JudikaturOLG Wien

133R115/18m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 2019

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke SAG JA ZUM JAHRESAUSGLEICH über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 27.8.2018, AM 61165/2018 2, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

Der Antragsteller beantragte am 17.7.2018 die Eintragung der Wortmarke SAG JA ZUM JAHRESAUSGLEICH für folgende Dienstleistungen:

35 Beratung in Bezug auf die Erstellung von Steuererklärungen; Einreichung von Steuererklärungen für Dritte; Erstellung von Steuererklärungen; Erstellung von Steuererklärungen und diesbezügliche Beratung.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies die Rechtsabteilung des Patentamts den Antrag auf Eintragung der Wortmarke ab, weil die beteiligten Verkehrskreise das angemeldete Zeichen nur als werblich informativen Hinweis wahrnehmen würden. Zu einer bestimmten Thematik eine bejahende Position einzunehmen sei im täglichen Leben eine Banalität. Der Begriff „Jahresausgleich“ sei gängig und klar. Die Wortkombination sei bar jeglicher Besonderheit. Der beantragten Wortmarke fehle die Unterscheidungskraft und sie habe keinen Wiedererkennungswert. Das Zeichen sei nicht geeignet als individualisierender Unternehmenshinweis zu dienen und es sei nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG von der Registrierung ausgeschlossen.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Antragstellers aus den Rekursgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung der Rechtsabteilung dahingehend abzuändern, dass dem Patentamt die vollumfängliche Registrierung der Markenanmeldung aufgetragen werde. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Zur Verfahrensrüge:

1.1. Der Antragsteller macht als Verfahrensmangel geltend, dass eine Überprüfung der Entscheidung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könne, weil die Begründung mangelhaft sei. Das ÖPA verweise in der Begründung des bekämpften Beschlusses auf das Schreiben des ÖPA vom 20.7.2018. Insbesondere habe das ÖPA eine Liedpassage zur Begründung der Entscheidung herangezogen, ohne den Titel oder den Interpreten des Liedes zu nennen. Gemäß § 39 Abs 1 Z 5 AußStrG müsse sich die Begründung aus dem Beschluss selbst ergeben, zumal auch im Rechtsmittel Verweise auf andere Schriftsätze unzulässig seien.

1.2. Eine qualifiziert fehlerhafte Fassung des angefochtenen Beschlusses (konkret: § 57 Z 1 AußStrG) liegt nicht vor. Dem bekämpften Beschluss ist in der Begründung zu entnehmen, dass das ÖPA die Unterscheidungskraft des beantragten Zeichens verneinte.

§ 57 Z 1 AußStrG entspricht im Wesentlichen § 477 Abs 1 Z 9 ZPO, weshalb die in Lehre und Judikatur entwickelten Kriterien zum Vorliegen dieses Nichtigkeitstatbestands heranzuziehen sind (RIS-Justiz RS0121710 [T4]). Danach bewirkt nur das völlige Fehlen von Gründen, nicht jedoch eine mangelhafte Begründung diesen Nichtigkeitsgrund ( Kodek in Rechberger , ZPO 4 § 477 Rz 12 mwN; RIS-Justiz RS0007484 [auch zu § 57 Z 1 AußStrG]; RIS-Justiz RS0042206).

Zudem bedeutet die von der Rechtsabteilung des Patentamts (regelmäßig) gewählte Verweisungstechnik sowohl im markenrechtlichen Eintragungs- als auch im Widerspruchsverfahren nicht, dass eine Begründung fehlen würde oder eine Entscheidung unüberprüfbar wäre, sofern – wie regelmäßig und auch hier der Fall – der oder den Partei/en der Inhalt der Schreiben bekannt ist, auf die verwiesen wird (OLG Wien, 34 R 69/15i, BLUEBOARD ).

1.3. Darüber hinaus moniert der Antragsteller noch als mangelhaft, dass auch das rechtliche Gehör des Antragstellers im Verfahren verletzt worden sei, weil dem Antragsteller keine Möglichkeit eingeräumt worden sei, zu den im bekämpften Beschluss angeführten Internetseiten und Beispielen Stellung zu nehmen.

1.4. Nach § 37 Abs 3 MSchG iVm § 139 PatG sind auf das Rekursverfahren gegen Entscheidungen des Patentamts die Vorschriften des AußStrG anzuwenden. Auch im Außerstreitverfahren gilt, dass Verfahrensverstöße nur dann eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens bilden, wenn sie abstrakt geeignet sind, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen, und dass die Erheblichkeit des Mangels in diesem Sinn vom Rechtsmittelwerber darzulegen ist (RIS-Justiz RS0043027 [T13]). Der Anfechtungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist dadurch gekennzeichnet, dass er nicht absolut wirkt, sondern nur dann zur Aufhebung führt, wenn er zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausschlagen könnte (RIS-Justiz RS0120213). Der Rechtsmittelwerber hat deshalb darzulegen, welches konkrete (zusätzliche) Vorbringen er erstattet oder welche konkreten (weiteren) Beweismittel er angeboten hätte, wäre er dem Verfahren erster Instanz umfassend beigezogen worden (RIS-Justiz RS0120213 [T9]; siehe auch RIS-Justiz RS0006048 [T10, T17]; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, § 58 AußStrG Rz 20).

Der Antragssteller hat nicht dargelegt, welches zusätzliche Vorbringen er erstattet oder welche Beweismittel er angeboten hätte, wodurch er die Relevanz des Verfahrensmangels nicht dargetan hat. Die Verfahrensrüge ist daher nicht berechtigt.

Zudem sind Ergebnisse allfälliger Abfragen im Internet und dessen Heranziehung als eines mehrerer Mittel zur Bestimmung des Verkehrsverständnisses nicht zu beanstanden (jüngst 4 Ob 126/15f, BUKHARA ).

Zur Rechtsrüge:

2.1. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind solche Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Fehlt die Unterscheidungskraft, so kann das Zeichen nämlich die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (RIS-Justiz RS0118396 [T7]). Unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie geeignet ist, die Ware oder Dienstleistung, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; RIS-Justiz RS0118396). Jedenfalls unterscheidungskräftig sind frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware oder Dienstleistung, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0066644). Ob einem Zeichen Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen (RIS-Justiz RS0079038; Koppensteiner, Markenrecht 4 82).

2.2. Nach § 4 Abs 1 Z 4 und 5 MSchG sind solche Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können oder im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten zur Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung üblich sind. Nach der Rechtsprechung ist ein Zeichen dann nicht eintragbar, wenn die beteiligten Verkehrskreise den Begriffsinhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und als Hinweis auf die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung verstehen (RIS-Justiz RS0066456 und RS0109431). Enthält das Zeichen demgegenüber nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht „rein beschreibend” und daher auch ohne Verkehrsgeltung schutzfähig (RIS-Justiz RS0066456, RS0090799 und RS0109431 [T3]). Dass Zeichen „ auch beschreibend” sind, steht der Unterscheidungskraft einer solchen Marke nicht entgegen (4 Ob 237/01h, Drivecompany; 17 Ob 27/07f, laendleimmo.at; 4 Ob 102/12x, My Taxy ).

2.3. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Zeichens ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise abzustellen, also auf den Handel bzw den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen (RIS-Justiz RS0079038 [T1]; RIS Justiz RS0114366 [T5]; Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 67; Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 73).

2.4. Auch aus mehreren Wörtern zusammengesetzte Marken, insbesondere Werbeslogans, sind nach denselben Kriterien zu beurteilen wie herkömmliche Wortmarken, weshalb die Schutzfähigkeit zu verneinen ist, wenn sie nur eine Aussage über die Ware oder Dienstleistung selbst enthalten, die sie beschreiben (RIS-Justiz RS0122385). Eine Wortverbindung ist nicht unterscheidungskräftig, wenn sie als normale Ausdrucksweise aufgefasst werden kann, um im üblichen Sprachgebrauch das Unternehmen, die Ware oder deren wesentliche Merkmale zu bezeichnen, wohl aber, wenn die dadurch geschaffene ungewöhnliche Verbindung der Worte kein bekannter Ausdruck der verwendeten Sprache ist (C 383/99, Baby-dry; 4 Ob 186/03m, djshop ).

2.5. In diesem Sinne hat der EuGH dem Zeichen „VORSPRUNG DURCH TECHNIK” für Fahrzeuge ausreichende Unterscheidungskraft beigemessen, weil darin zwar eine Sachaussage enthalten ist, dies aber einen gewissen Interpretationsaufwand erfordert und der Slogan eine gewisse „Originalität und Prägnanz” aufweist (C 398/08 P). Bereits zuvor hatte der EuGH auf Grund der oben dargestellten Grundsätze die Registrierung des Slogans „DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT” für Möbel zugelassen (C 64/02 P).

Demgegenüber hat der EuGH die Unterscheidungskraft des Zeichens „BEST BUY” verneint, weil Verbraucher dieses Zeichen ausschließlich als Hinweis auf das günstige Verhältnis zwischen Qualität und Preis auffassen und darin keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren und Dienstleistungen erblicken können. Später hat der EuGH die Registrierung des Zeichens „WIR MACHEN DAS BESONDERE EINFACH” für Computersoftware verweigert, weil damit den maßgeblichen Verkehrskreisen eine lobende Botschaft übermittelt und die Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen gerühmt werden (C 311/11 P). Schließlicht hat das EuG die Eintragung von „AB IN DEN URLAUB” für Reiseveranstaltungen abgelehnt, weil dem Publikum damit die Sachaussage vermittelt wird, dass die von der angemeldeten Marke erfassten Dienstleistungen aus dem Tourismusbereich stammen, und der Slogan angesichts seiner sprachlichen, syntaktischen und grammatikalischen Regelkonformität ohne Anstrengung als eine Anregung zum Aufbruch in den Urlaub verstanden wird (EuG T 273/12).

2.6. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der OGH „WE WILL ROCK YOU” für Tonträger Unterscheidungskraft beigemessen, weil das Zeichen keine beschreibenden Angaben und keine Hinweise auf die Eigenschaft der Waren, etwa deren Zweckgeeignetheit, Preiswürdigkeit oder Qualität enthält (17 Ob 15/07s). Später hat der OGH auch die Eintragung von „CARPE DIEM” für Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen zugelassen (17 Ob 27/08g).

Demgegenüber verweigerte der OGH die Eintragung von „ECHTE BERGE” für Beherbergungsleistungen, Reiseveranstaltungen, Sport- und Kulturaktivitäten sowie Gesundheits- und Schönheitspflege, weil die gewählte Wortfolge nicht besonders originell oder prägnant ist und vom Publikum auch keinen Interpretationsaufwand verlangt (17 Ob 21/11d).

2.7. SAG JA ZUM JAHRESAUSGLEICH ist ein einfacher und direkter Appell, aktiv zu werden und einen Jahresausgleich einzureichen. Es ist leicht erkennbar, dass dieser Slogan bloß aus einem guten Ratschlag besteht. Daher wird er von den angesprochenen Verkehrskreisen (Arbeitnehmern) als Hinweis verstanden, sich durch die Durchführung eines Jahresausgleiches jenen Teil der Lohnsteuer zurückholen, der zu viel bezahlt wurde.

Den fälschlich unter dem Rekursgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens monierten fehlenden Feststellungen der vom Antragsteller im Anmeldeverfahren aufgezeigten rhetorischen Stilmittel kommen daher keine rechtliche Relevanz zu. Im konkreten Fall fehlt dem Zeichen nämlich die Unterscheidungskraft; es ist weder originell noch prägnant und verlangt vom Publikum auch in Bezug auf keine vom Antragsteller beanspruchte Dienstleistung einen Interpretationsaufwand. Verbraucher würden das Zeichen des Antragstellers deshalb als allgemeine Werbebotschaft oder guten Rat auffassen, aber nicht annehmen, dass damit die Leistungen eines bestimmten Unternehmens gekennzeichnet werden.

Die Entscheidung des Patentamts bedarf daher keiner Korrektur.

3. Ob ein Zeichen Unterscheidungskraft besitzt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, weshalb dieser Rechtsfrage keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0111880). Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG war der ordentliche Revisionsrekurs deshalb nicht zuzulassen.

Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war jedoch nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 30.000 übersteigt.

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