JudikaturOLG Wien

133R114/18i – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 2019

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen der Eintragung der Wortmarke B SMART INVEST über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 31.7.2018, AM 1154/2017 8, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

1.1 Die Antragstellerin begehrte die Eintragung der Wortmarke

B SMART INVEST

für folgende Dienstleistungen der Klasse

36 Versicherungsdienstleistungen, insbesondere Renten- und Lebensversicherungen sowie die Vermittlung derselben.

1.2 Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Rechtsabteilung des Patentamts den Antrag ab und führte dazu aus, dass die beteiligten Verkehrskreise das Zeichen nur als werblich-animierenden Hinweis dafür sehen werden, dass sich die so bezeichneten Dienstleistungen an kluge Kunden richten, die an Investitionen interessiert sind (Amtsschreiben vom 7.2.2018).

Der Buchstabe „B“ ersetze häufig das englische Wort „be“, sodass spontan und eindeutig die Bedeutung „sei intelligent – investiere“ naheliege (Amtsschreiben vom 19.4.2018).

Rechtliche Beurteilung

1.3 Der Rekurs, in dem unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht wird, ist nicht berechtigt.

2. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.

2.1 Ob einer Waren-/Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen ( Koppensteiner, Markenrecht 4 82; RIS-Justiz RS0079038).

Unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen mit anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; EuG T 471/07, Tame it, Rn 15 mwN; C 398/08, Vorsprung durch Technik; RIS-Justiz RS0118396; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix, oder 4 Ob 49/14f, My TAXI ).

2.2 Fehlt die Unterscheidungskraft, so kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11, OXI-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a, Shopping City mwN; RIS-Justiz RS0118396 [T7]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (OBm 3/12, Lounge.at , unter Hinweis auf BGH I ZB 22/11, Starsat ; OBm 1/13, Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vgl EuGH C 104/01, Orange, Rn 58 und 59; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).

2.3 Die Unterscheidungskraft ist anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde, nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit zu prüfen (Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN). Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen (Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 67 mwN der Rsp; Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 73; C 104/01, Orange , Rn 46 und 63; RIS-Justiz RS0079038 [T1]; RIS Justiz RS0114366 [T5]).

2.4 Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 bis 5 MSchG (Art 3 Abs 1 lit b bis d MarkenRL) sind zwar nach der Rsp des EuGH gesondert zu prüfen (C 304/06, Eurohypo ). Unterscheidungskraft fehlt einer Wortmarke aber dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie als Information über die Art der mit ihr gekennzeichneten Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft dieser Dienstleistungen (C 304/06 P, Eurohypo, Rn 69); eine beschreibende Marke iSv § 4 Abs 1 Z 4 MSchG und Art 3 Abs 1 lit c MarkenRL ist daher auch nicht unterscheidungskräftig iSv § 4 Abs 1 Z 3 MSchG und Art 3 Abs 1 lit b MarkenRL (C 363/99, Postkantoor, Rn 86). Insofern überschneiden sich daher die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG (OM 10/09, Lümmeltütenparty; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; 4 Ob 49/14f, My TAXI ).

2.5 Ob Begriffe, die einer Fremdsprache entnommen sind, unterscheidungskräftig sind, hängt davon ab, ob ihre Kenntnis im Inland im Prioritätszeitpunkt so weit verbreitet war, dass der inländische Verkehr einen die Kennzeichnungsfunktion ausschließenden Sinngehalt erkennen konnte (4 Ob 7/05s = wbl 2005, 387, car care; 4 Ob 28/06f, Firekiller; 17 Ob 21/07y, Anti-Aging-Küche; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS ). Das kann selbst dann zutreffen, wenn die Bezeichnung in der Fremdsprache selbst nicht gebräuchlich ist (4 Ob 277/04w, Powerfood; 4 Ob 28/06f, Firekiller; 4 Ob 38/06a, Shopping City ). Englisch ist als wichtigste Handelssprache in Österreich die geläufigste Fremdsprache ( Koppensteiner, Markenrecht 4 84 mwN; RIS-Justiz RS0066456; 4 Ob 36/14v, selective/line ).

2.6 Nach der Rechtsprechung des EuGH gelten Zeichen dann als beschreibend, wenn sie für die beteiligten Verkehrskreise eine unmittelbare und ohne Weiteres erkennbare Aussage über die Art, Natur, Beschaffenheit oder Ähnliches der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen enthalten, das heißt das Publikum muss sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen herstellen können (C 326/01, Universaltelefonbuch, Rn 33 mwN; C 494/08 P, Pranahaus; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS = RIS-Justiz RS0122383 [T1]; RS0117763, RS0066456, RS0066644).

2.7 Enthält das Zeichen dem gegenüber nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es unterscheidungskräftig und auch ohne Verkehrsgeltung registrierbar (RIS-Justiz RS0109431 [T3]; RS0090799, RS0066456; 4 Ob 116/03t, immofinanz; 17 Ob 27/07f, ländleimmo; OBm 1/12, Die grüne Lini e) .

Bloße Andeutungen stehen einer Eintragung daher in der Regel nicht entgegen, solange sie nur in phantasiehafter Weise auf bestimmte Eigenschaften hinweisen, ohne sie in sprach- oder verkehrsüblicher Form unmittelbar zu bezeichnen. Stellt also ein Zeichen nur einen Zusammenhang mit einem allgemeinen Begriff her, ohne etwas Bestimmtes über die Herstellung oder Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung auszusagen, liegt keine beschreibende Angabe vor (17 Ob 33/08i, happykauf mwN; OBm 3/12, Lounge.at ; 4 Ob 51/16b, MAGIC MOUNTAIN ).

Ist die angemeldete Marke – mit anderen Worten – nicht geeignet, beim Durchschnittsverbraucher mehrheitlich eindeutige Vorstellungen über die Art, Natur oder Beschaffenheit der Waren oder Dienstleistungen hervorzurufen, ohne dass noch weitere Überlegungen über die mit einer bestimmten Bezeichnung erzielte Aussage erforderlich wären, besitzt sie Unterscheidungskraft (vgl OBm 3/11, Atelier Prive; OBm 2/13, Primera ua; 4 Ob 66/02p, Cornetto ).

2.8 Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RIS-Justiz RS0066644).

3. Umgelegt auf den konkreten Fall teilt das Rekursgericht die Einschätzung der Rechtsabteilung, wonach die beteiligten Verkehrskreise das Zeichen als einen Imperativ des Inhalts auffassen werden, sie sollten „smart“ sein und investieren („be smart: invest!“).

Daran ändert auch die Möglichkeit nichts, dass nicht alle der angesprochenen Personen dem „B-“ zu Beginn überhaupt eine besondere Bedeutung beimessen oder dass sie davon ausgehen, dass es die Benennung einer von mehreren Kategorien von Dienstleistungen ist („A-SMART“, „B SMART“ „C-SMART“ etc) oder dass das „B-“ auch im Sinne von „B movie“ verstanden werden kann.

Der Wortbestandteil „B-“ ist in Zusammenhang mit den eindeutig aus dem Englischen stammenden Worten „smart“ und „invest“ eindeutig und ohne besondere Schlussfolgerungen als „be“ (Imperativ von to be = sein; be! = sei!) erkennbar; ob das Wort „invest“ als Verb oder als Substantiv zu verstehen ist , ist nicht entscheidend, weil beide Formen eindeutig der englischen Sprache entnommen sind und daher der Wortbestandteil „B-“ als englischer Imperativ zu verstehen ist.

Die österreichischen Verkehrskreise sind an diese Wortfolge durchaus auch gewöhnt, weil ähnlich gebildete Wortfolgen als werbemäßige Anpreisungen und Aussagen in Verwendung sind: zum Beispiel „b ok“; „b free“; „b legal“; „b ware“.

In Bezug auf Versicherungsdienstleistungen wird die gesamte Wortfolge „be smart invest“ („sei intelligent [und] investiere“) als werbliche Anpreisung hinsichtlich des Dienstleistungsgegenstands und der Beschaffenheit (Qualität) der Dienstleistungen ohne besondere Gedankenoperationen verstanden werden.

Das gesteigerte Bewusstsein der Konsumenten, wegen der niedrigen Sparzinsen und der Risken bei Investitionen in Anleihen und Wertpapiere ihr erspartes Geld – auch auf Grund einer höheren Lebenserwartung – eher in Versicherungsleistungen (private Pensionsvorsorge, vorwiegend aber Lebensversicherungen, Sterbekassen etc) zu investieren, hat zu einer Zunahme von Dienstleistungen von (Lebens-)Versicherungsgesellschaften geführt.

Auch deshalb werden die Konsumenten im angemeldeten Zeichen keine gänzlich sprachunübliche Zusammensetzung erkennen, die Unterscheidungskraft hätte. Der erläuterte Sinngehalt ist nicht nur vage angedeutet, sondern er kommt im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 36 unmittelbar zum Ausdruck. Es bleibt kein Freiraum, im Zeichen noch etwas anderes als eine Werbeaussage über den Gegenstand und die Beschaffenheit der so bezeichneten Dienstleistungen zu sehen.

4. Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 30.000 übersteigt.

5. Da die Beurteilung der markenrechtlichen Kennzeichnungskraft im Einzelfall keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwirft, war der ordentliche Revisionsrekurs nicht zuzulassen.

Rückverweise