133R37/19t – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 287302 über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 10.10.2018, WM 80/2016 7,8, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
Die Antragststellerin beruft sich
a) auf die Wortmarke UM 427548
NIVEA
(erste Widerspruchsmarke) mit dem Registrierungsdatum 8.9.2006 und
b) auf die Wortbildmarke UM 4427563 (zweite Widerspruchsmarke) mit dem Registrierungsdatum 27.9.2006
.
Beide sind eingetragen für die Dienstleistungen der Klassen
41 Ausbildung und Fortbildung von Dritten auf dem Gebiet der Schönheitspflege und Kosmetika, insbesondere theoretische und praktische Unterweisung über die Anwendung von Mitteln, die zur pflegenden und/oder dekorativen Kosmetik dienen; sportliche und kulturelle Veranstaltungen, Unterhaltung.
43 Verpflegung; Beherbergung von Gästen.
44 Dienstleistungen von Friseur- und Schönheitssalons; Schönheitsberatung, Ernährungsberatung, Betrieb von Saunen, Sonnenstudios und Massagestudios; Gesundheits- und Schönheitspflege; Maniküre; Bereitstellen von Informationen über Kosmetika und kosmetische Dienstleistungen im Internet.
Die Antragstellerin widersprach der Eintragung der Wortmarke AT 287302
V IVEA
mit dem Anmeldedatum vom 10.11.2015 (angegriffene Marke), eingetragen für die Dienstleistungen der Klassen
41 Durchführung von Ernährungsschulungen, Veranstaltung von Seminaren und Kongressen; Erteilung von Unterricht in körperlicher Bewegung, nämlich Erstellung von Bewegungsprogrammen;
43 Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen; Betrieb von Restaurants in Hotels; Betrieb von Wellnesshotels;
44 Medizinische Dienstleistungen ; Gesundheitspflege für Menschen; Durchführung von medizinischen und therapeutischen Behandlungen ; Massage; Ernährungsberatung.
(Die vom angefochtenen Beschluss nicht betroffenen Dienstleistungen sind durch Fettdruck hervorgehoben.)
Die Antragstellerin brachte vor, dass zwischen den Widerspruchsmarken und der angegriffenen Marke Verwechslungsgefahr bestehe. Die Wortbildmarke der Antragstellerin sei ein weltberühmtes Logo. Die grafische Gestaltung der Wortbildmarke trete in den Hintergrund; sie sei für den Markenvergleich vernachlässigbar. Es stünden sich die Zeichen NIVEA und VIVEA gegenüber. Die Zeichen seien sowohl klanglich als auch visuell ähnlich. Beide Zeichen setzten sich aus fünf Buchstaben zusammen und hätten den selben Sprechrythmus und die selbe Silbengliederung. Der Unterschied liege nur im Anfangsbuchstaben, wobei jeweils ein anderer Konsonant am Wortanfang stehe. Beide Zeichen seien Phantasiebezeichnungen, sodass auch keine begrifflichen Unterschiede bestünden.
Die einander gegenüberstehenden Dienstleistungen seien ident oder zumindest ähnlich. Es bestehe daher Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffen Marke und den Widerspruchsmarken. Die Widerspruchsmarken würden für die eingetragenen Dienstleistungen auch benutzt. Die Antragstellerin betreibe in Wien und Graz „Nivea-Häuser“. Es würden an diesen Standorten Dienstleistungen eines Friseursalons, diverse kosmetische Behandlungen und Massagen angeboten. Die „Nivea-Familienfeste“ seien sportliche und kulturelle Veranstaltungen und dienten der Unterhaltung.
Die Antragsgegnerin erhob die Einrede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarken und erwiderte darüber hinaus, dass zwischen den Widerspruchsmarken und der angegriffenen Marke keine Ähnlichkeit bestehe. Insbesondere stünden bei der Bildmarke die grafischen Elemente im Vordergrund, nämlich das blaue Quadrat mit dem weißen Schriftzug in stark stilisierter Schriftart. „NIVEA“ sei die weibliche Form des Adjektivs „niveus“, lateinisch für „weiß“. Dies sei als Hinweis auf die besondere weiße Farbe der „Nivea-Creme“ zu werten.
Auch in den meisten in Österreich gesprochenen und verstandenen Sprachen gebe es auf dem gleichen Wortstamm beruhende ähnliche Wörter. Im Englischen sei dies „niveous“, im Spanischen „nieve“ und im Italienischen „niveo“ mit der weiblichen Form „nivea“. Im Gegensatz dazu sei „VIVEA“ überwiegend ein Phantasiewort, das Anklänge an „vivere“ oder „vivus“, also „Leben“ oder „lebendig“ aufweise, aber ansonsten keine erkennbare Bedeutung habe.
Hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 41 liege keine Verwechslungsgefahr vor, weil sich die Dienstleistungen der Widerspruchsmarken auf das Gebiet der Kosmetik konzentrierten, während die Dienstleistungen der angegriffen Marke im medizinischen Bereich angesiedelt seien. Gleiches gelte für die in der Klasse 44 eingetragenen Dienstleistungen.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Patentamt dem Widerspruch teilweise Folge und hob die Registrierung der angegriffenen Marke hinsichtlich der Dienstleistungen in den Klassen 41 und 43 und teilweise in der Klasse 44 für die Dienstleistungen „Gesundheitspflege für Menschen; Durchführung von therapeutischen Behandlungen; Massage; Ernährungsberatung“ (nicht gelöscht: „Medizinische Dienstleistungen“; „Durchführung von medizinischen Behandlungen“) zusammengefasst mit der wesentlichen Begründung auf, dass sich die Marken in bildlicher Hinsicht nur im Anfangsbuchstaben unterscheiden würden. In klanglicher Hinsicht stünden sich die Markenwörter NI VEA und VI VEA gegenüber, beide Wörter verfügten über dieselbe Anzahl von Silben, der Anfangsbuchstabe falle bei dieser Übereinstimmung klanglich kaum ins Gewicht. Beide Markenwörter seien Phantasiebezeichnungen.
Die Identität sei nicht nur bei den Dienstleistungen der Klasse 43 gegeben, sondern auch bei der Dienstleistung der Klasse 44 „Gesundheitspflege für Menschen“. Darüber hinaus sei auch die Dienstleistung „Betrieb eines Massagestudios“ der Widerspruchsmarken ident mit der Dienstleistung der angegriffenen Marke „Massagen“. In der Klasse 43 sei Ähnlichkeit zwischen „Verpflegung und Beherbergung von Gästen“ (Widerspruchsmarken) und „Betrieb von Restaurants in Hotels; Betrieb von Wellnesshotels“ (angegriffene Marke) gegeben, weil diese Dienstleistungen unter den Oberbegriff „Verpflegung, Beherbergung von Gästen“ zu subsumieren seien. Bei diesen Dienstleistungen gingen die Konsumenten davon aus, dass sie von einem Anbieter erbracht werden.
Die Dienstleistungen der Klasse 41 der Widerspruchsmarken „Ausbildung und Fortbildung von Dritten auf dem Gebiet der Schönheitspflege und Kosmetika, insbesondere theoretische und praktische Unterweisung über die Anwendung von Mitteln, die zur pflegenden und/oder dekorativen Kosmetik dienen” und die Dienstleistungen in der Klasse 43 der angegriffenen Marke „Durchführung von Ernährungsschulungen, Veranstaltung von Seminaren und Kongressen; Erteilung von Unterricht in körperlicher Bewegung, nämlich Erstellung von Bewegungsprogrammen“ seien ähnlich. Es sei naheliegend, dass die Ausbildung und Fortbildung auf dem Gebiet der Schönheitspflege und Kosmetik auch Schulungen, welche die Ernährung und Bewegung betreffen, mitumfassten und von einem Anbieter angeboten würden. Der Begriff „Wellness“ umfasse nicht nur die Schönheit, sondern auch die Gesundheit der Menschen. Die Begriffe Schönheit und Gesundheit gingen sowohl im Bereich des Betriebes von Kuranstalten als auch von Hotels „Hand in Hand“. Die Antragstellerin biete nicht nur Dienstleistungen im Bereich eines Kosmetikinstituts an, sondern auch Behandlungen, die die Gesundheit förderten (Hot-Stone-Massagen, Ayurvedische Stempelmassagen und Lymphdrainagen). Da Ausbildung und Fortbildung auch in Form von Seminaren und Kongressen erbracht werden könne, liege kein thematischer Unterschied vor. Die Konsumenten würden davon ausgehen, dass die einander gegenüber stehenden Dienstleistungen in der Klasse 41 zusammengehörten und von einem Anbieter erbracht würden.
Ähnlichkeit sei auch zwischen den Dienstleistungen in der Klasse 44 gegeben. Die „Dienstleistungen von Friseur- und Schönheitssalons; Schönheitsberatung, Ernährungsberatung, Betrieb von Saunen, Sonnenstudios und Massagestudios; Gesundheits- und Schönheitspflege; Maniküre” (Widerspruchsmarken) und „Gesundheitspflege für Menschen; Durchführung von therapeutischen Behandlungen; Massagen; Ernährungsberatung“ (angegriffene Marke) seien ähnlich. Die genannten Dienstleistungen der älteren Marke seien von den weit allgemeineren Begriffen der jüngeren Marke jedenfalls umfasst. Der Begriff „Gesundheitspflege für Menschen“ enthalte auch therapeutische Behandlungen und Ernährungsberatung, weshalb die Konsumenten diese Dienstleistungen als zusammengehörend betrachteten und davon ausgingen, dass sie von einem Anbieter stammen könnten.
Keine Ähnlichkeit sei hingegen bei den Dienstleistungen „Medizinische Dienstleistungen“ und „Durchführung von medizinischen Behandlungen“ (angegriffene Marke) gegeben, weil diese Dienstleistungen von ärztlichem Personal erbracht würden und sich daher keine Entsprechung im Bereich der Schönheits- und Gesundheitspflege finde.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der wegen unrichtiger Tatsachenfeststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Rekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Widerspruch abzuweisen; hilfsweise stellt die Antragsgegnerin einen Aufhebungsantrag.
Die Antragstellerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Zur Tatsachenrüge:
Nach der Rechtsansicht des Rekursgerichts ist die Frage der „ernsthaften markenmäßige Benutzung” jedenfalls keine reine Rechtsfrage, sondern zumindest eine sogenannte quaestio mixta, also muss jedenfalls (auch) ein taugliches Tatsachensubstrat ermittelt werden, anhand dessen diese Frage beurteilt werden kann (OLG Wien 34 R 100/14x, ICEGRIP/ICE; der OGH sieht in der verwandten Frage der Verkehrsgeltung eine reine Tatfrage: RIS-Justiz RS0043668; für das Eintragungsverfahren s OBm 3/13, Steirerfleisch ).
Die Antragsgegnerin wendet sich erkennbar gegen die Feststellung des PA, dass die Wortbildmarke der Antragstellerin für die eingetragenen Dienstleistungen rechtserhaltend benutzt worden sei. Aus den von der Antragstellerin vorgelegten Urkunden würde sich eine Benutzung der Wortbildmarke in der registrierten Form nicht ergeben.
Das PA begründete die bekämpfte Feststellung damit, dass sich aus den vorliegenden Unterlagen in einer Zusammenschau mit den dort dokumentierten Umsatzzahlen und lukrierten Spendengeldern ein ernsthafter Gebrauch der Widerspruchsmarken für die Dienstleistungen der Klasse 41, 43 und 44 ergebe.
Unbekämpft steht fest, dass die Antragstellerin im Zeitraum 2012 bis 2017 in Österreich an zwei Standorten Kosmetik- und Gesundheitsdienstleistungen in „Nivea-Häusern“ betrieben hat.
Die von der Antragstellerin für den Standort Wien vorgelegte Preisliste ./G zeigt an verschieden Stellen die Verwendung der Wortbildmarke. Sie findet sich in Form einer kreisrunden blauen Dose mit weißer Aufschrift des Wortes „NIVEA“. Aus dem Rechnungskonvolut ./P ergibt sich weiters, dass die Wortbildmarke auch auf den ausgestellten Rechnungen abgebildet war. Dass sich darunter noch der Begriff „Haus“ findet, schadet dabei nicht. Auch auf der Werbebroschüre ./I und der Pressemitteilung ./J („Nivea-Familienfest“) findet sich die Verwendung der Wortbildmarke.
Die Feststellung zur ernsthaften markenmäßigen Benutzung der Wortbildmarke für die registrierten Dienstleistungen ist daher nicht zu beanstanden.
2. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke erfolgen, sofern die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.
2.1. Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RIS-Justiz RS0066553 [T13]; RW0000786; RW0000810). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden ( Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 30 Rz 5 f mwN).
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören – ausgehend vom Registerstand – insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl C 39/97, Cannon/Canon, Rz 23; Koppensteiner, Markenrecht 4 117 mwN bei FN 108).
2.2. Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB C 191/11 P, Yorma’s, Rz 43; EuG T 599/10, Eurocool, Rz 97); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159, T One mwN; ÖBl 2003, 182, Kleiner Feigling ua; R
IS Justiz RS0121500, insb T4; RS0121482; RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; 4 Ob 139/13i; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 10 Rz 51 ff mwN).
2.3. Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere auf die Ähnlichkeit der Marken, auf ihre Kennzeichnungskraft und auf die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (RIS-Justiz RS0121482).
So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (C 39/97, Cannon/Canon ). Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen, als bei einem größeren Waren- oder Dienstleistungsabstand (RIS Justiz RS0116294; 4 Ob 36/04d, FIRN; 17 Ob 36/08f, KOBRA/cobra-couture.at; Koppensteiner, Markenrecht 4 111 mwN).
Ob die Waren oder Dienstleistungen ähnlich sind, ist anhand objektiver, auf die Waren selbst bezogener Kriterien zu beurteilen.
2.4. Die Verwechslungsgefahr ist nach dem Gesamteindruck auf die durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der maßgeblichen Verkehrskreise der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu prüfen (C 591/12 P, Doghnuts/Bimbo Doughnuts, Rn 21; RIS Justiz RS0117324; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10 Rz 94 mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 111). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (4 Ob 61/90, quattro/Quadra; 4 Ob 139/02y, Summer Splash; 4 Ob 10/03d = ecolex 2003, 608, More; RIS Justiz RS0078944; C 342/97, Lloyd, Rn 26).
Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich keinem Beweisverfahren zugänglich (4 Ob 13/94 = ÖBl 1994, 227, Ritter/Knight; RIS Justiz RW0000786).
2.5. Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn eine Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a, GO; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190 [T22], RS0108039, RS0117324, RS0079571; 4 Ob 57/14g, Ionit/Isonit ). Entscheidend ist dabei der Gesamteindruck, den Marke und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (4 Ob 124/06y, Hotel Harmonie/Harmony Hotels; RIS Justiz RS0117324). Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp) . Dem Durchschnittsverbraucher bietet sich nur selten die Möglichkeit, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (C 342/97, Lloyd, Rn 26; C 291/00, Slg 2003, I 2799, LTJ Diffusion, Rn 52; C 104/01, Orange, Rn 64; 17 Ob 23/07t, Henson ; Om 6/11, revölution ; RIS-Justiz RS0117324 [T7]; 4 Ob 25/05p, Zorro ; Om 9/04, McCruise ).
2.6. Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist in der Regel der Wortbestandteil für den Gesamteindruck maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RIS-Justiz RS0066779; Koppensteiner, Markenrecht 4 116). Das Recht an einer Wortbildmarke wird daher regelmäßig auch durch solche Zeichen verletzt, die nur den unterscheidungskräftigen Wortbestandteil in einer zur Herbeiführung von Verwechslungen geeigneten Weise wiedergeben (ÖBl 1988, 154, Preishammer; ÖBl 1996, 279, Bacardi/Baccara ; 4 Ob 119/02g; 4 Ob 10/03d, More ).
3. Wendet man diese Grundsätze im vorliegenden Fall an, so ist die Verwechslungsgefahr insgesamt zu bejahen:
3.1. Die als ident und/oder ähnlich zu qualifizierenden Dienstleistungen sind großteils solche des täglichen Bedarfs und daher ist der Grad der Aufmerksamkeit ihrer Adressaten, überwiegend Endverbraucher, durchschnittlich hoch (Koppensteiner, Markenrecht 4 114).
3.2.1. Nach der öRsp werden die angesprochenen Verkehrskreise Dienstleistungen als zusammengehörend betrachten, weil sie der Meinung sein können, sie würden vom selben Unternehmen erbracht, wenn die Dienstleistungen nicht völlig gegensätzlicher Natur sind und sich in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung eng berühren. Gehören mit ähnlichen Zeichen gekennzeichnete Dienstleistungen zu einem gemeinsamen Geschäftsbereich, besteht eine enge Verbindung beim Verwendungszweck, und die fraglichen Dienstleistungen haben ergänzenden Charakter. Daraus ist zu schließen, dass sie ähnlich sind. ( Guggenbichler/Mayer/Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10 MSchG Rz 127).
Es stehen Art und Zweck der Dienstleistung, dh der Nutzen für den Empfänger im Vordergrund, wobei letztendlich die Vorstellung des Verkehrs maßgeblich ist, ob die beidseitigen Dienstleistungen unter der gleichen Verantwortung erbracht werden. Hierfür kann es auch auf die funktionelle Ergänzung ankommen. Auch bei Dienstleistungen darf nicht zu fein unterschieden werden, sondern es ist auf die gattungsprägenden Faktoren abzustellen ( Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 14 Rz 800).
3.2.2. Die Antragsgegnerin meint, dass die Dienstleistungen „Ausbildung und Fortbildung von Dritten auf dem Gebiet der Schönheitspflege und Kosmetika, insbesondere theoretische und praktische Unterweisung über die Anwendung von Mitteln, die zur pflegenden und/oder dekorativen Kosmetik dienen“ für die Widerspruchsmarken dem Begriff „Durchführung von Ernährungsschulungen“ für die angegriffene Marke nicht ähnlich seien.
3.2.3. In der Entscheidung T 373/06, Epican Forte, beschäftigte sich das EuG unter anderem mit der Frage, ob zwischen Nahrungsergänzungsmitteln und diätetischen Erzeugnissen für nichtmedizinische Zwecke einerseits und Mitteln zur Körper- und Schönheitspflege anderseits Ähnlichkeit besteht. Der EuG bejahte dies, und führte aus, dass bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Waren alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen sind, die das Verhältnis kennzeichnen, in dem die fraglichen Waren zueinander stehen; hierzu zählen ihre Art, ihr Verwendungszweck, die Art und Weise ihrer Vermarktung, wozu gehört, ob sie in denselben Verkaufsstätten feilgeboten werden, sowie ihr Charakter als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren. Diese Komplementarität der Waren kann in einem funktionalen Sinn verstanden werden oder sie kann sich daraus ergeben, dass sie aus der Sicht der maßgebenden Verkehrskreise zu derselben Warengattung gehören, so dass sie unschwer als Bestandteile eines allgemeinen Sortiments mit möglicherweise derselben betrieblichen Herkunft angesehen werden können.
In der genannten Entscheidung zeigt sich, dass beide Aspekte bei den in Rede stehenden Waren vorlagen, und zwar weil sie häufig auf denselben Ausstellungsflächen angeboten wurden, wegen ihrer gemeinsamen Zweckbestimmung und angesichts ihrer gemeinsamen Fertigung in bestimmten Unternehmen. Hierbei waren die Unterschiede in der Art der Verwendung der fraglichen Waren unerheblich, da diese Waren vom Endverbraucher unschwer als Artikel desselben Warensortiments angesehen werden konnten.
Die daraus ableitbaren Grundsätze können auch auf den vorliegenden Fall angewendet werden, sodass auch hier die Dienstleistungsähnlichkeit zu bejahen ist.
Der Personenkreis, der einer Verwechslung unterliegen kann, besteht aus Personen, die sich im Bereich der Schönheitspflege weiterbilden wollen. Das können sowohl Verbraucher als auch Personen sein, die sich aus- oder weiterbilden möchten. Personen, die sich für eine Weiterbildung im Bereich der Schönheitspflege interessieren, sind grundsätzlich auch an Ernährungsschulungen interessiert. Beide verfolgen das Ziel, Aussehen und Wohlbefinden zu verbessern (T 373/06). Es ist daher davon auszugehen, dass die beteiligten Verkehrskreise diese Dienstleistungen als zusammengehörend betrachten, weil sie der Meinung sein können, sie würden vom selben Unternehmen erbracht.
Darüber hinaus ist für die Widerspruchsmarken in der Klasse 44 unter anderem die Dienstleistung „Gesundheitspflege“ registriert. Gesundheitspflege ist die Bemühung um die Erhaltung und Förderung der Gesundheit. Selbstverständlich gehört auch eine gesunde Ernährung zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit. Angesichts der engen Verbindung zwischen den Dienstleistungen der Widerspruchsmarken und der sie ergänzenden Dienstleistung der angegriffenen Marke sind die betreffenden Dienstleistungen ähnlich.
3.2.4. Die Antragsgegnerin trägt weiters vor, dass die „Veranstaltung von Seminaren und Kongressen“ der angegriffenen Marke nicht ähnlich mit „sportliche und kulturelle Veranstaltungen, Unterhaltung“ sei. Der durchschnittlich aufmerksame Konsument erwarte beispielsweise ein Sportfest, die Abhaltung eines Skirennens, eines Marathonlaufs oder andere sportliche Wettbewerbe.
Die Antragsgegnerin übersieht, dass die Widerspruchsmarken neben dieser Dienstleistung auch für die Dienstleistung von kulturellen Veranstaltungen und Unterhaltung eingetragen ist. Sowohl sportliche als auch kulturelle Veranstaltungen können auch in Form von Seminaren und Kongressen abgehalten werden. Ein Seminar ist eine Lern- und Lehrveranstaltung, die dazu dient, Wissen in kleinen Gruppen interaktiv zu erwerben oder zu vertiefen. Der Begriff „Kongress“ (von lateinisch congressus = „Zusammenkunft“) steht unter anderem für Tagung oder Zusammenkunft von Personen, die in einem speziellen Themenbereich arbeiten. In diesem Zusammenhang ist auch den Ausführungen des PA beizupflichten, dass die „Ausbildung und Fortbildung von Dritten auf dem Gebiet der Schönheitspflege und Kosmetika“ auch auf Seminaren und Kongressen erfolgen kann. Es liegt auch in diesem Fall eine Verbindung zwischen den Dienstleistungen der Widerspruchsmarken und der sie ergänzenden Dienstleistung der angegriffenen Marke vor, sodass die betreffenden Dienstleistungen ähnlich sind.
3.2.5. Die Antragsgegnerin bringt weiters vor, „sportliche und kulturelle Veranstaltungen, Unterhaltung“ (Widerspruchsmarke) sei nicht ähnlich mit „Erteilung von Unterricht in körperlicher Bewegung, nämlich Erstellung von Bewegungsprogrammen“ (angegriffene Marke). Die Dienstleistungen der Antragsgegnerin fänden ausschließlich in Fitnesscentern, Sportstudios statt, wobei ein persönlich ausgearbeitetes Bewegungsprogramm erstellt werde. Wie die Antragsgegnerin richtig ausführt, sind unter sportlichen Veranstaltungen neben Wettbewerben auch Sportfeste zu verstehen. Das Erteilen von Sportunterricht durch das Erstellen von Bewegungsprogrammen ist ähnlich der Durchführung von Sportveranstaltungen. Sportliche Veranstaltungen wie beispielsweise Sportfeste werden durchaus auch von Veranstaltern abgehalten, die Sportunterricht erteilen oder individualisierte Bewegungsprogramme anbieten.
Auch hier ist angesichts der engen Verbindung zwischen den Dienstleistungen der Widerspruchsmarken und den sie ergänzenden Dienstleistungen der angegriffenen Marke davon auszugehen, dass die betreffenden Dienstleistungen ähnlich sind; die Verkehrskreise könnten diese Dienstleistungen als zusammengehörend betrachten, weil sie der Meinung sein können, sie würden vom selben Unternehmen erbracht.
3.2.6. Die Antragsgegnerin stützt sich weiters darauf, dass die Dienstleistung der angegriffen Marke „Verpflegung und Beherbergung von Gästen; Betrieb von Restaurants in Hotels; Betrieb von Wellnesshotels“ von der Antragstellerin nicht angeboten werde.
Da der Schutz gegen Verwechslungsgefahr auch Waren/Dienstleistungen umfasst, die den benutzten Waren/Dienstleistungen nur ähnlich sind, bewirkt die Nichtbenutzung der Waren/Dienstleistungen nicht zwingend, dass diese nicht doch in den Schutzbereich der Marke fallen können ( Ingerl/Rohnke , MarkenG 3 § 26 Rz 112). Die Verpflegung und Beherbergung von Gästen ist ergänzend zu der Dienstleistung der Widerspruchsmarke „Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten“ zu sehen, werden doch in vielen Verpflegungs- und Beherbergungsbetrieben für die Gäste sowohl Unterhaltungsprogramme als auch ein Sport- oder Kulturprogramm angeboten, somit am selben Ort und vom selben Anbieter ( Schumacher in Kucsko/Schumacher , marken.schutz 2 § 10 MSchG Rz 133).
3.2.7. Letztlich führt die Antragsgegnerin ohne nähere Darlegung noch aus, dass Schönheitspflege keinesfalls mit therapeutischer Behandlung gleichzusetzen sei. Die Antragsgegnerin übersieht, dass für die Widerspruchsmarken in der Klasse 44 die Dienstleistungen „Betrieb eines Massagestudios“ und „Gesundheitspflege“ eingetragen sind. Fest steht, dass die Antragstellerin in den NIVEA-Häusern therapeutische Behandlungen, die die Gesundheit betreffen (Hot-Stone Massagen, Ayurvedische Stempelmassagen und Lymphdrainagen) anbietet.
3.3. Zunächst ist bei Wort-Bild-Marken von dem allgemein anerkannten Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr in der Regel dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform die prägende Bedeutung zumisst.
Ausgehend davon stehen sich die Wörter NIVEA und VIVEA gegenüber.
Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Zeichen im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Zeichen hervorrufen. Dabei ist als Basis für die Gesamtbetrachtung zunächst jeder bildliche, klangliche und begriffliche Bestandteil einzeln zu analysieren. Nach österreichischer stRsp ist Verwechslungsgefahr idR aber schon dann zu bejahen, wenn die Ähnlichkeit nur nach einem der drei Kriterien gegeben ist ( Schumacher in Kucsko/Schumacher , marken.schutz 2 § 10 MSchG Rz 138ff).
Der Grad der klanglichen Ähnlichkeit ist dann von geringerer Bedeutung, wenn es sich um Waren handelt, die auf eine Weise vermarktet werden, dass die maßgebenden Verkehrskreise die sie kennzeichnende Marke beim Erwerb gewöhnlich (auch) optisch wahrnehmen ( Guggenbichler/Mayer; Schumacher aaO Rz 147; den klanglichen Aspekt betonend OLG Wien, 133 R 46/18i, Vitamin Well/Vitawell ). Gerade davon kann aber bei den betreffenden Dienstleistungen nicht ausgegangen werden.
Die angegriffene Marke unterscheidet sich von den Widerspruchsmarken nur im Anfangsbuchstaben. Die restlichen vier Buchstaben („ivea“) sind ident. Die Umstellung der Konsonanten am Beginn der Marke von „N“ der Widerspruchsmarken in „V“ der angegriffenen Marke wirkt sich im Klang angesichts der identen Vokalfolge „IVEA“ bei identer Buchstabenzahl und identem Sprech- und Betonungsrhythmus kaum differenzierend aus (vgl auch BPatG 30 W (pat) 550/11, Nivea/Vinea) .
Auch in bildlicher (visueller) Hinsicht sind die zu vergleichenden Marken ähnlich, weil die am Anfang stehenden Konsonanten „N“ und „V“ einander in ihrem Erscheinungsbild stark ähneln und die restlichen Buchstaben ident sind.
Auch wenn die Antragsgegenerin im Rekurs argumentiert, dass „VIVEA“ überwiegend ein Phantasiewort sei und nur Ankläge an „vivere“ oder „vivus“ aufweise, „NIVEA“ hingegen in der lateinischen Sprache „weiß“ bedeute und sich daraus der Hinweis auf die besonders weiße Farbe der „Nivea Creme“ ergebe, ist auszuführen, dass dieser Umstand einerseits für die hier zu beurteilenden Dienstleistungen nicht maßgeblich ist und andererseits davon auszugehen ist, dass der Durchschnittskunde dem Wort „Nivea“ keinen erkennbaren Sinngehalt beimessen wird, weil es sich dabei um keinen aus der lateinischen Sprache in den allgemeinen Sprachgebrauch übernommenen Begriff handelt.
Ausgehend von der Marken- und Produktähnlichkeit zwischen der angegriffenen Marke und den Widerspruchsmarken ist Verwechslungsgefahr gegeben, weil beim Publikum die Vorstellung hervorgerufen werden kann, dass die betreffenden Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen.
4. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880 [Ermessensspielraum]; RIS-Justiz RS0066779 [T24]), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.
5. Ein Kostenersatz findet im Widerspruchsverfahren nach § 29b Abs 7 MSchG und § 139 Z 7 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG nicht statt.