33R10/20p – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Schober und den fachkundigen Laienrichter Patentanwalt Mag. Dr. Alge in der Patentrechtssache der Antragsteller ***** wegen Teilverzichts (Patent AT E 520 316) über den Rekurs der Antragsteller gegen den Beschluss der technischen Abteilung des Patentamts vom 5.8.2019, Rm 51/19, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der Beschluss wird aufgehoben; dem Patentamt wird die neuerliche Entscheidung aufgetragen.
Begründung
Text
1. Die Antragsteller sind Inhaber des europäischen Patents EP 2 083 641 B1 (österreichischer Teil: AT E 520 316) mit dem Titel „ Ballaststoff “. Die Erfindung bezieht sich auf Zusatzstoffe für die tierische und menschliche Ernährung, insbesondere auf Ballaststoffe.
2. Mit Eingabe vom 22.3.2018 beantragten die Antragsteller einen Teilverzicht des österreichischen Teils des europäischen Patents EP 2 083 641 B1, der aufgrund der Beanstandungen des Patentamts zurückgezogen wurde. Mit Eingabe vom 18.6.2019 wurde ein anders lautender Teilverzicht mitgeteilt. Der Teilverzicht gründet sich darauf, dass die Patentansprüche 1 bis 11 nunmehr auf die Verwendung des Ballaststoffes zur Nahrungsergänzung für Monogastrier einschließlich des Menschen ausgerichtet sind. Zur Anpassung der Ansprüche sei auch Anspruch 15 darauf abgestellt worden, dass das Futtermittel einen Ballaststoff zur Verwendung gemäß einem der Ansprüche 1 bis 11 enthalte.
Die Antragsteller beantragten, folgende (durch den Teilverzicht geänderte) Patentansprüche einzutragen (die Änderungen sind in der rechten Spalte durch Unterstreichungen hervorgehoben; keine Änderungen wurden in den Ansprüchen 12 bis 14 und 16 bis 19 beantragt):
3. Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss nahm das Patentamt ohne Begründung und daher offenbar in der Annahme, dem Antrag gänzlich stattzugeben, zur Kenntnis, dass die Antragsteller auf das Patent teilweise verzichtet haben, und sprach aus, dass die Ansprüche 12 bis 19 unverändert bleiben und dass die Ansprüche 1 bis 11 nun so lauten, wie es oben in der rechten Spalte ersichtlich ist.
4. Gegen die Entscheidung, dass auch der Anspruch 15 unverändert bleibt, richtet sich nunmehr der Rekurs der Antragsteller mit dem Antrag, auch diesem Teilverzicht antragsgemäß stattzugeben. Die vorgenommene Beschränkung des Schutzumfanges stehe im Einklang mit der Entscheidung der Beschwerdekammer des EPA vom 11.12.1989 zu G 2/88.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist im Sinne des jedem Abänderungsantrag innewohnenden Aufhebungsantrags berechtigt.
5.1 Dass auch der Anspruch 15 unverändert bleibt, wurde nicht begründet. Der darauf bezogene Antrag blieb inhaltlich unbehandelt und unberücksichtigt. Es liegt die Annahme nahe, dass dieser Teil des Antrags übersehen wurde.
5.2 Der Anspruch 15 ist kein (abhängiger) Unteranspruch sondern ein formal unabhängiger Hauptanspruch, nämlich ein Produktanspruch, der sich auf ein „Futtermittel“ bezieht, wogegen der (geänderte) Anspruch 1 ein Verwendungsanspruch ist, also einer anderen Anspruchskategorie angehört.
Grundsätzlich ist zwischen Verfahrensansprüchen auf der einen und Produkt- und Vorrichtungsansprüchen auf der anderen Seite zu unterscheiden. Eine Zweckangabe in einem Verfahrensanspruch ist in der Regel einschränkend zu interpretieren, wenn sich die Erfüllung des Zwecks bei der Durchführung des Verfahrens erkennen lässt ( Horkel/Poth/Pföstl in Stadler/Koller, PatG § 3 Rz 168 ff).
Anders ist dies jedoch bei Produktansprüchen, bei denen eine Zweckangabe entweder gar nicht berücksichtigt wird oder ausnahmsweise nur insofern als einschränkend anzusehend ist, als das Produkt zur Erreichung des Zwecks geeignet sein muss.
5.3 Ein neuer Verwendungszweck eines Produktanspruchs enthält in der Regel nur dann ein neuheitsbegründendes Merkmal, wenn er das Produkt von bekannten identischen Produkten nur wegen des Umstands abgrenzt, dass jene für diesen neuen Verwendungszweck ungeeignet sind.
Die von den Antragstellern genannte Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des EPA G 2/88 ist hier nicht relevant, weil sie sich mit der Auslegung eines Verwendungsanspruchs auseinandersetzt, nicht aber mit einem (absoluten) Produktanspruch.
6. In Bezug auf den Anspruch 15 blieb bisher unerörtert, ob der neue Verwendungszweck den genannten Überlegungen entspricht.
Wiewohl die Antragsteller die Änderung der Ansprüche 1 bis 11 im Rekurs ausdrücklich nicht bekämpfen, enthält der Akt keine Anhaltspunkte darüber, ob sie im Fall der (begründeten) Verweigerung der Änderung des Anspruchs 15 auch den durch die Änderung der Ansprüche 1 bis 11 erklärten Teilverzicht aufrecht halten.
Da den Antragstellern auch dazu das rechtliche Gehör einzuräumen ist, ist dem Patentamt insgesamt eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.