132Bs142/19f – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch den Senatspräsidenten Dr. Dostal als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Vetter und den fachkundigen Laienrichter Oberstleutnant Posch-Fahrenleitner als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache der V***** S***** wegen Nichtgewährung des Strafvollzugs in Form des elektronisch überwachten Hausarrests (eüH) über deren Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts ***** als Vollzugsgericht vom *****, GZ *****, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Vollzugsgericht einer Beschwerde der V***** S***** gegen den Bescheid des Leiters der Justizanstalt ***** vom *****, GZ *****, mit welchem ihr Antrag auf Vollzug des mit Urteil des Landesgerichts ***** vom *****, AZ *****, verhängten unbedingten Teils einer Freiheitsstrafe von ***** in Form des eüH abgewiesen worden war, nicht Folge.
In seiner Begründung verneinte das Vollzugsgericht das Vorliegen einer geeigneten Beschäftigung. V***** S***** habe mit Schreiben vom ***** mitgeteilt, dass es ihr trotz großer Mühe nicht gelungen sei, eine Arbeit im sozialen Dienst zu finden, wobei auch ihr Alter von 66 Jahren eine Rolle spiele. Die alleinige Verrichtung von häuslichen Tätigkeiten reiche nicht hin, um einen hinreichend strukturierten Tagesablauf, der einer geeigneten Beschäftigung entspreche, zu erreichen, zumal die Erledigung des eigenen Haushalts der Versorgung der Beschwerdeführerin selbst und nicht der Resozialisierung diene.
Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde der V***** S***** (ON 7), mit der sowohl der angesprochene Bescheid des Anstaltsleiters als auch der Beschluss des Landesgerichts ***** als Vollzugsgericht wegen Rechtswidrigkeit angefochten wird.
Diese sei zulässig, weil hinsichtlich der in der Beschwerde relevierten Rechtsfrage, ob durch die Bestimmungen der §§ 156b Abs 1 und 2, 156c Abs 1 Z 2 lit b StVG insofern eine Gleichheitswidrigkeit begründet werde, als Antragsteller die auf Grund ihres Alters oder gesundheitlich nicht mehr in der Lage seien, eine entsprechende Beschäftigung zu erlangen oder auch gemeinnützige Leistungen zu verrichten, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle. So würden etwa ältere Menschen, bei denen eine Ausbildung auf Grund des Alters nicht mehr zielführend sei, benachteiligt. Insbesondere unterlägen auch im geschlossenen Vollzug Personen nur nach Maßgabe ihrer Arbeitsfähigkeit entsprechend ihres Gesundheitszustandes und Alters (§§ 44 und 47 StVG) einer Arbeitspflicht. Sohin sei im Bereich des eüH eine Beschränkung auf häusliche Tätigkeiten angemessen und ausreichend, um einen strukturierten Tagesablauf sicherzustellen. Daher werde beantragt, das Oberlandesgericht Wien möge als höchste Vollzugsinstanz, allenfalls nach Einbringen eines Antrags auf Prüfung der §§ 156b Abs 1 und 2, 156c Abs 1 Z 2 lit b StVG beim Verfassungsgerichtshof, vorliegender Beschwerde stattgeben, die angefochtenen Vorentscheidungen aufheben sowie den Antrag der V***** S***** auf Bewilligung des eüH unter der Bedingung stattgeben, dass ihr Hausarrest auferlegt und untersagt wird, ihre Unterkunft außer zur Beschaffung des notwendigen Lebensbedarfs, für unaufschiebbare Behördenwege oder zur Inanspruchnahme notwendiger medizinischer Hilfe zu verlassen.
Weiters sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen iSd Gesetzes geübt hat. Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.
Hat das Vollzugsgericht nach § 16 Abs 3 StVG Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt, darf das Oberlandesgericht Wien den Beschluss weder aufheben, noch – um das Ermessen anders auszuüben – abändern (Pieber in WK 2 StVG § 16a Rz 5, Drexler/Weger , StVG 4 § 16a Rz 2).
Die in § 156b und c StVG genannten Voraussetzungen für die Gewährung eines eüH müssen nach den Intentionen des Gesetzgebers kumulativ vorliegen. Das Fehlen auch nur einer dieser Voraussetzungen führt zur Ablehnung des Antrags.
Das Vollzugsgericht stützt die Versagung – wie bereits angesprochen – auf das Fehlen einer geeigneten Beschäftigung (§ 156c Abs 1 Z 2 lit b StVG).
Die Anforderung einer geeigneten Beschäftigung nachzugehen trifft alle Antragsteller, unabhängig von Alter und Geschlecht, auch bei bereits bestehender Pensionierung ( Drexler/Weger, StVG 4 § 156c Rz 10 mwN; Walser , Recht und Wirklichkeit des elektronisch überwachten Hausarrests S 138 auch unter Berufung auf BMJ-GD43401/0013 II 3/2016, 9).
Der Gesetzgeber versteht unter geeigneter Beschäftigung insbesondere Erwerbstätigkeit, Ausbildung, Kinderbetreuung, gemeinnützige Arbeit oder eine vergleichbare der Wiedereingliederung dienende Tätigkeit (§ 156b Abs 1 erster Satz). Somit kommt nicht jede Tätigkeit als geeignete Beschäftigung iSd § 156b Abs 1 StVG in Betracht. Vergleichbarkeit besteht etwa zu einer Ausbildung oder einer Pflegetätigkeit innerhalb der Familie. Hausarbeit ist hingegen, wenn diese nicht im Zusammenhang mit einer Pflegetätigkeit oder einer Kinderbetreuung steht, keine Beschäftigung im Sinne einer der Wiedereingliederung dienenden Tätigkeit ( Walser aaO S 166, Drexler/Weger , StVG 4 § 156c Rz 10 mwN).
Sohin sind die Erwägungen des Vollzugsgerichts, dass das Vorliegen einer geeigneten Beschäftigung verneinte, nicht zu beanstanden.
Darüber hinaus ist nach ständiger Rechtsprechung eine Partei nicht befugt zu begehren, dass der Oberste Gerichtshof beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit stellt (RIS-Justiz RS0058452); auch für das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat, das fallkonkret als Höchstgericht fungiert (vgl Pieber in WK² StVG § 16a Rz 1), besteht keine Rechtsgrundlage, die gegenständlich zur Vorlage an den Verfassungsgerichtshof verpflichten würde (132 Bs 190/18p, 191/18k).
Zur amtswegigen Vorlage an den Verfassungsgerichtshof sieht sich der Vollzugssenat nicht veranlasst, da der Vollzug im eüH gerade nicht für alle Straftäter vorgesehen ist, sondern - abgesehen etwa von Einschränkungen durch die Höhe der Haftstrafe - als Kern des Rechtsinstituts des eüH eine der Resozialisierung dienende Beschäftigung, eingebettet in einen strukturierten Tagesablauf, vorgesehen ist. Gerade durch die Anerkennung von Kinderbetreuung und gemeinnütziger Arbeit (und auch vergleichbaren, der Wiedereingliederung dienenden Tätigkeiten), sohin Tätigkeiten, die grundsätzlich auch bei fortgeschrittenem Lebensalter erbracht werden können, als geeignete Beschäftigung ist eine – von der Antragstellerin monierte - unsachliche Differenzierung nicht indiziert. Vielmehr wäre es bedenklich, dass ein im eüH Angehaltener selbstverständlich (auch) für seine Haushaltsführung verantwortlich ist, diese Angelegenheiten aber bei einer anderen im eüH angehaltenen Person die Beschäftigung ersetzen sollten. Dass es wegen Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes der Antragstellerin nicht gelungen sei, eine Arbeit im sozialen Dienst zu erlangen, wurde vom Vollzugsgericht im Übrigen nicht festgestellt und von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet (vgl ON 5 S 2, ON 2 S 109).
Anzumerken bleibt, dass die begehrte aufschiebende Wirkung bis zur Rechtskraft der Entscheidung bereits zuerkannt wurde (vgl Schreiben des Anstaltsleiters der Justizanstalt ***** vom ***** [ON 2 S 103]).