JudikaturOLG Wien

133R68/19a – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. August 2019

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Wortmarke AT 293927 über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 19.12.2018, WM 147/2017 3, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird geändert und lautet:

«Der Widerspruch der Antragstellerin gegen die Marke AT 293927 wird abgewiesen.»

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

1. Im Widerspruchsverfahren stehen einander folgende Wortmarken mit Schutz für die folgenden Waren- und Dienstleistungsklassen gegenüber:

2. Die Antragstellerin brachte zusammengefasst vor, dass sowohl die angegriffene Marke als auch die für sie registrierten Waren verwechselbar ähnlich seien der Widerspruchsmarke und der für sie eingetragenen Waren und Dienstleistungen.

Die Antragsgegnerin bestritt die Verwechslungsgefahr, unter anderem auch wegen der Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke. In der Gesamtheit und auch sonst würden sich die Marken deutlich voneinander unterscheiden. Klanglich liege ein deutlich abweichendes Klangbild vor. Auch begrifflich könne kein Vergleich vorgenommen werden, weil Amineo keinen eindeutigen Sinngehalt habe.

3. Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Patentamt dem Widerspruch – mit Ausnahme der oben mit Fettdruck hervorgehobenen Waren in den Klassen 5 , 30 und 32 – Folge und hob die Registrierung mit dieser Ausnahme auf. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung sei der Grad der Identität der betroffenen Waren derart eng, dass unter Berücksichtigung der Wechselbeziehung zur ebenfalls vorliegenden Markenähnlichkeit die Verwechslungsgefahr jedenfalls bejaht werden müsse; es bestehe auch die Gefahr, dass die angegriffene Marke mit der Widerspruchsmarke in Verbindung gebracht werde. Die angegriffene Marke hätte einen größeren Abstand zur älteren Widerspruchsmarke halten müssen.

4. Dagegen richtete sich der Rekurs der Antragsgegnerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss abzuändern und den Widerspruch zur Gänze abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragstellerin hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

5. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

5.1 Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RIS-Justiz RS0066553 [T13]; RW0000786; RW0000810). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden ( Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 30 Rz 5 f mwN).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören – ausgehend vom Registerstand – insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl C 39/97, Cannon/Canon, Rz 23; Koppensteiner, Markenrecht 4 117 mwN bei FN 108).

5.2 Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB C 191/11 P, Yorma’s, Rz 43; EuG T 599/10, Eurocool, Rz 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159, T One mwN; ÖBl 2003, 182, Kleiner Feigling ua; R

IS Justiz RS0121500, insb T4; RS0121482; RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 10 Rz 51 ff mwN).

5.3 Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Kennzeichnungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (RIS-Justiz RS0121482).

So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (C 39/97, Cannon/Canon ). Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RIS Justiz RS0116294; 4 Ob 36/04d, FIRN; 17 Ob 36/08f, KOBRA/cobra-couture.at; Koppensteiner, Markenrecht 4 111 mwN).

5.4 Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21; RIS Justiz RS0117324; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10 Rz 94 mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt ( quattro/Quadra; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; ecolex 2003, 608, More; RIS Justiz RS0078944; C 342/97, Lloyd, Rn 26).

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227, Ritter/Knight; RIS Justiz RW0000786).

5.5 Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a, GO; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190 [T22], RS0108039, RS0117324, RS0079571; 4 Ob 57/14g, Ionit/Isonit ). Entscheidend ist dabei der Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels; RIS Justiz RS0117324). Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp ua ÖBl 1993, 156, Loctite mwN; ÖBl 1996, 279, Bacardi/Baccara; ÖBl 1999, 82, AMC/ATC; EuGH Slg 1997, I 6191 = ÖBl 1998, 106, Sabel/Puma, Rz 23; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; ecolex 2003, 608, More; RIS-Justiz RS0117324; RS0066753; C 120/04, Thomson life, Rn 28; C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21) . Dem Durchschnittsverbraucher bietet sich nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (C 342/97, Lloyd, Rn 26; C 291/00, Slg 2003, I 2799, LTJ Diffusion, Rn 52; C 104/01, Orange, Rn 64; 17 Ob 23/07t, Henson ; Om 6/11, revölution ; RIS-Justiz RS0117324 [T7]; 4 Ob 25/05p, Zorro ; Om 9/04, McCruise ).

5.6 Bei ausschließlich aus Worten bestehenden Zeichen ist für die Ähnlichkeitsprüfung auf Wortklang, -bild und -sinn Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0117324, RS0066753 [insb T9]; C 251/95, Sabel/Puma; C 206/04, der Verwechslungsgefahr muss eine Übereinstimmung in einem der drei genannten Kriterien bestehen (RIS-Justiz RS0079571, RS0079190 [T22]; Om 4/02, Kathreiner ). Auch hier sind der Gesamteindruck und die Wirkung auf einen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen maßgebend (RIS-Justiz RS0117324; 4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels ). Schutzunfähige oder schwache Bestandteile, die den streitverfangenen Zeichen gemeinsam sind, tragen im Regelfall nur wenig zum jeweiligen Gesamteindruck bei, sodass schon geringe Abweichungen in den übrigen Bestandteilen ausreichen können, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (4 Ob 334/74, Pregnex/Pregtest; RIS-Justiz RS0066749, RS0066753; 17 Ob 18/11p, Junkerschinken ).

5.7 Für die Beurteilung der Ähnlichkeit einer zusammengesetzten Marke kann es nur dann allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen, wenn alle anderen Bestandteile zu vernachlässigen sind (C 193/06 P, Quick/Quicky ). Maßgebend sind auch hier der Gesamteindruck und die Wirkung auf einen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen (RIS-Justiz RS0117324; 4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels ).

Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b, gotv ; 17 Ob /08h, Feeling/Feel ; 4 Ob 181/14t, Peter Max/Spannmax ; zuletzt 4 Ob 199/18w, Granny‘s ; RIS-Justiz RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01, Jack Jones ; RIS-Justiz RS0079033 [T20], 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel ; 17 Ob 32/08t, Jukebox; RIS-Justiz RS0079033 [insb T26]).

6. Obwohl der Beurteilung der teilweisen Identität und Ähnlichkeit der betroffenen Waren in den Klassen 5, 29 und 32 durch die Rechtsabteilung beizupflichten ist (§ 39 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG und § 60 Abs 2 AußStrG), kommt das Rekursgericht in Anwendung der vorangestellten Grundsätze zu einem anderen Ergebnis.

6.1 In bildlicher und klanglicher Hinsicht wurde zutreffend die Übereinstimmung der ersten vier Buchstaben A-M-I-N hervorgehoben. Dabei ist jedoch zu berücksichtigten, dass in bildlicher, aber insbesondere in klanglicher Hinsicht die Endungen im Allgemeinen und auch hier konkret einen erheblichen Auffälligkeitswert haben (4 Ob 29/98b, Garanta ; 4 Ob 225/03x, luminos/LUMINA ; RIS-Justiz RS0079438).

Die Endungen „-eo“ und „-ova“ sind im Schriftbild und auch in sprachlicher Hinsicht voneinander klar abgrenzbar wegen der abweichenden Silbenstruktur und des damit verbundenen veränderten Sprech- und Betonungsrhythmus. Durch diese sichtbaren und gut hörbaren Unterschiede tritt die übereinstimmende Anfangsbuchstabenfolge A-M-I-N, die für sich genommen im Gesamtkontext keinen Auffälligkeitswert beanspruchen kann, vernachlässigbar in den Hintergrund. In diesem Zusammenhang ist noch hervorzuheben, dass der Buchstabe -N- klanglich und auch optisch jeweils den Endungen „-eo“ und „-ova“ zugeordnet wird, sodass klanglich und auch bildlich nur drei gleiche (Anfangs-)Buchstaben verbleiben.

Beim Aussprechen der beiden Wörter wird die Betonung jeweils deutlich auf der vorletzten Silbe liegen: Amin é o – Amin ó va, die jeweils auch lang ausgesprochen wird (während die beiden ersten Silben „ami “ sehr kurz gesprochen werden und das Anfangs „a “ in vielen Zusammenhängen an das davor gesprochenen Wort gehängt und so verwischt wird.

Die beiden betonten Vokale E und O haben einen verschiedenen Charakter, weil -e- „offen“, -o- hingegen „geschlossen“ ist.

In begrifflicher Hinsicht ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die betroffenen Verkehrskreise beiden Zeichen keinen eindeutigen und/oder bestimmten Bedeutungsinhalt zumessen (vgl dazu 4 Ob 228/14d, Artist/Arktis, wo der Begriffsinhalt als relevent angesehen wurde). Erst durch einen erforderlichen Nachdenk- und fantasiehaften gedanklichen Kombinationsvorgang, der in Bezug auf die Verwechslungsgefahr in der Regel nicht angestellt wird, könnte beiden Wortfolgen eine gewisse Bedeutung zugemessen werden, weshalb eine mögliche begriffliche (Übersetzungs-)Ähnlichkeit (-neo und -nova jeweils für „neu“) vernachlässigbar in den Hintergrund tritt.

Im relevanten Gesamteindruck sieht das Rekursgericht einen gerade noch ausreichenden klanglichen und bildlichen Abstand zwischen den beiden Zeichen, der die übereinstimmende Anfangsbuchstabenfolge A-M-I-[N] in Bezug auf die bestehende (teilweise) Warenidentität und -ähnlichkeit neutralisiert und somit die Verwechslungsgefahr beseitigt (vgl RIS-Justiz RS0079137; RS0079571).

6.2 Da im Ergebnis die Verwechslungsgefahr ohnedies verneint wird, erübrigt es sich, auf den Einwand des wesentlichen Verfahrensmangels in Bezug auf die verminderte Kennzeichnungskraft näher einzugehen.

7. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880 [Ermessensspielraum]; RIS-Justiz RS0066779 [T24]), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

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