133R134/19g – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke REFURBED über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 30.8.2019, AM 10434/2019 3, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Die Wortmarke REFURBED ist im beantragten Umfang ins Markenregister einzutragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung
Text
Die Antragstellerin beantragte Eintragung der Wortmarke
REFURBED
für folgende Waren und Dienstleistungen der folgenden Klassen:
9 Telefone; Telefonapparate; Telefonendgeräte; Drahtlose Telefongeräte; Freisprecheinrichtungen für Telefone; Kopfhörer mit Mikrofon für Telefone; Software für die Einrichtung von Online-Geschäften.
35 Vermittlung von Verträgen für den Kauf und Verkauf von Waren; Werbedienstleistungen in Bezug auf den Verkauf von Waren; Vermittlung von Geschäften und diesbezügliche Beratung beim Verkauf von Waren und dem Erbringen von Dienstleistungen; Bereitstellen eines Online-Marktplatzes für Käufer und Verkäufer von Waren und Dienstleistungen; Verkaufsförderung für Waren und Dienstleistungen von Dritten durch Werbung auf Internet-Seiten; Werbung; Online-Werbung; Werbung, insbesondere Verkaufsförderung von Waren; Verkaufsförderung [Sales promotion]; Verkaufsförderung, Werbung und Marketing durch Online-Websites; Werbung zur Förderung des elektronischen Handels; Vermittlung von Handelsgeschäften für Dritte über Online-Shops; Vermittlung von Verträgen über den An- und Verkauf von Waren.
37 Reparatur von Telefonen; Reparaturdienstleistungen für Computer; Reparatur von beschädigten Computern; Reparatur von elektrischen Geräten; Reparatur oder Wartung von Telefonapparaten; Installation und Reparatur von Telefonen; Instandhaltung und Reparatur von Kommunikationssystemen; Reparatur von Büromaschinen und -apparaten; Reparatur von Bürogeräten und -apparaten; Wartung und Reparatur von Hardware; Wartung und Reparatur von Computern; Instandhaltung und Reparatur von Computerhardware; Wartung und Reparatur von Rechnerhardware; Reparatur und Wartung von Multimediageräten; Reparatur und Wartung elektronischer Geräte; Installation und Reparatur von Computern; Montage, Wartung und Reparatur von Computerhardware; Reparatur von Elektrogeräten und elektrotechnischen Anlagen; Wartung oder Reparatur von Computern; Reparatur von elektronischen Geräten.
38 Telekommunikation; Bereitstellung eines Zugangs zu einer E-Commerce-Plattform im Internet; Informations- und Datenübermittlung über Onlinedienste und das Internet.
42 Design von Homepages und Websites; Programmierung von Software für E-Commerce-Plattformen; Entwicklung von Internetplattformen für den elektronischen Handel; Reparatur von Computersoftware; Wartung und Reparatur von Software; Reparatur [Wartung und Aktualisierung] von Software; Installation, Reparatur und Wartung von Computersoftware; Installation, Reparatur und Wartung von Rechnersoftware.
Die Rechtsabteilung wies den Antrag mit der angefochtenen Entscheidung ab und verneinte die Unterscheidungskraft. Das Wort sei Teil der englischen Sprache und bedeute „umgebaut, repariert, aufgemotzt“.
Der Verkehr werde die so bezeichneten Waren und Dienstleistungen daher als einen Hinweis auf deren Beschaffenheit und Inhalt sehen, nämlich in Beziehung zu reparierten oder erneuerten Waren oder zur Reparatur und Erneuerung von Gegenständen. Selbst wenn dieses Wort in Wörterbüchern in dieser Form nicht vorkomme, sei es den Verkehrskreisen in Österreich im gegebenen Bedeutungszusammenhang bekannt. Es sei im Internet auch ein Satz aufgefunden worden, in dem das englische Wort als Partizipium Perfekt verwendet werde und auf Deutsch „erneuert“ bedeute.
Die von der Antragstellerin behauptete Verkehrsgeltung liege nicht vor, weil das Zeichen als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen nicht ausreichend bekannt sei.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
1. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.
1.1. Ob einer Bezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen (Koppensteiner, Markenrecht 82). Diese Eigenschaft kommt einer Marke zu, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, sodass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (EuGH C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; EuG T 471/07, TAME IT, Rn 15 mwN; C 398/08, Audi; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix ).
1.2. Fehlt die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11, OXI-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a, Shopping City mwN; RIS-Justiz RS0118396). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft die Eintragung verhindert, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (OBm 1/13, Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist: Aus Gründen der Rechtssicherheit sind Marken, deren Benutzung vor Gericht mit Erfolg entgegengetreten werden könnte, nicht einzutragen (vgl EuGH C 104/01, Orange; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).
1.3. Die Beurteilung, ob die Unterscheidungskraft fehlt, erfolgt anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde (Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 4 Rz 57). Die Eignung zur Erfüllung der Herkunftsfunktion muss nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit geprüft werden (4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN). Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen (Asperger aaO § 4 Rz 67 mwN der Rsp; RIS-Justiz RS0079038 [T1]).
1.4. Nach der Rechtsprechung des EuGH fehlt den Zeichen die Unterscheidungskraft, wenn sie für die beteiligten Verkehrskreise eine unmittelbare und ohne weiteres erkennbare Aussage über die Art, Natur, Beschaffenheit oder Ähnliches der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen enthalten, das heißt sie müssen sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen herstellen können (C 326/01, Universaltelefonbuch; C 494/08 P, Pranahaus; 4 Ob 11/14t, Expressglass ).
Trifft das zu, kann auch Wortneubildungen die Unterscheidungskraft fehlen (4 Ob 38/06a, Shopping City; 4 Ob 28/06f, Firekiller; Ingerl/Rohnke, Markengesetz³ § 8 Rz 120 mwN).
1.5. Enthält das Zeichen dem gegenüber nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es unterscheidungskräftig (RIS-Justiz RS0109431 [T3]; RS0090799, RS0066456; 4 Ob 116/03t, immofinanz; 17 Ob 27/07f, ländleimmo; OBm 1/12, Die grüne Linie ). Bloße Andeutungen stehen einer Eintragung daher in der Regel nicht entgegen, solange sie nur in phantasiehafter Weise auf bestimmte Eigenschaften hinweisen, ohne sie in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar zu bezeichnen (vgl OBm 3/11, ATELIER PRIVE; OBm 2/13, PRIMERA ua).
1.6. Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RIS-Justiz RS0066644).
1.7. Ob Begriffe, die einer Fremdsprache entnommen sind, unterscheidungskräftig sind, hängt davon ab, ob ihre Kenntnis im Inland im Prioritätszeitpunkt so weit verbreitet war, dass der inländische Verkehr einen die Kennzeichnungsfunktion ausschließenden Sinngehalt erkennen konnte (4 Ob 7/05s, Car Care; 4 Ob 28/06f, Firekiller; 17 Ob 21/07y, Anti-Aging-Küche; 4 Ob 11/14t, Expressglass ). Das kann selbst dann zutreffen, wenn die Bezeichnung in der Fremdsprache selbst nicht gebräuchlich ist (4 Ob 277/04w, Powerfood; 4 Ob 28/06f, Firekiller; 4 Ob 38/06a, Shopping City ).
2. Auf der Basis dieser Überlegungen ist dem Zeichen die Unterscheidungskraft nicht abzusprechen – vor allem deswegen nicht, weil es sich um einen Phantasiewort handelt, das weder in der deutschen noch in der englischen Sprache vorkommt. Es ist zwar angelehnt an das Vokabel „refurbish“, das für „erneuern, renovieren“ steht, was aber nichts daran ändert, dass dieses Wort dem englischen Wortschatz nicht angehört. Insofern unterscheidet sich dieses Zeichen auch von Zusammensetzungen bekannter Wörter, die nur in ihrer Kombination unbekannt sind. Solche Fälle hatte das OLG Wien zuletzt bei einigen Gelegenheiten zu entscheiden, etwa 133 R 137/17w, BRONCHOCOLD, BRONCHOAKUT, BRONCHONIGHT; 133 R 8/18a, VIRUPROTECT; 133 R 73/18k, APO 4 YOU; 133 R 114/18i, B SMART INVEST .
In diesen Fällen wurde entschieden, dass der Umstand, dass die angemeldete Formulierung in Lexika nicht enthalten ist, noch keine Unterscheidungskraft verleiht.
Der vorliegende Fall ist jedoch anders zu beurteilen, weil nicht eine Kombination bekannter Wörter zu einer bisher unbekannten Gesamtformulierung angemeldet wurde, sondern insgesamt ein erfundenes Wort, das deswegen nicht in Sprachbüchern enthalten ist, weil es als solches nicht existiert. Somit unterfällt die Anmeldung jener Fallgruppe, bei der eine Phantasiebezeichnung angemeldet wird.
Phantasiebezeichnungen können durchaus an existierende Wörter angelehnt sein, was ihnen aber die Unterscheidungskraft nicht nimmt. Zu berücksichtigen ist dabei nämlich auch, in welchem Ausmaß die Verkehrskreise genötigt werden, Denkleistungen aufzuwenden, um eine Assoziation zwischen dem erfundenen Wort und den Waren und Dienstleistungen herzustellen.
Der Maßstab ist jedenfalls im vorliegenden Fall großzügig anzunehmen, weil das Phantasiewort nicht der deutschen Sprache entnommen ist.
Auch der Umstand, dass sich im Internet ein Satz finden lässt, der das Wort enthält, nimmt ihm noch nicht die Eigenschaft als Phantasiebezeichnung.
Auf die Verkehrsgeltung kommt es nicht an.
3. Grundsätzlich können Rekursentscheidungen im Verfahren außer Streitsachen nach Maßgabe des § 62 AußStrG mit Revisionsrekurs angefochten werden. Dessen ungeachtet wäre ein Rechtsmittel der allein hiezu legitimierten Antragstellerin zurückzuweisen, weil ihr Rekurs vollständig erfolgreich war und sie durch die Entscheidung des Rekursgerichts nicht beschwert ist (RIS-Justiz RS0006880 uva). Der Revisionsrekurs ist daher jedenfalls unzulässig; ein Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands entfällt.