133R83/19g – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden und den Richter Dr. Thunhart sowie den fachkundigen Laienrichter Patentanwalt DI Mag. Babeluk in der Patentrechtssache der Antragstellerin ***** , vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die Antragsgegnerin *****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Übertragung des österreichischen Patents AT 513973 und der europäischen Patentanmeldung EP 13160788.9 über die Berufung der Antragstellerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 27.2.2019, N 2+3/2016 15, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die Antragstellerin ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit EUR 6.144 (darin EUR 1.024,80 Ust) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Text
Die Antragsgegnerin ist aufgrund der Anmeldung des Dr. *** vom 22.2.2013 und der Übertragung dieser Anmeldung mit Beschluss vom 5.2.2014 Inhaberin des österreichischen Patents AT 513973 B1 „ Stopfaggregat für eine Gleisstopfmaschine “ mit folgenden Patentansprüchen:
1. Stopfaggregat (1) für eine Gleisstopfmaschine mit auf einem, in einem Stopfaggregatrahmen höhenverstellbar geführten, Träger (2) angeordneten, als Schwinghebel ausgebildeten Stopfwerkzeugpaaren, deren zum Eintauchen in ein Schotterbett (4) bestimmte untere Stopfpickelenden (5) mit einem Schwingungsantrieb (6) gegenläufig antreibbar und hydraulisch zueinander beistellbar sind, wobei jedem der Stopfwerkzeuge (3) eines Stopfwerkzeugpaares ein Hydraulikzylinder (11) und ein Wegsensor (12) zur Bestimmung der Hydraulikzylinderstellung zugeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Hydraulikzylinder (11) den Beistellantrieb als auch den Schwingungsantrieb (6) der Stopfwerkzeuge (3) bilden und die Ansteuerung der Hydraulikzylinder (11) wegsensorsignalabhängig erfolgt und dass zur Betätigung der Hydraulikzylinder (11) Hydraulikzylinderansteuerventile (13) vorgesehen sind, die direkt am Hydraulikzylinder (11) angeordnet sind.
2. Stopfaggregat nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Wegsensor (12) und der Hydraulikzylinder (11) eine Baueinheit bilden und der Wegsensor (12) insbesondere in den Hydraulikzylinder (11) integriert ist.
3. Stopfaggregat nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Hydraulikzylinderansteuerventile (13) Servo- oder Proportionalventile sind.
4. Stopfaggregat nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Hydraulikzylinderstellung von einer Steuerung/Regelung (14) in Abhängigkeit der Wegsensorsignale vorgebbar ist.
5. Stopfaggregat nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass einer linearen Beistellbewegung der Hydraulikzylinder (11) eine Schwingung überlagerbar ist.
6. Stopfaggregat nach Anspruch 4 oder 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerung/Regelung (14) die Schwingung, die Schwingungsamplitude und die Schwingungsfrequenz, in Abhängigkeit von der Höhen- und der Beistelllage (±h, ±s) der Stopfpickel vorgibt.
7. Stopfaggregat nach einem der Ansprüche 4 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerung/Regelung (14) die Schwingung, die Schwingungsamplitude, die Schwingungsfrequenz und den Beistellweg in Abhängigkeit vom, insbesondere mit einem Drucksensor, gemessenen Zylinderdruck vorgibt.
Weiters hat die Antragsgegnerin am 25.3.2013 die europäischen Patentanmeldung EP 13160788.9 „Stopfaggregat für eine Gleisstopfmaschine“ unter Beanspruchung der österreichischen Priorität eingereicht, wobei die Patentansprüche nach der Abänderung der Anmeldung am 27.2.2015 jenen des österreichischen Patents entsprechen. Das Europäische Patentamt hat das Verfahren mit Wirkung vom 18.5.2016 ausgesetzt.
Die Antragstellerin beantragte am 12.4.2016 beim österreichischen Patentamt die Übertragung des österreichischen Patents AT 513973 und der europäischen Patentanmeldung EP 13160788.9 und brachte dazu vor, dass ihr die Rechte am Patent zustünden, weil es sich um eine Diensterfindung ihres Mitarbeiters NN handle. Im Jahr 2003 habe sich NN als Leiter der Entwicklungsabteilung für Hydrauliksysteme mit einer möglichen Vereinfachung der Stopfaggregate von Gleisoberbaumaschinen beschäftigt und dabei eine Lösung entwickelt, bei der der Hydraulikzylinder und der Exzenterantrieb durch eine hydraulische Servoachse ersetzt würden und der Hydraulikzylinder auch die Vibrationen erzeuge.
Diese Informationen seien auch dem im Patent der Antragsgegnerin als Erfinder genannten Dr. *** mitgeteilt worden, der bis 2012 Dienstnehmer der Antragstellerin gewesen sei und die Forschungs- und Versuchsabteilung der Antragstellerin geleitet habe. NN habe eine Meldung der Erfindung vorerst unterlassen, weil er angenommen habe, dass Dr. *** diese Meldung erforderlichenfalls weiterleiten würde, wozu er auch verpflichtet gewesen wäre. Mittlerweile habe NN die Meldung der Erfindung nachgeholt.
Dr. *** sei seit 2013 Gesellschafter und Geschäftsführer der Antragsgegnerin und habe die Erfindung zum Patent angemeldet, obwohl er den wesentlichen Inhalt der Patentanmeldung den Unterlagen der Antragstellerin entnommen habe. Falls Dr. *** der Erfinder sei, habe er diese Erfindung als Dienstnehmer der Antragstellerin gemacht und eine Meldung der Erfindung unterlassen, weshalb die Antragstellerin diese Erfindung nunmehr für sich in Anspruch nehmen dürfe.
Die Antragsgegnerin bestritt das Vorbringen der Antragstellerin, beantragte die Abweisung des Antrags und brachte ihrerseits vor, dass Dr. *** der Antragstellerin im Jahr 2004 die Ergebnisse der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten mitgeteilt habe, woraufhin die Antragstellerin ein entsprechendes Patent angemeldet habe. Im Übrigen sei Dr. *** im Unternehmen der Antragstellerin nicht für die Weiterleitung von Erfindungen anderer Mitarbeiter zuständig gewesen. Dr. *** habe die Idee eines am Hydraulikzylinder aufbauenden Ventils erst nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen der Antragstellerin im Jahr 2013 gehabt. In weiterer Folge habe die Antragstellerin versucht, mehr über die technische Lösung der Antragsgegnerin zu erfahren, und auch Nachforschungen bei den Lieferanten der Antragsgegnerin angestellt. Am 9.6.2014 habe ein Mitarbeiter der Antragstellerin bei der Bahnbau Wels eine Gleisstopfmaschine der Antragsgegnerin besichtigt und dadurch von der Positionierung der Steuerventile am Hydraulikzylinder erfahren. Den Unterlagen im Unternehmen der Antragstellerin sei ein solches Merkmal nicht zu entnehmen.
Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Nichtigkeitsabteilung (NA) den Antrag ab, wobei sie feststellte, dass Dr. *** der Antragstellerin am 12.8.2004 eine Erfindung gemeldet habe, bei welcher die Hydraulikzylinder einer Gleisstopfmaschine nicht nur lineare Bewegungen, sondern auch jene Schwingungen ausführen, die bisher von einem Exzenterantrieb erzeugt wurden. Die Antragsgegnerin habe daraufhin das österreichischen Patent AT 500972 angemeldet, das am 29.10.2008 wegen Nichtentrichtung der Jahresgebühr erloschen sei. Die europäische Patentanmeldung EP 1653003 A2 sei am 8.9.2006 zurückgezogen worden.
Demgegenüber sei die im Patent der Antragsgegnerin vorgeschlagene Anordnung der Steuerventile am Hydraulikzylinder weder der Erfindungsmeldung des Dr. *** noch der Patentschrift der Antragstellerin zu entnehmen. Wohl aber erwähne das Pflichtenheft vom 21.7.2003 in Beilage ./P ein am Zylinder angebautes Steuerventil, weil man eine von Kokillen bekannte technische Lösung übernehmen wollte. Damals habe es aber noch keinen Hinweis auf eine technisch ausführbare Lösung gegeben, bei der das Ventil den bei einem Stopfaggregat auftretenden Beschleunigungskräften standhalten könnte. Auch sei nicht feststellbar, von wem dieser erfinderische Gedanke stamme und ob Dr. *** von diesem Vorschlag Kenntnis erlangt habe, zumal FF als Mitarbeiter des beigezogenen Unternehmens X dieses Pflichtenheft verfasst habe.
Obwohl Dr. *** von 13.10.1969 bis 30.9.1977 und dann wieder von 2.2.1987 bis 31.12.2012 im Unternehmen der Antragstellerin tätig gewesen sei, könne nicht festgestellt werden, dass er die am 22.2.2013 angemeldete Erfindung noch während des Dienstverhältnisses gemacht habe. Die Erfindungsmeldung des NN sei erst erfolgt, nachdem er am 9.6.2014 eine Gleisstopfmaschine der Antragsgegnerin besichtigt habe.
In rechtlicher Hinsicht führte die NA aus, dass nach dem Erlöschen des österreichischen Patents AT 500972 und der Zurückziehung der europäischen Patentanmeldung EP 1653003 A2 die dort vorgeschlagenen Lösungen dem freien Stand der Technik angehören würden. Der im Pflichtenheft vom 21.7.2003 in Beilage ./P angeführte Vorschlag eines am Zylinder angebrachten Steuerventils sei keine patentfähige Erfindung, weil keine ausführbare Lösung eines Ventils, das den damit verbundenen physikalischen Anforderungen entsprechen würde, aufgezeigt worden sei. Da auch nicht feststellbar sei, von wem dieser Vorschlag stamme und ob Dr. *** davon Kenntnis erlangt habe, habe die Antragstellerin nach § 49 PatG und Art 61 EPÜ weder nachweisen können, dass sie Rechtsnachfolgerin des Erfinders sei, noch dass die Antragsgegnerin die Erfindung widerrechtlich erlangt habe.
Dagegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung der NA dahingehend abzuändern, dass ihrem Antrag stattgegeben werde, in eventu die Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die NA zurückzuverweisen.
Die Antragsgegnerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Zur Beweisrüge:
1.1. Die Antragstellerin bekämpft die Feststellung der NA, wonach das Wort „angebaut“ im Pflichtenheft vom 21.7.2003 in Beilage ./P auf die Übernahme einer für Kokillen verwendeten technischen Lösung zurückzuführen sei, während für Gleisstopfmaschinen damals keine technisch ausführbare Lösung bekannt gewesen sei. Die Antragstellerin führt dazu aus, dass sich aus den Aussagen der Beteiligten ergebe, dass bereits im Jahr 2003 klar gewesen sei, dass das Ventil im Zylinder angebracht sein müsse. Eine solche Konstruktion wäre schon damals umsetzbar gewesen, zumal das Unternehmen Y ein solches Ventil liefern hätte können.
Der Antragstellerin ist entgegenzuhalten, dass die von ihr ins Treffen geführten Aussagen der Feststellung der NA nicht entgegenstehen, weil auch diesen Aussagen nicht zu entnehmen ist, dass eine solche Konstruktion bereits verwirklicht worden wäre. Dass eine solche Konstruktion unter Beiziehung spezialisierter Unternehmen realisierbar gewesen wäre, ändert nichts am Umstand, dass die technische Ausführbarkeit ungewiss erscheinen musste und dementsprechend nicht „bekannt“ war.
1.2. Die Antragstellerin richtet sich gegen die Beweiswürdigung der NA, wonach nicht festgestellt werden könne, dass im Unternehmen der Antragstellerin „konkrete Lösungen“ hinsichtlich des Ventils diskutiert worden seien, wobei sie auf die Aussagen der Zeugen GG und FF verweist.
Die Antragstellerin gesteht aber selbst ein, dass der Zeuge GG bei keiner Besprechung anwesend war. Der Zeuge FF sagte zwar aus, dass mit dem Unternehmen Y über das Ventil gesprochen worden sei, doch kann daraus nicht abgeleitet werden, dass bereits eine „konkrete Lösung“ vorhanden war. Zutreffend verweist die NA auf den Umstand, dass auch der Zeuge GG keine Angaben über eine konkrete Lösung machen konnte, was einer entsprechenden Feststellung entgegensteht.
1.3. Die Antragstellerin bekämpft die Beweiswürdigung der NA, wonach nicht festgestellt werden könne, dass das Pflichtenheft vom 21.7.2003 in Beilage ./P an die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin übermittelt worden sei, weil der Zeuge FF ausgesagt habe, dass alle Unterlagen per E-Mail an Dr. *** übersendet worden seien.
Tatsächlich hatte der Zeuge FF keine Erinnerung mehr daran, ob er auch dieses Pflichtenheft übersendet hat. Demgegenüber gab Dr. *** an, dass er dieses Pflichtenheft erst anlässlich des vorliegenden Verfahrens gesehen habe. Mangels objektiver Beweisergebnisse ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn die NA diesbezüglich keine Feststellung treffen konnte.
1.4. Die Antragstellerin richtet sich gegen die Beweiswürdigung der NA, wonach nicht geklärt werden könne, weshalb das Wort „angebaut“ im Pflichtenheft vom 13.5.2004 in Beilage ./Q nicht mehr aufscheine. Die Antragstellerin vertritt hier die Ansicht, dass sich aus den Angaben der Beteiligten ergebe, dass es sich um eine Selbstverständlichkeit gehandelt habe. Die Antragstellerin beantragt deshalb eine Ersatzfeststellung, wonach das Wort „angebaut“ im Pflichtenheft vom 13.5.2004 in Beilage ./Q nicht mehr aufscheine, weil es sich um eine Fortentwicklung des Plichtenhefts vom 21.7.2003 in Beilage./P handle.
Die Antragsgegnerin weist in ihrer Rechtsmittelbeantwortung zutreffend darauf hin, dass die beantragte Ersatzfeststellung nicht von den Beweisergebnissen gedeckt wäre. Selbst wenn es sich beim Pflichtenheft vom 13.5.2004 in Beilage ./Q um eine Fortentwicklung des Pflichtenhefts vom 21.7.2003 in Beilage./P handeln würde, wäre nicht erklärlich, weshalb der Hinweis auf die Positionierung des Steuerventils nicht auch in das Pflichtenheft vom 13.5.2004 in Beilage ./Q aufgenommen wurde.
1.5. Die Antragstellerin richtet sich gegen die Beweiswürdigung der NA, wonach nicht festgestellt werden könne, dass Dr. *** die Erfindung bereits während seines aufrechten Dienstverhältnisses zur Antragstellerin gemacht habe.
Die Klägerin legt zum Beweis dafür, dass Dr. *** diese Erfindung während seines aufrechten Dienstverhältnisses zur Antragstellerin gemacht habe, mit ihrer Berufung zwei Urkunden vor. Das Neuerungsverbot des § 482 ZPO gilt aber auch im Berufungsverfahren gegen Entscheidungen der NA ( Weiser, Patentgesetz 3 526). Entgegen dem Rechtsstandpunkt der Antragstellerin dient die Vorlage neuer Beweismittel im Berufungsverfahren, die die Unrichtigkeit einer Tatsachenfeststellung belegen sollen, nicht bloß der Dartuung eines geltend gemachten Berufungsgrunds (RS0105484). Die Antragstellerin hat damit gegen das Neuerungsverbot des § 482 Abs 2 ZPO verstoßen.
Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin kann aus dem Umstand, dass Dr. *** schon im Jahr 2011 die Entwicklung eines „excenterlosen Stopfaggregats“ und das Anmelden diesbezüglicher Patente geplant hat, noch nicht geschlossen werden, dass er schon damals jene technische Lösung mit einem am Hydraulikzylinder angebrachten Steuerventil entwickelt gehabt hätte, die er am 22.2.2013 als Patent angemeldet hat.
Richtig ist, dass der Zeuge FF behauptet hat, dass schon im Jahr 2003 das Anbringen des Steuerventils am Hydraulikzylinder „die naheliegendste Sache“ gewesen sei. Diese Aussage wird aber durch den Umstand relativiert, dass eine solche Positionierung der Steuerventile in der Patentanmeldung der Antragstellerin nicht angeführt ist.
Demgegenüber sagte Dr. *** aus, dass er diese Idee erst im Jänner 2013 gehabt habe. Die zeitliche Nähe zum Austritt aus dem Unternehmen der Antragstellerin am 31.12.2012 macht die Angaben des Dr. *** nicht von vornherein unglaubwürdig, weil durchaus nachvollziehbar ist, dass er sich gerade im Vorfeld seiner selbständigen unternehmerischen Tätigkeit intensiv mit der Konstruktion von Gleisstopfmaschinen beschäftigt hat. Zudem wäre die Annahme, dass Dr. *** bereits im Jahr 2003 die Erfindung gegenüber seinem Dienstgeber bewusst zurückgehalten hat, nur um dann 10 Jahre später dieses Unternehmen zu verlassen, die Erfindung für sich zu beanspruchen und mit seinem ehemaligen Dienstgeber in Konkurrenz zu treten, mit der Lebenserfahrung kaum vereinbar.
Da die Aussage des Dr. *** nicht mit objektiven Beweismitteln widerlegt werden konnte, ist es nicht zu beanstanden, dass die NA es nicht als erwiesen ansah, dass Dr. *** die Erfindung schon während seines aufrechten Dienstverhältnisses zur Antragstellerin gemacht habe.
1.6. Die Antragstellerin bekämpft die Beweiswürdigung der NA, wonach nicht als erwiesen betrachtet werden könne, dass NN ein „angebautes“ Ventil angeregt habe. Die Antragstellerin vertritt hier die Auffassung, dass die NA hier den Angaben des Zeugen NN hätte folgen müssen. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die NA ausführlich und nachvollziehbar dargelegt hat, dass sie den Angaben des Zeugen NN keinen Glauben schenken konnte, weil eine solche Positionierung des Ventils in den Gesprächsberichten und Skizzen nicht dokumentiert ist.
1.7. Schließlich richtet sich die Antragstellerin gegen die Beweiswürdigung der NA, wonach nicht feststellbar gewesen sei, wann NN die Erfindung gemeldet habe und ob die Antragstellerin diese Erfindung aufgegriffen habe. Die Antragstellerin meint, dass die NA diesbezüglich den Angeben des Zeugen NN hätte folgen müssen.
Dem ist zu erwidern, dass die NA auch hier den Angaben des Zeugen NN keinen Glauben schenkte, weil dessen Angaben „zu widersprüchlich und zu unklar“ waren. So verweist die NA darauf, dass der Zeuge NN in der Verhandlung vom 4.12.2018 auf Protokollseite 33 ausführte, dass die Antragstellerin die Erfindung nach der Besichtigung bei der Bahnbau Wels am 9.6.2014 aufgegriffen habe, um nur wenig später auf Protokollseite 35 zu behaupten, dass die Erfindung schon vor diesem Besuch aufgegriffen worden sei. Auch dass die schriftliche Erfindungsmeldung vom 11.2.2016 in Beilage ./L erst eineinhalb Jahre später erstattet wurde, muss Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen erwecken. Dementsprechend ist nicht zu beanstanden, dass die NA am Wahrheitsgehalt der Angaben des Zeugen zweifelte und dementsprechend keine diesbezüglichen Feststellungen treffen konnte.
Zur Rechtsrüge:
2.1. Die Antragstellerin stützt ihren Antrag auf § 49 Abs 1 und 5 PatG, wonach das Patent dem Inhaber aberkannt und dem Antragsteller übertragen werden kann, wenn der Nachweis erbracht wird, dass (Z 1) dem Patentinhaber der Anspruch auf die Erteilung des Patentes nicht zustand oder (Z 2) der wesentliche Inhalt der Anmeldung den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Gerätschaften oder Einrichtungen eines anderen ohne dessen Einwilligung entnommen war.
2.2. Auch das Recht auf das europäische Patent nach Art 60 Abs 1 EPÜ steht dem Erfinder oder seinem Rechtsnachfolger zu, wobei die nationalen Vorschriften über Diensterfindungen anzuwenden sind. Die Entscheidung über die materielle Berechtigung des Anmelders obliegt nach § 9a PatV-EG iVm Art 1 des Anerkennungsprotokolls BGBl 1979/350 der NA des Patentamts. Wird der Anspruch auf Erteilung des europäischen Patents einer Person zugesprochen, die nicht der Anmelder ist, so kann diese Person nach Art 61 EPÜ auch das Recht beanspruchen, die europäische Patentanmeldung anstelle des Anmelders als eigene Anmeldung weiter zu verfolgen.
2.3. Die Antragstellerin richtet sich gegen die Rechtsansicht der NA, wonach der im Pflichtenheft vom 21.7.2003 in Beilage ./P angeführte Vorschlag eines am Zylinder angebrachten Steuerventils keine patentfähige Erfindung sei, weil den von der Antragstellerin beigebrachten Beweismitteln kein Hinweis auf ein Ventil zu entnehmen sei, das den damit verbundenen physikalischen Anforderungen entsprechen würde, und auch weil sonst keine ausführbare Lösung aufgezeigt worden sei. Die Antragstellerin verweist darauf, dass auch die verfahrensgegenständliche Patentanmeldung keine Informationen dazu enthalte, wie das Ventil ausgestaltet sein müsse.
2.4. Sowohl nach § 87a PatG als auch nach Art 83 EPÜ erfordert die Patentanmeldung, dass die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart wird, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Entscheidend ist demnach, ob der Durchschnittsfachmann auf Grund der in der Anmeldung enthaltenen Informationen in die Lage versetzt wird, unter Inanspruchnahme des allgemeinen Fachwissens und mit Hilfe der vom Anmelder aufgezeigten Ausführungswege die Lehre zum technischen Handeln zuverlässig, wiederholbar und ohne Umwege in die Praxis umzusetzen, ohne dabei einen unzumutbaren Aufwand treiben und eine unangemessene Zahl anfänglicher Fehlschläge hinnehmen zu müssen (RS0119499, Schäfers / Wieser / Kinkeldey in Benkard 3 Art 83 EPÜ Rn 62 und 77).
2.5. Die Anmeldung muss die Erfindung aber nicht in allen Einzelheiten beschreiben (Prüfrichtlinien des EPA Kapitel F III/1; Teschemacher in Stauder/Luginbühl 8 Art 83 EPÜ Rn 12). Vielmehr reicht es aus, wenn Komponenten der Erfindung mit allgemein bekannten Gattungsbegriffen bezeichnet werden, wenn die konkrete Ausgestaltung dieser Komponenten im Stand der Technik bekannt und dem Durchschnittsfachmann ohne Weiteres zumutbar ist ( Weiser, Patentgesetz 3 363). Aber auch wenn das im Pflichtenheft in Beilage ./P genannte „Servoventil“ ausreichend bestimmt ist, um diese Erfindung als Patent anzumelden, ist damit für die Antragstellerin nichts gewonnen, weil nicht festgestellt werden konnte, von wem der dieser Erfindung zugrundeliegende erfinderische Gedanke stammt.
2.6. Die Antragstellerin meint, dass es keinen Unterschied mache, ob der dieser Erfindung zugrundeliegende erfinderische Gedanke von einem ihrer damaligen Dienstnehmer oder von FF stammt, weil die NA übersehen habe, dass die Antragstellerin auch dann ein Recht auf diese Erfindung habe, wenn sie von einem Dienstnehmer des von ihr beauftragten Unternehmens stammt. Der Antragstellerin ist dahin zuzustimmen, dass sich der Anspruch auf Übertragung eines Patents auch aus einem Werkvertrag mit einem beauftragten Unternehmen ergeben kann ( Weiser, Patentgesetz 3 167). Ein solcher Anspruch auf Übertragung des Patents, der gegen das beauftragte Unternehmen zu richten wäre, ist aber für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung.
2.7. Entscheidungswesentlich ist nämlich, dass die NA nicht feststellen konnte, dass Dr. *** die Erfindung während seines Dienstverhältnisses zur Antragstellerin gemacht hat. Stammt die im Pflichtenheft vom 21.7.2003 in Beilage ./P dokumentierte Erfindung aber von einem anderen Dienstnehmer, so wären zwei Erfindungen unabhängig voneinander gemacht worden. Im Fall einer solchen „Doppelerfindung“ würde der Anspruch auf Erteilung des Patents nach dem „First-to-File-Prinzip“ der Antragsgegnerin gebühren, weil Dr. *** die Erfindung als Erster beim Patentamt angemeldet hat ( Weiser, Patentgesetz 3 167; Kresbach in Stadler / Koller, § 4 PatG Rz 20). Die Erfindungsmeldung des NN vom 11.2.2016, auf die sich die Antragstellerin in ihrer Rechtsrüge beruft, kann daran nichts mehr ändern, weil Dr. *** das Patent bereits am 22.2.2013 angemeldet hat.
2.8. Die Antragstellerin konnte damit nicht den nach § 49 Abs 1 Z 1 PatG erforderlichen Nachweis erbringen, dass der Antragsgegnerin der Anspruch auf die Erteilung des Patents nicht zustand. Da die NA auch nicht feststellen konnte, dass Dr. *** Kenntnis vom Pflichtenheft vom 31.7.2003 in Beilage ./P hatte, hat die Antragstellerin auch den nach § 49 Abs 1 Z 2 erforderlichen Nachweis, dass Dr. *** den wesentlichen Inhalt seiner Erfindung den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Gerätschaften oder Einrichtungen der Antragstellerin entnommen hätte, nicht erbracht. Der Antrag auf Übertragung des österreichischen Patents und der europäischen Patentanmeldung war daher abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 122 Abs 1 und 141 PatG iVm §§ 41 Abs 1 und 50 ZPO, wobei das Kostenverzeichnis der Antragsgegnerin dahingehend zu korrigieren war, dass die Tarifansätze auf volle 10 Cent zu runden waren.
4. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands beruht auf § 500 Abs 2 Z 1 ZPO und ergibt sich aus der Bedeutung von Patentansprüchen im Wirtschaftsleben.
5. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage zu lösen war, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukäme.
[Der Oberste Gerichtshof wies die außerordentliche Revision am 25.3.2020 zurück, 4 Ob 44/20d.]