133R8/19b – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortbildmarke BIO ENERGIE KÄRNTEN über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 16.10.2018, AM 1647/2017 6, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
Die Antragstellerin beantragte am 18.12.2017 die Eintragung der Wortbildmarke
für zuletzt folgende Dienstleistungen:
37 Reparatur von elektronischen Apparaten und von Biomasseheizkraftwerksanlagen; Errichtung von Kraftwerks-, Heizkraftwerks- und Biomasseheizkraftwerksanlagen;
40 Erzeugung von Energie, insbesondere von Elektrizität und Wärme; Biomasseverarbeitung (Umwandlung);
42 Technische Planung und Projektierung von Anlagen auf dem Gebiet der erneuerbaren Energie; technische Beratung in Bezug auf die Energiean- und -verwendung; Technologieberatung in Bezug auf die alternative Energieerzeugung; Entwicklung von Energie- und Stromverwaltungsanlagen und -apparaten.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies die Rechtsabteilung des Patentamts den Antrag auf Eintragung der Wortbildmarke ab, weil sich den beteiligten Verkehrskreisen der Sinngehalt des angemeldeten Zeichens sofort erschließe. Sie würden in dem Zeichen nur einen allgemeinen Hinweis darauf sehen, dass sich die so bezeichneten Dienstleistungen mit dem Themenbereich Bioenergie beschäftigten.
Die graphische Darstellung des Zeichens könne die Unterscheidungskraft nicht begründen. Sie habe wenig Eigenart im Verhältnis zum Gesamteindruck, sodass von einer einprägsamen Komponente nicht gesprochen werden könne. Das Zeichen werde von Verbrauchern nicht als Wortbildmarke sondern nur als Wortmarke wahrgenommen.
Weder das „O“ im Wort „BIO“ noch die Verwendung der grünen Hintergrundfarbe könne die Unterscheidungskraft des Zeichens begründen. Selbst wenn die Verkehrskreise in der Ausgestaltung des „O“ einen Power-Knopf erkennen sollten, sei dieses Zeichen im Bereich der Energie/Elektrizität nicht unüblich. Zudem sei die Darstellung des „O“ im Verhältnis zum Gesamteindruck des Zeichens von minimaler Natur, sodass es nicht als individualisierender Unternehmenshinweis gesehen werden könne. Die Farbe „Grün“ sei im Bereich der Umwelt, Energie und Nachhaltigkeit weit verbreitet. Dem Zeichen komme keine Unterscheidungskraft nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG zu, die Registrierung sei deshalb ausgeschlossen.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung dahingehend abzuändern, dass dem Patentamt die vollumfängliche Registrierung der Marke aufgetragen werde. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.
1.1. Ob einer Waren- oder Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen ( Koppensteiner, Markenrecht 4 82; RIS-Justiz RS0079038). Diese Eigenschaft kommt einer Marke zu, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann und so die Ursprungsidentität garantiert, sodass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; C 398/08, Vorsprung durch Technik; C 104/01, Orange, Rn 62; EuG T 471/07, Tame it, Rn 15 mwN; RIS-Justiz RS0118396; zuletzt etwa 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix; 4 Ob 49/14f, My TAXI ) .
1.2. Fehlt die Unterscheidungskraft, so kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11, OXI-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a, Shopping City mwN; RIS-Justiz RS0118396 [T7]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft die Eintragung verhindert, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (OBm 3/12, Lounge.at, unter Hinweis auf BGH I ZB 22/11, Starsat; OBm 1/13, Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vgl C 104/01, Orange, Rn 58 und 59; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).
1.3. Ob die Unterscheidungskraft vorliegt, ist anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde, nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit zu prüfen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN). Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 67 mwN der Rsp; Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 73; C 104/01, Orange, Rn 46 und 63; RIS-Justiz RS0079038 [T1]; RIS Justiz RS0114366 [T5]).
1.4. Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RIS-Justiz RS0066644).
1.5. Die Eintragung einer Marke, die aus Zeichen oder Angaben besteht, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der Dienstleistungen, auf die sich diese Marke bezieht, verwendet werden, ist nicht schon wegen einer solchen Verwendung ausgeschlossen (C 398/08 P, Vorsprung durch Technik, Rn 35 mwN). Auch aus mehreren Worten zusammengesetzte Marken sind daher nach denselben Kriterien zu prüfen wie herkömmliche Wortmarken (RIS-Justiz RS0122385 [T1]). Sie sind dann nicht schutzfähig, wenn der Satz oder Satzteil nur eine beschreibende Aussage über die Dienstleistung enthält (vgl 17 Ob 21/11d, echte Berge: als Synonym für prächtige, hohe Berge nicht unterscheidungskräftig). Anderes gilt, wenn die Wortfolge eine interpretationsbedürftige Aussage enthält (vgl Obm 1/12, Die grüne Linie mwN; 17 Ob 15/07s, we will rock you : unterscheidungskräftig für Ton- und Videoaufzeichnungen; VwGH 2009/03/0020, Doc around the clock : unterscheidungskräftig für ärztliche Dienstleistungen).
1.6. Im Falle eines zusammengesetzten Zeichens ist zu prüfen, ob die Wortverbindung ein zusätzliches Merkmal – eine grafische oder inhaltliche Änderung – aufweist, welches das Zeichen in seiner Gesamtheit geeignet erscheinen lässt, die betroffenen Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (C 104/00 P, Companyline , Rn 23). Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen in der Regel der Wortbestandteil maßgebend ist, weil sich der Geschäftsverkehr meist an diesem – sofern er unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem den Wortbestandteil im Gedächtnis behält (RIS-Justiz RS0066779).
2. Auf dieser Grundlage ist dem angemeldeten Zeichen die Unterscheidungskraft abzusprechen.
2.1. Die Schutzfähigkeit der zusammengesetzten Wortbildmarke Bio Energie (Kärnten) ist in Bezug auf ihre Wortbestandteile davon abhängig, ob die beteiligten Verkehrskreise ihren Inhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und als Hinweis auf die beanspruchten Waren verstehen (RIS-Justiz RS0109431).
2.2. Adressierte Verkehrskreise sind alle Interessenten oder Abnehmer für die beantragten Dienstleistungen, hier sind dies in erster Linie andere Unternehmer, die insbesondere an den Dienstleistungen interessiert sind (RIS-Justiz RS0079038).
2.3. Gerade Unternehmer sind im Kontext von Marken an die Verwendung von Abkürzungen gewöhnt; für sie gelten dieselben Prüfungsgrundsätze wie für sonstige Wortmarken (vgl dazu nur Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 108 ff; Koppensteiner, Markenrecht 4 84; Om 5/08, 5 HTP; OLG Wien 34 R 15/14x, TOPINOX; 34 R 101/15w, FAMILY APP ; 34 R 160/15x, E.COM ). Das Verständnis einer Wortmarke hat nicht abstrakt, sondern konkret nach den in der Markenanmeldung beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen zu erfolgen (RIS-Justiz RW0000784).
2.4. Es kann zunächst zur Frage des Bildanteils auf die zutreffende Begründung des Patentamts verwiesen werden, wonach der Grafik und der Farbe „grün“ nur geringe oder keine Kennzeichnungskraft zukommt (§ 39 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG und § 60 Abs 2 AußStrG).
Bei der Prüfung, ob einem Wort-Bild-Zeichen Unterscheidungskraft zukommt, ist nämlich darauf abzustellen, ob sich ein Wortelement der Marke von den in der Anmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen trennen lässt, ob allenfalls typografischen Merkmalen der Marke irgendeine unterscheidungskräftige Besonderheit zukommt oder ob sie sonst einen Aspekt enthalten, wie etwa eine anspruchsvolle Gestaltung oder die Art ihrer Kombination, die es den maßgeblichen Verkehrskreisen ermöglichen könnte, die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen ohne Verwechslungsgefahr von Waren und Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (C 37/03, Bio ID, Rn 70 bis 74).
Das „O“ im Wort „BIO“ zeigt das unter der Nummer 5009 in der „IEC 60417 Bildzeichen-Datenbank der graphischen Symbole für Geräte“ registrierte Standby-Symbol. In Anwendung dieser Prüfkriterien ist auch das Rekursgericht der Auffassung, dass die Grafik des „O“ nicht kennzeichnungskräftig ist, weil das Symbol für die maßgeblichen Verkehrskreise in seiner Bedeutung klar ist. Wird der Button gedrückt, schaltet sich das Gerät ein, wird er nochmals gedrückt, schaltet es sich wieder aus. Gleichzeitig soll damit symbolisiert werden, dass die Taste die Stromzufuhr nicht völlig unterbricht, sondern das Gerät in einen Standby- oder Schlaf-Modus versetzt. Die Antragstellerin gesteht im Rekurs zur Frage der optischen Gestaltung letztendlich selbst zu, dass sie mit dem als Power-Zeichen stilisierten „O“ versinnbildlichen wolle, dass sie Strom liefere. Die Kennzeichnungskraft fehlt aber, wenn der im Wort enthaltene Hinweis auf die Herstellung, die Beschaffenheit oder die Bestimmung der Ware oder Dienstleistung von den beteiligten Verkehrskreise allgemein und ohne besondere Denkarbeit erfasst werden kann (ständige Rechtsprechung: RIS-Justiz RS0066456; 4 Ob 26/93, Smash; 4 Ob 158/05x, Steirerparkett ).
2.5 . Der EuGH setzte in der Entscheidung Biomild (C 265/00) Grenzen zu weitläufigen Interpretationsmöglichkeiten in Bezug auf die sprachliche Unüblichkeit und/oder Ungewöhnlichkeit einer Wortzusammensetzung: „Eine Marke, die sich aus einer sprachlichen Neuschöpfung mit mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von denen jeder Merkmale der Waren oder Dienstleistungen beschreibt, für die die Eintragung beantragt wird, hat selbst einen die Merkmale dieser Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Charakter, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen der Neuschöpfung und der bloßen Summe ihrer Bestandteile besteht; dies setzt voraus, dass die Neuschöpfung aufgrund der Ungewöhnlichkeit der Kombination in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen einen Eindruck erweckt, der hinreichend weit von dem abweicht, der bei bloßer Zusammenfügung der ihren Bestandteilen zu entnehmenden Angaben entsteht, und somit über die Summe dieser Bestandteile hinausgeht. Es spielt keine Rolle, ob es Synonyme gibt, mit denen dieselben Merkmale der beantragten Waren oder Dienstleistungen bezeichnet werden können.“
Ausgehend davon ist bei der im Eintragungsverfahren immer anzustellenden Prognose für die Registrierbarkeit zu prüfen, ob die Marke – nun vor allem und in erster Linie ihren Schutzumfang ins Kalkül ziehend – einen relevanten Interpretationsaufwand erfordert oder ihr die Unterscheidungskraft fehlt.
2.6. Das Rekursgericht schließt sich vor dem Hintergrund dieser Erwägungen der Einschätzung des Patentamts an, dass die beteiligten Verkehrskreise durch die beantragten Zeichen primär und ohne Erfordernis des Nachdenkens oder Kombinierens an Energie- oder Stromerzerzeugung aus Biomasse denken. Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch das Verwenden des Standby-Symbols im Wort BIO. Von einer ungewöhnlichen Wortverbindung (s C 383/99, ÖBl 2002, 43, Baby Dry ) geht das Rekursgericht entgegen dem Rechtsmittelvorbringen in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungsklassen jeweils zur Gänze nicht aus. Das Zeichen ist dafür in seiner Zusammensetzung weder eigentümlich noch in der Bedeutung vage, sondern das Verständnis wird jeweils ohne längeren Denkprozess und ohne Unklarheiten gewonnen. Die insoweit aus nicht kennzeichnungskräftigen Wortbestandteilen zusammengesetzte Marke enthält auch in ihrer Gesamtheit keinen Aussagegehalt, der über die Bedeutung dieser Bestandteile hinausgeht (zu dieser Prüfung vgl etwa C 37/06 P, BioID , Rn 29 und 34). Das Mindestmaß an Individualität macht das Zeichen noch zu keiner unterscheidungskräftigen Angabe, die dem Markenschutz zugänglich wäre.
Das Patentamt hat daher den Antrag auf Registrierung zu Recht abgewiesen.
3. Ob ein Zeichen Unterscheidungskraft besitzt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, weshalb dieser Rechtsfrage keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0111880). Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG war der ordentliche Revisionsrekurs deshalb nicht zuzulassen.
Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war jedoch nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 30.000 übersteigt.