132Bs335/19p – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch den Senatspräsidenten Dr. Dostal als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Neubauer und den fachkundigen Laienrichter Brigadier Steinacher als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des T***** S***** wegen Nichtgewährung des Strafvollzugs in Form des elektronisch überwachten Hausarrests (eüH), über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts ***** als Vollzugsgericht vom *****, GZ *****, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtö f fentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen .
Text
B e g r ü n d u n g :
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Landesg e richt ***** als Vollzugsgericht einer Beschwerde des T***** S***** gegen den Bescheid des Le i ters der Justizanstalt ***** vom *****, GZ *****, mit welchem dessen Antrag auf Vollzug der mit Urteil des Bezirksgerichts ***** vom *****, GZ *****, verhängten unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Monaten in Form des eüH abgewiesen worden war, nicht Folge.
Begründend führte das Vollzugsgericht zusammeng e fasst aus, dass es T***** S***** einerseits an der Vorau s setzung einer geeigneten Beschäftigung iSd § 156c Abs 1 Z 2 lit b StVG mangle, weiters keine schriftliche Einwi l ligung sämtlicher im Haushalt lebender Bewohner im ele k tronisch überwachten Hausarrest vorliege und darüber hi n aus angesichts des beträchtlich getrübten Vorlebens (ON 3) des Beschwerdeführers - das ungeachtet wiederholt gewährter Rechtswohltaten weder auf einen Abbau der kr i minellen Energie, noch auf eine positive Entwicklung hi n weise - die Missbrauchsprognose iSd § 156c Abs 1 Z 4 StVG nicht zugunsten des Beschwerdeführers erfolgen könne.
Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde des T***** S***** (ON 20), in der er moniert, er habe im Burgenland keine Arbeit finden können, weshalb er wieder nach Tirol gegangen sei, wo er Arbeit und eine Unterkunft habe.
Die vom Vollzugsgericht ins Treffen geführten Ei n tragungen in seinem Strafregister seien teilweise im Jugendalter erfolgt und ihm nicht mehr vorzuwerfen, er habe eine Chance verdient.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei let z tere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat.
Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.
Hat das Vollzugsgericht nach § 16 Abs 3 StVG Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt, darf das Oberla n desgericht Wien den Beschluss weder aufheben, noch – um das Ermessen anders auszuüben – abändern (Pieber in W K 2 StVG § 16a Rz 5; Drexler/Weger, StVG4 § 16a Rz 2).
Die Bewilligung eines eüH hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und begründet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen dieser Vollzugsform abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist. Dabei zu treffende Ermessensentscheidungen bewirken gemäß § 16a Abs 2 StVG keine Rechtswidrigkeit.
Auch die von den Umständen des jeweiligen Einzelfa l les abhängige Ermessensentscheidung über die gemäß § 156c Abs 1 Z 4 StVG zu treffende Prognose betrifft - solange dem Vollzugsgericht dabei kein an die Grenzen des Mis s brauches gehender Fehler unterlief oder es den vorgegeb e nen Ermessensrahmen eklatant missachtet hätte - keine erhebliche Rechtsfrage (zu vom Höchstgericht zu überpr ü fenden erheblichen Rechtsfragen im Zusammenhang mit Ermessensentscheidungen vgl. RIS-Justiz RS0044088 [in s bes. T9, T20, T28]).
Wie vom Vollzugsgericht zutreffend ausgeführt, ist wesentliches Element des elektronisch überwachten Hausa r rests gemäß § 156c Abs 1 Z 2 lit b StVG das Ausüben einer geeigneten Beschäftigung, die S***** ungeachtet der Zusage, binnen einer Woche einen Arbeitsvertrag vorzul e gen (ON 9 Seite 5 verso), nicht zu bescheinigen ve r mochte, wobei auch eine vom Vollzugsgericht eingeholte Sozialversicherungsanfrage (ON 15) per ***** kein aufrechtes Beschäftigungsverhältnis ergab (ON 16).
Scheitert im erstinstanzlichen Verfahren (§ 156d Abs 1 StVG), vorliegend unter Einbindung des Vereins Neustart gemäß §§ 29c iVm 15 BewHG, ungeachtet der Erteilung eines entsprechenden Verbesserungsauftrags gemäß § 13 Abs 3 AVG – der Nachweis einer geeigneten Beschäftigung (§ 156c Abs 1 Z 2 lit b StVG) an der unterbliebenen Vorlage entspr e chender Unterlagen (Arbeitsvertrag, Beschäftigungsbest ä tigung, Einkommensnachweise etc) und beschränkt sich der Beschwerdeführer im Rechtsmittelverfahren vor dem Vol lz ugsgericht (§ 16 Abs 3 Z 1 StVG) erneut darauf, ein au f rechtes Beschäftigungsverhältnis bloß zu behaupten, ohne entsprechende Bescheinigungen beizubringen, überschreitet das Vollzugsgericht bei Verneinung der gesetzlichen Vo r aussetzung des § 156c Abs 1 Z 2 lit b StVG nicht den ihm eingeräumten Ermessensspielraum. Das Vollzugsgericht ist nämlich nicht verhalten, das bloß behauptete Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses durch Nachforschungen (insb e sondere nicht durch die zeugenschaftliche Vernehmung eines allenfalls im Vorbringen namentlich genannten, pr ä sumtiven Dienstgebers) zu verifizieren.
Sofern der – laut seinem Beschwerdevorbringen - mittlerweile in Tirol wohnhafte Antragsteller (ON 20) nunmehr – im Übrigen erneut ohne jegliche Bescheinigung – eine Beschäftigung in Tirol behauptet, ist er auf das im gegenständlichen Verfahren herrschende Neuerungsverbot hinzuweisen, weil Beschlüsse des Vollzugsgerichts – das nicht als erste Instanz entscheidet – nach § 16 Abs 3 StVG nur wegen Rechtswidrigkeit angefochten werden können vgl Pieber in W K 2 StVG § 121a Rz 3) und gemäß § 17 Abs 2 Z 2 iVm Z 1 StVG die Bestimmung des § 65 AVG, wonach Neuerungen im Berufungsverfahren zulässig wären, nicht anzuwenden ist.
In Bezug auf die vom Beschwerdeführer in seinem Antrag genannte Unterkunft zeigt das Vollzugsgericht zutreffend auf, dass die Zustimmung sämtlicher Mitbewo h ner nicht mehr vorliegt (ON 13), womit es auch an der gesetzlichen Voraussetzung des § 156c Abs 1 Z 3 StVG gebricht.
Nach § 156c Abs 1 Z 4 StVG ist der Vollzug einer Freiheitsstrafe in Form des eüH auf Antrag zu bewilligen, wenn unter anderem nach Prüfung der Wohnverhältnisse des sozialen Umfelds und allfälliger Risikofaktoren sowie bei Einhaltung der Bedingungen (§ 156b Abs 2 StVG) anzunehmen ist, dass der Rechtsbrecher diese Vollzugsform nicht missbrauchen wird. Bereits begangene strafbare Handlungen stellen Risikofaktoren dar, die in die Beurteilung der Missbrauchsgefahr einzufließen haben. Darüber hinaus ne n nen die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 772 BLGNr. XXIV. GP 8) die Gefährlichkeit des Betroffenen, Art und Beweggrund der Anlasstat oder frühere Verurteilungen, den nunmehr i gen Lebenswandel und die Chancen auf ein redliches For t kommen nach der Haft als weitere Aspekte, die bei der Beurteilung der Missbrauchsgefahr zu berücksichtigen sind. Auch die Wahrscheinlichkeit der Einhaltung der nach § 156b Abs 2 StVG auferlegten Bedingungen stellt einen Risikofaktor dar. Die Einschätzung, ob die Gefahr besteht, der Verurteilte werde die Vollzugsform des eüH missbrauchen, stellt eine Prognosebeurteilung dar, die vor dem Hintergrund der zuvor genannten Aspekte anzuste l len ist.
Folglich ist auch die negative Missbrauchsprognose des Vollzugsgerichts mit Blick auf das durch insgesamt neun - davon acht wegen Vermögensdelikten erfolgten - Vorverurteilungen getrübte Vorleben des Beschwerdeführers (ON 3) im Zusammenhalt mit dessen mangelnder Kooperat i onsbereitschaft und Pakttreue nicht zu beanstanden.
Die Vollzugsform des elektronisch überwachten Hau s arrests setzt beim Antragsteller nämlich ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und Kooperationsbereitschaft voraus. Es ist daher für das Vollzugsgericht statthaft, im Rahmen einer nach § 156c Abs 1 Z 4 StVG vorzunehmenden, im Ermessen liegenden Prognoseentscheidung aus der Nichtvo r lage abgeforderter Unterlagen (ON 9 S 5, ON 8 S 5) und ungerechtfertigter Nichteinhaltung mit den Justizbehörden vereinbarter Termine (ON 9 Seite 5 verso) entsprechende Rückschlüsse auf die (mangelnde) Verlässlichkeit des Antragstellers zu ziehen.
Weshalb es unzulässig sein sollte, ungetilgte Jugendstrafen in das Kalkül einzubeziehen, vermag der Beschwerdeführer nicht darzulegen.
Da die in den §§ 156b und 156c StVG genannten Vo r aussetzungen für die Gewährung eines elektronisch übe r wachten Hausarrests nach den Intentionen des Gesetzgebers kumulativ vorliegen müssen, wobei das Fehlen auch nur einer dieser Voraussetzungen zur Ablehnung des Antrags führt, wich das Vollzugsgericht gegenständlich weder von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung ab, noch traf es seine Ermessensentscheidung außerhalb des gesetzlichen Rahmens bzw in unvertretbarer Weise.
Die Beschwerde war daher als unzulässig zurückzuwe i sen.