JudikaturOLG Wien

133R23/19h – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
16. April 2019

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Schober und die Patentanwältin DI Bachinger-Fuchs in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. ***** , und 2. ***** , beide vertreten durch die Polak Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei ***** , vertreten durch die Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung (Sicherungsinteresse EUR 43.200) über den Rekurs der beklagten Partei gegen die einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien vom 21.1.2019, 62 Cg 49/18w 10, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien haben die Kosten des Rekursverfahrens vorläufig selbst zu tragen. Die beklagte Partei hat die Rekurskosten endgültig selbst zu tragen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

1. Die einstweilige Verfügung, gegen die der Rekurs gerichtet war, war bis 2.4.2019 befristet, weil die Wirkung des ergänzenden Schutzzertifikats („ESZ“), auf das sich die Klägerin zur Begründung ihres Unterlassungsanspruchs berief, mit diesem Datum endet.

Da die angefochtene Entscheidung zum Zeitpunkt der Entscheidung des Rekursgerichts nicht mehr gilt, fehlt der Beklagten die Beschwer, und der Rekurs war zurückzuweisen; dies entspricht der ständigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0002495).

Die Klägerinnen sahen sich in ihrem Recht verletzt, das sie aus dem ESZ SZ 26/2005 ableiten, das sich auf das Grundpatent AT E 180249 stützt. Dieses ESZ gilt für das Erzeugnis E***** oder ein pharmazeutisch annehmbares Salz davon kombiniert mit S***** .

Strittig ist nur die Frage, ob dieses ESZ rechtsbeständig ist, ob es also zu Recht erteilt wurde.

Die Beklagte steht dazu auf dem Standpunkt, für das Erzeugnis sei bereits früher ein ESZ erteilt worden (nämlich SZ 20/2003 ; Art 3 lit c ESZ-VO) und die Genehmigung für das Erzeugnis sei nicht die erste für sein Inverkehrbringen als Arzneimittel (Art 3 lit d ESZ-VO); das erwähnte ältere ESZ sei für ein Erzeugnis erteilt worden, das nur den Wirkstoff E***** enthalte, während das nun geltend gemachte ESZ ein Erzeugnis schützen solle, das den Wirkstoff E***** in Kombination mit S***** enthalte.

Rechtliche Beurteilung

Da der Rekurs zurückzuweisen war, muss diese Frage im Provisorialverfahren nicht geklärt werden.

2. Es ist allerdings eine Kostenentscheidung für das Rekursverfahren zu treffen, bei der § 50 Abs 2 ZPO (iVm § 78 EO) anzuwenden ist, weil das Rechtsschutzinteresse der Beklagten am Rechtsmittel nachträglich weggefallen ist. Für die Kostenentscheidung wäre somit zu prüfen, ob das Rechtsmittel erfolgreich gewesen wäre. Das Gesetz fordert allerdings, dass dafür kein unverhältnismäßiger Verfahrensaufwand getrieben werden soll. Daraus ist jedenfalls abzuleiten, dass die Kostenentscheidung für die meritorische Endentscheidung in Bezug auf die über das Unterlassungsbegehren hinausgehenden Begehren nicht präjudiziell ist und auch keine weiterführenden Anhaltspunkte aus ihr abzuleiten sind.

Für die Zwecke der Kostenentscheidung ist nur summarisch anzumerken, dass im Zweifel die formelle Beständigkeit des ESZ für den Standpunkt der Klägerinnen spricht, dass prima vista die Kombination der beiden genannten Wirkstoffe vom Grundpatent geschützt wird (Anspruch 17), dass die Judikatur des EuGH die Gewährung mehrerer ESZ auf Grund eines Grundpatents nicht ausschließt (C 484/12, Georgetown University/Octrooicentrum Nederland ) und dass die Entscheidungen C 443/12, Actavis/Sanofi, und C 577/13, Actavis/Boehringer, deswegen nicht unmittelbar einschlägig zu sein scheinen, weil sich diese beiden Entscheidungen auf Sachverhalte beziehen, bei denen die Wirkstoffkombination des begehrten jeweils zweiten ESZ nicht vom jeweiligen Grundpatent umfasst war.

3. Nach §§ 402 Abs 4 und 78 Abs 1 EO gelten für das Rekursverfahren die Vorschriften der ZPO sinngemäß. Mangels einer planwidrigen Gesetzeslücke ist § 519 Abs 1 Z 1 ZPO im Rekursverfahren nicht anzuwenden, weshalb auch bei der Zurückweisung des Rekurses eine Bewertung und ein Zulässigkeitsausspruch vorzunehmen sind (5 Ob 159/99i; Kodek in Angst/Oberhammer 3 § 402 EO Rz 11). Die Bewertung des Entscheidungsgegenstands orientiert sich an der Bewertung durch die Klägerinnen.

Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO war der ordentliche Revisionsrekurs nicht zuzulassen.

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