132Bs130/19s – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch den Senatspräsidenten Dr. Dostal als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Vetter und den fachkundigen Laienrichter Oberstleutnant Posch-Fahrenleitner als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A***** M***** über die Amtsbeschwerde des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz gemäß § 121 Abs 5 StVG gegen den Beschluss des Landesgerichts ***** als Vollzugsgericht vom *****, GZ *****, nach § 121b Abs 2 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Vollzugsgericht eine Beschwerde des A***** M***** gegen die Entscheidung der Anstaltsleiterin vom *****, mit der sein Ansuchen vom ***** um Übernahme in den Strafvollzug in gelockerter Form gemäß § 126 Abs 2 Z 4 StVG abgewiesen worden war, als unzulässig zurück.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerde am ***** beim Vollzugsgericht eingelangt sei. Der Beschwerdeführer wolle vor seiner Entlassung wieder vermehrt den Kontakt zu seinen Kindern suchen. Mit Note des Landesgerichts ***** als Vollzugsgericht vom ***** sei er aufgefordert worden, binnen einer Woche mitzuteilen, ob die Beschwerde aufrecht bleibe, widrigenfalls das Beschwerdegericht davon ausgehe, dass diese auf Grund der bedingten Entlassung am ***** zurückgezogen werde. Der Beschwerdeführer habe sich dazu nicht geäußert.
Nachdem dem Beschwerdeführer auf Grund seiner zwischenzeitigen Haftentlassung die Rechtsstellung eines Strafgefangenen nicht mehr zukomme, fehle es ihm an einer Beschwer. Gegenständlich würde sich nämlich die Rechtsstellung des Beschwerdeführers durch eine Abänderung/Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nicht ändern, zumal ein Strafvollzug in gelockerter Form infolge der Entlassung nicht mehr in Frage komme.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die fristgerecht erhobene Amtsbeschwerde des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, mit der moniert wird, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Wien als Vollzugssenat eine der Bestimmung des § 33 VwGG nachempfundene Regelung den Verfahrensbestimmungen der §§ 120 und 121 StVG nicht zu entnehmen sei. Im vorliegenden Fall hätte sich das Landesgericht ***** daher mit der ablehnenden Entscheidung der Leiterin der Justizanstalt ***** sowie der dagegen erhobenen Beschwerde inhaltlich auseinanderzusetzen gehabt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 leg cit wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat. Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.
Soweit sich das Vollzugsgericht auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 2007, 2006/06/0018, stützt, ist anzumerken dass diese zur Rechtslage vor Einführung der §§ 121a und 121b StVG erging. Darüber hinaus judizierte der Verwaltungsgerichtshof zur Bestimmung des § 33 Abs 1 VwGG (idF BGBl I Nr 4/2008), dass zu prüfen sei, ob eine zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit deshalb eingetreten ist, weil durch Änderung maßgeblicher Umstände das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an einer Entscheidung über den angefochtenen Bescheid weggefallen sei. So wurde mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. September 2009, 2009/06/0102, etwa eine Beschwerde als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt, weil selbst eine Aufhebung des Bescheids den – inzwischen entlassenen – Beschwerdeführer nicht hätte günstiger stellen können.
Eine der Bestimmung des § 33 VwGG nachempfundene Regelung ist den Verfahrensbestimmungen der §§ 120 und 121 StVG – insbesondere den mit BGBl I 2013/190 eingeführten Bestimmungen über das gerichtliche Beschwerdeverfahren (§§ 121a und b StVG) – nicht zu entnehmen. Es ist dem Gesetzgeber sohin nicht zu unterstellen, die durch BGBl I 2013/190 eingefügten Bestimmungen über das gerichtliche Beschwerdeverfahren im Sinne des § 33 VwGG gestaltet haben zu wollen.
Vielmehr kommt nach § 121b StVG sowohl die teilweise oder gänzliche Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung oder Anordnung, die Anordnung der Abstellung des zu Recht beanstandeten (sofern noch aufrechten) Verhaltens, gegebenenfalls auch die bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit einer (nicht mehr aktuellen) Anordnung oder eines (beendeten) Verhaltens als Entscheidungsinhalt in Betracht ( Pieber in WK² StVG § 121b Rz 7; Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat 33 Bs 252/16z, 132 Bs 348/17x, 132 Bs 204/17w; aA Drexler/Weger, StVG 4 § 121b Rz 11). Die Einstellung eines Verfahrens mangels Rechtsschutzbedürfnisses infolge Klaglosstellung, die nach § 33 Abs 1 VwGG offen steht, ist hingegen im StVG nicht vorgesehen. Eine – auch nach § 17 Abs 2 StVG im Übrigen nicht vorgesehene – analoge Anwendung dieser Bestimmung hätte weiters zur Folge, dass Entscheidungen in der Sache nach §§ 16 Abs 3 und 16a StVG durch die Verzögerung der Bearbeitung der Beschwerde unterbunden werden könnte (vgl Pieber aaO Rz 8). Ein solches Regelungsziel kann dem Gesetzgeber aber auch mit Blick auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage nicht unterstellt werden, wurde doch vom Vorhaben, dass nur Strafgefangene zur Beschwerde legitimiert sein sollten, abgegangen und eine offenere Formulierung gewählt, derzufolge zur Beschwerde legitimiert sein solle, wer behauptet, in einem subjektiven Recht nach dem StVG verletzt worden zu sein (EBRV 2357 der Blg XXIV. GP S 25).
Durch das Abgehen von der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Wien als Vollzugsgericht erweist sich der bekämpfte Beschluss als rechtswidrig.
Im fortgesetzten Verfahren wird das Vollzugsgericht zu entscheiden haben, ob die angestrebte Anhaltung im gelockerten Vollzug zu Recht verwehrt wurde. Allenfalls wäre zu erkennen, dass die Entscheidung des Anstaltsleiters rechtswidrig war.