133R95/19x – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke ULTRASTOP über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 19.6.2019, AM 51148/2018 6 in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
Die Antragstellerin beantragt die Eintragung der Wortmarke
ULTRASTOP
für die Waren der Klasse 1 „Antibeschlagmittel (chemische Erzeugnisse) für Glas“.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Patentamt den Antrag ab, weil die beteiligten Verkehrskreise im angemeldeten Zeichen nur einen werblich-informativen Hinweis dahingehend sehen würden, dass die so bezeichneten Waren („Anti-“) in besonderer Weise geeignet seien, das Beschlagen verschiedener Gegenstände zu verhindern/abzumildern. „STOP“ werde im Geschäftsleben häufig verwendet; unter anderem um die (erwünschte) Beendigung eines unerwünschten Zustands oder Vorgangs anzuzeigen oder dafür zu werben. Das Wort „ULTRA“ stehe in typischer Weise für „äußerst“ oder „extrem“. Der Wortteil „ULTRA“ sei im konkreten Fall keine Besonderheit, die eine Unterscheidungskraft generieren würde. Die Verbindung beider Wortteile bilde kein charakteristisches „Plus“ gegenüber den einzelnen Wortteilen.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin, erkennbar aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und mit dem Antrag, ULTRASTOP im vollen Umfang zur Registrierung zuzulassen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.
1.1. Ob einer Waren- oder Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen ( Koppensteiner, Markenrecht 4 82; RIS-Justiz RS0079038). Diese Eigenschaft kommt einer Marke zu, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann und so die Ursprungsidentität garantiert, sodass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; C 398/08, Vorsprung durch Technik; C 104/01, Orange, Rn 62; EuG T 471/07, Tame it, Rn 15 mwN; RIS-Justiz RS0118396; zuletzt etwa 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix; 4 Ob 49/14f, My TAXI ) .
1.2. Fehlt die Unterscheidungskraft, so kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11, OXI-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a, Shopping City mwN; RIS-Justiz RS0118396 [T7]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft die Eintragung verhindert, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (OBm 3/12, Lounge.at, unter Hinweis auf BGH I ZB 22/11, Starsat; OBm 1/13, Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vgl C 104/01, Orange, Rn 58 und 59; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).
1.3. Ob die Unterscheidungskraft vorliegt, ist anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde, nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit zu prüfen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN). Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 67 mwN der Rsp; Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 73; C 104/01, Orange, Rn 46 und 63; RIS-Justiz RS0079038 [T1]; RIS Justiz RS0114366 [T5]).
1.4. Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 bis 5 MSchG (Art 3 Abs 1 lit b bis d MarkenRL) sind zwar nach der Rsp des EuGH gesondert zu prüfen (C 304/06, Eurohypo ). Unterscheidungskraft fehlt einer Wortmarke aber dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie als Information über die Art der mit ihr gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft dieser Waren oder Dienstleistungen (C 304/06 P, Eurohypo, Rn 69); eine beschreibende Marke iSv § 4 Abs 1 Z 4 MSchG und Art 3 Abs 1 lit c MarkenRL ist daher auch nicht unterscheidungskräftig iSv § 4 Abs 1 Z 3 MSchG und Art 3 Abs 1 lit b MarkenRL (C 363/99, Postkantoor, Rn 86). Insofern überschneiden sich daher die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG (OM 10/09, Lümmeltütenparty; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; 4 Ob 49/14f, My TAXI ).
1.5. Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RIS-Justiz RS0066644). Ein Schutzhindernis besteht hingegen, wenn der im Wort enthaltene Hinweis auf die Herstellung, die Beschaffenheit oder die Bestimmung der Ware oder Dienstleistung innerhalb der beteiligten Verkehrskreise allgemein und ohne besondere Denkarbeit erfasst werden kann (ständige Rechtsprechung: RIS-Justiz RS0066456; 4 Ob 26/93, Smash ). Dabei genügt es, wenn die strittige Wortfolge oder -kombination zumindest in einer der möglichen Bedeutungen beschreibenden Charakter hat (vgl etwa C 191/01 P, Doublemint, Rn 32, und C 363/99, Postkantoor, Rz 97; 4 Ob 7/05s, car care ).
1.6 Der EuGH hat auch ausgesprochen, dass nicht nur die Eintragung einer ausschließlich beschreibenden Wortverbindung, sondern auch einer solchen Wortverbindung unzulässig ist, die geeignet ist, von anderen Wirtschaftsteilnehmern zur Bezeichnung eines Merkmals ihrer Waren- oder Dienstleistungen verwendet zu werden (C 191/01 P, Doublemint Rn 32). Dies erklärt sich aus der Überlegung, dass ein allgemeines Interesse daran besteht, dass Zeichen oder Angaben, die Waren- oder Dienstleistungen beschreiben, von jedermann frei verwendet werden können, weshalb es nicht erlaubt ist, dass solche Zeichen oder Angaben einem einzigen Unternehmen vorbehalten werden (C 191/01 P, Doublemint, Rn 31; C 265/00, Biomild, Rn 36).
2. Die von der Antragstellerin beanstandete rechtliche Beurteilung des Patentamts entspricht den angeführten Grundsätzen der Rechtsprechung, sodass vorab darauf verwiesen werden kann (§ 39 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG und § 60 Abs 2 AußStrG).
2.1 Nach Ansicht des Rekursgerichts kommt es beim Wort ULTRA nicht darauf an, ob es in der ursprünglichen lateinische Bedeutung verstanden wird, sondern wie der Verkehrskreis dieses Wort im allgemeinen Sprachgebrauch auffasst. Im täglichen Sprachgebrauch wird ULTRA als besonders hohe/superlative Steigerungsform verstanden und es wird ohne Zweifel hier nur als Präfix zu STOP aufgefasst. Andere Präfixe, die sich wie ULTRA aus lokalen Dialekten oder Soziolekten (= soziale Varietäten einer Sprache) entwickelt haben (zum Beispiel erz-, schwer-, super-, mega-, ur- etc), werden im allgemeinen Sprachgebrauch ebenso regelmäßig und selbstverständlich zur Bildung von Wortkombinationen herangezogen (zum Beispiel erzkonservativ , schwerreich , superschnell , megavoll , urkomisch ).
Als derartiges Steigerungswort wird es in der Kombination mit STOP somit nicht als „äußerst-stop“ übersetzt; ebenso wenig ist davon auszugehen, dass dieses Präfix im täglichen Sprachgebrauch durch „MEGA“ ersetzt worden wäre.
ULTRASTOP ist keine im täglichen Sprachgebrauch ungewöhnliche Wortkreation. Beide Wörter für sich und auch zusammen verkörpern eine für den Verkehrskreis klar verständliche Anpreisung. Die Wörterverbindung enthält eine allgemeine, unmittelbare, ohne Weiteres erkennbare Aussage über die so bezeichnete Ware „Antibeschlagmittel (chemische Erzeugnisse) für Glas“. Es verbleibt kein (zu berücksichtigender) Rest an Unbestimmtheit bezüglich der (beschriebenen) Eigenschaft oder Wirkungsweise der Ware.
Wie im Eintragungsverfahren zu prognostizieren ist, liegt es für den angesprochenen Verkehrskreis nahe, dass das Zeichen angesichts des beanspruchten und von der Antragstellerin selbst definierten Schutzumfangs ohne relevante Gedankenoperation als werbemäßige Anpreisung im Hinblick auf die besondere Produkteigenschaft und/oder ihre (superlative) Wirkungsweise wahrgenommen oder aufgefasst wird. Das Zeichen vermittelt nur eine Werbe-/Qualitätsaussage, sodass es von den maßgeblichen Verkehrskreisen wegen ihres eigentlichen Aussagegehalts in erster Linie als Beschreibung einer besonderen Eigenschaft/Bestimmung, nicht aber als Marke – im Sinne eines betrieblichen Herkunftshinweises – wahrgenommen wird ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 104 f). ULTRASTOP vermittelt nur mit prägnanten, leicht verständlichen Worten, dass die so erfasste Ware eine besonders hohe Wirkungseigenschaft/-weise hat.
Das Zeichen ist daher nicht geeignet, im geschäftlichen Verkehr gemeinhin die betreffende Ware zu präsentieren.
2.2 Der Umstand, dass die Antragstellerin (seit 1959) Inhaberin der älteren österreichischen Marke ULTRASTOP ist, ist für die Beurteilung im konkreten Fall ohne Relevanz und macht auch die Wortkombination nicht ungewöhnlich. Ebensowenig muss auf das weitere Argument eingegangen werden, dass bereits diverse Schutzzulassungen für vergleichbare Wortmarken bestünden; eine präjudizielle Bindung ist zu verneinen (4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; RIS-Justiz RS0125405; C 37/03 P, BioID, Rn 47; C 39/08 und C 43/08, Schwabenpost und Volks.Handy, Rn 39; Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 75 ff mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 70).
3. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwerfen, die über einen Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS 0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.