132Bs265/19v – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch den Senatspräsidenten Dr. Dostal als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Vetter und den fachkundigen Laienrichter Oberst Mörwald als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des Atif K***** wegen Nichtgewährung eines Strafvollzugs in Form des elektronisch überwachten Hausarrests (eüH) über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24. April 2019, 194 Bl 8/19i-6, nach § 121b Abs 2 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Landesgericht für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht einer Beschwerde des Atif K***** gegen den Bescheid des Anstaltsleiters der Justizanstalt S***** vom 4. September 2018, GZ 2018/0514, mit dem sein Antrag auf Vollzug der mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14. September 2017 (rechtskräftig seit 13. März 2018), GZ 111 Hv 58/17p, verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten im eüH abgewiesen worden war, nicht Folge.
In seiner Begründung stellte das Erstgericht die Vorstrafen des Angeklagten dar, und hielt fest, dass die von seinem Mitbewohner abgegebene schriftliche Einverständniserklärung basierend auf einer Falschinformation durch den Beschwerdeführer zustande gekommen sei. Der Beschwerdeführer leide nach eigenen Angaben an einer unbehandelten Borderline-Persönlichkeitsstörung, die eine emotionale Instabilität zur Folge habe. Seine Freundin H***** B*****, eine wichtige Stütze im Leben des Atif K*****, lebe seit kurzer Zeit nicht mehr mit ihm im gemeinsamen Haushalt. Es könne nicht festgestellt werden, dass er sich einer zur Behandlung seiner psychischen Erkrankung und der daraus resultierenden Gewaltbereitschaft notwendigen fachkundigen Behandlung unterzogen habe bzw aktuell unterziehe. In den letzten beiden Jahren sei zweimal, wobei zumindest ein Vorfall nach der verfahrensgegenständlichen Verurteilung liege, ein Betretungsverbot gegen Atif K***** verhängt worden, welches in weiterer Folge von seiner Freundin zurückgenommen worden sei. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beabsichtige eine aufenthaltsbeendende Maßnahme betreffend Atif K*****.
Beweiswürdigend stützte sich das Erstgericht insbesondere auf den Bericht des Vereins Neustart, demnach sich der Beschwerdeführer im Rahmen des Erhebungsverfahrens als wenig kooperativ in Bezug auf eine Auseinandersetzung mit seinem Gewaltproblem gezeigt und sich als unzuverlässig präsentiert habe.
Er habe seinen Vermieter bewusst falsch über die dem Antrag nach § 156c zugrundeliegende Straftat informiert, um ihn zur Abgabe einer Einverständniserklärung zu veranlassen. Auch die Interventionsstelle gegen Gewalt habe sich auf Grund der zweimaligen Erlassung eines Betretungsverbotes gegen die Bewilligung eines eüH ausgesprochen. Es liege kein Beleg dafür vor, dass sich der Beschwerdeführer seit seiner letzten Verurteilung ernsthaft und nachhaltig um die Behandlung seiner psychischen Erkrankung und die damit einhergehende Delinquenzneigung bemüht habe. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer vermeine, die Verantwortung für die Erbringung eines Nachweises für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 156c StVG liege bei Dritten, nämlich Mitarbeitern des Vereins Neustart oder dem Gericht, zeige eine mangelnde Kooperationsbereitschaft und Verlässlichkeit auf.
Aufgrund der mangelnden Verlässlichkeit des Antragstellers, die sich im Zuge des Erhebungsverfahrens gezeigt habe, seiner unbehandelten psychischen Erkrankung, die er selbst als Ursache für die Tathandlungen angebe, und seiner mangelnden Bereitschaft, sich mit seiner bereits in zahlreichen Strafen manifestierten Gewaltneigung auseinanderzusetzen, sah das Erstgericht die Voraussetzungen des § 156c Abs 1 Z 4 StVG als nicht vorliegend an. Der bloße Umstand, dass der Beschwerdeführer seit seiner Verurteilung im September 2017 nicht mehr straffällig geworden sei, vermöge das von ihm ausgehende hohe Rückfallrisiko, das sich in sieben Verurteilungen seit dem Jahr 2011 zeige, nicht hinreichend zu minimieren. Darüber hinaus liege auch keine gültige Einverständniserklärung des Mitbewohners iSd § 156c Abs 1 Z 3 StVG vor, zumal dieser - die Anlasstat betreffend - vom Beschwerdeführer bewusst wahrheitswidrig informiert worden sei.
In seiner dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde (ON 9) moniert Atif K***** bezüglich der Missbrauchsgefahr im Sinne des § 156c Abs 1 Z 4 StVG eine unrichtige rechtliche Beurteilung, da das Erstgericht innerhalb des bestehenden Ermessensspielraums eine unvertretbare Entscheidung getroffen habe. Der Beschwerdeführer habe das Erstgericht davon informiert, sich einer Therapie zu unterziehen bzw unterzogen zu haben, eine Bestätigung darüber beizubringen, sei ihm aufgrund der Weigerung der Therapeutin, die sich auf datenschutzrechtliche Gründe berufe, nicht möglich gewesen. Das Erstgericht wäre verpflichtet gewesen diese Umstände bei der Therapeutin Mag. S***** telefonisch zu erheben, da diesem bekanntgegeben worden sei, dass diese telefonisch bestätigen könne, dass er sich einer Therapie unterzogen habe.
Sein Vermieter sei mittlerweile – wie bereits im Schriftsatz vom 6. Februar 2019 ausgeführt – vom gegenständlichen Verfahren informiert und habe dieser seine Einverständniserklärung aufrechterhalten. Die Tatumstände habe habe er lediglich aus Scham verschwiegen.
Insgesamt habe er seit der Verurteilung am 14. September 2017 eine deutliche Änderung seines Lebenswandels vollzogen; er trinke seither keinen Alkohol mehr, sei nicht mehr straffällig geworden und habe – seinen finanziellen Mitteln entsprechend – alles unternommen um seine psychische Erkrankung zu therapieren.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.
Hat das Vollzugsgericht nach § 16 Abs 3 StVG Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt, darf das Oberlandesgericht Wien den Beschluss weder aufheben noch – um das Ermessen anders auszuüben - abändern ( Pieber in WK 2 StVG § 16a Rz 5; Drexler / Weger, StVG 4 § 16a Rz 2).
Nach § 156c Abs 1 Z 4 StVG ist der Vollzug einer Freiheitsstrafe in Form des eüH auf Antrag zu bewilligen, wenn unter anderem nach Prüfung der Wohnverhältnisse des sozialen Umfelds und allfälliger Risikofaktoren sowie bei Einhaltung der Bedingungen (§ 156b Abs 2 StVG) anzunehmen ist, dass der Rechtsbrecher diese Vollzugsform nicht missbrauchen wird. Bereits begangene strafbare Handlungen stellen Risikofaktoren dar, die in die Beurteilung der Missbrauchsgefahr einzufließen haben. Darüber hinaus nennen die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 772 BLGNr. XXIV. GP 8) die Gefährlichkeit des Betroffenen, Art und Beweggrund der Anlasstat oder frühere Verurteilungen, den nunmehrigen Lebenswandel und die Chancen auf ein redliches Fortkommen nach der Haft als weitere Aspekte, die bei der Beurteilung der Missbrauchsgefahr zu berücksichtigen sind. Auch die Wahrscheinlichkeit der Einhaltung der nach § 156b Abs 2 StVG auferlegten Bedingungen stellt einen Risikofaktor dar. Die Einschätzung, ob die Gefahr besteht, der Verurteilte werde die Vollzugsform des eüH missbrauchen, stellt eine Prognosebeurteilung dar, die vor dem Hintergrund der zuvor genannten Aspekte anzustellen ist.
Die schriftliche Einverständniserklärung gemäß § 156c Abs 1 Z 3 StVG muss freiwillig erfolgen und darf nicht das Ergebnis von durch den Verurteilten in Aussicht gestellten Repressalien oder Folge von (psychischen) Abhängigkeiten sein ( Drexler/Weger , StVG 4 § 156c Rz 13). Freiwilligkeit der Willensbildung ist nicht gegeben, wenn die Einwilligung durch Gewalt oder gefährliche Drohung erzwungen ist (vgl Walser , Recht und Wirklichkeit des elektronisch überwachten Hausarrests, S 135]).
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seinen Mitbewohner (und Vermieter) Lukas Ö***** (zunächst) nicht über die tatsächlichen Umstände seiner Verurteilung und die zugrundeliegende Straftat informierte, wird von diesem nicht bestritten; die falsche Information sei aus Scham erfolgt.
Der von Lukas Ö***** unterzeichneten Einwilligungserklärung ist – vom Erstgericht unbeachtet - zu entnehmen, dass er darüber infomiert ist, dass der Beschwerdeführer beantragt hat, die Straf haft im eüH zu verbüßen. Eine Verpflichtung eines Antragstellers einen Mitbewohner darüber hinaus, über die dem eüH zugrunde liegende Tat zu informieren, ist aus dem Gesetz nicht abzuleiten. Ebenso unbeachtet blieb, dass Lukas Ö***** trotz Aufklärung durch den Verein Neustart, dass er keine Zustimmung geben müsse, die Einverständniserklärung unterschrieb (vgl Bericht Verein Neustart vom 25. Juni 2018).
Die Feststellung, wonach die Einverständniserklärung basierend auf einer Falschinformation durch den Beschwerdeführer erfolgte, vermag die Versagung eines eüH sohin nicht zu tragen.
Darüber hinaus ist die Behauptung, dass Lukas Ö***** seine (jederzeit widerrufbare [vgl Walser , aaO) Einverständniserklärung in weiterer Folge nicht zurückgezogen hat (vgl bereits das Vorbringen in der Beschwerde vom 24. September 2018), obwohl er mittlerweile umfassend über die Gründe für den eüH aufgeklärt worden sei, aus dem Akteninhalt nicht widerlegbar.
Soweit die Feststellung beanstandet wird, wonach nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer sich einer von der psychischen Erkrankung und der daraus resultierenden Gewaltbereitschaft notwendigen fachkundigen Behandlung unterzogen hätte bzw aktuell unterziehe, ist vorauszuschicken, dass das Erstgericht die vom Angeklagten bekanntgegebene Therapeutin Mag. Magdalena S***** (ON 4) aufforderte bekanntzugeben (ON 5), ob der Beschwerdeführer sich in psychologischer Betreuung befindet bzw befunden habe. Da innerhalb der vom Erstgericht gesetzten Frist keine Rückmeldung erfolgte, zog dieses daraus die eingangs angesprochenen Schlüsse.
Vorauszuschicken ist, dass das Erstgericht sein Kalkül gewichtig auf die als unbehandelt angenommene Erkrankung des Verurteilten und dessen mangelnde Bereitschaft sich mit seiner in zahlreichen Straftaten manifestierten Gewaltneigung auseinanderzusetzen, stützte (ON 6 S 11). In diesem Zusammenhang liegt bei der Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen ein Verfahrensmangel vor.
Zwar ist das Gericht – entgegen der Rechtsansicht des Beschwerdeführers - nicht verhalten, Beweisergebnisse telefonisch einzuholen, zumal bei einer telefonischen Kontaktaufnahme noch nicht einmal sichergestellt werden kann, mit wem das Gespräch geführt wird. Allerdings gilt im Verfahren über den Strafvollzug im eüH gemäß § 156b Abs 4 StVG unter anderem § 152a StVG sinngemäß. Nach § 152a Abs 2 StVG hat das Gericht soweit es zur Vorhersage über das künftige Verhalten des Verurteilten zweckmäßig erscheint, geeignete Auskunftspersonen wie den Anstaltsleiter oder einen von diesem dazu besonders bestellten Strafvollzugsbediensteten und andere im Strafvollzug oder in der Bewährungshilfe tätige Personen sowie erforderlichenfalls auch einen ärztlichen, psychotherapeutischen oder psychologischen Sachverständigen zu hören. Die Aufzählung der Auskunftspersonen ist dabei demonstrativ, die Entscheidung und die Beurteilung der Zweckmäßigkeit ihrer Vernehmung obliegt dem Gericht ( Pieber in WK 2 StVG § 152a Rz 2).
Gemäß § 156b Abs 4 StVG gilt auch § 17 Abs 2 Z 1 StVG sinngemäß. Demnach hat das Gericht im Verfahren nach den §§ 16 Abs 3 und 16a StVG folgende Bestimmungen sinngemäß anzuwenden:
1. Im Beschwerdeverfahren nach den § 16 Abs 3 Z 1 und 2 sowie § 16a Abs 1 Z 1 und 2 außer wegen eines Ordnungsstraferkenntnisses das AVG mit Ausnahme der §§ 2 bis 4, 38, 40 bis 44g, 51, 55, 57, 58a, 63 bis 66, 68 Abs 2 bis 7, 73 Abs 2 und 3 und 75 bis 80,
2. Im Beschwerdeverfahren nach den § 16 Abs 3 Z 1 und § 16a Abs 1 Z 1 wegen eines Ordnungsstraferkenntnisses das AVG in dem in Z 1 genannten Umfang mit Ausnahme des § 11.
Demzufolge ist § 45 AVG anzuwenden, der wie folgt lautet:
1. Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises.
2. Im Übrigen hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
3. Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.
Der gleichfalls anzuwendende § 37 AVG normiert, dass Zweck des Ermittlungsverfahrens ist, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Zudem hält der VwGH zu § 37 AVG fest, dass die Behörde amtswegig zur Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise verhalten ist; dies bedeute, dass auch möglichst alle an einem Sachverhalt unmittelbar beteiligten Zeugen niederschriftlich einzuvernehmen sind (VwGH, 12. September 2002, 2012, 2011/08/0094).
Nach § 45 Abs 2 AVG gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, dh dass lediglich die Überzeugungskraft der Beweismittel im gegebenen Zusammenhang für ihre Bewertung maßgebend ist. Die Beweiswürdigung ist jedoch insofern nicht frei, als der maßgebende Sachverhalt vollständig erhoben und die Beweisführung tragfähig sein muss ( Thienel/Zeleny , Verwaltungsverfahrensgesetze 20 § 45 AVG Anm 4).
Vorliegend ist fraglich, ob der Beschwerdeführer sich einer Therapie unterzogen hat bzw sich tatsächlich laufend einer Therapie unterzieht und ob diese zu einer Stabilisierung seines psychischen Zustands beigetragen hat. Aus dem Akteninhalt hat das Erstgericht zutreffend abgeleitet, dass zur Aufklärung dieser Umstände die Zeugin Mag. Magdalena S***** beitragen kann. Einem Zeugen eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zu setzen, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Vielmehr wäre, um den maßgebenden Sachverhalt vollständig zu erheben, Mag. S***** als Zeugin zu befragen, dies aufgrund der Verweisungsnorm des § 17 Abs 2 Z 1 StVG in sinngemäßer Anwendung der §§ 48 bis 50 AVG, zumal § 152a StVG lediglich regelt, dass geeignete Auskunftspersonen zur Vorhersage über das künftige Verhalten des Verurteilten zu befragen sind, dabei aber keine Verfahrensregeln vorgibt, und die StPO im Beschwerdeverfahren nach §§ 16 Abs 3 und 16a StVG nicht subsidiär anzuwenden ist ( Pieber in WK 2 StVG § 17 Rz 19 mwN).
Zur Vervollständigung der Entscheidungsgrundlage wäre im zweiten Rechtsgang daher die genannte Zeugin zu befragen und unter Einbeziehung dieses Beweisergebnisses neuerlich zu entscheiden.
Nur der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass nach der Beschlussfassung des Erstgerichts ein Schreiben der Mag. Magdalena S***** beim Landesgericht für Strafsachen Wien einlangte, in dem sie sich auf ihre Verschwiegenheitspflicht nach § 2 Abs 7 und 8 Familienberatungsförderungsgesetz und § 15 Psychotherapie-Gesetz berief, sowie, dass es ihr nicht erlaubt sei, die Identität von Klienten festzustellen. Weiters würde sie über das, was ihr in ihrer Eigenschaft als Beraterin anvertraut werde, gemäß § 157 Abs 1 Z 3 StPO keine Aussage tätigen (ON 7). Auf Grund des Neuerungsverbotes im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Wien (vgl Pieber in WK² StVG § 121a Rz 3; OLG Wien, 33 Bs 48/14x, 33 Bs 226/16a) ist dieses Schreiben nicht beachtlich. Allerdings ist ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass nach § 49 Abs 1 Z 2 AVG die Aussage von Zeugen – soweit hier von Relevanz - nur verweigert werden darf, über Fragen, die er nicht beantworten könnte, ohne eine ihm obliegende gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit, von der er nicht gültig entbunden wurde, zu verletzen. „Staatlich anerkannt“ sind solche Verschwiegenheitspflichten, die gesetzlich vorgesehen sind ( Hengstschläger/Leeb, AVG [Stand 1.7.2015 RdB.at] § 49 Rz 15). § 49 Abs 1 Z 2 AVG stellt das Aussageverweigerungsrecht allerdings ausdrücklich unter die Bedingung, dass der Zeuge, der sich darauf beruft, von der Pflicht zur Verschwiegenheit nicht gültig entbunden wurde. Das Rechtsinstitut der Entbindung von einer Verschwiegenheitspflicht wird vom AVG aber nicht geregelt, sondern vorausgesetzt. Bezüglich berufsmäßiger Parteienvertreter ist es in den Berufsordnungen nur zum Teil ausdrücklich vorgesehen, ansonsten allerdings implizit anerkannt. Ebenso wird bezüglich sonstiger einer Verschwiegenheitspflicht unterliegender Zeugen angenommen, dass – auch in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung – derjenige, dessen Interessen die Geheimhaltungspflicht dient (= Geheimnisherr), den Zeugen davon entbinden kann ( Hengstschläger/Leeb aaO mwN).
§ 2 Abs 1 Z 7 FamilienberatungsförderungsG sieht vor, dass die Beratung unter Wahrung der Anonymität der Ratsuchenden durchgeführt wird. Gemäß Abs 1 Z 8 leg cit sind die in der Beratungsstelle tätigen Personen von dem die Beratungsstelle betreibenden Rechtsträger zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus dieser Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen zu verpflichten; die Bestimmungen des § 15 des Psychotherapiegesetzes, sind anzuwenden.
Gemäß § 15 Psychotherapie-Gesetz sind der Psychotherapeut sowie seine Hilfspersonen zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufs anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet. § 14 Abs 4 Psychotherapeuten-Gesetz legt allerdings fest, dass der Psychotherapeut verpflichtet ist, dem Behandelten oder seinem gesetzlichen Vertreter alle Auskünfte über die Behandlung, insbesondere über Art, Umfang und Entgelt, zu erteilen. Überdies handelt es sich bei § 15 Psychotherapie-Gesetz ausschließlich um eine Schutzbestimmung für den Patienten; darüber hinausgehende Schutzobjekte liegen nicht vor ( Butschek in RdM 1997, 171).
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 50 AVG jeder Zeuge auf die gesetzlichen Gründe für die Verweigerung der Aussage und auf die Folgen einer ungerechtfertigten Verweigerung der Aussage aufmerksam zu machen ist.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.