospekt sind so dürftig oder so allgemein gehalten, dass daraus auch vielmehr hervorgeht, dass dies so bewusst gestaltet wurde, um dem Anleger eine andere Sicherheit zu vermitteln, als das Produkt tatsächlich hatte. Der Hinweis des Zweitbeklagten, dass man auf die Beratung durch die Vertriebspartner vertrauen durfte, geht wohl insofern ins Leere, als ein Berater allein schon aus eigenem wirtschaftlichen Interesse kaum ein anderes Bild vermitteln wird, als aus einer Werbebroschüre hervorgeht, die als Verkaufsprospekt beim Kunden dienen sollte.»

Das Erstgericht hat somit überprüfbar dargelegt, auf welche Erwägungen es die Feststellungen zur Arglist gegründet hat, sowohl in Ansehung der „Organe der Erstbeklagten“ im Allgemeinen als auch in Ansehung des Zweitbeklagten im Besonderen. Ein Verfahrensmangel (§ 496 Abs 1 Z 2 ZPO) liegt damit nicht vor. Die inhaltliche Qualität der Beweiswürdigung ist erst bei der Behandlung der Feststellungsrüge zu prüfen.

2. Zur Feststellungsrüge:

2.1. Der Behandlung der Feststellungsrüge ist vorauszuschicken, dass das österreichische Zivilprozessrecht vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung beherrscht ist. Das Gericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse der gesamten Verhandlung und Beweisführung nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine tatsächliche Angabe für wahr zu halten ist oder nicht (§ 272 Abs 1 ZPO). Es gehört zum Wesen der freien Beweiswürdigung, dass sich das Gericht für eine von mehreren widersprechenden Darstellungen aufgrund seiner Überzeugung, dass diese mehr Glaubwürdigkeit beanspruchen kann, entscheidet (RIS-Justiz RS0043175). Allein der Umstand, dass die Beweisergebnisse möglicherweise auch andere als die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ermöglicht hätten, kann daher noch nicht zu einer erfolgreichen Bekämpfung der Beweiswürdigung und der darauf gegründeten Tatsachenfeststellungen führen. Die Beweiswürdigung kann vielmehr nur dadurch erfolgreich angefochten werden, dass stichhältige Gründe gegen deren Richtigkeit ins Treffen geführt werden ( Rechberger in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ § 272 ZPO Rz 4 ff, 11). Dies gelingt dem Zweitbeklagten in seiner Berufung, wie in der Folge im Detail gezeigt wird, nicht.

2.2. Der Zweitbeklagte bekämpft die Feststellung [F1] zur Kausalität des Werbeprospekts ./FFF für die Investition des Klägers. Als Ersatzfeststellung begehrt er die folgende Negativfeststellung:

«Es kann nicht festgestellt werden, ob der Kläger seiner Investitionsentscheidung in XY die Inhalte aus dem Werbeprospekt der Beklagten (./FFF) zugrunde legte und ob diese einen Einfluss auf seine Kaufentscheidungen hatten.»

Hilfsweise begehrt er die folgende Ersatzfeststellung:

«Vor der Erteilung des Kaufauftrages als „Anlageplan“ von 120 Monatsraten zu EUR 200 laut ./64 an die Beklagte befasste sich der Kläger nicht mit dem Werbeprospekt (./FFF). Für die Erteilung des Kaufauftrages am 2.12.2002 war für den Kläger ausschließlich die dahingehende Empfehlung seitens der [...] maßgeblich. Die Inhalte aus dem Werbeprospekt (./FFF) dagegen hatten keinen Einfluss auf die Kaufentscheidung des Klägers.»

Das Erstgericht begründete die bekämpfte Feststellung ausführlich, wobei es auf die Glaubwürdigkeit der Aussage des Klägers im Allgemeinen und auf die Feststellung [F1] im Besonderen einging (US 46-47, 48):

«Zur Aussage des Klägers und damit zur Veranlagung des Klägers in XY ist festzuhalten, dass dem Gericht die Aussage des Klägers insgesamt glaubwürdig erschien. So hatte der Kläger zwar von seiner Schulbildung her den Abschluss einer Handelsakademie, vermittelte aber sonst einen eher biederen Eindruck, der das Gericht davon überzeugte, dass der Kläger grundsätzlich ein Sparbuchsparer war, der bei der Investition in XY Sicherheit voraussetzte. Dass es ihm auf ein Sparen wie mit einem Sparbuch ankam ging für das Gericht nicht zuletzt daraus hervor, dass er sich bei der Investition XY für einen „Anlageplan“/„Monatssparplan“ mit einer monatlichen Zahlung entschied. Gerade auch der Prospekt aus dem Jahr 2002, der von seinem Inhalt her im Besonderen auf den „Sparbuchsparer“ zugeschnitten war und den Kläger von seinen Inhalten daher besonders ansprach, überzeugte das Gericht von seiner Aussage zu seinem bisherigen Anlageverhalten, seinem Anlageentschluss und den Gründen dazu.

Der Umstand, dass der Kläger sich an viele Umstände nicht mehr erinnern konnte und er auch für das Gericht naheliegende Dinge, wie das Herausfinden des Herrn H***** zur Prozessvorbereitung, unterließ, waren nach dem Eindruck des Gerichtes letztlich auch schon auf das doch fortgeschrittenen Alter des Klägers (geb. [...]) zurückzuführen. Daher konnten solche Umstände die Glaubwürdigkeit des Klägers nicht erschüttern. [...]

Die Feststellungen zum Aufmerksamwerden auf XY, zum Erhalt des Prospektes und auch zur Empfehlung durch die Hausbank gründen auf der glaubwürdigen Aussage des Klägers. [...]

Die Feststellungen zum Inhalt und zur Herausgabe des Werbeprospekts/Werbebroschüre ./FFF gründen auf der Urkunde selbst. Die Urkunde ./FFF für sich erschien von ihrem Erscheinungsbild, aber nur von diesem her unbedenklich. Abgesehen davon, dass es inzwischen auch notorisch ist, dass die Erstbeklagte und die MSF Herausgeber der „Werbebroschüren“ für XY waren, ergibt sich dies auch aus de Urkunde, indem beide Gesellschaften auf der ./FFF aufscheinen.

Die weiteren Feststellungen zum Kläger und zu seinem Handeln im Zuge der Veranlagung ergeben sich wiederum aus seiner Aussage.»

Der Zweitbeklagte vermag diesen plausiblen Erwägungen nichts Stichhältiges zu entgegnen. Der Kläger hat zwar zu Beginn der Vernehmung dargelegt, aus der „Presse“ von XY erfahren zu haben, bei der [...] nachgefragt zu haben, ob das „gescheit“ sei, ob er „da einsteigen“ solle, und die Antwort bekommen zu haben, dies sei aufgrund der Kursentwicklung zu empfehlen (S 6 in ON 29). Das Erstgericht hat folglich festgestellt (US 39):

«In der zweiten Hälfte des Jahres 2002, zu einem näher nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt, wurde der Kläger durch „Die Presse“ auf das Produkt „XY“ aufmerksam. Ebenfalls in der zweiten Hälfte des Jahres 2002, zu einem näher nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt empfahl man seitens der Hausbank des Klägers, der „[...]“ dem Kläger die „XY-Papiere“ aufgrund der bisherigen „Kursentwicklung“ von XY.»

Der Kläger brachte aber auch deutlich zum Ausdruck, dass der Grund für die Erteilung des Kaufauftrags nicht nur diese Empfehlung der [...], sondern auch der Inhalt des Verkaufsprospekts (./FFF) gewesen sei (S 7 in ON 29). Dies erscheint realistisch, weil er, wie das Erstgericht unbekämpft festgestellt hat (US 39), den Prospekt (./FFF) vor der Erteilung des ersten Kaufauftrags erhalten hat, und er dessen für ihn entscheidende Passagen konkret bezeichnen konnte (S 7 in ON 29). Dass der Kläger um die positive Kursentwicklung von XY wusste (S 13 in ON 29), vermag die Beweiswürdigung des Erstgerichts nicht zu erschüttern: Das Verfahren bietet, gerade im Lichte der vom Erstgericht eingangs der Beweiswürdigung angestellten allgemeinen Erwägungen zur Risikobereitschaft des Klägers, keinen Anhaltspunkt dafür, dass ihn allein die Kursentwicklung von XY zur Investition bewogen hätte, völlig unabhängig vom Inhalt des Prospekts (./FFF). Dass er die Kursentwicklung während der Dauer der Investition beobachtete (und zunächst wohlwollend zur Kenntnis nahm), erscheint lebensnah, lässt aber ebenfalls nicht den Schluss zu, er hätte (weitere) Investitionen unabhängig vom Inhalt des Prospekts getroffen. Mit den vom Zweitbeklagten angeführten Erinnerungslücken des Klägers hat sich bereits das Erstgericht eingangs der Beweiswürdigung nachvollziehbar auseinandergesetzt. Entgegen der Ansicht des Zweitbeklagten widerspricht es nicht der Lebenserfahrung, dass sich ein konservativer Sparer auch nach 16 Jahren genau an jene Umstände erinnern kann, die für seine erste von Sparbüchern und Bausparverträgen abweichende Veranlagung maßgeblich waren. Vor diesem Hintergrund bieten die vom Zweitbeklagten begehrten Ersatzfeststellungen keinen Anlass, die erstgerichtliche Beweiswürdigung in Zweifel zu ziehen.

2.3. Der Zweitbeklagte moniert die Feststellung [F2] zum Wissensstand des Klägers um das Verlustrisiko und will primär die folgende Ersatzfeststellung getroffen haben:

«Es kann nicht festgestellt werden, ob sich der Kläger über das mit den „XY-Papieren“ tatsächlich verbundene Risiko im Irrtum befand.»

Hilfsweise begehrt er die folgende Ersatzfeststellung:

«Der Kläger wusste, dass es sich bei den „XY-Papieren“ um Wertpapiere handelte, die mit einem Risiko verbunden sind und hinsichtlich derer es keine absolute Sicherheit gibt. Er ging bei XY nicht von einer kapitalerhaltenden Investition aus.

Da der Kläger wusste, dass es sich bei XY um eine Wertpapier handelte, war ihm auch bereits 2003 bewusst, dass ein lang andauernder großer Verlust bis hin zum Totalausfall des eingesetzten Kapitals eintreten kann.»

Das Erstgericht begründete die Feststellung wie die Feststellung [F1] (oben 2.2. ).

Der Zweitbeklagte vermag diesen Erwägungen auch hier nichts Stichhältiges entgegenzusetzen. Er verweist zwar zunächst zutreffend auf folgende Aussagen des Klägers (S 8, 13-14 in ON 29):

«Über Vorhalt, dass der Kläger nunmehr das Wort Wertpapier erwähnt, ob eben der Kläger seinerzeit beim Abschluss gewusst hat, dass es sich um ein Wertpapier handelt, gebe ich an: Ja. [...]

Über Befragen durch den 1.BV, ob dem Kläger bekannt ist, dass umso höher der Ertrag ist, umso höher das Risiko ist, gebe ich an, dass mir das grundsätzlich bekannt ist. [...]

Über Befragen durch den 2.BV zur Frage, was der Kläger seinerzeit gezeichnet hat, dass er ein Wertpapier erwähnt hat, gebe ich an, dass ich gemeint habe, dass ich seinerzeit eine Aktie gezeichnet habe. [...]

Über Befragen durch den 2.BV, dass der Kläger als Handelsakademiker durchaus gelernt hat über Wertpapiere, so auch Aktien und ob der Kläger damals auch gelernt hat, dass Aktien im Kurs steigen und fallen können, gebe ich an: Ja.

Und über Befragen durch den 2.BV, ob dem Kläger als ausgebildeten Handelsakademiker bewusst war, dass man beim Kauf einer Aktie auch ein Risiko eingeht, ob der Kläger damals, gemeint 2003, wusste, als er eingestiegen ist, gebe ich an: Ja. Und das war der Einstieg zum Schauen, „wie geht es weiter“. Und wenn man bei einer Aktie sieht, dass sie jedes Mal steigt, kann man annehmen, dass es eine Zeit lang so weitergeht, wie lang, weiß man natürlich nicht. Dass es nicht so weitergegangen ist, war für mich der Rückkauf. [...]»

Daraus allein kann aber entgegen der Ansicht des Zweitbeklagten noch nicht der Schluss gezogen werden, der Kläger sei sich der mit XY verbundenen Risiken bewusst gewesen und habe diese bei der Veranlagung in XY in Kauf genommen. Der Zweitbeklagte übergeht zentrale Passagen aus der Aussage des Klägers (S 15 in ON 29):

«Ich gebe an, dass ich diese Aussage meine grundsätzlich zu einer Aktie, aber nach dem, was in dem Verkaufsprospekt ./FFF steht, war ich der Ansicht, dass diese Wertpapiere gesichert sind und dass da nichts passieren kann.

Über Vorhalt durch den 2.BV, dass dem Kläger das niemand garantiert hat, gebe ich an, dass das für mich im Prospekt ./FFF drinnen stand.»

Zudem hatte der Kläger schon zuvor (S 7 in ON 29) dargelegt, dass er – etwa wegen der Passage „Grundbuch statt Sparbuch“ und dem Hinweis auf die Immobilien in ./FFF – von einer zumindest kapitalerhaltenden Investition ausging, was ihm das Erstgericht geglaubt hat. Daraus kann ohne weiteres geschlossen werden, dass der Kläger zwar (im Allgemeinen) die mit Aktien verbundenen Risiken kannte, (konkret) bei XY aber aufgrund der ./FFF etwas anderes erwartete. Entgegen der Darstellung des Zweitbeklagten hat der Kläger klargestellt, seine Ausführungen nur allgemein auf Aktien, aufgrund der ./FFF aber nicht auf XY bezogen zu haben (S 15 in ON 29). Der Kläger hat entgegen der Darstellung des Zweitbeklagten auch nicht ausgesagt, den Konto- und Depoteröffnungsantrag nicht gelesen zu haben, sondern nur, ihn „nicht im Detail“ durchgelesen zu haben (S 8 in ON 29). Aus diesem Umstand und daraus, dass er im Anlegerprofil keine Auskünfte, etwa zur Risikobereitschaft, erteilen wollte (S 8 in ON 29), lässt sich noch nicht ableiten, dass er jedwede Risiken bewusst in Kauf nehmen wollte, solange nur das Ergebnis stimmte.

Es trifft zu, dass der Kläger aus der „Presse“ von XY erfuhr, ihm die [...] die Veranlagung empfohlen hat und er eine weitere Beratung nicht für notwendig erachtete (Kläger, S 6 in ON 29). Es wäre aber nicht nachvollziehbar, allein daraus den Schluss zu ziehen, ausschlaggebend für die Investition seien nur die vergangenen Kursverläufe und die erwarteten Erträge gewesen, auch weil der Kläger sein Geld zuvor nur auf Sparbücher gelegt hatte und sich erst vom Inhalt der ./FFF hatte überzeugen lassen.

Der Zweitbeklagte kann somit im Ergebnis nur aufzeigen, dass die Aussage des Klägers auch die Ersatzfeststellung, sei es die primär oder die hilfsweise begehrte, ermöglicht hätte, was aber für eine erfolgreiche Beweisrüge nicht ausreicht. Dass das Erstgericht die zusammengefassten Angaben des Klägers, im Allgemeinen die mit Aktien verbundenen Risiken gekannt zu haben, konkret bei XY aber aufgrund der ./FFF etwas anderes erwartet zu haben, nicht wie der Zweitbeklagte als „Schutzbehauptung“, sondern als glaubhaft gewertet und die Gründe dafür nachvollziehbar dargelegt hat, ist im Lichte der freien Beweiswürdigung (oben 2.1. ) nicht zu beanstanden.

2.4. Der Zweitbeklagte rügt die gesamte Feststellung [F3] zur Alternativveranlagung und begehrt die folgende Ersatzfeststellung (inhaltlich im Wesentlichen deckungsgleich mit der von der Erstbeklagten begehrten):

«Es kann nicht festgestellt werden, in welche Alternativveranlagung der Kläger investiert hätte und wie sich diese entwickelt hätte. Der Kläger hätte jedenfalls nicht in ein Sparbuch investiert, da er eine Veranlagung suchte, die eine höhere Rendite als ein Sparbuch erwirtschaftet.»

Der Zweitbeklagte argumentiert in diesem Zusammenhang zusammengefasst mit einem angeblichen „vorgefassten Anlageentschluss“ und dem Umstand, dass der Kläger sein Kapital festgestelltermaßen allenfalls auch für den Konsum ausgegeben hätte.

Von den schon zu [F1] (oben 2.2. ) dargelegten beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts erscheint für [F3] besonders die folgende Passage wesentlich:

«Zur Aussage des Klägers und damit zur Veranlagung des Klägers in XY ist festzuhalten, dass dem Gericht die Aussage des Klägers insgesamt glaubwürdig erschien. So hatte der Kläger zwar von seiner Schulbildung her den Abschluss einer Handelsakademie, vermittelte aber sonst einen eher biederen Eindruck, der das Gericht davon überzeugte, dass der Kläger grundsätzlich ein Sparbuchsparer war, der bei der Investition in XY Sicherheit voraussetzte. Dass es ihm auf ein Sparen wie mit einem Sparbuch ankam ging für das Gericht nicht zuletzt daraus hervor, dass er sich bei der Investition XY für einen „Anlageplan“/„Monatssparplan“ mit einer monatlichen Zahlung entschied. Gerade auch der Prospekt aus dem Jahr 2002, der von seinem Inhalt her im Besonderen auf den „Sparbuchsparer“ zugeschnitten war und den Kläger von seinen Inhalten daher besonders ansprach, überzeugte das Gericht von seiner Aussage zu seinem bisherigen Anlageverhalten, seinem Anlageentschluss und den Gründen dazu.»

Das Erstgericht hat daraus augenscheinlich den Schluss gezogen, dass der Kläger, hätte er nicht in XY investiert, bei seinem bisherigen „biederen“ Anlageverhalten (Sparbuch oder Konsum) geblieben wäre.

Der Kläger hat zwar ausgesagt, dass für ihn ein Ertrag von 9,8 % versprochen wurde (S 11 in ON 29). Seine tatsächlichen Erwartungen an XY waren aber nicht so hoch: Er gab an, er habe sich (konkret) von XY eine Kurssteigerung im Bereich von 3 bis 5 % und damit einen höheren Ertrag als auf einem Sparbuch erwartet (S 12-13 in ON 29). Einen zuverlässigen Hinweis, es habe ein „vorgefasster Anlageentschluss“ vorgelegen, bietet dies nicht, gerade vor dem Hintergrund des bisherigen Anlageverhaltens des Klägers. Dem Ersturteil ist zu entnehmen, dass die Sicherheit für ihn ein wesentlicher Umstand für die Anlageentscheidung war und er sie ohne diesen Umstand nicht getroffen hätte. Einen die Glaubwürdigkeit der Angaben des Klägers erschütternden Widerspruch zwischen seinem Sicherheitsgedanken und seiner (konkret auf XY bezogenen) Renditeerwartung sieht das Berufungsgericht nicht. Natürlich war dem Kläger bekannt, dass (im Allgemeinen) das Risiko umso höher ist, je höher die Ertragschancen sind (S 13 in ON 29), und dass (im Allgemeinen) die Kurse von Aktien steigen und fallen können. Entgegen der Ansicht des Zweitbeklagten musste das Erstgericht daraus aber noch nicht zwingend den Schluss ziehen, der Kläger habe für die höhere Rendite bewusst höhere Risiken als bei einem Sparbuch (insbesondere den Kapitalverlust) in Kauf genommen: Der Kläger hat nämlich auch dargelegt, sich (konkret) von XY wegen der ./FFF („Grundbuch statt Sparbuch“, Bezugnahme auf Immobilien, etc) anderes erwartet zu haben, nämlich dass die Wertpapiere „gesichert“ seien (S 7, 15 in ON 29). Dass er das Kapital allenfalls auch für den Konsum ausgegeben hätte, spricht entgegen der Ansicht des Zweitbeklagten noch nicht gegen eine kapitalerhaltende Alternativveranlagung, erhält man hier doch für sein Geld eine subjektiv äquivalente, wenn auch zum Verbrauch bestimmte Gegenleistung.

Zusammengefasst kann der Zweitbeklagte auch hier nur aufzeigen, dass das Erstgericht aufgrund des Beweisverfahrens auch eine andere als die bekämpfte Feststellung treffen hätte können, etwa die begehrte Ersatzfeststellung. Eine bedenkliche Beweiswürdigung des Erstgerichts kann er damit jedoch nicht aufzeigen.

2.5. Der Zweitbeklagte bekämpft schließlich die Feststellung [F4] zu seinem arglistigen Verhalten und in diesem Zusammenhang auch die folgende in der rechtlichen Beurteilung enthaltene Passage (US 54):

«Damit (Eventualvorsatz) wurde auch in Kauf genommen, dass risikoaverse Anlege, die ansonsten nie XY gekauft hätten, das Produkt erwerben und im Fall des Eintritts des tatsächlichen Risikos einen Schaden erleiden. So geschehen beim Kläger.»

Er begehrt die folgende Ersatzfeststellung:

«Dem Zweitbeklagten waren Werbebroschüren zu „XY-Papieren“ zwar dem Grunde nach bekannt. Deren genaue Inhalte und Textierungen kannte er jedoch nicht. Ob ihm auch die Broschüre laut ./FFF bekannt war, konnte nicht festgestellt werden.

Jedenfalls war der Zweitbeklagte weder in die Erstellung noch in den Vertrieb von Werbebroschüren involviert. Dies fiel nicht in seinen Zuständigkeitsbereich. Dass dem Zweitbeklagten bewusst gewesen sei, dass das Risiko von XY-Zertifikaten in Werbebroschüren irreführungsgeeignet dargestellt wurde, kann nicht festgestellt werden. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass dem Zweitbeklagten bewusst war, dass durch eine unrichtige Darstellung des Risikos ein Anlegerpublikum erreicht werden sollte, das ansonsten von seinem Sicherheitsbedürfnis her nicht in Produkte wie Zertifikate oder Anleihen investiert.

Der Zweitbeklagte ging jedenfalls nicht davon aus, dass die Darstellung des Risikos des Produktes „XY“ in Werbebroschüren Einfluss auf die Investitionsentscheidungen von Anlegern in „XY-Papieren“ haben.»

Hilfsweise begehrt er die Ersatzfeststellung:

«Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Zweitbeklagten eine mögliche Irreführungseignung der herausgegebenen Werbebroschüren bewusst war oder dass er beabsichtigte, dass durch den Ersatz dieser Werbebroschüren Anleger über die Sicherheit der XY-Zertifikate in die Irre geführt werden.»

Das Erstgericht begründete die Feststellung [F4] ausführlich wie folgt:

«Dass dem Zweitbeklagten als Vorstandsmitglied der Erstbeklagten die Werbebroschüre seit ihrer ersten Herstellung im Jahr 2002 bekannt war, ergibt sich zunächst überzeugend daraus, dass er in ein und denselben Zeiträumen maßgebliche Funktionen bei der XY, der MSF und der Erstbeklagten inne hatte. Zwar stellte der Zweitbeklagte in seinen Aussagen ./ 48 ./80 und ./82 immer in Abrede mit den Werbebroschüren zu tun gehabt zu haben, da er im Anlegerbereich nur mit den institutionellen Anlegern zu tun gehabt habe, so gab er mit Zurückhaltung an, sie zwar nicht gelesen aber gekannt zu haben (./81-BI/Seite 10). Wesentlich klarer und im Hinblick auf die Kumulierung der Funktionen des [Zweitbeklagten] überzeugender war die Aussage des Zeugen M***** (./81-BI) zu dem Werbeprospekt und der Kenntnis des [Zweitbeklagten] vom Inhalt und damit auch den Werbezweck des Prospekts. Aus der Aussage des M***** lässt sich auch schließen, das der Zweitbeklagte den Werbeprospekt 2002 freigab. Sowohl aus den Aussagen des Zweitbeklagten, die immer wieder Bezug nehmen zum Kapitalmarktprospekt, aber auch aus der Kumulierung der Funktionen lässt sich überzeugend schließen, dass dem Zweitbeklagten für sich, aber auch in seiner Funktion bei der Erstbeklagten der Inhalt des Kapitalmarktprospektes zu XY bekannt war. Nachdem der Zweitbeklagte sowohl Kenntnis vom Inhalt des Werbeprospektes, als auch dem Kapitalmarktprospekt hatte, musste ihm auch der Unterschied in der Darstellung des Produktes XY bestens bekannt sein und ihm auch die Wirkung des Werbeprospektes auf risikoaverse Anleger bewusst sein. Nicht zuletzt ergibt sich dies aus seinen Aussagen, in denen er darauf verweist, dass ein Anleger beides lesen muss, um offenbar richtig über das Produkt informiert zu sein (./80 und ./81). Das dem Zweitbeklagten somit das tatsächliche Risiko der Zertifikate/Aktien der XY bekannt sein musste, musste sich für ihn aus dem Kapitalmarktprospekt ergeben, den er offenbar kannte, aber auch seinem Fachwissen, das er durch seine Funktionen und von seiner Ausbildung her unzweifelhaft hatte.

Gerade die große Diskrepanz in der Darstellung der XY-Papiere zwischen Kapitalmarktprospekt und Werbebroschüre im Hinblick auf das Risiko, aber auch die Belehrung zum Risiko ergibt für das Gericht überzeugend die Feststellungen zur subjektiven Seite der Organe der Erstbeklagten, so auch des Zweitbeklagten als Vorstand der Erstbeklagten, aber auch als Person für sich. Gerade die erste oder die ersten Werbebroschüren aus dem Jahr 2002 und 2003 mit den plakativen Slogans wie „Grundbuch statt Sparbuch“ legen nahe, dass man sich den Sparbuchsparer für XY erschließen wollte, der aber nur dann dazu bereit ist, wenn er auch die Sicherheit des Sparbuches, sohin die Kapitalerhaltung hat. Gerade diese Differenz und subtile Gestaltung des Werbeprospektes ergaben für das Gericht auch, dass die Organe der Erstbeklagten und so auch der Zweitbeklagte bewusst eine Strategie verfolgten, die eine unrichtige Produktdarstellung im Hinblick auf das Risiko zum Gegenstand hatte. Die Risikohinweise im Kaufauftrag und im Werbeprospekt sind so dürftig oder so allgemein gehalten, das daraus auch vielmehr hervorgeht, dass dies so bewusst gestaltet wurde, um dem Anleger eine andere Sicherheit zu vermitteln, als das Produkt tatsächlich hatte. Der Hinweis des Zweitbeklagten, das man auf die Beratung durch die Vertriebspartner vertrauen durfte, geht wohl insofern ins Leere, als ein Berater allein schon aus eigenem wirtschaftlichen Interesse kaum ein anderes Bild vermitteln wird, als aus einer Werbebroschüre hervorgeht, die als Verkaufsprospekt beim Kunden dienen sollte.»

Das Erstgericht hat damit sorgfältig dargelegt, aufgrund welcher Aussagen und Umstände es die Feststellung [F4] getroffen hat. Der Zweitbeklagte vermag dem auch in diesem Punkt nichts Stichhältiges zu entgegnen. Er betont zusammengefasst im Wesentlichen, aus seiner Aussage habe sich ergeben, dass er weder in die Erstellung noch in den Vertrieb der Werbebroschüre involviert gewesen sei und nicht davon ausgegangen sei, dass Anleger Investitionsentscheidungen nur aufgrund der Werbebroschüren treffen. Mit diesen Aussagen hat sich das Erstgericht freilich auseinandergesetzt, sie aber im Hinblick auf die Angaben des Zeugen M*****, die Diskrepanz in der Risikodarstellung zwischen dem Kapitalmarktprospekt und der Werbebroschüre, den Inhalt der Werbebroschüre und das typischerweise an der Werbebroschüre orientierte Beratergespräch verworfen.

Der Zweitbeklagte tritt dem im Wesentlichen mit seinen eigenen Angaben entgegen. Diese sind jedoch in zahlreichen Punkten nicht nachvollziehbar: So will es der Zweitbeklagte für „denkunmöglich“ halten, dass die Formulierung in der Werbebroschüre Anleger „in Bezug auf die Sicherheit“ täuschen könnte (S 10 in ./81-BI). Dies ist schon angesichts des plakativen, augenscheinlich auf „Kundenfang“ ausgerichteten, inhaltlich aber falschen Slogans „Grundbuch statt Sparbuch“ nicht nachvollziehbar. Wenn Werbebroschüren, wie der Zweitbeklagte darzulegen versucht, seiner Ansicht nach keinen Einfluss auf Investitionsentscheidungen der Anleger haben, würde sich die Frage stellen, wozu Werbebroschüren (zumal inhaltlich falsche) überhaupt erstellt werden. Vielmehr erhellt gerade aus der ./FFF, wie auch das Erstgericht erkannt hat, die Strategie , Anleger zu gewinnen, die von ihrer Risikobereitschaft her für ein solches Produkt eigentlich nicht in Frage kämen. Mit dem Vorbringen, der Zweitbeklagte hätte auf eine vollständige Beratung vertraut, hat sich schließlich das Erstgericht plausibel auseinandergesetzt. Ob der Zweitbeklagte die ./FFF formell freigegeben hat oder nicht, ist vor diesem Hintergrund irrelevant.

Für den Zweitbeklagten wäre im Übrigen auch nichts gewonnen, wenn das Berufungsgericht seine Angaben – isoliert betrachtet – für nachvollziehbar erachten würde. Allein der Umstand, dass nach den Beweisergebnissen auch andere Feststellungen möglich wären, kann nämlich vor dem Hintergrund der freien Beweiswürdigung die Feststellungen nicht erfolgreich in Zweifel ziehen (oben 2.1. ).

2.6. Das Berufungsgericht übernimmt daher die erstgerichtlichen Feststellungen und legt sie seiner Entscheidung über die Berufung des Zweitbeklagten zu Grunde (§ 498 Abs 1 ZPO).

3. Zur Rechtsrüge:

3.1. Das Berufungsgericht erachtet die Rechtsmittelausführungen des Zweitbeklagten für nicht stichhältig, hingegen die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils für zutreffend, weshalb es sich unter Hinweis auf deren Richtigkeit mit einer kurzen Begründung seiner Beurteilung begnügen kann (§ 500a ZPO).

3.2. Das Erstgericht hat die Haftung beider Beklagter primär auf die §§ 870, 874 ABGB gestützt. Nach überwiegender höchstgerichtlicher Rechtsprechung setzt Arglist nach bürgerlichem Recht zwar keine Schädigungsabsicht, sehr wohl aber die Absicht oder das Bewusstsein der Täuschung des anderen Vertragspartners voraus (RIS-Justiz RS0014833; 3 Ob 75/06k; 9 Ob 89/09t; 1 Ob 85/11y).

Die „Täuschungsabsicht“ wird zuweilen vom OGH auch „Irreführungsabsicht“ genannt (RIS-Justiz RS0014821 [T6]). Der Vorsatz muss sich auf die Irreführung, den Irrtum und dessen Einfluss auf die Willensbildung beziehen ( Kolmasch in ABGB-TaKom 2 § 870 Rz 2 mwN), mit anderen Worten „auf die Täuschungshandlung, die Irrtumserregung und die dadurch erfolgte Willensbeeinflussung“ (so zur § 870 ABGB entsprechenden Bestimmung in Deutschland Singer / von Finckenstein in Staudinger, Kommentar zum BGB [2012] § 123 Rz 47; ebenso Dörner in Schulze, Handkommentar zum BGB 8 [2014] § 123 Rz 5).

Es genügt bedingter Vorsatz (RIS Justiz RS0014837; 7 Ob 70/12p mwH). In Bezug auf die Entstehung des Irrtums verlangt die Rechtsprechung aber mitunter ein die Irrtumsentstehung bezweckendes Verhalten des Irreführenden (3 Ob 520/94; 3 Ob 563/95; 8 ObA 58/01i; 5 Ob 113/09t uva; grundlegend 7 Ob 8/75 = JBl 1976, 145; RIS-Justiz

RS0014821). Die daran geübte Kritik der Lehre ( Rummel in Rummel / Lukas 4 § 870 Rz 3) hat jedenfalls auch die Überlegung für sich, dass bei der Forderung einer Absicht ein Wertungswiderspruch zum Strafrecht entstünde, weil zur Verwirklichung des Betrugstatbestands nach § 146 StGB für alle Tatbestandselemente der bedingte Vorsatz nach § 5 Abs 1 StGB ausreicht (so auch Exner, Wie böse muss der Listige sein?, RZ 2015, 255).

Mit welchem Vorsatz der Irreführende vorgegangen ist, ist eine Frage der Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0014776), also nicht der rechtlichen Beurteilung. Der listig Irregeführte ist für die Voraussetzungen des § 870 ABGB behauptungs- und beweispflichtig, dies nach den allgemeinen Regeln (1 Ob 617/95; 1 Ob 1538/95; vgl RIS-Justiz RS0014792), sodass das Regelbeweismaß der hohen Wahrscheinlichkeit gilt (zu diesem RIS-Justiz RS0110701). Insofern gibt es für den Irregeführten keine Erleichterung durch den Anscheinsbeweis (RIS-Justiz RS0014792 [T1]). Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass der Irreführende stets arglistig in Hinsicht auf die Willensbildung des Getäuschten gehandelt hat ( Singer / von Finckenstein in Staudinger, Kommentar zum BGB [2012] § 123 Rz 86 mwH).

Zu berücksichtigen ist, dass die Erstbeklagte eine juristische Person ist. Juristische Personen verfügen über keinen natürlichen Willen ( Kodek in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang 3 § 337 ABGB Rz 2;

Lurger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.02 § 337 ABGB Rz 1). Es ist daher denkunmöglich, dass „die Erstbeklagte“ selbst arglistig handelte. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass juristische Personen gegen die Rechtsfolgen des § 870 ABGB immunisiert sind. § 26 ABGB stellt sie den natürlichen Personen auch im Wesentlichen gleich.

Der Erstbeklagten kann nur unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen – zu denken wäre zB an die §§ 337 und 875 ABGB sowie an § 71 AktG – das die Arglist verwirklichende Verhalten von natürlichen Personen (egal ob einer oder mehrerer) zugerechnet werden.

Zu beachten ist weiters, dass eine juristische Person selbst nichts „wissen“ kann. Auch insofern ist nur eine (Wissens-)Zurechnung möglich (dazu Koziol/Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I 14 [2014] Rz 254). Denkbar wäre etwa, das Wissen eines Vorstandsmitgliedes der Beklagten zuzurechnen. Den Kreis der Personen, deren Handeln sich die juristische Person zurechnen lassen muss, auf (satzungsmäßige) Organe einzuschränken, wird allerdings mit guten Gründen als nicht sachgerecht angesehen (dazu ausf Aicher in Rummel/Lukas 4 § 26 ABGB Rz 33); vielmehr hat sich der weiter gefasste Begriff der „Repräsentantenhaftung“ etabliert.

3.3. Das Erstgericht hat diesen Vorgaben entsprechend die notwendigen Feststellungen getroffen, um die Täuschungsabsicht mit der erforderlichen Sicherheit festmachen zu können. Es wurde konstatiert, dass sowohl den Organen der Erstbeklagten als auch dem Zweitbeklagten bekannt war, dass das Risiko des Anlageprodukts XY in der Werbebroschüre ./FFF „bewusst unrichtig dargestellt wurde, um ein Anlegerpublikum zu erreichen, das ansonsten von seinem Sicherheitsbedürfnis her nicht in Produkte wie Zertifikate oder Aktien investiert“. Weiters stellte das Erstgericht fest, dass die Organe der Erstbeklagten und der Zweitbeklagte mit dieser „unrichtigen/verzerrten“ Darstellung des Risikos des Produkts XY „bewusst in Kauf [nahmen], dass vorsichtige/sicherheitsorientierte Anleger – wie auch der Kläger – mit den XY-Papieren ein Produkt erwerben, das nicht deren Sicherheitserwartung entspricht“ (US 46).

Daraus kann der der Erstbeklagten zurechenbare Wille ihrer Organe im Allgemeinen und des Zweitbeklagten im Besonderen (zumindest in Form des dolus eventualis ) zur Irreführung in der oben dargestellten Art mit der erforderlichen Sicherheit abgeleitet werden, zumal allein die vom Erstgericht verwendete Formulierung („nahmen bewusst in Kauf“) auf die – sprachlich verkürzte – Definition des bedingten Vorsatzes schließen lässt. Aus den Feststellungen ergeben sich sogar Anhaltspunkte für eine über den bedingten Vorsatz hinausgehende zielgerichtete Tätigkeit im Sinne einer Absichtlichkeit („bewusst unrichtig dargestellt, um ...“).

Außerdem begreift die bewusste Verharmlosung eines Risikos sowie die Aufnahme irreführender Aussagen in Werbeunterlagen für Vermögensanlagen regelmäßig auch den Eventualvorsatz für allfällige Schäden der Anleger in sich. Wer Verkaufsunterlagen, welche in weiterer Folge an einen unbestimmbaren Adressatenkreis ausgefolgt werden, vorsätzlich mit irreführenden, respektive unrichtigen Angaben versieht, nimmt damit auch mögliche daraus ursächlich resultierende Schäden zumindest billigend in Kauf (vgl BGH VI ZR 336/12 Rz 34).

Der OGH hat zu 4 Ob 112/15x in Bezug auf die Erstbeklagte festgehalten, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung ein entsprechendes Vertrauen der Anleger in die Integrität, Seriosität und Professionalität der als (Mit-)Herausgeber des Verkaufsfolders ausgewiesenen Bank bestand und aus diesem Grund eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung bejaht. Das Berufungsgericht sieht bei dem gegeben Sachverhalt, obgleich das Verhalten der Erstbeklagten nach § 870 ABGB zu beurteilen ist, keine Veranlassung, von dieser im Ergebnis vergleichbaren Einschätzung abzugehen.

3.4. Der Zweitbeklagte gesteht selbst zu, dass ihn die „Außenhaftung“ gegenüber dem Kläger treffen kann, wenn sein Handeln vom entsprechenden Vorsatz getragen war (5 Ob 146/11y; 1 Ob 51/12z; 4 Ob 5/13h, je mwH).

Entgegen der Ansicht des Zweitbeklagten beschränken sich die erstgerichtlichen Feststellungen nicht darauf, dass er „Kenntnis über den Inhalt der Werbebroschüren, ihre vermeintliche Irreführung und ihren Einfluss auf die Kaufentscheidung des Klägers“ gehabt habe. Vielmehr hat das Erstgericht dezidiert festgestellt, dass sowohl den Organen der Erstbeklagten als auch dem Zweitbeklagten bekannt war, dass des Risiko des Anlageprodukts XY in der Werbebroschüre ./FFF „bewusst unrichtig dargestellt wurde, um ein Anlegerpublikum zu erreichen, das ansonsten von seinem Sicherheitsbedürfnis her nicht in Produkte wie Zertifikate oder Aktien investiert“. Weiters stellte das Erstgericht fest, dass die Organe der Erstbeklagten und der Zweitbeklagte mit dieser „unrichtigen/verzerrten“ Darstellung des Risikos des Produkts XY „ bewusst in Kauf [nahmen] , dass vorsichtige/sicherheitsorientierte Anleger – wie auch der Kläger – mit den XY-Papieren ein Produkt erwerben, das nicht deren Sicherheitserwartung entspricht“ (vgl oben 3.3. ). Es steht also zusammengefasst – über die bloße Kenntnis des Zweitbeklagten von der Werbebroschüre hinaus – fest, dass es auch der Zweitbeklagte bewusst in Kauf nahm , mit der falschen Risikodarstellung zusätzliche Anleger zu gewinnen (und damit die Gewinne der Erstbeklagten zu maximieren). Die Organe der Erstbeklagten, darunter der Zweitbeklagte, verfolgten damit nach den Feststellungen im Ergebnis die Strategie der Kundengewinnung durch Kundentäuschung. Damit ist ein Verhalten des Zweitbeklagten als Mittäter iSd § 1301 ABGB zu einem gemäß § 874 ABGB verpöntem Verhalten (vgl 5 Ob 146/11y; 1 Ob 51/12z; 4 Ob 5/13h, je mwH) ausreichend festgestellt.

3.5. Entgegen der Ansicht des Zweitbeklagten gilt das Primat der Naturalrestitution nicht nur für die vertragliche, sondern auch für die deliktische Schädigung (§ 1323 ABGB). Der Umstand allein, dass er dem Kläger nicht vertraglich, sondern deliktisch haftet, macht die Naturalrestitution somit nicht unzulässig. Nichts anderes liegt der vom Zweitbeklagten selbst zugestandenen Haftung des Anlageberaters auf Naturalrestitution zu Grunde, ist doch auch dieser nicht Partei des Vertrags, der durch die Naturalrestitution „beseitigt“ werden soll. Inhaltlich besteht die Naturalrestitution gegenüber dem Zweitbeklagten – wie dies der stattgebende Urteilsspruch verdeutlicht – ohnehin nicht in der „Rückabwicklung“ eines Vertrags, sondern in der Schadenersatzzahlung Zug um Zug gegen die „Übertragung“ der Wertpapiere.

3.6. Im Gegensatz zur Erstbeklagten hält der Zweitbeklagte das Argument, die Klagsansprüche seien verjährt, auch im Berufungsverfahren aufrecht. Im Hinblick auf die dreißigjährige Verjährungsfrist ab Vertragsabschluss stellt sich aber keine Verjährungsproblematik (3 Ob 47/16g; RIS-Justiz RS0130827; Dehn in KBB 5 § 1487 Rz 3). Es erübrigt sich damit, inhaltlich auf den Verjährungseinwand bezogen auf die Prospekthaftung und den Privatbeteiligtenanschluss einzugehen. Lediglich der guten Ordnung halber sei festgehalten, dass das Berufungsgericht auch die dreijährige Verjährungsfrist durch den Privatbeteiligtenanschluss vom 21.7.2010 gewahrt sieht. Diesbezüglich kann auf die Rechtsansicht in vielen gleichgelagerten Fällen verwiesen werden (OLG Wien 5 R 78/16v; 2 R 86/16f; 2 R 64/16w; 3 R 36/16k; 2 R 64/17x; 4 R 60/17y; 133 R 57/17f ua).

Der Berufung des Zweitbeklagten ist somit der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Berufungsbeantwortung ist kein das Verfahren einleitender Schriftsatz iSv § 23a RATG, sodass dafür nur EUR 2,10 (netto) ERV-Zuschlag zustehen. Der Streitgenossenzuschlag ist nur unter der Voraussetzung ersatzfähig, dass der Kläger auch im Verfahren über die Berufung der Erstbeklagten obsiegt (vgl RIS-Justiz RS0090822). Wegen der Verfahrensunterbrechung in Ansehung der Erstbeklagten ( I. ) ist die Entscheidung über den Ersatz des mit EUR 239,34 (darin enthalten EUR 39,89 USt) verzeichneten Streitgenossenzuschlags spruchgemäß vorzubehalten.

Der OGH hat die Frage der Arglist bezogen auf die Vorgänge rund um die XY-Zertifikate noch keiner tiefer gehenden Betrachtung unterzogen; auch zur Frage, ob für die Bejahung der Arglist bedingter Vorsatz ausreicht, gibt es abweichende (ältere) Entscheidungen. Dem kommt erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu, weshalb die ordentliche Revision zuzulassen war.

Begründung zu III.

Mit der angefochtenen Kostenentscheidung erkannte das Erstgericht die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit EUR 6.583,58 (darin enthalten EUR 915,44 USt und EUR 1.090,93 Barauslagen) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Dagegen richtet sich der Kostenrekurs des Klägers aus den Rekursgründen der Aktenwidrigkeit sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Kostenentscheidung abzuändern und ihm weitere EUR 1.186,20 Kostenersatz zuzusprechen.

Die Beklagten erstatteten keine Rekursbeantwortungen.

Soweit der Rekurs die Erstbeklagte betrifft, ist über ihn derzeit wegen der Verfahrensunterbrechung infolge Insolvenzeröffnung ( I. ) nicht zu entscheiden. In der Folge wird er daher lediglich behandelt, soweit er den Zweitbeklagten betrifft.

Der Rekurs ist berechtigt.

Als aktenwidrig moniert der Kläger die erstgerichtliche Feststellung, die A***** Limited habe den Vergleichsbetrag von EUR 6.390,88 vor der Klagseinbringung an ihn überwiesen (US 45, 55). Tatsächlich habe er den Vergleichsbetrag erst am 31.10.2017 erhalten und die Klage am 14.12.2017 umgehend eingeschränkt. Bis zur Klagseinschränkung sei er auch im eingeschränkten Betrag als obsiegend anzusehen, sodass sich ein weiterer Kostenersatzanspruch von EUR 1.186,20 ergebe.

Diesen Erwägungen ist zuzustimmen:

Der Kläger hat zunächst (ON 1) EUR 39.143,86 Kapital begehrt. Die Erstbeklagte hat der Höhe nach von Vornherein eingewendet, dass sich der Kläger darauf die erhaltenen Dividendenausschüttungen anrechnen lassen müsse (S 31-32 in ON 7). Davon abgesehen traten die Beklagten dem Klagebegehren der Höhe nach nicht entgegen. Am 15.11.2017 (ON 19) schränkte der Kläger das Klagebegehren um EUR 5.725,79 Dividendenausschüttungen auf EUR 33.418,07 ein.

Am 15.12.2017 (ON 20) schränkte der Kläger das Klagebegehren um weitere EUR 6.390,88 auf EUR 27.027,19 ein. Er brachte dazu vor, mit der A***** Limited einen Vergleich geschlossen zu haben und aus diesem Vergleich, der auch die verfahrensgegenständlichen Käufe von XY-Wertpapieren betreffe, einen Betrag von EUR 6.390,88 erhalten zu haben.

Der Kläger hat zwar nicht ausdrücklich vorgebracht, dass der Vergleichsbetrag erst nach der Klagseinbringung geflossen sei, dies lässt sich aber aus der Aktenlage erschließen: Das Vorbringen in der Eingabe vom 15.12.2017 (ON 20), es sei ein „Vergleich“ geschlossen worden, ist so zu verstehen, dass die Vergleichszahlung unmittelbar vor dieser Eingabe geflossen ist. Dieses Vorbringen war neu und bezog sich augenscheinlich auf den Zeitpunkt der Eingabe. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vergleichsbetrag schon vor der Klagseinbringung geflossen wäre und der Kläger die Berücksichtigung des Vergleichsbetrags vergessen hätte. Insbesondere haben die Beklagten den Klagsbetrag der Höhe nach nie mit dem Argument bestritten, der Kläger habe einen vor der Klagseinbringung geflossenen Vergleichsbetrag unberücksichtigt gelassen (sie haben auch keine Rekursbeantwortungen erstattet). Es ist daher entsprechend dem Rekursvorbringen davon auszugehen, dass der Vergleichsbetrag am 31.10.2017 geflossen ist.

Gibt der Kläger für eine Klagseinschränkung keinen Grund an, gilt er als unterlegen, weil er nach § 54 Abs 1 ZPO die Gründe zu bescheinigen hat, aus denen er entgegen einer allgemeinen Norm (§§ 41, 43 ZPO) Kostenersatz begehrt (LGZ Wien 39 R 261/15v, WR 1180; OLG Wien 15 R 67/17h, RW0000880; Obermaier, Kostenhandbuch³ Rz 1.160). Der Kläger hat zur Klagseinschränkung um EUR 6.390,88 einen solchen Grund angegeben, nämlich die Teilzahlung (im Wege eines Vergleichs mit der A***** Ltd.) nach der Klagseinbringung. Er ist damit im Ausmaß jener EUR 6.390,88 schon bis zu dieser Klagseinschränkung als obsiegend anzusehen.

Die Obsiegensquote des Klägers beträgt damit im ersten Abschnitt (ab ON 1) rund 85 % (der Bemessungsgrundlage von EUR 39.143,86). Im zweiten Abschnitt (ON 19) hat der Kläger nach dem Rekursvorbringen, wonach der Vergleichsbetrag am 31.10.2017 geflossen ist, zu rund 80 % und im dritten Abschnitt (ab ON 20) voll obsiegt. Die Bemessungsgrundlage beträgt für den zweiten Abschnitt EUR 33.418,07 und für den dritten EUR 27.027,19.

Zu den einzelnen Positionen des Kostenverzeichnisses ist Folgendes zu sagen: [...]

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet auf den §§ 43 Abs 1, 50 ZPO. Das Rekursinteresse waren EUR 1.186,20. Im Ausmaß von EUR 1.012,86 – das sind rund 85 % des Rekursinteresses – war der Kläger erfolgreich, sodass er Anspruch auf Ersatz von 70 % der richtig verzeichneten Kosten des Rekurses hat. Die ERV-Kosten sind auf EUR 2,10 zu kürzen, weil der Kostenrekurs kein verfahrenseinleitender Schriftsatz ist (§ 23a Abs 1 RATG).

Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses im Kostenpunkt ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.

[Die Entscheidung ist rechtkräftig, seit die dagegen erhobene Revision zurückgezogen worden ist; 8 Ob 49/20v.]

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