133R12/19s – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht ***** wegen Löschung der Marke AT 280588 über die Berufung der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 11.10.2017, Nm 53/2015 7, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Text
Die Antragsgegnerin ist aufgrund ihres Antrags vom 21.7.2014 Inhaberin der zu AT 280588 für „Alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte und Fruchtnektare“ registrierten österreichischen Formmarke:
Die Antragstellerin begehrt die Löschung dieser Marke und brachte dazu vor, dass die Marke ausschließlich aus der Form der Ware bzw der Verpackung bestehe, die zur Herstellung der technischen Wirkung erforderlich sei. Die Form des flexiblen Standbeutels ermögliche eine platzsparende Lagerung und gewährleiste die Standfestigkeit. Die nach oben hin spitz zulaufende Form vereinfache die Handhabung beim Öffnen des Beutels mit einem Strohhalm, weil der Beutel dadurch im oberen Bereich ohne Ausübung von Druck gehalten werden könne. Die rechteckige Form sei kein wesentliches gestalterisches Merkmal, sondern ermögliche eine einfache Lagerung und eine kostengünstige Produktion ohne Materialverlust.
Bereits seit den 1940er-Jahren seien solche Standbeutel Gegenstand diverser, mittlerweile aber bereits abgelaufener Patente gewesen. Mangels Vorliegens von gestalterischen Elementen, die über die technischen Anforderungen hinausgehen würden, sei die Formmarke nach § 4 Abs 1 Z 6 MSchG von der Registrierung ausgeschlossen. Da die angesprochenen Verkehrskreise das Zeichen als gewöhnliche Verpackung wahrnehmen, komme der Marke auch keine Unterscheidungskraft zu. Die Antragsgegnerin habe auch keine durch Benutzung erlangte Unterscheidungskraft nachweisen können. Ein solcher Nachweis könne das Eintragungshindernis des § 4 Abs 1 Z 6 MSchG aber ohnehin nicht beseitigen.
Die Antragsgegnerin wendete ein, dass die Beklagte solche Standbeutel seit 40 Jahren in Österreich verwende und die Marke aufgrund eines Verkehrsgeltungsnachweises registriert worden sei. Die trapezförmige Vorderseite, die durch Schweißkanten abgesetzten Seitennähte, die ovale bzw sechseckige Standfläche, die unregelmäßige Oberflächenstruktur, die keilförmige Seitenansicht und die geraden Seitenkanten seien wesentliche gestalterische Elemente, die nicht technisch bedingt seien. So sei eine platzsparende Lagerung im Vergleich zu quaderförmigen Getränkekartons gerade nicht möglich. Die gewählte Form mache den Beutel auch nicht standfester als einen zylindrischen Beutel. Die spitz zulaufende Form erschwere das Einstechen eines Strohhalms. Die eigenwillige Gestaltung verleihe der Form originäre Unterscheidungskraft. Darüber hinaus habe die Marke bei den angesprochenen Kundenkreisen angesichts eines Zuordnungsgrads von bis zu 63,3 % auch Verkehrsgeltung erlangt.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab die Nichtigkeitsabteilung (NA) des Patentamts dem Antrag der Antragstellerin statt und sprach die Löschung der Marke aus, wobei sie der Entscheidung die auf Seiten 12 und 13 des Beschlusses ersichtlichen Feststellungen zugrundelegte, auf die verwiesen wird.
In rechtlicher Hinsicht führte die NA aus, dass sich die Form der Marke aus der Funktion einer Getränkeverpackung in der Form eines Standbeutels ergebe. Die rechteckige Vorderseite erleichtere die Lagerung, die keilförmige Seitenansicht und die Bodenschweißnähte würden die Standfestigkeit verbessern. Die Schweißnähte würden die Dichtheit an den Seiten gewährleisten. Damit werde die Form der Marke ausschließlich durch die technischen Voraussetzungen für seine Funktionalität bestimmt, ohne dass darüber hinausgehende, dekorative Elemente vorhanden wären. Die Registrierung der Marke würde es anderen Wirtschaftsteilnehmern verunmöglichen, ihre Waren in Verpackungen mit gleicher Funktionalität anzubieten, weshalb das Zeichen nach § 4 Abs 1 Z 6 MSchG von der Registrierung ausgeschlossen sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin aus den Berufungsgründen des Verfahrensmangels, der unrichtigen Tatsachenfeststellung auf Grund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, mit welcher sie die Abänderung der Entscheidung dahingehend anstrebt, dass der Löschungsantrag abgewiesen werde.
Die Antragstellerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Zur Verfahrensrüge:
1.1. Die Antragsgegnerin macht als Verfahrensmangel geltend, dass die NA ihren Schriftsatz vom 3.10.2017 bei der Darstellung des wechselseitigen Vorbringens nicht berücksichtigt und sich mit den dort vorgebrachten Argumenten auch nicht auseinandergesetzt habe, weil sie offenbar irrtümlich von der Verspätung dieses Schriftsatzes ausgegangen sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Schriftsatz der Antragsgegnerin nicht zurückgewiesen wurde, weshalb das dort enthaltene Vorbringen bei der Entscheidung zu berücksichtigen war. Das Übergehen des rechtlichen oder tatsächlichen Vorbringens einer Partei begründet dementsprechend keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, sondern eine allenfalls unrichtige rechtliche Beurteilung, worauf im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge einzugehen sein wird ( E. Kodek in Rechberger 4 § 471 ZPO Rz 6).
1.2. Die Antragsgegnerin erblickt einen Verfahrensmangel in der Begründung der Entscheidung, dass auf den Löschungsgrund des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG nicht mehr einzugehen sei, und führt dazu aus, dass sich die Antragstellerin ausschließlich auf den Löschungsgrund des § 4 Abs 1 Z 6 MSchG gestützt habe. Auch damit kritisiert die Antragsgegnerin in Wahrheit die rechtliche Beurteilung der NA. Im Übrigen waren die Ausführungen der NA zum Löschungsgrund des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG nicht entscheidungswesentlich, weshalb darauf nicht weiter eingegangen werden muss.
Zur Beweisrüge:
2.1. Die Antragsgegnerin bekämpft die Feststellung der NA, dass der befüllte Standbeutel aus „zwei rechteckigen Flächen“ und einem ovalen Boden bestehe, wodurch sich bei der Betrachtung von vorne eine „rechteckige Verpackungsform“ zeige. Statt dessen beantragt die Antragsgegnerin die Ersatzfeststellung, wonach der Standbeutel in der Frontalansicht eine „trapezförmige Fläche mit bauchiger, dreidimensionaler Wölbung“ zeige, die sich nach unten verjünge. Dazu ist auszuführen, dass die Marke der Antragsgegnerin in der Entscheidung der NA bildlich dargestellt wurde und ihrer Form nach unstrittig ist. Im Übrigen ist auch die Beschreibung der NA zutreffend, weil die Vorderseite des Beutels tatsächlich aus einer rechteckigen Fläche besteht, die aber im unteren Bereich gewölbt ist, was eine trapezförmige Silhouette bewirkt.
2.2. Die Antragsgegnerin richtet sich gegen die Feststellung der NA, dass sich der Standbeutel „ausgezeichnet“ aufrecht halte und ihm durch die Bodenschweißnaht eine gute Standfestigkeit verliehen werde. Statt dessen wird eine entsprechende Negativfeststellung beantragt. Dem ist entgegenzuhalten, dass die gute Standfestigkeit solcher Beutel (zumindest im ungeöffneten Zustand) allgemein bekannt ist. Die Standfestigkeit des Beutels ist zudem aus der keilförmigen Seitenansicht zu erschließen. Letztlich kann sich die Feststellung der NA auch auf die deutsche Patentschrift Nr 1281140 in Beilage ./C stützen, in der beschrieben wird, dass sich ein solcher Beutel „ausgezeichnet“ aufrecht hält.
2.3. Die Antragsgegnerin bekämpft weiters die Feststellung, dass der Standbeutel aus einer silbernen Folie gefertigt sei, die so stabil sei, dass sie Flüssigkeiten aufnehmen könne, und führt dazu aus, dass es sich dabei um eine unzulässige Schlussfolgerung handle. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Material in der Formmarke als Folie erkennbar ist und auch die Antragsgegnerin zugesteht, dass es sich bei dieser Formmarke um eine Getränkeverpackung handelt, wodurch die Schlussfolgerung, dass das Material ausreichend stabil ist, um Flüssigkeiten aufzunehmen, durchaus angebracht ist.
2.4. Wenn sich die Antragsgegnerin in ihrer Beweisrüge gegen die vermeintliche Feststellung richtet, wonach der „Gesamteindruck“ der Marke durch die genannten Formmerkmale bestimmt werde, so bekämpft sie in Wahrheit die rechtliche Beurteilung der NA, wie dies auch von der Antragsgegnerin auf Seite 18 ihrer Berufungsschrift zugestanden wird.
2.5. Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Feststellung der NA, wonach ihre Marke bereits Gegenstand zahlreicher, längst abgelaufener Patente gewesen sei. Dem Argument der Antragegnerin, dass das französische Patent Nr 1349272 in Beilage ./B einen Standbeutel mit parallelen Seitenkanten beschreibe, ist entgegenzuhalten, dass durch das Befüllen des dort dargestellten Beutels eine trapezförmige Silhouette entstehen würde, wie dies auch auf die Marke der Antragsgegnerin zutrifft. Ihre Einschätzung, dass sich der in der deutschen Patentschrift Nr. 1281140 in Beilage ./C dargestellt Beutel nach oben hin verjüngt, trifft nicht zu, weil auch dort rechteckige Seitenflächen dargestellt sind. Im Übrigen hat die NA in ihren Feststellungen darauf hingewiesen, dass diese beiden Patente Verbesserungen der US-Patente Nr. 2283069 und 2718105 in Beilage ./D und ./E sind. Dass die in diesen Patentschriften beschriebenen Standbeutel dementsprechend noch etwas anders geformt sind, steht der bekämpften Feststellung nicht entgegen.
2.6. Schließlich bekämpft die Antragsgegnerin noch diverse Feststellungen über eine von ihr durchgeführte Umfrage und den Zuordnungsgrad der Marke. Da die Verkehrsgeltung der Marke nicht entscheidungswesentlich ist, muss darauf nicht eingegangen werden.
Zur Rechtsrüge:
3.1. Nach § 33 Abs 1 iVm § 4 Abs 1 Z 6 zweiter Fall MSchG kann jedermann die Löschung der Marke begehren, wenn das Zeichen ausschließlich aus der Form besteht, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist. Der Löschungsgrund des § 4 Abs 1 Z 6 MSchG entspricht Art 4 Abs 1 lit e der Markenrichtlinie (EU) 2015/2436 und soll verhindern, dass der Schutz des Markenrechts seinem Inhaber ein unbefristetes Monopol für technische Lösungen oder Gebrauchseigenschaften einer Ware einräumt ( Keschmann in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 MSchG Rz 282).
3.2. Der EuGH hat bereits ausgesprochen, dass auch die Verpackung als Form der Ware angesehen werden kann, wenn die Ware selbst keine ihr „innewohnende Form“ hat, sodass ihr erst die Verpackung die Form gibt, was insbesondere auf Flüssigkeiten zutrifft (EuGH C 218/01, Henkel ). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist ein Zeichen nicht eintragbar, wenn nachgewiesen wird, dass die wesentlichen Merkmale dieser Form nur der technischen Wirkung zuzuschreiben sind (EuGH C 299/99, Rasierapparat; C 48/09 P, Roter Lego-Stein; ebenso 4 Ob 61/12t, Schwedenbomben ).
3.3. Die NA hat ausgeführt, dass der ovale Boden und die nach oben hin spitz zulaufende Form technisch bedingt sind, weil sie dem Beutel eine gute Standfestigkeit verleihen. Es besteht kein Zweifel daran, dass der Boden des Beutels und die Verbreiterung im unteren Bereich zur Erreichung einer technischen Wirkung, nämlich der Standfestigkeit des Beutels erforderlich sind, weil ein bloß aus zwei Seitenflächen bestehender Beutel nicht aufrecht abgestellt werden könnte.
3.4. Die Antragsgegnerin steht demgegenüber auf dem Standpunkt, dass die Form des Standbeutels die Standfestigkeit nicht erhöhe, weil ein zylindrischer Beutel noch standfester wäre, wobei sie das Fehlen diesbezüglicher Feststellungen als sekundären Feststellungsmangel moniert. Dem ist entgegenzuhalten, dass aus der vermissten Feststellung für die Antragsgegnerin nichts gewonnen wäre, weil der EuGH bereits darauf hingewiesen hat, dass das Eintragungshindernis nicht durch den Nachweis beseitigt werden kann, dass es andere Formen gibt, mit denen sich die gleiche technische Wirkung erzielen lässt (EuGH C 299/99, Rasierapparat; C 48/09 P, Roter Lego-Stein ). Damit ist auch irrelevant, wenn durch eine andere – und aufgrund des Erfordernis einer weiteren Fläche an der Oberseite auch aufwändigere – Gestaltung des Beutels eine noch bessere Standfestigkeit erzielt werden könnte.
3.5. Wenngleich die Antragstellerin vorbrachte, dass die geraden Kanten des Standbeutels eine kostengünstige Produktion ohne Materialverlust ermöglichen würden, so ist dieser Umstand bei richtinienkonformer Auslegung des § 4 Abs 1 Z 6 MSchG ohne Bedeutung. Der EuGH hat nämlich bereits klargestellt, dass Art 3 Abs 1 lit e der Richtlinie 2008/95 dahin auszulegen ist, dass diese Bestimmung die Funktion der Ware erfasst und nicht auf ihre Herstellungsweise anwendbar ist (EuGH C 215/14, Kit Kat; kritisch im Hinblick auf die dadurch bedingte Monopolisierung des Herstellungsverfahrens Kur in Kur/Bomhard/Albrecht, Markenrecht § 3 MarkenG Rn 79).
3.6. Wohl aber hat die NA in überzeugender Weise ausgeführt, dass auch die rechteckige Form des Standbeutels mit geraden Kanten technisch bedingt ist, weil dadurch das Einschlichten in Kartons und die platzsparende Lagerung in Regalen wesentlich erleichtert wird. Die Antragsgegnerin wendet hier ein, dass die Beutelform keine Platzersparnis bewirke, weil beim Stapeln solcher Beutel aufgrund der gewölbten Form Lücken entstünden. Es ist sicher richtig, dass quaderförmige Getränkeverpackungen den Platz noch besser ausnutzen können, doch ändert dies nichts daran, dass rechteckige Beutel platzsparender und leichter in Kartons und Regale geschlichtet werden können als Standbeutel mit runden oder geschwungenen Formen. Damit ist auch die rechteckige Form des Standbeutels technisch bedingt (zu Schokoladentafelverpackungen BPatG 25 W (pat) 78/14, GRUR 2017, 275).
3.7. Die Antragsgegnerin macht als sekundären Feststellungsmangel geltend, dass die NA nicht festgestellt habe, dass die auf dem Markt erhältlichen Standbeutel für Getränke verschiedenste Formen aufweisen, wobei die Seitenkanten als „ästhetisches Merkmal“ eingesetzt würden, während gerade Seitenkanten nicht üblich seien. Tatsächlich hat die Antragsgegnerin mit Beilage ./3 Abbildungen von Standbeuteln vorgelegt, die über geschwungene Kanten verfügen. Demgegenüber hat die NA in ihrer rechtlichen Beurteilung die Auffassung vertreten, dass die rechteckige Form bei solchen Standbeuteln üblich sei. Letztlich ist für die Beurteilung des Eintragungshindernisses nach § 4 Abs 1 Z 6 MSchG aber ohne Belang, welche Warenformen auf dem Markt bereits erhältlich sind oder ob andere Hersteller solche Standbeutel noch mit zusätzlichen gestalterischen Merkmalen ausstatten (ebenso BPatG 26 W (pat) 63/14).
3.8. Die NA hat darauf hingewiesen, dass auch die Schweißnähte des Stehbeutels technisch bedingt sind, weil dadurch eine Verbindung der Folie hergestellt und die Dichtheit des Beutels gewährleistet wird. Dem Argument der Antragsgegnerin, dass die NA den flachen Kanten keine konkrete technische Funktion zugeordnet habe, ist entgegenzuhalten, dass sie in ihrer Berufungsschrift, Seite 10, selbst zugesteht, dass die flachen Kanten im Zusammenhang mit Verpackungen dieser Art selbstverständlich sind und durch die Schweißnähte entstehen, die wiederum für die Dichtheit erforderlich sind. Damit sind sowohl die – im Gesamteindruck weitgehend unauffälligen – Schweißnähte als auch die flachen Kanten des Standbeutels erforderlich, um die Dichtheit des Standbeutels zu gewährleisten (ebenso BGH I ZB 68/17).
3.9. Die Antragsgegnerin verweist in ihrer Rechtsrüge darauf, dass die „silber-aluminiumfarbene, undurchsichtige Oberfläche mit unregelmäßiger Struktur“ keine technische Funktion habe. Dieser Einwand wäre aber nur dann relevant, wenn die Farbe und Oberflächenstruktur ein „wesentliches Merkmal“ der Marke wäre. Das Vorhandensein nicht wesentlicher Merkmale ohne technische Funktion kann eine Registrierung nämlich nicht rechtfertigen (Prüfrichtlinien für Unionsmarken Teil B Abschnitt 4 Kapitel 6 Seite 6). Wesentlich sind nur solche Merkmale, die den Gesamteindruck der Marke bestimmen, was eine Beurteilung im Einzelfall unter Berücksichtigung des den angesprochenen Verkehrskreisen vermittelten Eindrucks erfordert (EuGH C 48/09 P, Roter Lego-Stein; Hacker in Hacker, Markengesetz 12 § 3 MarkenG Rn 134).
3.10. Tatsächlich hat der OGH zu 4 Ob 61/12t die Anwendung des Registrierungshindernisses nach § 4 Abs 1 Z 6 MSchG verneint, weil die Durchsichtigkeit einer Schwedenbomben-Blisterverpackung, die das Wahrnehmen des Inhalts ermöglicht, ein „wesentliches Merkmal“ der Verpackung sei, das keine technische Funktion habe. Demgegenüber ist die silber-aluminiumfarbene Oberfläche kein wesentliches Merkmal eines Getränkebeutels, weil der Betrachter hier jedenfalls annehmen wird, dass noch eine Beschriftung und farbliche Gestaltung folgen wird, wie dies bekanntermaßen auch im Unternehmen der Antragsgegnerin der Fall ist.
3.11. Die leicht gewellte Oberfläche ergibt sich aus der Verwendung von Folien und bewirkt die Flexibilität der Verpackung, was nicht nur das Verstauen in Rucksäcken oder Taschen erleichtert, sondern vor allem auch eine platzsparende Entsorgung ermöglicht.
3.12. Im Ergebnis haben die wesentlichen Merkmale des Stehbeutels technische Funktion, weil die gewölbte Form der Aufnahme des Volumens dient, die rechteckige Form das Einschlichten in Kartons und das Aufstellen in Regalen erleichtert, der ovale Boden sowie die keilförmige Seitenansicht die Standfestigkeit des Beutels bewirkt, die flachen Kanten samt Schweißnähten für die Dichtheit des Standbeutels erforderlich sind und die Verwendung von Folien mit gewellter Oberfläche die platzsparende Entsorgung ermöglicht, wodurch der Löschungsgrund des § 33 Abs 1 iVm § 4 Abs 1 Z 6 zweiter Fall MSchG vorliegt.
3.13. Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass nach § 4 Abs 1 Z 6 erster Fall MSchG die Registrierung solcher Marken ausgeschlossen ist, die ausschließlich aus der Form bestehen, die durch die Art der Ware selbst bedingt ist. Der EuGH hat zu C 205/13, Kinderstuhl, darauf hingewiesen, dass dieses Eintragungshindernis auch solche Zeichen erfasst, die ausschließlich aus der Form einer Ware bestehen, die gattungstypische Gebrauchseigenschaften aufweisen, nach denen der Verbraucher möglicherweise auch bei den Waren der Mitbewerber sucht, was etwa auf die Sicherheit, Bequemlichkeit oder Qualität eines Kinderstuhls zutreffen kann.
3.14. Die Marke der Antragsgegnerin zeigt eine Getränkeverpackung, deren Form trotz der Flexibilität des verwendeten Materials die Dichtheit gewährleisten kann, beim Transport, der Lagerung und der Entsorgung Platz spart und zudem – mit einem Strohhalm – als abstellbares Trinkgefäß verwendet werden kann. Es handelt sich dabei um gattungstypische Gebrauchseigenschaften von Getränkeverpackungen, nach denen Verbraucher möglicherweise auch bei den Produkten der Mitbewerber suchen, weshalb auch der Löschungsgrund des § 4 Abs 1 Z 6 MSchG erster Fall vorliegt.
3.15. Dennoch wäre der Löschungsantrag abzuweisen, wenn in der Form des Standbeutels ein dekoratives oder phantasievolles Element, das keine technische Funktion erfüllt, enthalten wäre (EuGH C 48/09 P, Roter Lego-Stein, C 205/13, Kinderstuhl ). Dass die Form bereits Gegenstand von Patentschriften war, indiziert aber das Fehlen solcher Elemente (EuGH C 48/09 P, Roter Lego-Stein; Eisenführ in Eisenführ/Schennen, Unionsmarkenverordnung 5 Art 7 UMV Rn 229). Wenn es sich bloß um die Ausgestaltung technisch funktionaler Merkmale handelt, müsste der ästhetischen Gestaltung zudem erhebliches Gewicht zukommen ( Ingerl/Rohnke , Markengesetz 3 § 3 Rn 57). Ein solches gestalterisches Element ist dem Standbeutel der Antragsgegnerin aber nicht zu entnehmen.
Jüngst hat der EuGH (wenn auch zum Musterrecht/Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht) ausgesprochen, dass auch der Umstand, dass andere technisch bedingte Lösungen möglich gewesen wären, noch keinen registrierbaren Schutz verschafft (C 395/16, Doceram, ÖBl 2018/74, 241 [Terlitza] ).
3.16. Die Löschung der Marke nach § 4 Abs 1 Z 6 MSchG kann auch nicht unter Berufung auf eine erlangte Verkehrsgeltung verhindert werden (RIS-Justiz RS0123069).
Dem gegen die Löschung der Marke erhobenen Rechtsmittel war daher der Erfolg zu versagen.
4. Zum Unterbleiben einer Kostenentscheidung ist auszuführen, dass die Antragsstellerin in ihrer Berufungsbeantwortung zwar beantragt, die Antragsgegnerin zum Ersatz der Kosten beider Instanzen zu verpflichten, aber kein Kostenverzeichnis gelegt hat. Nach § 54 Abs 1 ZPO hat die Partei, die Kostenersatz anspricht, bei sonstigem Verluste des Ersatzanspruches ein Kostenverzeichnis zu legen. Das Kostenverzeichnis muss eine ziffernmäßige Aufstellung samt Aufgliederung nach Tarifansätzen, Einheitssatz und Umsatzsteuer enthalten ( Obermaier, Kostenhandbuch 3 Rn 1.54). Die bloße Nennung einer kostenverursachenden Verfahrenstatsache genügt demgegenüber nicht (RIS-Justiz RS0120661).
Das Legen der Kostennote ist auch nicht von der prozessualen Anleitungspflicht umfasst ( Obermaier, Kostenhandbuch 3 Rn 1.56). Werden die Kosten der Rechtsmittelbeantwortung nicht schon in der Rechtsmittelschrift verzeichnet, können die nicht verzeichneten Kosten auch nicht nachträglich geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0036034). Ein Ausspruch über die Kosten des Berufungsverfahrens unterbleibt daher.
5. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 500 Abs 2 ZPO aufwirft und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist, ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
In diesem Fall hat das Berufungsgericht auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.