133R42/19b – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Schutzgewährung der Marke IR 1331235 über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 24.10.2018, IR 387/2017 11, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
Die Antragstellerin stützt sich auf ihre zu UM 311449 für Waren der Klasse 12 „Fahrräder und deren Teile“ registrierte Wortmarke
KONA
mit Priorität vom 29.7.1996.
Sie erhob Widerspruch gegen die Schutzzulassung der am 6.12.2016 beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum im Genf für die Antragsgegnerin zu Nr 1331235 registrierte Wortmarke
KONA
eingetragen für Waren der Klasse 12 „Automobiles“ .
Die Antragstellerin führte dazu aus, dass Verwechslungsgefahr bestehe. Die Warenähnlichkeit ergebe sich schon aus dem Umstand, dass Fahrräder und Automobile der Fortbewegung dienten. Es sei üblich, dass Automobilhersteller auch Fahrräder anbieten, wie dies auch auf die Antragsgegnerin zutreffe.
Die Antragsgegnerin wendete ein, dass keine Verwechslungsgefahr bestehe, weil keine Warenähnlichkeit vorliege. Die Antragstellerin habe auch nicht nachweisen können, dass sie ihre Marke in der Europäischen Union kennzeichenmäßig benutzt habe.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab die Rechtsabteilung des Patentamts dem Widerspruch statt, bestätigte die Schutzverweigerung und führte dazu im Wesentlichen aus, dass die Antragstellerin die kennzeichenmäßige Benutzung der Widerspruchsmarke nachweisen habe können. Da Automobile und Fahrräder der Fortbewegung dienten, sei von einer, wenn auch geringen Warenähnlichkeit auszugehen. Angesichts der Zeichenidentität sei Verwechslungsgefahr anzunehmen, auch weil KFZ-Hersteller häufig Fahrräder anbieten würden.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts dahin abzuändern, dass die Marke der Antragsgegnerin zum Schutz zugelassen werde.
Die Antragstellerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG ist eine Marke auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten noch zu Recht bestehenden Marke zu löschen, wenn die Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und wenn dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.
2. Demgegenüber ist eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen, wenn das Publikum nicht glauben könnte, dass die betreffenden Waren aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (EuGH C-39/97, Canon; 4 Ob 167/05w, T COM ). Die Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen, wobei die Kennzeichnungskraft der verletzten Marke, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und die Ähnlichkeit der von den Zeichen erfassten Waren zu berücksichtigen sind (RIS-Justiz RS0116970; RS0121482; RS0121500).
3. Dabei kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (RIS-Justiz RS0116294; RS0121482). Folge dieser Wechselwirkung ist es auch, dass bei Zeichenidentität (die hier vorliegt) ein wesentlich deutlicherer Abstand der Waren selbst erforderlich ist, um Verwechslungsgefahr auszuschließen (RIS-Justiz RS0116294).
4. Die Rechtsabteilung hat bereits darauf hingewiesen, dass die Wortmarken der Antragstellerin und der Antragsgegnerin identisch sind. Dennoch ist eine Verwechslungsgefahr auch bei Zeichenidentität nur anzunehmen, wenn auch eine Ähnlichkeit der Waren besteht (EuGH C 398/07 P, Waterford, Rz 34; C 196/06 P, COMP USA, Rz 24; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10 MSchG Rz 77). Keine Verwechslungsgefahr besteht dementsprechend, wenn das Publikum trotz der Übereinstimmung der Zeichen aufgrund der Branchenverschiedenheit nicht annimmt, dass die Waren aus demselben oder aus verbundenen Unternehmen stammen (RIS-Justiz RS0079429).
5. Die Antragsgegnerin führt in ihrem Rekurs aus, dass Automobile und Fahrräder nicht ähnlich seien, weil Fahrräder weniger zur Fortbewegung, sondern vor allem zur sportlichen Betätigung verwendet würden. Darüber hinaus würden Fahrräder mit Muskelkraft betrieben und seien deshalb für lange Strecken nicht geeignet. Zudem würden Fahrräder und Automobile unterschiedliche Kundenkreise ansprechen und stünden zueinander nicht in Konkurrenz, auch weil die Anschaffung eines Automobils wesentlich teurer sei.
6. Ob Waren ähnlich sind, ist anhand objektiver, auf die Waren selbst bezogener Kriterien zu beurteilen, wobei als relevante Faktoren insbesondere die Gemeinsamkeit der Waren nach Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren in Betracht kommen (EuGH C 39/97, Canon; RIS-Justiz RS0116295).
Zu betonen ist auch, dass diese Prüfung der Ähnlichkeit auf dem Boden des Markenrechts nicht nach dem allgemeinen Sprachgebrauch erfolgt, weil ohnedies niemand behaupten würde, „Fahrräder“ und „Automobile“ seien einander so ähnlich, als dass man sie verwechseln könnte. Dies schlägt sich auch im Text des Gesetzes nieder, wonach die Gefahr beurteilt werden muss, dass das Publikum einer Verwechslung unterliegt, die sich nicht auf die Verwechslung der Gegenstände als solche beschränkt. Zu prüfen ist die Frage, ob das Publikum in Bezug auf die Herkunftsfunktion des Zeichens getäuscht werden kann, was – umgelegt auf den vorliegenden Fall – fragen lässt, ob im Publikum die irrige Annahme erweckt werden kann, dass sowohl ein Fahrrad als auch ein Automobil – jeweils das selbe Zeichen tragend – aus dem selben Unternehmen stammen.
7. Fahrräder und Automobile haben gemeinsam, dass es sich um Fahrzeuge handelt, die der Fortbewegung dienen. Da Elektroautos und E Bikes mittlerweile alltäglich sind, kann die Art des Antriebs eine weitere Gemeinsamkeit bilden. Richtig ist, dass Fahrräder auch zur körperlichen Ertüchtigung verwendet werden und für lange Strecken weniger geeignet sind, was aber nichts daran ändert, dass Fahrräder im Nahverkehr zunehmend als kostengünstige, umweltschonende und gesunde Alternative zum Automobil wahrgenommen werden. Entgegen der Ansicht der Rechtsabteilung besteht deshalb ein unmittelbares Konkurrenzverhältnis zwischen Fahrrädern und Automobilen.
8. Die Antragsgegnerin macht geltend, dass nach der Verkehrsauffassung nicht zu erwarten sei, dass ein Fahrradhersteller unter seiner Marke Automobile anbietet. Eine Verwechslungsgefahr ist aber nicht nur gegeben, wenn die angesprochenen Verkehrskreise annehmen würden, dass die unter der Marke „Kona“ angebotenen Automobile von einem Fahrradhersteller stammen, sondern umgekehrt auch, wenn der unrichtige Eindruck entsteht, dass die unter diesem Zeichen angebotenen Fahrräder von einem Automobilhersteller stammen.
Da im Widerspruchsverfahren in erster Linie auf den Registerstand abzustellen ist, ist abstrakt zu prüfen (RIS-Justiz RS0066553 [T13], stRsp des OLG Wien). Daher sind die einander gegenüberstehenden Waren und Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich. Da dem Verbraucher die Chronologie der Eintragung nicht bekannt ist, trägt die Überlegung, welche der beiden Marken die ältere und welche die jüngere ist, nichts zur Beurteilung der Warenähnlichkeit bei.
9. Richtig ist aber, dass die Ähnlichkeit der Waren auch davon abhängt, ob solche Produkte üblicherweise im selben Unternehmen hergestellt werden (Prüfrichtlinien des EUIPO Teil C Abschnitt 2 Kapitel 2 Punkt 3.2.8). Aus den als Beilage ./MM von der Antragstellerin vorgelegten Internetausdrucken ergibt sich, dass viele große Fahrzeughersteller unter ihrer Marke auch Fahrräder anbieten. Selbst wenn es sich um bloße Merchandising-Artikel handeln sollte, wie dies von der Antragsgegnerin behauptet wird, ist es damit nicht ungewöhnlich, dass ein Unternehmen sowohl Fahrräder als auch Automobile anbietet.
Notorisch ist zum Beispiel, dass in Österreich – zumindest der älteren Generation – die „Puch-Fahrräder“ ein Begriff sind und dass „Puch“ auch stark mit Kraftfahrzeugen assoziiert wird.
10. Fahrräder und Automobile sind daher auf der Basis all dieser Überlegungen nicht so verschieden, als dass das Publikum jedenfalls oder zumindest überwiegend ausschließen würde, dass sie – mit dem identen Zeichen markiert – aus dem selben Unternehmen stammen, weshalb die Verwechslungsgefahr zu bejahen ist.
Die von der Antragsgegnerin ins Treffen geführten Entscheidungen anderer Gerichte und Behörden sind nicht präjudiziell.
11. Auf das Thema der Benutzung der Widerspruchsmarke durch die Antragstellerin kommt die Antragsgegnerin im Rekurs nicht mehr zurück.
12. Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 30.000 übersteigt.
13. Die Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im konkreten Fall stellt keine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG dar (RIS-Justiz RS0112739). Der ordentliche Revisionsrekurs war daher nicht zuzulassen.