133R52/19y – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Terlitza und den fachkundigen Laienrichter Patentanwalt DI Dr. Poth in der Patentrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei ***** , vertreten durch die Gassauer-Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die Gegnerin der gefährdeten und beklagte Partei ***** , vertreten durch die Schwarz Schönherr Rechtsanwälte KG in Wien, wegen (im Provisorialverfahren) Unterlassung (Interesse EUR 36.000) über die Rekurse der klagenden und der beklagten Partei jeweils gegen die einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien vom 27.3.2019, 62 Cg 43/18p 8 in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs der beklagten Partei wegen Nichtigkeit wird verworfen.
Im Übrigen wird beiden Rekursen nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.660,84 (darin EUR 610,14 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen; die Kosten ihres Rekurses hat sie endgültig selbst zu tragen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses endgültig selbst zu tragen. Die Kosten ihrer Rekursbeantwortung hat die klagende Partei vorläufig selbst zu tragen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt jeweils EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist jeweils nicht zulässig.
Begründung
Text
NN, der Geschäftsführer der Klägerin, und OO sind Inhaber des österreichischen Patents AT 517.845 B1 „Zierhalterungsvorrichtung“, Anmeldenummer A 50436/2016, Anmeldetag 12.5.2016, veröffentlicht am 15.5.2017 (in der Folge kurz: Streitpatent); dieses Patent besteht aufrecht.
Die Klägerin ist als „Alleinlizenznehmerin“ der Patentinhaber zur Nutzung des Streitpatents und zu Patentverletzungsklagen berechtigt.
Anspruch 1 des Streitpatents sieht folgende Merkmale vor :
(M1) Zierhalterungsvorrichtung für Fensterbretter umfassend zumindest zwei Stützen,
(M2) wobei jede Stütze ein im Wesentlichen L förmiges erstes Stützelement mit einem senkrechten Schenkel und einem an der Oberseite eines Fensterbretts anordenbaren waagrechten Schenkel,
(M3) und ein gegenüber dem ersten Stützelement in Richtung des senkrechten Schenkels des ersten Stützelements verschiebbares zweites Stützelement mit einem am unteren freien Endabschnitt angeordneten Klemmvorsprung umfasst,
(M4) und wobei die ersten und zweiten Stützelemente in ihrer relativen Lage zueinander durch eine Fixiereinrichtung fixierbar sind,
(M5) wobei die Fixiereinrichtung einen Betätigungsabschnitt aufweist, welcher oberhalb des waagrechten Schenkels des ersten Stützelements und damit im montierten Zustand oberhalb der Fensterbrettebene liegt,
dadurch gekennzeichnet,
(M6) dass am ersten Stützelement jeweils Befestigungsnuten und/oder -vorsprünge zur Aufnahme von zwischen jeweils zwei Stützen anordenbaren Querverbindungselementen vorgesehen sind,
und
(M7a) dass an der Unterseite des waagrechten Schenkels des ersten Stützelements [ein] Ausgleichselement[e] zur Anpassung an den Neigungswinkel und/oder den Querschnitt des jeweiligen Fensterbretts vorgesehen [ist],
oder
(M7b) dass am unteren freien Endabschnitt des zweiten Stützelements [ein] Ausgleichselement[e] zur Anpassung an den Neigungswinkel und/oder den Querschnitt des jeweiligen Fensterbretts vorgesehen [ist],
oder
(M7c) dass an der Unterseite des waagrechten Schenkels des ersten Stützelements und am unteren freien Endabschnitt des zweiten Stützelements jeweils Ausgleichselemente zur Anpassung an den Neigungswinkel und/oder den Querschnitt des jeweiligen Fensterbretts vorgesehen sind.
Die von der Beklagten vertriebene Zierhalterungsvorrichtung „ *****® “ weist alle Merkmale M1 bis M6 sowie jedes der Merkmale M7a, M7b und M7c auf (./L) und insbesondere
– das erste, keilförmige „Ausgleichselement“ an der Unterseite des ersten Stützelements (Merkmal M7a) sowie das
– zweite, L förmige „Ausgleichselement“ mit unterschiedlichen L Schenkellängen („Wendewinkel“), das am unteren Ende des zweiten Stützelements in einer Aufnahme oberhalb des unteren Klemmvorsprungs des zweiten Stützelements verrastbar ist (Merkmal M7b).
Die Zierhalterungsvorrichtung „*****®“ fällt somit unter den Anspruch 1 des Streitpatents in jeder seiner Varianten a), b), c); sie weist ferner auch die Merkmale der Ansprüche 2, 4, 5, 6, 7 und 9 des Streitpatents auf.
Die Klägerin begehrte zur Sicherung ihres mit ihrer Klage geltend gemachten, inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs die Erlassung der einstweiligen Verfügung. Die von der Beklagten in Österreich unter dem Markennamen „*****®“ vertriebenen Zierhalterungsvorrichtungen für Fensterbretter würden die Ansprüche 1, 2, 4, 5, 6, 7 und 9 des Klagepatents verletzen. Der Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Beklagten PP sei ein ehemaliger Geschäftspartner des Geschäftsführers der Klägerin. PPs Aufgabe sei es dabei gewesen, NN organisatorisch dabei zu helfen, die entwickelte Zierhalterungsvorrichtung in Richtung Marktreife zu bringen; einen erfinderischen Beitrag habe PP nicht geleistet.
Die Beklagte wandte gegen die Anträge der Klägerin das Fehlen der Urheberschaft der Patentinhaber NN und OO und damit die fehlende Klageberechtigung der Klägerin und Lizenznehmerin der Patentinhaber nach § 4 Abs 1 PatG sowie die widerrechtliche Entnahme nach § 5 Abs 1 PatG ein. Alleiniger Erfinder sei PP. Ferner hätten die Patentinhaber den wesentlichen Inhalt der Anmeldung den Skizzen PPs ohne seine Einwilligung entnommen. Zum behaupteten Patenteingriff brachte die Beklagte vor, die Zierhalterungsvorrichtung „*****®“ greife nicht in Anspruch 3 des Streitpatents ein.
Mit dem angefochtenen Beschluss, erließ das Erstgericht die beantragte einstweilige Verfügung im wesentlichen Kern antragsgemäß, wobei es ihren Vollzug an den Nachweis des Erlags einer Sicherheitsleistung von EUR 10.000 knüpfte und die Wirksamkeit der einstweiligen Verfügung bis zur rechtskräftigen Entscheidung der auf Unterlassung gerichteten Klage, längstens aber bis zum 12.5.2036 festlegte.
Es nahm dazu den aus den BS 6 bis 8 ersichtlichen Sachverhalt als bescheinigt an, auf den verwiesen wird. Als wesentlich hob es daraus im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung hervor (vgl BS 11), es sei bescheinigt worden, dass die Patentinhaber NN und OO alleinige Erfinder der in den Ansprüchen 1 Variante a), 5, 6, 7 und 9 definierten Erfindungen seien, und dass PP (zumindest) Miterfinder der in den Ansprüchen 1 Varianten b) und c), 2 und 4 definierten Erfindungen sei. In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht diesen auch bereits eingangs dieser Rekursentscheidung auszugsweise wiedergegebenen Sachverhalt dahin, dass der Vorhalt der Beklagten einer widerrechtlichen Entnahme von Erfindungen PPs an diesem Ergebnis nichts ändere. Die Behauptung der Klägerin, die Erfindungsanteile PPs seien in eine mit NN geschlossene GesbR eingebracht worden und in dieser nach dem Ausscheiden PPs verblieben, sei nicht bescheinigt worden. Der Antrag der Klägerin auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei damit im Umfang der eingeklagten Ansprüche 1 Variante a), 5, 6, 7 und 9 berechtigt. Hinsichtlich der Ansprüche 1 Variante b) und c), 2 und 4 dringe sie gegenüber der Beklagten, die sich auf die Rechtsnachfolge an den Erfindungsteilen von PP berufe, nicht durch.
Gegen den abweisenden Teil der einstweiligen Verfügung richtet sich der Rekurs der Klägerin aus den Rekursgründen der Mangelhaftigkeit, der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragt die gänzliche Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung, hilfsweise die Aufhebung des abweisenden Teils des angefochtenen Beschlusses.
Gegen den stattgebenden Teil der einstweiligen Verfügung richtet sich der Rekurs der Beklagten aus den Rekursgründen der Nichtigkeit und der Mangelhaftigkeit. Sie beantragt primär die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses als nichtig, hilfsweise aber die Abweisung des gesamten Verfügungsbegehrens sowie ebenfalls in eventu die Aufhebung und Zurückverweisung.
Beide Parteien beantragen jeweils, dem gegnerischen Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Beide Rekurse sind nicht berechtigt.
1. Angesichts der Dichte der Argumente der Schriftsätze im Rechtsmittelverfahren ist ihre gemeinsame Behandlung angezeigt.
2. Zur Nichtigkeit:
2.1. Als gemäß § 477 Abs 1 Z 4 iVm § 514 Abs 2 ZPO, § 78 Abs 1 EO nichtig rügt die Beklagte, dass sich das Erstgericht statt nach § 56 Abs 1 erster Satz zweiter Alternative EO dazu entschieden habe, zu einer „Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung“ zu laden. In dieser Tagsatzung sei ihr das rechtliche Gehör gleich zweifach „komplett“ verweigert worden, weil das Erstgericht ihrem Vertreter weder die Erstattung ergänzenden Vorbringens noch eine Intervention durch Fragen oder durch Äußerungen gestattet habe.
2.2. Dieses Vorbringen steht mit dem Akteninhalt nicht im Einklang:
Mit Beschluss und Verfügung vom 16.10.2018 ordnete das Erstgericht eine „Bescheinigungs-TS gem § 56 EO“ am 6.12.2018 an (ON 5).
In der Tagsatzung selbst erneuerte das Erstgericht den Begriff der „Bescheinigungstagsatzung“ und es ließ davon ausgehend weder ergänzendes Vorbringen noch Intervention zu (ON 6, PS 1 f).
2.3. Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO schützt den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör, stellt aber nicht schlechthin alle Verletzungen des rechtlichen Gehörs unter Nichtigkeitssanktion. Er schützt den Anspruch auf rechtliches Gehör nur in der besonderen Erscheinungsform der gesetzwidrigen Verhinderung der Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln ( Fasching 1 IV 123; A. Kodek in Rechberger/Klicka , ZPO 5 § 477 Rz 20 ff). Entscheidend ist vor allem, ob einer gerichtlichen Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrundegelegt werden, zu denen sich die Partei nicht äußern konnte (RIS-Justiz RS0005915; RS0074920; RS0006048; RS0117067; RS0126204).
2.4. Im Regelfall sind nunmehr auch im Provisorialverfahren die Garantien des Art 6 EMRK voll anwendbar (vgl 2 Ob 140/10t = RIS-Justiz RS0074799 [T11] = RS0028350 [T8]; zustimmend 6 Ob 181/18p, Ross und Reiter ).
Eine mündliche Verhandlung ist auch nach der Entscheidung des EGMR 17056/06 (Große Kammer), Micallef gegen Malta, nicht unter allen Umständen zwingend geboten, um den Verfahrensgarantien des Art 6 EMRK im Provisorialverfahren Genüge zu tun (RIS-Justiz RS0074920 [T10]; 4 Ob 106/18v, Ohne Gefahrenbescheinigung ).
Eine Intervention des Parteienvertreters bei Vernehmungen im Rahmen des Bescheinigungsverfahrens ist im Gesetz nicht vorgesehen (RIS-Justiz RS0040289; 8 Ob 561/82 EFSlg 42.024; OLG Innsbruck 3 R 171/92 MR 1993, 23). Die Beiziehung des Gegners zur Vernehmung führt jedoch – im Gegensatz zur vorherigen Anhörung – nicht notwendig zu einer Verzögerung. Wenn die Zeit für eine Anhörung des Gegners ausreicht, hat die Gehörgewährung in Form einer mündlichen Verhandlung zu erfolgen, wenn und sofern Personalbeweise aufgenommen werden ( G. Kodek in Burgstaller/Deixler-Hübner , § 390 EO Rz 40).
Selbst die Unterlassung der Anhörung des Gegners der gefährdeten Partei trotz fehlender Vereitlungsgefahr oder sonstiger besonderer Dringlichkeit bewirkt jedoch keine Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0005878), weil ein Verstoß gegen Art 6 EMRK für sich allein noch nicht unter § 477 Abs 1 Z 4 ZPO zu subsumieren ist ( E. Kodek in Angst/Oberhammer, EO³ § 389 EO Rz 20/1 mwH und mwN).
2.5. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Erstgericht die Parteien der Aufnahme der Personalbeweise zutreffend ohne Interventionsmöglichkeit beigezogen; der von der Beklagten angezogene Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor (§ 55 Abs 1 iVm § 402 Abs 4 EO; LGZ Wien MietSlg 67.691).
3. Zur Mangelhaftigkeit:
3.1. Die Beklagte erneuert ihr Vorbringen zur Nichtigkeit auch unter dem Gesichtspunkt eines relevanten primären Verfahrensmangels.
3.2. Die Ansicht G. Kodeks (in Burgstaller/Deixler-Hübner , § 390 EO Rz 20), wonach sich aus den im Widerspruchsverfahren vorgesehenen (umfassenderen) Parteirechten eine Determinierung des dem Gericht eingeräumten Ermessens dahingehend ergebe, dass die Gehörgewährung (wenn eine solche erfolgt) dann im Wege einer mündlichen Verhandlung zu erfolgen habe, wenn das Gericht Personalbeweise aufnimmt, also „Auskunftspersonen“ vernimmt, überzeugt das Rekursgericht wie eben dargelegt ausgehend von der bereits zitierten Entscheidung des EGMR Micallef gegen Malta (17056/06; s auch LGZ Wien MietSlg 67.691).
Dass dem Gegner der gefährdeten Partei die Ausübung eines Fragerechts eröffnet werden müsse, weil dieses Teil des rechtlichen Gehörs iwS sei, überzeugt das Rekursgericht hingegen nicht, würde diese Vorgehensweise doch dem jedem Sicherungsverfahren aufgrund seines Provisorialcharakters immanenten Eilcharakter in systemwidriger Weise widersprechen. Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs genügt die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Ergebnissen des Bescheinigungsverfahrens; eine tiefergreifende und das Verfahren im Regelfall verzögernde Interventionsmöglichkeit muss nicht gewährt werden.
3.3. Nach dem Akteninhalt hatte die Beklagte in erster Instanz Gelegenheit, zu den Aussagen der vernommenen Personen Stellung zu nehmen und erforderlichenfalls ihre neuerliche Einvernahme zu bestimmten Fragen zu beantragen (zu diesem Prüfungsmaßstab s 4 Ob 85/12x). Ein Anspruch darauf, Ergebnisse einer mündlichen Verhandlung nachträglich schriftlich zu kommentieren, besteht hingegen nicht (16 Ok 8/10 = RIS-Justiz RS0005915 [T22]; Rassi in Burgstaller/Deixler-Hübner , § 59 EO Rz 3 mwN). Auf Letzteres zielt der Rekurs der Beklagten auch gar nicht ab.
3.4. Ausgehend von den genannten Grundsätzen hatte die Beklagte jedoch aufgrund der bereits zuvor eingeräumten schriftlichen Äußerungsmöglichkeit zum Provisorialantrag keine durch das Verfahrensrecht abgesichertes Recht darauf, weiteres (hier nämlich mündliches) Vorbringen zur Frage eines möglichen Eingriffs in das Streitpatent und/oder zur Frage der Erfindereigenschaft des Geschäftsführers der Klägerin zu erstatten, stand doch diese Frage mit dem Thema der Befragungen im Rahmen der Bescheinigungstagsatzung vom 6.12.2018 in keinem Zusammenhang.
3.5. Soweit sich die Beklagte weiters unter dem Gesichtspunkt eines weiteren Verfahrensmangels gegen die Verwertung von Beilage ./U wendet, zeigt sie nicht plausibel auf, worin die Relevanz diese behaupteten Verfahrensmangels liegen könnte, hätte sie doch außerdem nach der zuvor ergangenen Aufforderung durch das Erstgericht an die Klägerin im Rahmen der Bescheinigungstagsatzung vom 6.12.2018 (ON 6, PS 26) ab der „aufgetragenen Urkundenvorlage“ der Klägerin vom 10.12.2018 und bis zur Beschlussfassung des Erstgerichts am 27.3.2019 (Anm: über mehrere Monate) ohne Weiteres von sich aus eine schriftliche Äußerung und/oder eine Urkundenerklärung zu Beilage ./U abgeben können. Dass das Erstgericht eine solche nicht expressis verbis freigestellt hat, begründet ebenfalls keine Mangelhaftigkeit.
3.6. Die Klägerin meint, ein relevanter Verfahrensmangel resultiere aus der nicht ausreichenden Begründung des Erstgerichts, warum es in der Frage der Urheberschaft bestimmter technischer Merkmale den Skizzen (insbesondere) 78 bis 89 nicht folgen wollte, sondern sich nur auf die Skizzen 90 bis 93 stützte.
3.7. Fehlt für eine wesentliche Feststellung eine nachvollziehbare Begründung und/oder hat sich das Gericht in seiner Beweiswürdigung hiezu mit großen Teilen der Beweisergebnisse nicht auseinandergesetzt, ist einer solchen Feststellung der Boden entzogen und ein Verfahrensmangel verwirklicht (vgl 4 Ob 91/10a; 4 Ob 41/06t). Dies gilt etwa auch, wenn nicht erkennbar ist, welche Erwägungen im Einzelnen angestellt wurden, um aus den Beweismitteln zu den Feststellungen zu gelangen, was insbesondere bei Verwendung bloßer Leerformeln oder beim bloßen Referieren der Beweisergebnisse ohne Wertung der Fall ist (OLG Wien, 7 Rs 113/13h mwN [unveröff]).
3.8 . Bei der Beweiswürdigung nach freier Überzeugung liegt keine Mangelhaftigkeit vor, wenn bei der Begründung ein Umstand nicht erwähnt wurde, der noch erwähnt hätte werden können oder eine Erwägung nicht angestellt wurde, die noch angestellt hätte werden können, oder wenn die Begründung sich mit der einer Partei günstigen Zeugenaussage nicht auseinandersetzt oder auf bestimmte Zeugenaussagen nicht Bezug nimmt (RIS-Justiz RS0040180).
3.9. Die Klägerin macht geltend, dass die Skizzen bis 89 Iterationen der Erfindung zeigen sollen. Dies trifft jedoch nicht zu, weil nicht bescheinigt wurde, dass zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Skizzen bereits ein Erfindungsbesitz gegeben war; daher wurden diese Skizzen zu Recht nicht berücksichtigt.
Unter diesen Umständen liegt auch der von der Klägerin behauptete Verfahrensmangel nicht vor, weil sich das Erstgericht im Rahmen seiner beweiswürdigenden Erwägungen plausibel und damit für das Rekursgericht gut nachvollziehbar auf das wesentliche Argument stützt, die Merkmale M 1 bis M 6 und M 7a seien bereits in den Skizzen 90 bis 93 in Beilage ./9 enthalten (mit eingehender Auseinandersetzung gerade auch mit der damit verbundenen Zeitachse s BS 9 ff).
4. Zur Feststellungsrüge:
4.1. Die Klägerin wendet sich gegen die vom Erstgericht als bescheinigt angenommene Tatsache der (Mit-)Erfindereigenschaft PPs.
4.2. Auf die inhaltliche Argumentation dazu ist nicht einzugehen:
Im Sicherungsverfahren ist die Überprüfung der Beweiswürdigung durch das Rekursgericht insoweit ausgeschlossen, als das Erstgericht den Sachverhalt aufgrund vor ihm abgelegter Zeugen- oder Parteienaussagen als bescheinigt angenommen hat (RIS-Justiz RS0012391). Dies gilt auch dann, wenn für eine bestimmte Feststellung darüber hinaus auch mittelbar aufgenommene Bescheinigungen verwertet wurden (RIS-Justiz RS0012391). Ob es sich beim als bescheinigt angenommenen Sachverhalt um positive oder um negative Feststellungen handelt, ist demgegenüber irrelevant (vgl 6 Ob 650/93 [verst Senat] unter Verweis auf EvBl 1963/153; 1 Ob 39/14p). Maßgeblich ist die Erwägung, dass eine aufgrund persönlichen Eindrucks gewonnene Beweiswürdigung des Erstgerichts nur durch eine auf demselben Weg gewonnene Beweiswürdigung überprüft und als unrichtig erkannt werden kann (zB 9 ObA 121/15g).
5. Zur Rechtsrüge:
5.1. Für Patente bestehen seit Inkrafttreten von § 22a PatG eigene Auslegungsregeln (RIS-Justiz RS0118278; RS0030757 [T10]): Der Schutzbereich des Patents und der bekanntgemachten Anmeldung werden durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen. Dabei ist das Protokoll über die Auslegung des Art 69 EPÜ, BGBl 1979/350, in der jeweils geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden.
5.2. Soweit die Beklagte im Sinn der bereits oben unter Punkten 3.4. und 3.5. behandelten Ausführungen sekundäre Feststellungsmangel unter dem Schlagwort „Ergänzung des Bescheinigungsverfahrens“ ortet, ist sie auf das auch im Rekursverfahren geltende Neuerungsverbot zu verweisen (s statt aller nur RIS-Justiz RS0002445; vgl auch RS0042091; RS0108589). Solches neues Vorbringen wäre sogar selbst dann ausgeschlossen, wenn der Beschwerdeführer in erster Instanz nicht gehört wurde (RS0002445 [T4]), was hier ohnehin nicht der Fall ist.
5.3. Die Klägerin vertritt die Auffassung, das Erstgericht habe die Ansprüche 2 und 4 unrichtig rechtlich beurteilt.
Sie übersieht dabei die folgende, eindeutig der Tatsachenebene zuzurechnende Feststellung im angefochtenen Beschluss (s BS 10, vorletzter Absatz):
«Die im Zuge der im Mai 2015 beginnenden Zusammenarbeit zwischen NN und PP von Letzterem angefertigten Maßstabsskizzen (Anlage F in ./N) enthalten das Ausgleichselement am zweiten Stützelement nach Anspruch 1 Varianten b) und c), die Haltenoppen und Ausnehmungen des Anspruchs 2 und der [gemeint: den] L förmige[n] Wendewinkel oberhalb des Klemmvorsprungs gemäß Anspruch 4.»
5.4. Für das Rekursgericht ausreichend nachvollziehbare Ausführungen, weshalb die Haltenoppen eine bloße handwerkliche Maßnahme sein sollen, macht die Klägerin jedoch nicht geltend. Daher genügt ein Verweis auf die zutreffende rechtliche Beurteilung durch das Erstgericht (§§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 3 ZPO).
5.5. Anspruch 4 betrifft auch aus Sicht des Rekursgerichts eine Weiterbildung des Merkmals M7b. Aus welchem Grund dem Erstgericht hier eine unzutreffende rechtliche Beurteilung unterlaufen sein soll, erschließt sich somit aus dem Rekursvortrag nicht (erneut §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 3 ZPO).
5.6. Das Erstgericht hat die Behauptung der Klägerin, die Erfindungsanteile PPs seien in eine mit ihrem Geschäftsführer NN gegründete GesbR eingebracht worden und nach dem Ausscheiden PPs in dieser Gesellschaft verblieben, als nicht bescheinigt angenommen (BS 11, Mitte).
Die weitere Argumentation der Klägerin, die Einbringung von Erfindungsanteilen bilde keine Tatfrage, sondern sie sei eine Rechtsfolge einer Tatsache, bleibt deshalb ohne Relevanz, weil jedenfalls der Abschluss eines Gesellschaftsvertrags als solcher der Tatsachenebene zuzurechnen wäre; bereits diese der Kritik der Klägerin vorgelagerte Frage hat das Erstgericht jedoch – vom Rekursgericht im Sicherungsverfahren unüberprüfbar (s oben Punkt 4.) – als nicht bescheinigt angesehen.
Die im Rekurs der Klägerin aufgezeigte allfällige Folgefrage bleibt daher abstrakt und ist daher nicht zu behandeln. Ob mit anderen Worten ein Teil einer Erfindung allenfalls in eine GesbR eingebracht wurde, deren Gründung nicht bescheinigt ist, ist damit als bloß theoretisch nicht weiter zu untersuchen. Mit der Behauptung des Gegenteils entfernt sich die Klägerin zudem in unzulässiger Weise von dem vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt.
Damit liegt auch der in diesem Kontext (wenngleich disloziert) geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vor.
6.1. Die für die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt sich damit schon aus der Bestreitung der Beklagten und ihrer Behauptung, das Streitpatent nicht verletzt zu haben, denn bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr ist stets maßgebend, ob dem Verhalten des Rechtsverletzers in seiner Gesamtheit gewichtige Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (RIS-Justiz RS0012087). Wiederholungsgefahr ist dabei bereits anzunehmen, wenn der mit einem Unterlassungsanspruch Konfrontierte sein Unrecht nicht einsieht (RIS-Justiz RS0010497).
6.2. Ob ein Unterlassungsbegehren berechtigt ist, hängt nicht davon ab, ob sich der Beklagte (im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz; hier am Tag der Erlassung der einstweiligen Verfügung) rechtswidrig verhält, sondern es kommt allein darauf an, ob die Gefahr künftiger Rechtsverletzungen (Erstbegehungsgefahr, Wiederholungsgefahr) besteht (RIS-Justiz RS0114254 [insbesondere T3]). Beharren auf dem bisherigen Standpunkt indiziert dabei Wiederholungsgefahr, sodass selbst die bloße Beseitigung des Eingriffs unter Aufrechterhaltung eines Rechtsstandpunkts, der den Eingriff rechtfertigen soll, in der Regel keinen Wegfall der Wiederholungsgefahr bewirkt (RIS-Justiz RS0012055 [T1, T2] uva).
6.3. Unter diesen Umständen ist die Begehungsgefahr nicht zweifelhaft, beharrt doch die Beklagte selbst im Rekursverfahren noch darauf, das Streitpatent nicht verletzt zu haben.
7. Auch bei ausreichender Bescheinigung des Anspruchs kann das Gericht dann die Bewilligung der einstweiligen Verfügung von einer entsprechenden Sicherheitsleistung abhängig machen, wenn nach den Umständen des Falls Bedenken wegen tiefgreifender Eingriffe der einstweiligen Verfügung in die Interessen des Gegners der gefährdeten Partei bestehen (§ 390 Abs 2 EO). Durch die Sicherheitsleistung wird in solchen Fällen die nötige Interessenabwägung zwischen der Gefährdung des Antragstellers und dem Eingriff in die Rechtssphäre des Antragsgegners vorgenommen und ein entsprechender Ausgleich bewirkt (RIS-Justiz RS0005711; RS0005595). In diese Interessenabwägung ist die Möglichkeit einzubeziehen, dass sich der zu sichernde Unterlassungsanspruch letztlich als unberechtigt erweisen könnte; dies insbesondere dann, wenn ein Einwand des Gegners der gefährdeten Partei mit den Mitteln des Sicherungsverfahrens nicht oder jedenfalls nicht sicher erledigt werden kann (4 Ob 145/14y mwN).
Die Parteien haben sich zu dieser Frage im Rekursverfahren nicht geäußert. Das Rekursgericht erachtet die auferlegte Sicherheitsleistung für angemessen, auch wenn es verpflichtet ist, die Frage einer Sicherheitsleistung auch noch im Rekursverfahren amtswegig zu prüfen (4 Ob 145/14y; RIS-Justiz RS0005496).
8. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 393 Abs 1 EO sowie auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 43 Abs 2 erster Fall, 50 Abs 1 ZPO.
Die Teilabweisung des Sicherungsbegehrens durch das Erstgericht bleibt ausgehend vom kostenersatzrechtlichen Vereinfachungsprinzip kostenneutral, sodass jeweils vom Gesamtstreitwert des Unterlassungsbegehrens als Bemessungsgrundlage auszugehen ist. Der Verfahrensaufwand, der zur Prüfung der abgewiesenen Teile des Sicherungsantrags erforderlich war, konnte genauso für die Beurteilung der stattgebenden Entscheidung verwertet werden (zur vergleichbaren Betrachtung bei Abweisung des Haupt- und Stattgebung eines Eventualbegehrens s mwN Obermaier , Kostenhandbuch³ Rz 1.146). Diese Sichtweise entspricht offenbar auch jener der Parteien, haben sie doch für alle im Rechtsmittelverfahren erstatteten Schriftsätze jeweils Kosten auf Basis des gesamten Sicherungsinteresses verzeichnet.
Ob die verzeichneten Kosten für die Beiziehung eines Patentanwalts zuzusprechen sind, hängt dabei davon ab, ob seine Fachkenntnisse für die jeweils verzeichnete Leistung erforderlich und damit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren (17 Ob 19/08f).
Der verzeichnete Patentanwaltszuschlag steht hier zu, weil die Klägerin im Rahmen der Rechtsrüge auch die unrichtige Auslegung des Streitpatents geltend macht, für deren Erwiderung durch die Beklagte (auch) technische Expertise erforderlich war.
9. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands stützt sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO.
10. Der ordentliche Revisionsrekurs war nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen der in § 528 Abs 1 ZPO genannten Qualität und von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung nicht zu lösen waren.
Das Rekursgericht hält sich innerhalb der zitierten Rechtsprechung. Ob eine Sicherungsmaßnahme zumutbar und erforderlich ist, hängt zudem immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0078150). Ob und in welcher Höhe eine nach § 390 Abs 2 EO auferlegte Sicherheitsleistung gerechtfertigt ist, ist ebenfalls einzelfallbezogen (RIS-Justiz RS0113134).