JudikaturOLG Wien

134Dg3/18b – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2019

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Dienstgericht für Richter in der Dienstgerichtssache gegen die Richter des Bezirksgerichtes Bezirksgerichtes M***** 1. Mag. C***** U***** und 2. Mag. S***** H***** nach der am 28. Mai 2019 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Habl, im Beisein der Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Pisan und des Senatspräsidenten Dr. Krenn als weitere Richter und der Richteramtsanwärterin Mag. Fent als Schriftführerin, in Gegenwart des Oberstaatsanwaltes Dr. Salzmann als Vertreter des Disziplinaranwaltes und in Anwesenheit der Betroffenen Mag. C***** U***** und 2. Mag. S***** H***** und ihres Verteidigers Dr. M***** R*****, Rechtsanwalt in Wien, durchgeführten mündlicher Verhandlung das

E r k e n n t n i s

gefasst:

Spruch

Die Richterin des Bezirksgerichtes M*****, Mag. S***** H***** ist gemäß § 82 Abs 1 Z 2 RStDG auf eine Planstelle derselben Gehaltsgruppe eines anderen Bezirksgerichtes zu versetzen.

Die Versetzung des Richters des Bezirksgerichtes M*****, Mag. C***** U***** gemäß § 82 Abs 1 Z 2 RStDG auf eine andere Planstelle derselben Gehaltsgruppe wird abgelehnt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht nachstehender Sachverhalt fest:

Mag. C***** U*****, geboren am 26. März 19**, wurde mit 1. September 2001 auf die Planstelle eines Richters für den Sprengel des Oberlandesgerichtes Wien ernannt und ab 2. April 2002 dem Bezirksgericht M***** zugeteilt. Mit 1. April 2004 wurde er auf eine Planstelle eines Richters des Bezirksgerichtes M***** in der Gehaltsgruppe R 1a ernannt. Er ist nach der derzeitigen Geschäftsverteilung für Streitsachen und Rechtshilfe in Streitsachen (Allgemein und Verkehr), Erwachsenenschutzsachen und Rechtshilfe in Erwachsenenschutzsachen zuständig. Mag. U***** ist der Stellvertreter des Vorstehers des Bezirksgerichtes M*****.

Mag. S***** H*****, geboren am 4. September 19**, wurde mit 1. Feber 2013 auf die Planstelle einer Richterin für den Sprengel des Oberlandesgerichtes Wien ernannt und ab 1. Juli 2013 dem Bezirksgericht M***** dienstzugeteilt. Mit 1. Jänner 2017 wurde sie zur Richterin des Bezirksgerichtes M***** in der Gehaltsgruppe R 1a ernannt. Sie ist derzeit für Insolvenzsachen und Rechtshilfe in Insolvenzsachen, Klagen nach § 111 IO, Streitsachen und Rechtshilfe in Streitsachen (Allgemein und Verkehr), Bestandsachen, Mietschutz- und Landpachtsachen, Anträge und Klagen nach § 43 u. § 52 WEG 2002, § 22 WGG, § 25 HeizKG, dem KlGG und § 3 SportstättenschutzG sowie Rechtshilfe in Bestandsachen zuständig. Sie erklärte für den Fall des Ausspruches der Versetzung durch das Dienstgericht, dass dies sie betreffen möge.

Mit Schreiben vom 7.5.2018 meldeten die beim Bezirksgericht M***** ernannten Richter Mag. C***** U***** und Mag. S***** H***** ihre gemeinsame Wohnsitznahme und gaben zugleich bekannt, dass sie miteinander eine Lebensgemeinschaft im Sinne des § 75c Abs 2 RStDG begründet hätten. Diese ist nach wie vor aufrecht.

Zu diesen Feststellungen über den Werdegang der Betroffenen und ihre Verwendung beim Bezirksgericht M***** gelangte das Gericht durch die einvernehmlich zusammengefasste Darstellung der jeweiligen Auszüge aus den Personalakten samt Standesausweisen der Richterin Mag. H***** und des Richters Mag. U*****, die Einsicht in die Geschäftsverteilung des Bezirksgerichtes M***** sowie die Angaben der Betroffenen in der Verhandlung.

Gemäß §§ 34 Abs 1 iVm 75c Abs 2 RStDG dürfen aufgrund der nachträglichen Begründung einer Lebensgemeinschaft Mag. C***** U***** und Mag. S***** H***** nicht mehr (gemeinsam) beim selben Bezirksgericht verwendet werden.

Der Gesetzgeber hat durch die Richterdienstgesetz-Novelle 1980 vom 29.Feber 1980, BGBl 90/1980, § 34 RDG (nunmehr RStDG) dahin geändert, dass das Hindernis des Angehörigenverhältnisses auf die Verwendung bei demselben Bezirksgericht eingeschränkt wird. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage 235 der Beilagen XV. GP wurde darauf hingewiesen, dass sich durch die in den letzten Jahren erfolgte Ernennung zahlreicher weiblicher Richter Probleme bei der Besetzung von Planstellen bei Gerichtshöfen aus dem Hindernis des § 34 RDG ergeben. Auch bei großen Gerichtshöfen könnten Ehegatten nicht verwendet werden, selbst wenn auf Grund der Geschäftsverteilung sich keine fachlichen Berührungspunkte ergeben. Deswegen solle das Ernennungs- und Verwendungshindernis nur mehr bei den Bezirksgerichten aufrecht erhalten werden. Bei Gerichtshöfen genügen die allgemeinen Befangenheitsbestimmungen der Prozessgesetze.

Rechtliche Beurteilung

Daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass der Gesetzgeber der Meinung war, dass bei Bezirksgerichten - die in der Regel weniger systemisierte Planstellen haben als Gerichtshöfe - die allgemeinen Befangenheitsregeln der Prozessgesetze nicht ausreichen, um auch nur den Anschein einer Befangenheit zwischen Ehepartnern (zufolge § 75c Abs 2 RStDG nunmehr auch Lebensgefährten) auszuschließen. Der Grund der Beschränkung des Verwendungshindernisses durch den Gesetzgeber auf Bezirksgerichte hängt jedoch nicht nur mit der in der Regel geringeren Anzahl der systemisierten Planstellen bei Bezirksgerichten zusammen, sondern vor allem mit der sonst nicht gegebenen Möglichkeit der Karriere von Ehepartnern (Lebensgefährten), weil bei der geringeren Anzahl von Landesgerichten gegenüber der größeren Anzahl von Bezirksgerichten eine Beschränkung der Ernennung von Partnern zum selben Landesgerichten gegeben gewesen wäre. Infolge der größeren Anzahl von Bezirksgerichten in einem Landesgerichtsprengel ist es Ehepartnern (Lebensgefährten) möglich, in räumlicher Nähe ihren Dienst zu verrichten, weswegen die Bestimmung des § 34 RStDG durch die Einschränkung auf Bezirksgerichte nicht als unsachlich angesehen werden kann. Auch ergibt sich noch ein sachliches Argument für die unterschiedliche Anzahl der systemisierten Planstellen bei Bezirksgerichten, die sich aus der Anzahl der Einwohner im Sprengel ergibt.

Mag. C***** U***** und Mag. S***** H***** sind beim Bezirksgericht M***** ernannt, bei dem 10 Planstellen systemisiert sind. Bei einer solch geringen Anzahl an Planstellen ist jedoch die Gefahr der Dienstverhinderung auf Grund von Befangenheitsgründen gegeben. Wie sich aus der Geschäftsverteilung des Bezirksgerichtes M***** ergibt, ist Mag. U***** der Stellvertreter des Gerichtsvorstehers. Es ist daher naheliegend, dass er in Vertretung des Gerichtsvorstehers auch über einen Antrag einer Partei oder der Selbstanzeige von Mag. H***** über deren Befangenheit entscheiden müsste. Es kann daher aufgrund der Funktion von Mag. U***** in der Justizverwaltung sehr wohl zu Überschneidungen kommen. Entgegen der Ansicht der betroffenen Richter, ist eine Verletzung des vom Gesetzgeber genannten Interesses an der Vermeidung von (fachlichen) Berührungspunkten im gegenständlichen Fall sehr wohl zu befürchten.

Die besondere Bedeutung der Ausübung der Gerichtsbarkeit durch die ernannten Organe (§ 86 Abs 1 B-VG) und das Hindernis des Angehörigenverhältnis kommt aber nicht nur in der Bestimmung des § 34 RStDG, sondern auch in § 35 RStDG (Hinweis auf ein Angehörigenverhältnis im Bewerbungsgesuch), die nicht auf die Ernennung zu einem Bezirksgericht beschränkt ist, zum Ausdruck.

Da § 34 RStDG ein legitimes Ziel verfolgt, nämlich die Sicherstellung der Funktionstüchtigkeit und Unabhängigkeit der Rechtsprechung, weil es bei den Bezirksgerichten – im Regelfall – mit weniger systemisierten Planstellen leichter zu Problemen für die unabhängige Gerichtsbarkeit zur Aufrechterhaltung der Rechtspflege kommen kann (etwa gemeinsamer Urlaub oder gemeinsamer Besuch von Fortbildungsveranstaltungen in Kombination mit sich daraus ergebenden notwendigen Vertretungsregelungen), ist ein Verstoß gegen Art 8 EMRK bzw Art 7 Abs 1 B-VG, § 2 StGG nicht zu sehen. Eine relevante unsachliche, dem Gleichheitsgrundsatz widersprechende Differenzierung des Normgebers ist nicht zu erkennen.

Gemäß § 82 Abs 1 Z 2 RStDG ist ein Richter auf Grund eines Erkenntnisses des Dienstgerichtes auf eine Planstelle derselben Gehaltsgruppe zu versetzen, wenn der Richter ein Angehörigenverhältnis im Sinne des § 34 RStDG zu einem anderen, bei demselben Bezirksgericht ernannten Richter begründet hat.

Mag. S***** H***** erklärte ihre Bereitschaft zur Versetzung für den Fall, dass das Dienstgericht dies ausspricht. Es war daher Mag. S***** H***** gemäß § 82 Abs 1 Z 2 RStDG auf eine Planstelle der gleichen Gehaltsgruppe eines anderen Bezirksgerichtes zu versetzen. Daraus folgt, dass die Versetzung von Mag. C***** U***** abzulehnen war.

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