JudikaturOLG Wien

133R135/18b – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 2019

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht ***** wegen Unwirksamkeitserklärung des österreichischen Teils der Unionsmarke Nr. 821742 über die Berufung der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 13.6.2018, Nm 14/2009 5, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit EUR 2.562 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Text

Die Antragstellerin ist Inhaberin der am 1.4.1996 angemeldeten und zu Nr. 152546 registrierten Unionsmarke

HUSKY

(Wortmarke), die nach einer Teillöschung für folgende Waren registriert ist:

18 Freizeittaschen.

25 Hemden, Hosen, Jacken, Mäntel, Wämser, Jerseykleidung, Pullover, Sweater, Stiefel, Schuhwaren, Tops, Jeanshosen, Gürtel, Schärpen; Schuhwaren.

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der am 23.12.2003 zu Nr. 821742 registrierten internationalen Marke

für folgende Waren:

18 Backpacks, bags, particularly sports bags.

20 Sleeping bags for camping.

22 Tents.

25 Clothing, footwear, headgear, particularly clothing for sports, hosiery, clothing of leather, ski gloves, sports shoes.

28 Toys, games, balls, body-building apparatus.

Die Antragstellerin begehrt die Unwirksamkeitserklärung des österreichischen Teils der Marke der Antragsgegnerin und brachte dazu vor, dass die Marke der Antragsgegnerin die Wortmarke der Antragstellerin als dominierenden Markenbestandteil für identische oder zumindest ähnliche Waren vollständig übernommen habe, wodurch eine Verwechslungsgefahr bestehe.

Die Antragsgegnerin wandte ein, dass zahlreiche Marken mit dem Wortbestandteil „Husky“ in Verwendung stünden, weshalb nur den jeweiligen Bildbestandteilen Kennzeichnungskraft zukomme. Da die Marke der Antragstellerin keinen Bildbestandteil enthalte, sei eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Es bestehe auch keine Warenidentität und keine Warenähnlichkeit, weil die Marke der Antragstellerin für Outdoor- und Bergsportartikel, jene der Antragsgegnerin jedoch für den Jagd- und Reitsport registriert seien.

Darüber hinaus sei die Marke der Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Einbringung des Antrags am 10.2.2009 bereits seit mehr als fünf Jahren eingetragen gewesen. Aufgrund des zwischen den Streitteilen bestehenden unmittelbaren Konkurrenzverhältnisses sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin von der Nutzung der Marke Kenntnis gehabt habe, wodurch sie ihr Markenrecht nach § 30 Abs 3 MSchG verwirkt habe.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts („NA“) dem Löschungsantrag statt und erklärte die angegriffene Marke hinsichtlich der Klassen 18 und 25 für das Gebiet der Republik Österreich für unwirksam. In rechtlicher Hinsicht führte die NA aus, dass die Wort-Bildmarke der Antragsgegnerin die Wortmarke der Antragstellerin übernommen habe. Der bloß dekorative Bildteil der Marke der Antragsgegnerin könne die beherrschende Stellung des Wortteils nicht schwächen, weshalb von einer Zeichenähnlichkeit auszugehen sei. Da es nicht auf die tatsächliche Benutzung der Marke, sondern auf die im Register angeführten Waren ankomme, liege in den Klassen 18 und 25 eine Warenidentität bzw hochgradige Warenähnlichkeit vor, weshalb insoweit Verwechslungsgefahr anzunehmen sei. Die Antragstellerin hätte ihren Anspruch nach § 30 Abs 3 MSchG nur dann verloren, wenn sie positive Kenntnis von der Nutzung der Marke gehabt hätte. Das Vorliegen eines Konkurrenzverhältnisses rechtfertige aber noch nicht die Annahme, dass die Antragstellerin von der Benutzung der Marke durch die Antragsgegnerin Kenntnis gehabt habe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit der sie die Abänderung der Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Antrags, hilfsweise ihre Aufhebung und die Zurückverweisung der Rechtssache an die NA beantragt.

Die Antragstellerin beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

1. Die Antragsgegnerin macht unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend, dass die Antragstellerin ihr Vorbringen, wonach die Antragstellerin Kenntnis von der Markennutzung der Antragsgegnerin gehabt habe, gar nicht bestritten und auch keinen Gegenbeweis angeboten habe. Es sei auch amtsbekannt gewesen, dass es zwischen den Streitteilen hinsichtlich der österreichischen Marken Nr. 129244 und der Unionsmarke 152546 präjudizielle Rechtsstreitigkeiten gegeben habe. Die NA hätte nach den Regeln des Anscheinsbeweises davon ausgehen müssen, dass die Antragstellerin aufgrund des unmittelbaren Konkurrenzverhältnisses spätestens ab der Eintragung der angefochtenen Marke am 23.12.2013 die Nutzung dieser Marke geduldet habe, was nach § 30 Abs 3 MSchG zur Abweisung des Antrags führen müsse.

2. Nach § 30 Abs 1 Z 2 MSchG kann der Inhaber einer früher angemeldeten, noch zu Recht bestehenden Marke die Löschung einer Marke begehren, sofern die beiden Marken und die Waren, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht. Nach § 30 Abs 3 MSchG ist ein solcher Antrag aber abzuweisen, wenn der Antragsteller die Benutzung der später eingetragenen Marke während eines Zeitraums von fünf aufeinanderfolgenden Jahren in Kenntnis dieser Benutzung geduldet hat.

3. § 30 Abs 3 MSchG beruht auf Art 9 der Markenrichtlinie (EU) 2015/2436. Nach Ansicht des EuGH setzt die Verwirkung des Anspruchs voraus, dass der Inhaber der älteren Marke während dieses Zeitraums nicht nur von der Eintragung der jüngeren Marke, sondern auch von der Benutzung dieser Marke Kenntnis hatte (EuGH C 482/09, Budějovický Budvar gegen Anheuser-Busch, Rn 58). Wer sich auf § 30 Abs 3 MSchG beruft, muss deshalb behaupten und beweisen, dass dem Inhaber des älteren Zeichens die Benutzung des jüngeren Zeichens bekannt war (RIS-Justiz RS0119756; Hermann in Kucsko/Schumacher , marken.schutz 2 § 58 MSchG Rz 29).

4. Zum Argument der Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin ihr Vorbringen nicht bestritten habe, ist darauf hinzuweisen, dass stets unter sorgfältiger Berücksichtigung des gesamten Inhalts des gegnerischen Vorbringens zu beurteilen ist, ob tatsächliche Behauptungen einer Partei als zugestanden anzusehen sind (RIS-Justiz RS0040091). Schweigen des Prozessgegners wird nur dann als Zugeständnis gewertet, wenn konkretes Gegenvorbringen erwartet werden kann (RIS-Justiz RS0039977 [T3]).

5. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin gar kein substantiiertes Vorbringen zur Benutzung des Zeichens im Inland erstattet hat, sondern in der Äußerung vom 3.10.2016 nur ausführte, dass „schon aufgrund des unmittelbaren Konkurrenzverhältnisses der Streitparteien“ davon „auszugehen“ sei, dass die Antragstellerin „spätestens bei Eintragung der angefochtenen Marke“ Kenntnis von der „Benutzung“ gehabt habe, weshalb die Antragstellerin auch nicht gehalten war, diesem unsubstantiierten Vorbringen zu widersprechen. Dies gilt umso mehr, weil eine Verwirkung des Anspruchs nach § 30 Abs 3 MSchG nur hinsichtlich jener Waren eintreten würde, für die das Zeichen tatsächlich verwendet wurde, sich dem Vorbringen der Antragsgegnerin aber gar nicht entnehmen lässt, für welche Waren die Marke benutzt wurde (siehe Hermann in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 58 MSchG Rz 26).

6. Das Rechtsinstitut des Anscheinsbeweises wurde zu dem Zweck entwickelt, die Rechtsdurchsetzung nicht an Beweisschwierigkeiten scheitern zu lassen (RIS-Justiz RS0040281 [T4]). Der Anscheinsbeweis kommt in Betracht, wenn eine umfassende und konkrete Beweisführung vom Beweispflichtigen billigerweise nicht erwartet werden kann, weil Umstände beweisbedürftig sind, die allein in der Sphäre des anderen liegen, nur letzterem bekannt sein können und daher auch nur durch ihn beweisbar sind (RIS-Justiz RS0039895; RS0040281 [T6]). Die Kenntnis des Prozessgegners von der Benutzung einer Marke ist ein solcher Umstand, weshalb im Rahmen des § 30 Abs 3 MSchG auch nach der Absicht des österreichischen Gesetzgebers der Beweis genügt, dass das jüngere Kennzeichen in einer Art und Weise benutzt wurde, die auf Seiten des Klägers eine Kenntnis dieser Benutzung nahelegt, woraufhin der Kläger den Gegenbeweis erbringen müsste, dass er von der Benutzung keine Kenntnis hatte (ErlRV 1643 BlgNR 20. GP 36).

7. Der Anscheinsbeweis beruht darauf, dass bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein derartiger gewöhnlicher Ablauf und nicht ein atypischer gegeben ist (RIS-Justiz RS0040266). Der Anscheinsbeweis ist deshalb nur zulässig, wenn eine typische Verknüpfung zwischen der tatsächlich bewiesenen Tatsache und dem gesetzlich geforderten Tatbestandselement besteht (RIS-Justiz RS0040274; RS0040287; Rechberger in Rechberger 4 Vor § 266 ZPO Rz 22). Es obliegt dann dem Gegner, diesen Anschein durch den Nachweis zu entkräften, dass ein anderer Geschehensablauf zumindest gleich wahrscheinlich war (RIS-Justiz RS0040272; RS0086043).

8. Auch in Deutschland wird in den Fällen der Verwirkung des markenrechtlichen Anspruchs durch Duldung ein Anscheinsbeweis für zulässig erachtet ( Klaka, Erschöpfung und Verwirkung im Licht des Markenrechtsreformgesetzes, GRUR 1994, 321, 329). Dies betrifft beispielsweise den Fall, dass beide Unternehmer in den selben Zeitschriften werben oder auf denselben Ausstellungen und Messen anzutreffen sind ( Kochendörfer, Die Verwirkung des Unterlassungsanspruchs nach § 21 Markengesetz, WRP 2001, 1040, 1047; ders, Die Rechtsprechung zur Verwirkung nach § 21 Markengesetz, WRP 2005, 157, 165). Mitunter wird auch ein „unmittelbares Konkurrenzverhältnis“ als ausreichend angesehen, um einen Anscheinsbeweis zu rechtfertigen ( Thiering in Hacker 12 § 21 dMschG Rn 24; krit Hermann in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 58 MSchG Rz 29).

9. Dennoch hat die Antragsgegnerin kein Tatsachenvorbringen erstattet, aus dem sich ein unmittelbares Konkurrenzverhältnis ergeben würde, sondern ganz im Gegenteil vorgebracht, dass keine Warenähnlichkeit bestünde, weil die Marke der Antragstellerin für Outdoor- und Bergsportartikel, jene der Antragsgegnerin jedoch für den Jagd- und Reitsport registriert sei, was der Annahme eines unmittelbaren Konkurrenzverhältnisses entgegensteht. Angesichts des Umstands, dass die Antragstellerin in England ansässig ist, während die Antragsgegnerin ihren Sitz in der Tschechischen Republik hat, besteht auch sonst kein Grund zur Annahme, dass der Antragstellerin eine tatsächliche Benutzung der Marke durch die Antragsgegnerin auch nur mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zur Kenntnis gelangt wäre.

10. Letztlich hat die Antragsgegnerin auch kein Vorbringen erstattet, dass sie ihre Marke auf eine solche Weise benutzt habe, dass dies der Antragstellerin nicht verborgen bleiben hätte können. Statt dessen will die Antragsgegnerin schon aus der Registrierung ihrer Marke am 23.12.2003 darauf schließen, dass der Antragstellerin die Benutzung der Marke zur Kenntnis gelangt sei. Selbst wenn die Antragstellerin von der Registrierung der Marke Kenntnis erlangt hätte, kann daraus aber noch nicht geschlossen werden, dass sie auch von einer allfälligen tatsächlichen Benutzung der Marke Kenntnis erlangt hat ( Thiering in Hacker 12 § 21 dMschG Rn 24).

11 . Dem Berufungsvortrag, dass die Antragsgegnerin die Löschung der Marken der Antragstellerin beantragt habe, was zu präjudiziellen Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich der österreichischen Marke Nr. 129244 und der Unionsmarke Nr. 152546 geführt habe, ist entgegenzuhalten, dass sich aus dem vorgelegten Registerauszug und dem Löschungsantrag in Beilage ./1 ergibt, dass die nunmehrige Antragsgegnerin diese Löschungsanträge hinsichtlich der Unionsmarke Nr. 152546 am 11.3.2009 und hinsichtlich der österreichischen Marke Nr. 129244 am 25.3.2009 einbrachte. Da beide Anträge damit erst nach der Einleitung des vorliegenden Verfahrens am 10.2.2009 erfolgten, kann daraus nicht geschlossen werden, dass die Antragstellerin ihrerseits die Benutzung der Marke durch die Antragsgegnerin geduldet hätte, weil die Antragstellerin damals bereits rechtliche Schritte ergriffen hatte ( Koppensteiner, Markenrecht 4 127; Hermann in K ucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 58 MSchG Rz 21). Eine Verwirkung des Anspruchs nach § 30 Abs 3 MSchG liegt demnach nicht vor.

12. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 35 Abs 5 und 40 MSchG iVm §§ 122 Abs 1 und 141 Abs 2 PatG sowie §§ 41 und 50 ZPO.

13. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands stützt sich auf § 40 MSchG iVm § 141 Abs 2 PatG und § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO. Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 30.000 übersteigt.

14. Die Frage, ob ein Anscheinsbeweis zulässig ist und ob es sich um einen Tatbestand mit typischem Geschehensablauf handelt, der eine Verschiebung von Beweisthema und Beweislast ermöglicht, ist nach der Rechtsprechung eine Frage der rechtlichen Beurteilung, die im Revisionsverfahren überprüfbar ist (RIS-Justiz RS0022624; RS0040196). Da die Antragsgegnerin aber kein substantiiertes Tatsachenvorbringen erstattet hat, das als Grundlage eines solchen Anscheinsbeweises dienen könnte, war diesbezüglich auch keine Rechtsfrage zu lösen, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukäme. Die ordentliche Revision war daher gemäß § 40 MSchG iVm § 141 Abs 2 PatG und § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen.

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