JudikaturOLG Wien

133R136/18z – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
07. Februar 2019

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortbildmarke kaufein.at über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 18.9.2018, AM 7/2018 5, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

Der Antragsteller beantragte die Eintragung der Wortbildmarke

in dieser Dienstleistungsklasse und mit diesem Schutzumfang:

35 Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten.

Er vertrat die Auffassung, diese Marke sei insbesondere im Zusammenhang mit ihrer grafischen Gestaltung unterscheidungskräftig. „[K]aufein“ sei auch kein Wort der Alltagssprache, sondern eine eigenständige Kreation und damit sehr eingängig.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Patentamt den Eintragungsantrag ab und führte dazu begründend aus, die beteiligten Verkehrskreise würden das Zeichen nur als werbemäßigen Hinweis darauf sehen, dass die so bezeichneten Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Internetplattform erbracht werden, weil der Bestandteil „.at“ auf eine österreichische Top-Level-Domain hinweise. Das Wort „einkaufen“ sei Teil der Alltagssprache; der Wortteil des Zeichens werde als daraus gebildete Befehls- oder Aufforderungsform verstanden. Die grafische Gestaltung gehe nicht über das übliche Maß hinaus.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Antragstellers mit dem Abänderungsantrag, das Zeichen im beantragten Umfang zu registrieren. Hilfsweise wird ein Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.

1.1. Ob einer Waren- oder Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen ( Koppensteiner, Markenrecht 4 82; RIS-Justiz RS0079038). Diese Eigenschaft kommt einer Marke zu, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann und so die Ursprungsidentität garantiert, sodass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; C 398/08, Vorsprung durch Technik; C 104/01, Orange, Rn 62; EuG T 471/07, Tame it, Rn 15 mwN; RIS-Justiz RS0118396; zuletzt etwa 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix; 4 Ob 49/14f, My TAXI ) .

1.2. Fehlt die Unterscheidungskraft, so kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11, OXI-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a, Shopping City mwN; RIS-Justiz RS0118396 [T7]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft die Eintragung verhindert, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (OBm 3/12, Lounge.at, unter Hinweis auf BGH I ZB 22/11, Starsat; OBm 1/13, Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vgl C 104/01, Orange, Rn 58 und 59; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).

1.3. Ob die Unterscheidungskraft vorliegt, ist anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit zu prüfen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN). Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 67 mwN der Rsp; Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 73; C 104/01, Orange, Rn 46 und 63; RIS-Justiz RS0079038 [T1]; RIS Justiz RS0114366 [T5]).

1.4. Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 bis 5 MSchG (Art 3 Abs 1 lit b bis d MarkenRL) sind zwar nach der Rsp des EuGH gesondert zu prüfen (C 304/06, Eurohypo ). Unterscheidungskraft fehlt einer Wortmarke aber dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie als Information über die Art der mit ihr gekennzeichneten Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft dieser Dienstleistungen (C 304/06 P, Eurohypo, Rn 69); eine beschreibende Marke iSv § 4 Abs 1 Z 4 MSchG und Art 3 Abs 1 lit c MarkenRL ist daher auch nicht unterscheidungskräftig iSv § 4 Abs 1 Z 3 MSchG und Art 3 Abs 1 lit b MarkenRL (C 363/99, Postkantoor, Rn 86). Insofern überschneiden sich daher die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG (OM 10/09, Lümmeltütenparty; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; 4 Ob 49/14f, My TAXI ).

1.5. Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RIS-Justiz RS0066644).

1.6. Die Eintragung einer Marke, die aus Zeichen oder Angaben besteht, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der Dienstleistungen, auf die sich diese Marke bezieht, verwendet werden, ist nicht schon wegen einer solchen Verwendung ausgeschlossen (C-398/08 P, Vorsprung durch Technik , Rn 35 mwN). Auch aus mehreren Worten zusammengesetzte Marken sind daher nach denselben Kriterien zu prüfen wie herkömmliche Wortmarken (RIS-Justiz RS0122385 [T1]). Sie sind dann nicht schutzfähig, wenn der Satz oder Satzteil nur eine beschreibende Aussage über die Dienstleistung enthält (vgl 17 Ob 21/11d, echte Berge : als Synonym für prächtige, hohe Berge nicht unterscheidungskräftig). Anderes gilt, wenn die Wortfolge eine interpretationsbedürftige Aussage enthält (vgl Obm 1/12, Die grüne Linie mwN; 17 Ob 15/07s, we will rock you : unterscheidungskräftig für Ton- und Videoaufzeichnungen; VwGH 2009/03/0020, Doc around the clock : unterscheidungskräftig für ärztliche Dienstleistungen).

1.7. Im Falle eines zusammengesetzten Zeichens ist zu prüfen, ob die Wortverbindung ein zusätzliches Merkmal – eine grafische oder inhaltliche Änderung – aufweist, welches das Zeichen in seiner Gesamtheit geeignet erscheinen lässt, die betroffenen Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (C-104/00 P, Companyline , Rn 23). Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen in der Regel der Wortbestandteil maßgebend ist, weil sich der Geschäftsverkehr meist an diesem – sofern er unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem den Wortbestandteil im Gedächtnis behält (RIS-Justiz RS0066779).

2. Auf dieser Grundlage fehlt dem angemeldeten Zeichen die Unterscheidungskraft. Das Rekursgericht hält die bekämpfte Begründung der angefochtenen Entscheidung für zutreffend, sodass vorweg auf sie verwiesen werden kann (§ 139 PatG iVm § 37 Abs 3 MSchG und § 60 Abs 2 AußStrG).

2.1. Die Unterscheidungskraft einer Wortverbindung hängt davon ab, ob sie als normale Ausdrucksweise aufgefasst werden kann, um im üblichen Sprachgebrauch die Waren und/oder Dienstleistungen oder das Unternehmen zu bezeichnen oder dessen wesentliche Merkmale wiederzugeben. Die Verbindung von für sich allein im üblichen Sprachgebrauch verwendeten Ausdrücken ist dann nicht rein beschreibend, wenn die der Struktur nach dadurch geschaffene ungewöhnliche Zusammensetzung dieser Worte kein bekannter Ausdruck der verwendeten Sprache ist, um die Ware oder das Unternehmen zu bezeichnen (ÖBl 2002/25, Internetfactory; 4 Ob 186/03m, djshop ). Es sind nämlich sämtliche Bestandteile und diese wiederum als Ganzes zu betrachten (C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit, Rn 27 f; Koppensteiner, Markenrecht 4 77 f mwN).

2.2. Die Schutzfähigkeit der zusammengesetzten Wortbildmarke kaufein.at ist in Bezug auf ihre Wortbestandteile davon abhängig, ob die beteiligten Verkehrskreise ihren Inhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und als Hinweis auf die beanspruchten Waren verstehen (RIS-Justiz RS0109431).

2.3. Adressierte Verkehrskreise sind hier alle Interessenten oder Abnehmer für die beantragten Dienstleistungen, hier sind dies in erster Linie andere Unternehmer, die an den Dienstleistungen der Klasse 35 interessiert sind (RIS-Justiz RS0079038).

2.4. Gerade Unternehmer sind im Kontext von Marken an die Verwendung von Abkürzungen gewöhnt; für sie gelten dieselben Prüfungsgrundsätze wie für sonstige Wortmarken (vgl dazu nur Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 108 ff; Koppensteiner, Markenrecht 4 84; Om 5/08, 5 HTP; OLG Wien 34 R 15/14x, TOPINOX; 34 R 101/15w, FAMILY APP ; 34 R 160/15x, E.COM ). Das Verständnis einer Wortmarke, selbst wenn sie zum Teil aus Abkürzungen besteht, hat nicht abstrakt, sondern konkret nach den in der Markenanmeldung beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen zu erfolgen (RIS-Justiz RW0000784).

2.5. Das Rekursgericht ist im Einklang mit der Argumentation der Rechtsabteilung der Auffassung, dass die angesprochenen Unternehmer nach der im Eintragungsverfahren anzustellenden Prognose ohne weiteres, das heißt ohne längeren Denkprozess und ohne Unklarheiten, die Wortfolge nur als werbliche Anpreisung eines beliebigen Anbieters im Sinn einer im Imperativ formulierten Aufforderung zur Inanspruchnahme (also zum Kauf), nicht hingegen – zumindest gleichzeitig auch – als einen markenmäßigen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der damit gekennzeichneten Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen verstehen werden (vgl 4 Ob 36/14v – selective/line mwN = RIS-Justiz RS0122385 [T3]; OLG Wien 34 R 78/14m, BE ORIGINAL ; 34 R 33/15w, WEIL DU EINFACH MEHR BRAUCHST ; 34 R 55/15f, ISS SIE NICHT EINFACH NUR ). Dass ein Leerzeichen fehlt, ändert an diesem unmittelbaren Verständnis nichts.

Auch die Aufnahme des Bestandteils „.at“ als Hinweis auf eine Top-Level-Domain verstärkt dieses unmittelbare Verständnis, wie der Antragsteller selbst in seinem Rekurs zugesteht. Die Verknüpfung damit erzeugt allerdings anders, als er meint, keine Originalität, die die maßgeblichen Verkehrskreise in die Lage versetzen könnte, sich den Ausdruck leicht und unmittelbar als unterscheidungskräftige Marke für die beantragten Waren einzuprägen. Die Trennung einer Abkürzung durch einen Punkt ist im Bereich von Unternehmenskennzeichen ebenso wenig ungewöhnlich wie die Verwendung von Abkürzungen an sich (weiterführend Schumacher in Kucsko/Schumacher , marken.schutz 2 § 10 Rz 193 f); beides hat dementsprechend keinen weiteren Auffälligkeits- oder besonderen Erinnerungswert und zwar insbesondere dann nicht, wenn die gedankliche Verknüpfung zu einer Internetadresse sofort und ohne gedankliche Umschweife hergestellt wird: Hier wird sofort auf eine Domainbezeichung rückgeschlossen (OLG Wien 34 R 88/14g, Der Österreichische journalist journalist.at ; 34 R 160/15x, E.COM; 34 R 67/16x, SPORTSDIRECT.COM ; 34 R 71/16k, RENTALCARS.COM ).

Von einem relevanten Interpretationsaufwand oder von einem uneinheitlichen Begriffsverständnis ist angesichts der vom Anmelder beanspruchten Dienstleistungen keine Rede.

2.6. Durch die Wortverbindung kaufein.at entsteht daher entgegen der Auffassung der Rekurswerberin keine eigentümliche sprachliche Neubildung, die – unter Beachtung des hier relevanten Schutzumfangs – anders verstanden würde als die Summe ihrer Bestandteile und daher geeignet wäre, als betrieblicher Herkunftshinweis zu wirken. Eine lexikalische Erfindung eines Gesamtzeichens im Sinne einer ungewöhnlichen Wortverbindung (C 383/99, Baby Dry ) liegt nicht vor.

2.7. Der grafische Anteil des Zeichens – eine um den Wortteil gezogene, einer Handschrift nachempfundene am rechten oberen Ende geöffnete Ellipse, wie sie gerade auch bei Einkaufslisten verwendet wird – ist banal und fügt sich in das Spektrum üblicher werblicher Gestaltungsmöglichkeiten ein, an die der Verkehr gewöhnt ist und denen er daher keine Aufmerksamkeit widmet. Die verwendete Schriftart ist eine allgemein verwendete Standardschrift; auch die Schriftgröße ist herkömmlich. Der Bildteil enthält damit nichts Fantasievolles, das den maßgeblichen Verkehrskreisen ermöglichen könnte, die von der Anmeldung erfassten Dienstleistungen ohne Verwechslungsgefahr von Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (s etwa OLG Wien 34 R 88/14g, Der Österreichische journalist journalist.at, unter Verweis auf C-37/03, Bio ID, Rn 70 bis 74; OLG Wien 34 R 33/15w, … weil Du einfach mehr brauchst ).

3. Aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise ist die beantragte Marke damit wegen ihres werblichen Charakters insgesamt nicht geeignet, die Ursprungsidentität der darunter vertriebenen Waren zu garantieren, sodass dem Zeichen bei seiner gesamthaften Betrachtung die Unterscheidungskraft nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG fehlt.

4. Auf das weitere Argument im Rekurs, dass bereits eine Schutzzulassung für eine ähnliche Wortmarke bestünde, ist nicht näher einzugehen, weil eine präjudizielle Bindung zu verneinen ist (4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; 4 Ob 78/18a, SCHNEEWETTE ; RIS-Justiz RS0125405; C 37/03 P, BioID , Rn 47; C 39/08 und C 43/08, Schwabenpost und Volks.Handy, Rn 39; Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 75 ff mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 70).

5. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt (vgl 4 Ob 66/18m, M/M ). Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

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