133R81/19p – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. Terlitza und Dr. Thunhart in der Rechtssache der klagenden Partei ***** , vertreten durch Mag. Johannes Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei ***** , vertreten durch die Dr. Maximilian Schaffgotsch LL.M. Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen EUR 26.696 sA und Feststellung (Gesamtstreitwert: EUR 31.696) über die Berufung der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Landesgerichts ***** vom 11.6.2019, 4 Cg 26/19t 10, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben und das Urteil dahingehend abgeändert, dass es als Endurteil lautet:
«Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei EUR 26.696 samt 4 % Zinsen seit 13.3.2019 zu zahlen, und es werde festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für sämtliche zukünftige, derzeit nicht bekannte Folgen und Schäden aus dem Vorfall im Wildpark ***** vom 5.5.2018 hafte, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 4.801,92 (darin EUR 800,32 USt) bestimmten Kosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.»
Die klagende Partei ist zudem schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 4.413,12 (darin EUR 545,02 USt und EUR 1.143 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Text
Die Klägerin begehrt von der Beklagten EUR 26.696 sA und die (mit EUR 5.000 bewertete) Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftige, derzeit nicht bekannte Folgen und Schäden aus dem Vorfall im Wildpark ***** vom 5.5.2018. Die Klägerin brachte dazu vor, dass sie damals gemeinsam mit ihrem Ehemann, ihrem Sohn und zwei Enkelkindern den von der Beklagten betriebenen Wildpark besucht und von der Beklagten Maiskörner zum Füttern der Wildtiere erworben habe. Während des Fütterns des Sikawilds habe das Bellen eines im Gehege befindlichen Hundes Unruhe unter den Wildtieren verursacht. Um sich und insbesondere auch ihre Enkelkinder vor den Wildtieren zu schützen, habe die Klägerin das Futter weggeworfen und sich rückwärtsgehend von den Tieren entfernt. Dabei sei sie ausgerutscht und zu Sturz gekommen.
Die Beklagte hätte eine solche Situation vorhersehen und entsprechende Vorkehrungen treffen müssen. Sie hätte das Betreten des Geheges mit Hunden verbieten und für das Gehege einen ständig anwesenden Wildhüter abstellen müssen, damit dieser in solchen Gefahrensituationen eingreifen könne. Die Beklagte habe die ihr bei der Verwahrung und Beaufsichtigung der Tiere obliegende Sorgfalt schuldhaft verletzt, was ihre Haftung als Tierhalterin rechtfertige.
Die Klägerin habe durch den Vorfall einen Wadenbein- und Knöchelbruch erlitten, was ein Schmerzengeld von EUR 25.000 sowie den Ersatz der Kosten einer Pflege- und Haushaltshilfe von EUR 1.596 und der weiteren Unkosten von EUR 100 rechtfertige. Wegen der Kompliziertheit des Bruchs seien Dauer- bzw Spätfolgen nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
Die Beklagte bestritt das Begehren, beantragte die Klagsabweisung und brachte vor, dass sie die gebotene Sorgfalt beachtet habe und keine Verantwortung für den Sturz der Klägerin trage. Die Verletzung der Klägerin sei nicht durch ein Tier verursacht worden, sondern auf die Schreckhaftigkeit und das Ungeschick der Klägerin zurückzuführen. Der Unfall der Klägerin liege deshalb außerhalb des Adäquanzzusammenhangs. Nach der Hausordnung hätte die Klägerin einen „Respektabstand“ zu den Tieren einhalten müssen. Im Übrigen sehe die Hausordnung vor, dass das Betreten des Geländes auf eigene Gefahr erfolge und die Haftung für Personen- und Sachschäden ausgeschlossen sei.
Mit dem angefochtenen Zwischenurteil stellte das Erstgericht fest, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe, wobei es seiner Entscheidung den auf den Seiten 3 bis 5 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Sachverhalt zugrunde legte, auf den verwiesen und aus dem hervorgehoben wird:
Die Beklagte betreibt den Wildpark *****. Die dort gehaltenen Tiere sind generell zutraulich und gutmütig und haben ihre Scheu vor dem Menschen zum Teil verloren und begeben sich daher in die Nähe der Besucher.
Im Wildpark wird Sikawild gehalten, das bis zu 100 cm Schulterhöhe und 80 kg Gewicht erreichen kann. Die Sikahirsche tragen dabei Geweihe. Sie sind in einem mehrere tausend Quadratmeter großen Gehege eingezäunt, das die Besucher frei betreten können, für die ein mehrere hundert Meter langer Weg durch das Gehege führt. Die Sichtweite ist entlang des Weges zwischen hundert und einigen hundert Metern, sodass nahende Tiere frühzeitig wahrnehmbar sind.
Die Beklagte hat zwei Futterkrippen aufgestellt. Für die Fütterung durch die Besucher gibt es keine dezidierten Futterplätze. Die Besucher können die Tiere auf der gesamten Länge des Weges füttern.
Die beim Eingang des Wildparks angebrachte Hausordnung lautet auszugsweise:
«Betreten auf eigene Gefahr! Es wird keinerlei Haftung für Personen- oder Sachschäden übernommen.
Sie bewegen sich unter freilaufenden Tieren. Der direkte Kontakt mit den Tieren wird ein besonderes Erlebnis für Sie sein, dabei ist aber unbedingt folgendes zu beachten: [...]
2. Hunde sind im Park nur an der kurzen Leine erlaubt.
3. Beschilderte Wege nicht verlassen.
4. Besucherabsperrungen respektieren. [...]
7. Das Füttern der Tiere ist nur mit dem im Wildpark erhältlichen Tierfutter erlaubt. [...]
8. Nähern Sie sich den Tieren langsam und nicht von hinten! Halten sie einen Respektabstand ein.»
Die Klägerin besuchte am 5.5.2018 gemeinsam mit ihrem Ehegatten, ihrem Sohn und zwei Enkelkindern den Wildpark. Dabei kaufte sie die von der Beklagten angebotenen Maiskörner als Futter. Als sie mit ihren Begleitern im Gehege für das Sikawild war, kam eine größere Anzahl an Wildtieren und bedrängte sie, um an das mitgebrachte Futter zu gelangen. Dabei entstand für die Klägerin und ihre Begleiter eine unangenehme Situation. Durch das Bellen eines im Gehege befindlichen Hundes entwickelte sich in weiterer Folge Unruhe unter den Wildtieren. Einer der Hirsche hatte dabei sein Geweih gegen den bellenden Hund abgesenkt und ging in Angriffsstellung über. Ein anderer Hirsch versuchte, vom Ehemann der Beklagten das Futter selbst zu erlangen, und berührte dabei die Klägerin mit dem Geweih, ohne sie zu verletzen. Um sich und insbesondere ihre Enkelkinder vor den Wildtieren zu schützen, warf die Klägerin das Futter weg und entfernte sich mit ihren Begleitern rückwärtsgehend von den Tieren. Dabei rutschte sie aus, stürzte und [verletzte sich].
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht zutreffend aus, dass der in der Hausordnung enthaltene Haftungsausschluss für Personenschäden nach § 6 Abs 1 Z 9 KSchG unwirksam sei. Als Betreiberin des Wildparks unterliege die Beklagte der Tierhalterhaftung nach § 1320 ABGB. Das aufdringliche Verhalten von Wildtieren beim Füttern und das Zurückweichen der Klägerin vor den andrängenden Tieren sei vom Schutzbereich des § 1320 ABGB umfasst, weil es sich um die Reaktion auf eine typische Tiergefahr handle.
Das im Gehege lebende Sikawild könne bis zu 100 cm Schulterhöhe und 80 kg Gewicht erreichen, wobei insbesondere vom Geweih eine Gefahr für die Besucher ausgehe, die das Gehege frei betreten könnten. Die Tiere seien zwar gutmütig und hätten sich an die Menschen gewöhnt, doch könne es insbesondere bei der Fütterung zu gefährlichen Situationen kommen. Um solche Begegnungen sicher zu gestalten, hätte die Beklagte das Mitführen von Hunden verbieten müssen, weil die Wildtiere dadurch in Unruhe versetzt werden könnten.
Ein Wildhüter, der den Besucherweg beaufsichtigt, hätte den Unfall der Klägerin „nicht mit ausreichender Sicherheit“ verhindern können. Dafür wäre es nämlich erforderlich gewesen, dass der Wildhüter die Besucher auf dem gesamten Weg begleitet, was bei der Menge an Besuchern aber nicht möglich sei. Dennoch habe die Beklagte ihre Sorgfaltspflichten bei der Verwahrung und Beaufsichtigung der Wildtiere verletzt, was ihre Haftung rechtfertige.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil dahingehend abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde, in eventu das Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist berechtigt.
1. Als Betreiberin des Tierparks unterliegt die Beklagte hinsichtlich der in den Gehegen lebenden Tiere der Tierhalterhaftung nach § 1320 ABGB (RIS-Justiz RS0030200). Wird jemand durch ein Tier verletzt, ist die Beklagte deshalb nach § 1320 ABGB dafür verantwortlich, wenn sie nicht beweist, dass sie für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hat.
2. Die Beklagte macht in ihrer Berufung geltend, dass sie ihre Sorgfaltspflichten nicht verletzt habe, weil sich die Tiere gutmütig und zutraulich verhalten hätten, ohne dass damit eine Gefährdung der Besucher verbunden gewesen sei. Die Anwesenheit des Hundes habe keinen Einfluss auf den Unfall gehabt, zumal die Tiere durch das Futter angelockt worden seien. Dass die Klägerin diese Situation subjektiv als unangenehm empfunden habe, bedeute keine Vernachlässigung der objektiven Sorgfaltspflichten.
3. Der Tierhalter hat bei der Verwahrung und Haltung der Tiere stets die objektiv erforderliche Sorgfalt einzuhalten (RIS-Justiz RS0105089). Wie ein Tier zu verwahren oder zu beaufsichtigen ist, hängt nach ständiger Rechtsprechung stets von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0030058; RS0030157; RS0030567). Maßgeblich ist die Gefährlichkeit des Tiers, die Möglichkeit der Schädigung und eine Abwägung der betroffenen Interessen (RIS-Justiz RS0030081 [T16]).
Besonders wenn dem Tierhalter solche Eigenschaften des Tiers bekannt sein müssen, die zu einer Gefahrenquelle werden können, wie etwa nervöse Reaktionen, unberechenbares Verhalten, Unfolgsamkeit und dergleichen, muss er auch die in Anbetracht dieser besonderen Eigenschaften erforderlichen und nach der Verkehrsauffassung vernünftigerweise zu erwartenden Vorkehrungen treffen (RIS-Justiz RS0030472). Welche Maßnahmen erforderlich sind, hängt damit ganz wesentlich von den Eigenschaften und Eigenarten sowie vom bisherigen Verhalten des Tiers ab ( Danzl in KBB 5 § 1320 ABGB Rz 5 mwN).
3.1. Der OGH erkannte zu 5 Ob 2/75 eine Haftung nach § 1320 ABGB, weil ein Hirsch in einem Schaugehege nur mit einem Maschendrahtzaun gesichert war, obwohl das Tier immer wieder mit dem Kopf gegen den Zaun gesprungen war, wodurch sich das Drahtgeflecht bis zu 50 cm ausbeulte und die Maschen so weit aufgedehnt wurden, dass das Geweih durch das Drahtgeflecht reichte, wodurch das Tier einem Besucher, der es während der Brunftzeit gereizt hatte, durch den Zaun hindurch tödliche Verletzungen zufügen konnte. Der OGH betonte, dass angesichts des ungewöhnlichen Verhaltens des Tiers besondere Sicherheitsmaßnahmen erforderlich gewesen wären.
3.2. Zu 1 Ob 694/85 erkannte der OGH eine Sorgfaltspflichtverletzung des Betreibers eines Wildparks, nachdem ein Hirsch während der Brunftzeit einen Besucher auf einem Spazierweg angegriffen und umgestoßen hatte. Der OGH führte dazu aus, dass dem Betreiber des Tierparks die besondere Gefährlichkeit der Tiere während der Brunftzeit bekannt sein müsse, weshalb er die Hirsche (zeitweise) in einem abgesonderten Gehege unterbringen hätte müssen. Auch diese Entscheidung ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil es sich um ein aggressives Tier handelte, das eine Person angegriffen hat.
3.3. Zu 5 Ob 224/11v billigte der OGH die Annahme der Haftung eines Wildparkbetreibers, weil sich ein Zwölfender-Rothirsch auf der Suche nach Futter einer Besucherin näherte, die daraufhin das im Tierpark erworbene Futtersäckchen fallen ließ, woraufhin der Hirsch beim Aufnehmen des Futters wegen einer Ablenkung ruckartig seinen Kopf bewegte und die Besucherin mit seinem Geweih schwer verletzte. Der Haftungsgrund wurde darin gesehen, dass der Betreiber zwar ein Fütterungsverbot verhängt hatte, dieses aber in keiner Weise überwacht, sondern die Fütterung durch den Verkauf von Futtersäckchen noch gefördert hatte, was dazu führte, dass sich die Tiere auf der Suche nach Futter mit ihrem Geweih den Besuchern gefährlich annäherten. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hätte dies den Betreiber veranlassen müssen, die von der „Futterdressur“ betroffenen Wildtiere zum Schutz der Besucher in einem nicht zugänglichen Gehege unterzubringen.
4. Die Beklagte verweist darauf, dass Sikawild wesentlich kleiner sei als Rothirsche. Das Geweih eines Zwölfender-Rothirschs könne über einen Meter lang sein, während das Geweih der Sikahirsche im Mai notorisch nur 15 cm lang und mit einem schmerzempfindlichen Bastgewebe überzogen sei, weshalb es noch nicht als Waffe eingesetzt werde, sodass von diesen Tieren keine Gefahr ausgegangen sei.
5. Wenngleich das Erstgericht zur Gefährlichkeit der Tiere keine Feststellungen getroffen hat, war in dem vom OGH zu 5 Ob 224/11v entschiedenen Fall die Gefährlichkeit der Rothirsche unstrittig, was den Betreiber des Wildparks veranlasste, die Fütterung im Gehege zu verbieten. Demgegenüber hat die Beklagte die Gefährlichkeit ihrer Tiere vehement bestritten und – wie auch die Klägerin in ihrer Rechtsmittelbeantwortung zugesteht – die Fütterung ihrer Tiere ausdrücklich erlaubt und gefördert.
Unabhängig davon, wie lange das Geweih der Tiere damals wirklich war, unterscheidet sich der vorliegende Fall von jenen, in denen die Rechtsprechung eine Haftung angenommen hat, vor allem dadurch, dass die Tiere der Beklagten niemanden verletzt haben. Dass die Tiere zum Futter drängten und ein Tier die Klägerin dabei mit dem Geweih berührte, ist kein aggressives oder sonst gefährliches Verhalten, das den Betreiber eines Wildparks verpflichten würde, solche Fütterungen von vorneherein zu verbieten.
6. Die Klägerin macht geltend, dass das Erstgericht in der rechtlichen Beurteilung dennoch „festgestellt“ habe, dass solche Tiere aufgrund ihrer Eigenschaften eine Gefahr für die körperliche Sicherheit eines Menschen sein können. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass diesen Ausführungen des Erstgerichts keine Tatsachen zugrunde liegen, weshalb sie der rechtlichen Beurteilung zuzurechnen sind.
7. Aus rechtlicher Sicht dürfen die Anforderungen an die Verwahrungs- und Beaufsichtigungspflicht aber nicht überspannt werden (RIS-Justiz RS0029999; RS0030365). Die Haftung des Tierhalters tritt nicht schon dann ein, wenn nicht jede Möglichkeit einer Beschädigung durch das Tier ausgeschlossen ist, sondern erst dann, wenn die nach den Umständen gebotenen Vorkehrungen unterlassen wurden (RIS-Justiz RS0030024). Nach dem festgestellten Sachverhalt hatte die Beklagte aber keinen Grund, das Zusammentreffen der Tiere mit Besuchern zu unterbinden, das Füttern der Tiere zu verbieten oder das Mitnehmen von Hunden an der Leine zu untersagen.
Der Unfall der Klägerin ist nicht auf die Gefährlichkeit der Tiere zurückzuführen. Vielmehr hat sich der Unfall ereignet, weil die Klägerin das Drängen der Tiere als „unangenehme Situation“ empfand, was durch das Bellen des Hundes und die gegen diesen Hund gerichtete „Angriffstellung“ eines Sikahirschs verstärkt wurde und die Klägerin schließlich dazu veranlasste, das Futter auf den Boden zu werfen und sich rückwärtsgehend von den Tieren zu entfernen. Wenngleich sich den Feststellungen des Erstgerichts nicht entnehmen lässt, dass für die Klägerin eine Gefahr bestanden hat, ist ihre subjektive Besorgnis angesichts der drängenden Tiere doch verständlich.
8. Die Beklagte macht in ihrer Berufung aber zu Recht darauf aufmerksam, dass sich die Klägerin bewusst und auf eigene Gefahr in den Nahbereich der Tiere begeben hat. Ein Handeln „auf eigene Gefahr“ liegt vor, wenn ein Risiko leicht erkennbar ist und sich jemand dieser Situation dennoch aussetzt (RIS-Justiz RS0023006; RS0038795; RS0114360). Der Entfall der Haftung erklärt sich in einem solchen Fall aus der Überlegung, dass keine Schutzpflichten gegenüber jemandem bestehen sollen, dem ein Selbstschutz möglich und zuzumuten ist (RIS-Justiz RS0023101; RS0023006).
Für die Klägerin, die sich in ein Gehege mit freilaufenden Tieren begeben und zuvor Futter gekauft hat, war ohne Weiteres vorhersehbar, dass sie damit die Tiere anlocken und in deren unmittelbare Nähe gelangen wird. Dass sich Tiere bei der Fütterung nicht immer ruhig verhalten, ist allgemein bekannt, weshalb für die Klägerin leicht erkennbar war, dass die Tiere zum Futter drängen werden. Wenn sie das Andrängen der Tiere als unangenehm oder gar bedrohlich empfindet, wäre es ihr ohne weiteres möglich gewesen, auf eine Fütterung zu verzichten oder das Futter zumindest in einiger Entfernung zu deponieren, wodurch sie auch jenen „Respektabstand“ einhalten hätte können, den die beim Eingang des Wildparks angebrachte Hausordnung vorschreibt.
Der OGH hat bereits zu 1 Ob 694/85 ausgeführt, dass der Besucher eines Wildparks damit rechnen muss, Wildtieren und nicht gezähmten, zahmen oder Haustieren zu begegnen, wodurch er auch gewisse Gefahren, die sich aus der Begegnung mit Wildtieren ergeben können, in Kauf nimmt. Dass das Andrängen der Tiere subjektiv als bedrohlich empfunden wird, ist ein vorhersehbares Risiko, das der Besucher, der sich dazu entscheidet diese Tiere zu füttern, bewusst in Kauf genommen hat, ohne dass der Betreiber des Tierparks dafür zur Verantwortung gezogen werden könnte.
9. Obwohl nach dem festgestellten Sachverhalt die Hirsche durch das Bellen eines Hundes beunruhigt worden waren, bestand für die Beklagte keine Veranlassung, das Mitführen von Hunden zu verbieten, weil sich die Sikahirsche trotz des bellenden Hundes gegenüber der Klägerin nicht aggressiv verhalten haben.
10. Der Beklagten ist damit der Nachweis gelungen, dass sie für die nach den Umständen erforderliche Verwahrung und Beaufsichtigung der Tiere gesorgt hat.
11. Infolge der Abänderung des Urteils war auch für das erstgerichtliche Verfahren eine Kostenentscheidung zu treffen, die sich auf § 41 ZPO gründet. Mangels Einwendungen waren die verzeichneten Kosten nach § 54 Abs 1a ZPO der Entscheidung zugrunde zu legen. Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren beruht auf § 41, 50 Abs 1 ZPO.
12. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands folgt der unbedenklichen Bewertung durch die Klägerin.
Wie Tiere zu verwahren oder zu beaufsichtigen sind, richtet sich immer nach den Umständen des Einzelfalls (RIS-Justuz RS0030157; RS0030567). Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die ordentliche Revision nicht zuzulassen.
[Der Oberste Gerichtshof wies die außerordentliche Revision (ohne Begründung, § 510 Abs 3 ZPO) zurück, 4 Ob 193/19i, nv.]