17Bs328/18m – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Mathes als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Bruzek und Mag. Heindl als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen DI A* B* C* und weitere Beschuldigte wegen der Vergehen nach § 168b Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerden des Beschuldigten D* E* und des RA Mag. F* G* gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10. Oktober 2018, GZ 332 HR 198/16d-904, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Den Beschwerden wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Bei der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (idF WKStA) ist ein Ermittlungsverfahren gegen DI A* B* C* und weitere Beschuldigte wegen der Vergehen der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Vergabeverfahren nach § 168b Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen anhängig.
Laut Bericht des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung vom 14. September 2016 bzw 21. Februar 2017 und weiteren Ermittlungsergebnissen stehen A* C*, J* H*, die C* GmbH und weitere Verantwortliche von anderen österreichischen Bauunternehmen in Verdacht, in der Zeit von 2006 bis 2016 in Österreich bei zumindest rund 140 Vergabeverfahren zu Bauvorhaben Teilnahmeanträge gestellt, Angebote gelegt oder Verhandlungen geführt zu haben, die je auf rechtswidrigen Absprachen zwischen den Teilnehmern des Vergabeverfahrens beruhten, die darauf abzielten, die Auftraggeber zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen. Darüber hinaus besteht der Verdacht, dass Aufschläge berechnet und zwischen den Bietern aufgeteilt wurden, wodurch den Auftraggebern ein Schaden in derzeit noch unbekannter Höhe entstand. Geprüft wird weiters der Verdacht der Bestechung sowie Geschenkannahme und Bestechung von Bediensteten oder Beauftragten im öffentlichen oder staatsnahen Sektor (vgl OLG Wien 17 Bs 163/17w, 164/17d).
Wie das Erstgericht ausführt, steht nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen unter anderem Ing. D* E* als Verantwortlicher der Unternehmen I* Aktiengesellschaft (FN **) und K* GmbH (FN **) im Verdacht, zumindest seit 2013 in ** und an anderen Orten in Österreich bei teilweise bekannten, teilweise noch unbekannten Vergabeverfahren jeweils einen Teilnahmeantrag gestellt, ein Angebot gelegt oder Verhandlungen geführt zu haben, die auf einer rechtswidrigen Absprache beruhten, die darauf abzielte, den jeweiligen Auftraggeber zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen, indem er mit Verantwortlichen zumindest eines anderen Unternehmens solche rechtswidrigen Absprachen traf und entweder aufgrund solcher Absprachen selbst im Namen des Unternehmens den Teilnahmeantrag stellte, das Angebot legte oder Verhandlungen führte oder zur Tatausführung eines anderen beitrug oder diesen dazu bestimmte, und zwar zumindest bei den Vergabeverfahren zu folgenden Bauvorhaben:
• ** BA 19 BL B, Jänner 2014
• Errichtung **, Erdarbeiten, August 2013
• Geh-Radweg **, unbekannt
• Diverse Bauprojekte Land Steiermark (FA 7) im Zeitraum 2013-2016.
Darüber hinaus besteht der Verdacht, dass die im Rahmen der Absprachen vereinbarten Verbindlichkeiten gegenüber den „zurückstehenden“ Unternehmen beim Auftragspreis eingerechnet wurden, wodurch den jeweiligen Auftraggebern ein Schaden in derzeit noch unbekannter Höhe entstand.
Nach der Verdachtslage haben Ing. D* E*, die I* Aktiengesellschaft und die K* GmbH dadurch die Vergehen der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Vergabeverfahren nach § 168b Abs 1 StGB (tlw. iVm § 3 Abs 1 Z 1 und Z 2 VbVG) begangen.
Im Zuge der Ermittlungen wurden bislang mehr als 115 Hausdurchsuchungen bei verschiedenen Bauunternehmen durchgeführt. Unter anderem fand auf Anordnung der WKStA vom 17. Mai 2018, gerichtlich bewilligt mit Beschluss vom 23. Mai 2018 (ON 679), am 4. Juni 2018 in den Wohnräumlichkeiten des Beschuldigten Ing. D* E* in ** (= Standort 143), eine Hausdurchsuchung statt.
Laut Anordnung ON 679 wurde die Sicherstellung folgender Gegenstände unter nachstehenden Vorgaben angeordnet:
„A./ Unterlagen, Daten und elektronische Daten jeglicher Art,
1. die Rückschlüsse über den Inhalt der zwischen Verantwortlichen von Unternehmen getroffenen rechtswidrigen Absprachen bei Vergabeverfahren zulassen (insbesondere: Notizbücher, Aktenvermerke, persönliche Aufzeichnungen, Telefonnotizen, Gesprächsprotokolle und allenfalls auch elektronische oder sonstige Korrespondenz);
2. die Rückschlüsse über die sich aus den rechtswidrigen Absprachen abgeleiteten Verbindlichkeiten und Forderungen zwischen den beteiligten Unternehmen zulassen (insbesondere: Tabellen und sonstige Listen);
3. die Rückschlüsse über Treffen und sonstige relevante Kommunikation zwischen Unternehmensverantwortlichen zum Zweck der Durchführung von rechtswidrigen Absprachen bei Vergabeverfahren zulassen (insbesondere: Kalendereinträge).
B./ sämtliche zur Speicherung derartiger unter Punkt A./ angeführten Beweismittel verwendeten Datenträger, insbesondere Hard- und Software elektronischer Datenverarbeitungsanlagen und sonstige Speichermedien sowie Mobilgeräte, Mobiltelefone, Tablets, PC's/Workstations, Laptops, Server, Storage-Systeme, Festplatten, USB-Sticks, Speicherkarten, Sicherungsbänder und andere elektronische Vorrichtungen und Geräte, wobei sich die Durchsuchung auch auf vom Durchsuchungsobjekt räumlich getrennte Speichermedien erstreckt, soweit auf sie von den durchsuchten Räumlichkeiten aus zugegriffen werden kann.
Sollte die Möglichkeit bestehen, von den angeführten Unterlagen gut lesbare Kopien herzustellen, und die Aufbewahrung der Originale - insbesondere in Anbetracht ihrer geklärten Urheberschaft - zu Beweiszwecken nicht notwendig sein, sind die sicherzustellenden Unterlagen abzulichten. In diesem Fall wäre die Sicherstellung nach Herstellung der Kopien wieder aufzuheben.
Sollten die sicherzustellenden Unterlagen in elektronischer Form vorliegen, ist nach Möglichkeit eine Datenkopie anzufertigen. Sollte keine forensische Datenkopie vor Ort möglich sein, sind alle elektronischen Geräte ausnahmslos sicherzustellen.“
Zu den Vorgängen im Zusammenhang mit der Durchsuchung konstatierte das Erstgericht aus dem Akteninhalt aktenkonform wie folgt (AS 9 ff in ON 904):
„Bei der Durchsuchung am 4.6.2018 wurde lt. Zwischenbericht ON 770 unter anderem ein A4 Aktenordner kopiert und sichergestellt. Im Sicherstellungsprotokoll wurde dazu festgehalten: „Lt. RA handelt es sich dabei um anwaltl Korrespondenz in dem Sinne, dass der Ordner zur Vorbereitung der schriftlichen Stellungnahme des Ing. E* im Strafverfahren für den RA vorbereitet worden wäre. RA Mag G* beantragt nach § 112 StPO Versiegelung; wird von Mag. P* nach Rücksprache mit OStA Dr Q* nicht durchgeführt, da Ing. E* nicht Träger von ges. anerkanntem Recht auf Verschwiegenheit iSd StPO. RA weist daraufhin, dass auch er neben seinem Mandanten zusätzlich als Anwalt die Versiegelung nach § 112 StPO beantragt und dieser ein Träger von ges. angeerkanntes Recht ist [sic] (§ 157 Abs 2 StPO). OStA entspricht dem nicht und RA kündigt Einspruch iSd § 106 StPO an“ (ON 770 AS 9).
Aufgrund des auf § 157 Abs 2 StPO gestützten Antrags des Verteidigers des Beschuldigten E*, Mag. F* G*, ordnete die aktenführende OStA am 19.6.2018 an, bei Eingaben von Rechtsanwälten, wegen behaupteten sichergestellten Verteidigungsunterlagen eine Sichtung des Inhaltes der sichergestellten Unterlagen durch das R* vorzunehmen, um festzustellen, ob es sich hierbei tatsächlich um Verteidigerunterlagen iSd § 157 StPO handelt. Anschließend solle eine schriftliche Berichterstattung darüber, sowie Vorlage dieser Unterlagen an die WKStA mit Bericht erfolgen. Die Unterlagen wurden gemäß diesem Auftrag am 25.06.2018 durch die Kriminalpolizei gesichtet, wobei man zu Schluss kam, dass es sich dabei einerseits um Unterlagen handelt, wie z.B. Vertretungsvollmacht, Honorarnote, Honorarvereinbarung, einen Aktenvermerk, firmeninternen Schriftverkehr, Belehrung gem. § 50 StPO, sowie andererseits um Unterlagen, die vermutlich im Zusammenhang mit der Verteidigung des Ing. D* E* im gegenständlichen Strafverfahren erstellt worden sind, wie etwa handschriftliche Aufzeichnungen sowie Angebotsergebnislisten und Leistungsverzeichnisse (teilweise mit handschriftlichen Erläuterungen) und Tabellenkalkulationen zu Bauvorhaben und Kopien aus dem Bezug habenden Gerichtsakt, welche Ing. D* E* vermutlich im Zuge einer Akteneinsicht erlangt hatte.
Erklärend wird seitens der Kriminalpolizei ausgeführt, dass bei der Einsatzbesprechung sämtliche Ermittler angewiesen wurden, nach bestimmten Stichworten zu suchen und bei der Durchführung der gegenständlichen Durchsuchung Einsatzkräfte eingesetzt wurden, die nicht unmittelbar in die Sachbearbeitung dieses Ermittlungsverfahrens involviert sind. Der Ordner wurde im Büro des Beschuldigten sichergestellt. Es wurden vor Ort Kopien des gesamten Inhalts angefertigt, das Original verblieb am Einsatzort. Seitens der Kriminalpolizei wurden keine weiteren Kopien der Unterlagen angefertigt, noch die Inhalte in irgendeiner Weise verwertet, sondern nur der Inhalt zur Beurteilung gemäß § 157 Abs 2 StPO gesichtet (vgl. ON 770 AS 1ff).“
Wie vom Erstgericht ebenfalls aktenkonform zusammengefasst, erhoben mit Schriftsatz vom 12. Juni 2018 (ON 743) der Beschuldigte E* und sein Verteidiger RA Mag. F* G* als Betroffener jeweils Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 Abs 1 StPO und Einspruch gemäß § 112 Abs 3 StPO und brachten dazu vor, im Zuge der gegenständlichen Hausdurchsuchung sei ein Aktenordner in Kopie sichergestellt worden, obwohl dieser Anwaltskorrespondenz zwischen dem Beschuldigten und dem Betroffenen, Vorbereitungsarbeiten für die Stellungnahme des Beschuldigten, Vollmachtsvorlage, Honorarvereinbarungen, Vereinbarungen über die Mandatsausübung, Honorarnoten, handschriftliche Aufzeichnungen, persönliche für die Verteidigung notwendige handschriftliche Notizen beinhalte und der Betroffene der Sicherstellung gemäß § 112 Abs 1 StPO im eigenen sowie im Namen des Beschuldigten widersprochen, ausdrücklich auf sein gesetzlich anerkanntes Recht auf Verschwiegenheit gemäß § 157 Abs 1 Z 2 StPO hingewiesen und die Versiegelung beantragt habe. Unter den sichergestellten Gegenständen befänden sich Daten und Notizen, welche zwecks Beratung und Verteidigung erstellt worden seien. Der Aktenordner sei erst anlässlich des hier gegenständlichen Verfahrens und erst nach Verständigung des Beschuldigten gemäß § 50 StPO angelegt worden. Sämtliche darin enthaltenen Informationen seien dem Verteidiger in dieser Eigenschaft bekannt geworden und von ihm bzw vom Beschuldigten zwecks Beratung und Verteidigung erstellt worden, sie seien gemäß § 157 Abs 2 StPO besonders geschützt, zumal sich die Unterlagen beim Beschuldigten befunden hätten. Trotz Widerspruchs hätten die Ermittlungsbehörden die Unterlagen unversiegelt zum Akt genommen. Nach der Kommentarliteratur dürften bei unmittelbar nach erfolgter Sicherstellung erfolgter Ankündigung eines Einspruches die sichergestellten Gegenstände vor letztinstanzlicher Entscheidung in keinem Fall gesichtet werden, die Zwangsmaßnahme verletze § 157 Abs 2 StPO.
Zum Einspruch gemäß § 106 StPO des Betroffenen RA Mag. F* G* (I.) wird ausgeführt, durch die Sicherstellung des Aktenordners wäre dem betroffenen Rechtsanwalt ein Recht im Sinne der StPO verweigert und eine Zwangsmaßnahme unter Verletzung der Bestimmungen der StPO angeordnet worden. Der letzte durch Trennblätter sortierte Abschnitt des Ordners umfasse Unterlagen, die im Zusammenhang mit der Erstkontaktaufnahme des Beschuldigten und des Betroffenen stünden, wie Honorarvereinbarungen, Vollmachten, eine Liste der in ON 24 genannten Bauprojekte etc. Im Zuge der Vorbereitung einer schriftlichen Äußerung des Beschuldigten habe dieser sämtliche im Ermittlungsakt genannte Baustellen der ** aufbereitet, Unterlagen dazu ausgehoben und sie mit handschriftlichen Notizen versehen. Der Betroffene und der Beschuldigte hätten den Aktenordner ausführlich durchbesprochen. Der Betroffene habe Kenntnis des Ordnerinhaltes erlangt, über diese Kenntnis stehe ihm ein gesetzlich anerkanntes Recht auf Verschwiegenheit gemäß § 157 Abs 1 Z 2 StPO zu. Rechtsberatung zähle zu den durch das Aussageverweigerungsrecht geschützten Tätigkeiten. Das Aussageverweigerungsrecht des Rechtsanwaltes stelle dessen höchstpersönliches Recht dar, welches von den Strafverfolgungsbehörden bei sonstiger Nichtigkeit nicht durch Sicherstellungen umgangen werden dürfe. Dies gelte ebenso für Unterlagen, die sich in der Verfügungsmacht des Beschuldigten befänden und zum Zwecke der Beratung und Verteidigung erstellt worden seien. Eine solche Sicherstellung stelle eine unzulässige Umgehung im Sinne des § 157 Abs 2 StPO dar, die Sicherstellung sei daher nichtig, denn der Betroffene sei eine in § 157 Abs 1 Z 2 StPO genannte Person.
§ 112 Abs 1 StPO gewähre das Recht, der Sicherstellung unter Berufung auf ein Verschwiegenheitsgebot zu widersprechen, was zwingend zur Folge habe, dass diese Unterlagen zu versiegeln und bei Gericht zu hinterlegen seien. Das Widerspruchsverfahren gemäß § 112 StPO diene der Verhinderung einer verbotenen Umgehung der gesetzlich normierten Aussageverweigerungsrechte nach § 157 Abs 1 StPO, ob die Unterlagen zu versiegeln seien, stelle keine Ermessensentscheidung dar. Selbst bei Gefahr im Verzug dürfe dieser Schutz nicht fallen gelassen werden, Notkompetenzen würden keine vorzeitige Durchsicht erlauben. Der Betroffene habe sich auf § 112 StPO berufen. Durch die Sicherstellung, ohne diese gegen unbefugte Einsichtnahme oder Veränderung zu sichern, sei der Betroffene in seinem subjektiven Recht auf Erhebung eines Widerspruches nach § 112 Abs 1 StPO verletzt worden.
Zum Einspruch gemäß § 106 StPO des Beschuldigten D* E* (II.) wird ausgeführt, der Aktenordner sei im Gewahrsam des Beschuldigten in Umgehung des § 157 Abs 2 StPO sichergestellt worden. Sofern das Geheimnis unabhängig von der Gewahrsamssituation bestehe, könne der Gewahrsamsinhaber und somit Betroffene der Sicherstellung auch eine andere Person als der Geheimnisträger sein und wirksam Widerspruch erheben. Die Sicherstellung sei mit einem fairen Strafprozess und dem Grundsatz der effektiven Verteidigung nach Art 6 Abs 3 EMRK nicht vereinbar, wonach eine vertrauliche Kontaktaufnahme mit dem Verteidiger ohne Befürchtung der Schaffung von Beweismitteln zu ermöglichen sei. Unterlagen, die der Beschuldigte erkennbar zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn laufenden Strafverfahren anfertigt, dürften weder beschlagnahmt noch gegen seinen Widerspruch verwertet werden. Durch die Neuregelung des § 157 Abs 2 StPO sei die Richtlinie „Rechtsbeistand“ umgesetzt worden. Gegenständlich liege auch eine Verletzung des Rechts auf effektive Verteidigung nach Art 47 Abs 2 Grundrechte Charta und von Art 6 EMRK und § 7 StPO vor.
Zum Einspruch gemäß § 106 StPO des Beschuldigten und des Betroffenen (III.) führten die Beschwerdeführer noch ergänzend aus, der Staatsanwaltschaft komme lediglich die Kompetenz zur Prüfung zu, ob ein gesetzlich anerkanntes Verschwiegenheitsrecht behauptet werde, nicht jedoch die Entscheidung darüber, ob dem Widersprechenden ein solches Verschwiegenheitsrecht auch tatsächlich zustehe. Dafür sei ausschließlich das Gericht zuständig (OGH 13 Os 94/17y). Zweifellos hätten sowohl der Betroffene als auch der Beschuldigte ein gesetzlich anerkanntes Verschwiegenheitsrecht behauptet, die Staatsanwaltschaft habe sich das Recht zur Entscheidung angemaßt, welches nach § 112 Abs 1 StPO ausschließlich dem ordentlichen Gericht vorbehalten sei, weshalb § 112 Abs 1 StPO verletzt sei.
Seitens des Betroffenen und des Beschuldigten werde beantragt (IV.), die WKStA möge den erhobenen Einsprüchen wegen Rechtsverletzung Folge geben und den rechtskonformen Zustand wieder herstellen, insbesondere 1. die Anordnung der Sicherstellung des oben näher bezeichneten Aktenordners aufheben, 2. den sichergestellten Aktenordner ungesichtet wieder an den Beschuldigten ausfolgen, 3. allfällige gesichtete und zum Akt genommene Unterlagen oder Kopien unverzüglich vernichten und in eventu den Aktenordner auf geeignete Art und Weise gegen unbefugte Einsichtnahme oder Veränderung zu sichern und bei Gericht zum Zweck der Durchführung des Aufforderungsverfahrens zu hinterlegen, andernfalls die erhobenen Einsprüche an das Landesgericht für Strafsachen Wien weiterleiten.
Für den Fall, dass den Einsprüchen gemäß § 106 StPO keine Folge geleistet werde, würden der Beschuldigte wie auch der Betroffene Einspruch gemäß § 112 Abs 3 StPO erheben (V.), wozu ausgeführt wurde, dass der Betroffene im eigenen als auch im Namen des Beschuldigten Widerspruch gemäß § 112 Abs 1 StPO erhoben habe, woraufhin die Staatsanwaltschaft die mündliche Anordnung erteilt habe, dem Widerspruch keine Folge zu geben und die Unterlagen unversiegelt sicherzustellen. Gegen diese mündliche Anordnung würden Beschuldigter und Betroffener Einspruch gemäß § 112 Abs 3 erheben, sodass die Unterlagen dem Gericht zur Durchführung des Sichtungsverfahrens vorgelegt werden müssen.
Die WKStA legte den Einspruch mit ablehnender Stellungnahme vom 6. Juli 2018 (ON 773) samt der sichergestellten Kopie des Inhalts des Aktenordners dem Landesgericht für Strafsachen Wien zur Entscheidung vor und führte aus, (ad I.) der Einspruchswerber releviere eine Sicherstellung entgegen dem Umgehungsverbot nach § 157 Abs 2 zweiter Satz StPO. Hinzuweisen sei darauf, dass sich im Ordner viele Unterlagen, z.B. Schriftverkehr zwischen dem Beschuldigten und seiner Arbeitgeberin, Angebotsergebnislisten, E-Mails aus dem Jahr 2013 etc, befänden, welche offensichtlich weder zum Zweck der Beratung noch der Verteidigung vom Beschuldigten oder vom Einspruchswerber erstellt worden wären. Selbst bei Kenntnisnahme des Einspruchswerbers als Berufsgeheimnisträgers wären sie nicht allein schon deshalb geschützt. Hinsichtlich der schriftlichen Aufzeichnungen des Beschuldigten im Aktenordner, insbesondere jener am Anfang des Ordners, sei die Behauptung des Einspruchswerbers, er habe bereits Kenntnis vom Inhalt der Aufzeichnungen, ohne ergänzende Informationen nicht nachvollziehbar, zumindest überprüfungsbedürftig. Um dem Gericht die vollständige Überprüfung des Inhaltes des Ordners im Zusammenhang zu ermöglichen, sei von der Ausfolgung allfälliger immunisierter Unterlagen aus dem Ordner abgesehen worden. Zur mangelnden Berechtigung des Vorbringens zum Recht auf Widerspruch gemäß § 112 Abs 1 StPO werde auf den Beschluss vom 25. Juni 2018 (ON 758) verwiesen.
Ad II. werde auf die Ausführungen zu I. verwiesen, darüber hinaus hätten die relevierten Bestimmungen schon vor dem Inkrafttreten des § 157 Abs 2 zweiter Satz StPO Bestand gehabt, dennoch sei nach ständiger Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Wien (vgl 20 Bs 28/16p) die Sicherstellung von Verteidigungsunterlagen beim Beschuldigten zulässig gewesen.
Ad III. brachte die WKStA vor, nach Ansicht der Einspruchswerber ergebe sich aus der Entscheidung zu 13 Os 94/17y, dass sich die Staatsanwaltschaft jeder Beurteilung der Behauptung, ob einem Widersprechenden ein gesetzlich anerkanntes Verschwiegenheitsrecht zukomme, zu enthalten habe. Die Einspruchswerber würden mit dieser Argumentation eine sinnentleerte Anwendung des § 112 StPO propagieren, derzufolge schon allein die bloße Behauptung von wem auch immer, dass die Sicherstellung eine Umgehung der in § 112 StPO angeführten Verschwiegenheitsrechte bedeute, in jedem Fall zu einer Versiegelung der Unterlagen und der Entscheidung des Gerichtes führen müsse. Wie jedoch im Beschluss vom 25. Juni 2018 (ON 758) dargelegt, sei der Widerspruch eines nicht von der Sicherstellung betroffenen Berufsgeheimnisträgers oder einer von der Sicherstellung betroffenen Person, der nicht ein gemäß § 112 StPO statuiertes Verschwiegenheit zukomme, von vornherein der Erfolg zu versagen. Die Ansicht, dass ein Berufsgeheimnisträger auch dann betroffen sein könne, wenn sich die Unterlagen gar nicht erst in seiner Verfügungsmacht befänden, sei nach der zitierten OGH-Judikatur unzutreffend. Durch die Sicherstellung werde nicht unmittelbar in seine Rechte eingegriffen, allenfalls erst bei einer darauffolgenden Verwertung der Unterlagen. Unmittelbar betroffen von der Sicherstellung wäre im Sinne des § 48 Abs 1 Z 4 StPO nur der Eigentümer bzw Besitzer. § 112 Abs 1 StPO könne in Zusammenschau mit Abs 2 nur so verstanden werden, dass ein Widerspruch lediglich gegen Sicherstellungen von Unterlagen zulässig sei, die sich in der Verfügungsmacht des privilegierten Berufsgeheimnisträgers befänden. Eine andere Auslegung sei sinnentleert, weil es denkunmöglich sei, dass das Gericht eine von der Sicherstellung betroffene Person, die kein Berufsgeheimnisträger sei, nach § 112 Abs 2 StPO zur Bezeichnung jener Unterlagen auffordern könne, welche ihrer Verschwiegenheit unterlägen. Mangels Anwendungsmöglichkeiten des § 112 Abs 2 StPO würde ein Widerspruch ohne rechtliche Auswirkung bleiben. Daher könne denklogisch weder einer von der Sicherstellung betroffenen Person, die nicht ein Verschwiegenheitsrecht nach § 112 Abs 1 StPO habe, noch einem nicht von der Sicherstellung betroffenen Berufsgeheimnisträger eine Widerspruchslegitimation zukommen.
Der Gesetzgeber hätte bei der Novellierung der Bestimmung des § 112 StPO eindeutig nur die Sicherstellung in Räumlichkeiten eines Geheimnisträgers vor Augen gehabt, um durch Sichtungsverfahren bedingte Verfahrensverzögerungen auf das Notwendigste zu beschränken. Es könne dem Gesetzgeber den Gesetzesmaterialien folgend nicht unterstellt werden, die Widerspruchslegitimation auch anderen Personen, die keine Berufsgeheimnisträger seien, zukommen zu lassen, dies würde nämlich dazu führen, dass jeder von einer Sicherstellung Betroffene sich darauf berufen könne, dass sich in seinen Unterlagen irgendwo privilegierte Korrespondenz befände. Die Durchführung eines Verfahrens gemäß § 112 StPO sei aufgrund der Widersprüche der Einspruchswerber denkunmöglich gewesen, weshalb in der Verweigerung der Staatsanwaltschaft keine Rechtsverletzung zu sehen sei.
§ 112 Abs 3 StPO setze die Anwendung des Verfahrens nach § 112 StPO voraus, das jedoch von vornherein nicht zur Anwendung gelangen könne, dieser Einspruch sei daher zurückzuweisen (ad V.).
In ihrer Gegenäußerung vom 18. Juli 2018 brachten die Einspruchswerber ergänzend vor, sofern sich im Ordner auch Unterlagen befänden, die nicht vom Umgehungsverbot nach § 157 Abs 2 StPO umfasst wären, wäre die Sicherstellung mangels Beweiswerts unzulässig. Die WKStA habe die Relevanz der Unterlagen deutlich zu machen, dies sei jedoch gar nicht möglich, weil der Ordner erst nach Einleitung des Strafverfahrens angelegt worden sei. Die Unterlagen wären ausschließlich zum Zweck der Verteidigung erstellt worden. Im Detail werde zu den einzelnen Dokumenten vorgebracht:
REG 1: handschriftliche Notizen zu allgemeinen Verhältnissen am Arbeitsplatz; die Sicherstellung sei mangels Beweisrelevanz unzulässig.
REG 2: per E-Mail übermittelte Honorarnote des Betroffenen und Antwort des Beschuldigten; die Sicherstellung sei mangels Beweisrelevanz und gemäß § 157 Abs 2 StPO unzulässig.
REG 3: Memo des Betroffenen über die Akteneinsicht in ON 509 ff (anwaltliches Produkt); die Sicherstellung sei mangels Beweisrelevanz und gemäß § 157 Abs 2 StPO unzulässig.
REG 4: 1. Teil: handschriftliche Notizen über ein Gespräch zwischen dem Beschuldigten und dem Betroffenen unter anderem betreffend den Ablauf einer Vernehmung und den Inhalt der schriftlichen Stellungnahme; die Sicherstellung sei mangels Beweisrelevanz und gemäß § 157 Abs 2 StPO unzulässig.
REG 4: 2. Teil: Angebotsergebnisse mit handschriftlichen Anmerkungen zu den Bauvorhaben, welche die WKStA aufgrund des „roten Ordners“ als verdächtig eingestuft habe; dadurch sei unter Beweis gestellt, dass die Unterlagen ausschließlich zur Verteidigung erstellt worden seien; die Sicherstellung sei gemäß § 157 Abs 2 StPO unzulässig.
REG 5 und (gemeint) REG 6: Umsatzstatistiken und Regiesätze, die vom Beschuldigten zur Besprechung mit dem Verteidiger ausgehoben worden seien; die Sicherstellung sei gemäß § 157 Abs 2 StPO unzulässig.
REG 7: handschriftliche Notizen zu einem Gespräch zwischen dem Beschuldigten und dem Betroffenen; eine Seite des „roten Ordners“ ON 26, was beweise, dass der Ordner erst nach Einleitung des Strafverfahrens erstellt worden sei; die Sicherstellung sei gemäß § 157 Abs 2 StPO unzulässig.
REG 8, 9, 10, 11: Angebotsergebnisse mit handschriftlichen Anmerkungen; die Sicherstellung sei mangels Beweisrelevanz und gemäß § 157 Abs 2 StPO unzulässig.
REG 12: Angebotsergebnisse und E-Mails mit handschriftlichen Anmerkungen des Beschuldigten als Vorbereitung der schriftlichen Stellungnahme; die Sicherstellung sei gemäß § 157 Abs 2 StPO unzulässig.
REG 13: Schriftverkehr zwischen dem Beschuldigten und dessen Arbeitgeber, Vertragsentwurf zu Bauvorhaben, eine Honorarvereinbarung, eine Rechtsbelehrung gemäß § 50 StPO, ein Bevollmächtigungsvertrag zwischen Beschuldigtem und dem Betroffenen; die Sicherstellung sei mangels Beweisrelevanz und gemäß § 157 Abs 2 StPO unzulässig.
Das Recht auf effektive Verteidigung umfasse auch die Möglichkeit zur Vorbereitung von Vernehmungen und Stellungnahmen in privaten Räumlichkeiten. Der deutsche BGH habe einen Verstoß gegen Art 6 Abs 3 EMRK durch die Beschlagnahme von Verteidigungsunterlagen des Beschuldigten im Urteil vom 25. Februar 1997 zu 3 StR 490/97 festgestellt. Der von der WKStA behaupteten „reflexartigen Erhebung“ von Widersprüchen sei zu entgegnen, dass zahlreiche Unterlagen sichergestellt worden seien und nur die Sicherstellung des weißen Ordners beeinsprucht worden sei. Es wäre der WKStA auch bei diesem Ordner möglich gewesen, nur nicht immunisierte Teile sicherzustellen, da auch aus einem anderen Ordner des Beschuldigten nur einzelne Seiten sichergestellt worden seien.
Mit dem angefochtenen Beschluss erkannte das Erstgericht, dass die Einsprüche gemäß § 106 Abs 1 StPO (ON 743) des Beschuldigten D* E* und des Betroffenen RA Mag. F* G* abgewiesen (1.) und die Einsprüche gemäß § 112 Abs 3 StPO (ON 743) des Beschuldigten D* E* und des Betroffenen RA Mag. F* G* zurückgewiesen (2.) werden, im Wesentlichen – nachfolgend detailliert dargelegt – mit der Begründung, dass das Vorbringen, die Sicherstellung sei, weil dadurch das Aussageverweigerungsrecht nach § 157 Abs 1 Z 2 StPO umgangen werde, unzulässig, insofern verfehlt sei, als der Umgehungsschutz kein unmittelbares Beweisverbot darstelle, sondern an den Bestand eines Aussageverweigerungsrechts anknüpfe. Der Umgehungsschutz werde durch das in § 157 Abs 2 StPO geschaffene Beweisbeschaffungs- und Beweisverwertungsverbot hinsichtlich jener Informationen, die eine solche Aussage substituieren könnten ergänzt. Auch wenn sich ein Beschuldigter oder dessen Rechtsanwalt als Berufsgeheimnisträger bei der Sicherstellung auf § 157 Abs 2 zweiter Satz StPO berufen, führe dies nicht zwangsläufig dazu, dass eine vorläufige Sicherstellung zwecks genauer Überprüfung aus einer ex-ante-Betrachtung unzulässig sei. Die WKStA habe die notwendige Überprüfung der Unterlagen im Hinblick auf § 157 Abs 2 StPO umgehend veranlasst und eine Verwertung des Inhalts des Ordners habe nicht stattgefunden.
Zum Widerspruch gemäß § 112 StPO führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass ein Widerspruch und das Sichtungsverfahren nach § 112 StPO auf jene Fälle beschränkt sei, in denen sich die sichergestellten Unterlagen und Datenträger beim Berufsgeheimnisträger selbst befänden, weshalb fallkonkret nicht einmal die primäre Hinterlegungsbedingung, nämlich die Berufung der Widersprechenden auf ein in § 112 Abs 1 StPO bezeichnetes Verschwiegenheitsrecht als Prozessvoraussetzung vorgelegen sei, weshalb durch die Nichtannahme der Widersprüche des Beschuldigten E* und des Betroffenen RA Mag. G* mangels Vorliegens der kumulativ notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen, nämlich der Durchsuchung bzw Sicherstellung in Räumlichkeiten von Berufsgeheimnisträgern sowie des Widerspruchs eines (betroffenen) Berufsgeheimnisträgers unter Berufung auf sein gesetzliches Verschwiegenheitsrecht, nicht in deren subjektive Rechte eingegriffen worden sei.
Den Einspruch gemäß § 112 Abs 3 StPO wies es mangels Vorliegens eines Verfahrens nach § 112 StPO zurück.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Beschwerdeführer, im Wesentlichen die Rechtswidrigkeit der Sicherstellung durch Verletzung des Umgehungsschutzes des § 157 Abs 2 zweiter Satz StPO wie nunmehr auch das Fehlen jeglicher Beweisrelevanz des sichergestellten Ordners monierend und bestreitend, dass ein Widerspruchsrecht nach § 112 StPO lediglich bei einer Sicherstellung in den Räumlichkeiten des Berufsgeheimnisträgers zustehe. Darüber hinaus habe die Vorlage der Unterlagen an das Gericht zur Prüfung nach § 157 Abs 2 StPO eine Verfahrensverzögerung und sohin eine Rechtsverletzung bewirkt und die Staatsanwaltschaft habe sich die Kompetenz zur Prüfung, ob ein gesetzlich anerkanntes Verschwiegenheitsrecht behauptet wird, zu Unrecht angemaßt, da diese nur dem Gericht zustehe (ON 930).
Den Beschwerden kommt Berechtigung nicht zu.
Gemäß § 106 Abs 1 StPO steht ein Einspruch an das Gericht jeder Person zu, die behauptet, im Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil ihr entweder die Ausübung eines Rechts nach diesem Gesetz verweigert (Z 1) oder eine Ermittlung oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde (Z 2). Als subjektive Rechte sind somit solche zu verstehen, welche den Betroffenen einen Anspruch auf ein bestimmtes Verfahrensrecht nach der StPO einräumen oder die Voraussetzungen und Bedingungen festlegen, die bei der Ausübung von Zwang gegenüber Betroffenen nach der StPO konkret einzuhalten sind.
Bei der Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechts im Ermittlungsverfahren nach § 106 Abs 1 StPO muss es sich grundsätzlich um das eigene subjektive Recht des Einspruchswerbers handeln ( Pilnacek/Stricker, WK-StPO § 106 Rz 10). Das Gericht hat ausschließlich die Einhaltung der StPO zu prüfen, es ist auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit beschränkt. Eine Verletzung eines subjektiven Rechts liegt nicht vor, soweit das Gesetz von einer bindenden Regelung des Verhaltens von Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei absieht und von diesem Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde. Nur wenn die vom Gesetz gezogenen Grenzen des Ermessensspielraums überschritten werden, liegt Ermessensüberschreitung vor, ist die im Rahmen des Ermessens gewählte konkrete Entscheidung von gesetzesfremden Erwägungen getragen, liegt Ermessensmissbrauch vor ( Pilnacek/Stricker , aaO Rz 20).
Die Überprüfung im Einspruchsverfahren hat grundsätzlich auf Grund einer ex-ante-Betrachtung zu erfolgen ( Fabrizy , StPO 13 § 106 Rz 3 mwN; Pilnacek/Stricker , aaO Rz 19, § 107 Rz 16 und 18).
Unter Darlegung und zutreffender Bejahung eines ausreichend – auch nicht in Beschwerde gezogenen - konkreten Tatverdachts auch inbesondere gegen den von Mitbeschuldigten diesbezüglich belasteten Beschuldigten E*, der allgemeinen und in concreto erfüllten Voraussetzung einer Sicherstellung nach § 110 Abs 1 StPO und der Recht- und Verhältnismäßigkeit sowie Erforderlichkeit der Durchsuchung an den gegenständlichen Wohnörtlichkeiten des Beschuldigten Ing. D* E*, der seit 1. Oktober 2005 Prokurist der I* AG und seit 1. Juni 2011 Prokurist der K* GmbH ist, auf welche Darlegung im Beschluss (AS 11 – AS 14/ON 904) das Beschwerdegericht verweist, erwog das Erstgericht – beschwerderelevant - rechtlich wie folgt (AS 14 ff/ON 904):
„Die Einspruchswerber bringen (weiters) vor, dass die Sicherstellung unzulässig sei, als dadurch das Aussageverweigerungsrecht nach § 157 Abs 1 Z 2 StPO umgangen wurde, wobei zunächst pauschal zum gesamten Ordner vorgebracht wird, es handle sich um Anwaltskorrespondenz, etc, und erst im Einspruchsverfahren vor dem Gericht mit Gegenäußerung vom 18.7.2018 zumindest auf die Ordnerabschnitte eingegangen wird, warum diese von einem Verschwiegenheitsrecht geschützt seien.
Gemäß § 157 Abs 1 Z 2 StPO sind „Verteidiger, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Verfahrensanwälte in Untersuchungsausschüssen des Nationalrats, Notare und Wirtschaftstreuhänder über das, was ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden ist“, zur Verweigerung der Aussage berechtigt. Das Recht auf Verweigerung der Aussage dient dem Schutz des Klienten vor verfassungswidrigem – mittelbarem – Zwang zur Selbstbezichtigung und damit dem Recht des Beschuldigten auf seine Verteidigung (Kirchbacher, aaO, § 157 StPO Rz 9). Der Zweck dieses Aussageverweigerungsrechtes besteht daher in der Sicherstellung einer effektiven Verteidigung und eines fairen Verfahrens durch den Schutz der Vertrauenssphäre zwischen dem Angeklagten und dem Berufsgeheimnisträger.
Das Aussageverweigerungsrecht nach § 157 Abs 1 Z 2 StPO erstreckt sich demgemäß nicht auf alle Lebensbereiche des jeweiligen Berufsgeheimnisträgers, sondern ist auf bestimmte Bereiche eingeschränkt, da eine spezifische Beziehung zwischen der Person, ihrer beruflichen Tätigkeit und der erlangten Information erforderlich ist. Die in § 157 Abs 1 Z 2 StPO genannten Berufsgeheimnisträger sind somit nur hinsichtlich jener Informationen zur Aussageverweigerung berechtigt, die ihnen in ihrer jeweiligen beruflichen Eigenschaft bekannt geworden sind (Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz [Hrsg.] WK StPO [239. Lfg. 2015] Vor §§ 110-115 StPO Rz 18).
Das Aussageverweigerungsrecht nach § 157 Abs 1 StPO ist durch einen Umgehungsschutz abgesichert: Gemäß § 157 Abs 2 erster Satz StPO darf das Recht der in § 157 Abs 1 Z 2 bis 5 StPO angeführten Personen, die Aussage zu verweigern, bei sonstiger Nichtigkeit (siehe § 281 Abs 1 Z 3 StPO) nicht umgangen werden, insbesondere nicht durch Sicherstellung und Beschlagnahme von Unterlagen oder auf Datenträgern gespeicherten Informationen.
Der Umgehungsschutz ist kein unmittelbares Beweisverbot, sondern knüpft an den Bestand eines Aussageverweigerungsrechts an. Er kann daher auch nur soweit reichen, wie ein Aussageverweigerungsrecht besteht. Demgemäß sind nicht alle Gegenstände, die sich bei einem Berufsgeheimnisträger befinden, aufgrund des Umgehungsschutzes des § 157 Abs 2 StPO einer Sicherstellung entzogen. Die Abgrenzung ist nach dem oben dargelegten Zweck des Aussageverweigerungsrechtes zu ziehen. Jedenfalls unterliegen demgemäß etwa Urkunden, die nicht bereits durch die Tatbegehung, sondern erst durch die Ausübung des Mandats entstanden sind, dem Umgehungsschutz und sind der Sicherstellung entzogen. Hingegen sind Gegenstände, die nicht erst durch die Ausübung des Mandats entstanden sind, der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht zugänglich und können sichergestellt werden (vgl zur Abgrenzung der geschützten Unterlagen und Informationen die beispielhaften Aufzählungen bei Tipold/Zerbes, aaO, Vor §§ 110 bis 115, Rz 20, 22 ff; Koller, in Schmölzer/Mühlbacher [Hrsg.], StPO 1: Ermittlungsverfahren [2013], § 157 Rz 50 f). Bereits zuvor vorhandene Papiere können nicht abgeschirmt werden, indem man sie bei einem Berufsgeheimnisträger deponiert (OGH 18.10.2012, 13 Os 66/12y; Zerbes, Durchsuchung und Beschlagnahme in Wirtschaftsstrafsachen, ÖJZ 2012, 93 ff).
Geschützt ist damit die Information des Berufsgeheimnisträgers durch den Mandanten, nicht dagegen sonstiges Beweismaterial – wie etwa Urkunden und sonstige Schriftstücke –, das vom Berufsgeheimnisträger für den Mandanten verwahrt wird und nicht erst zu Informationszwecken hergestellt wurde (RIS Justiz RS0097381).
Gemäß § 157 Abs 2 zweiter Satz StPO gilt der im ersten Satz normierte Umgehungsschutz „ebenso für Unterlagen und Informationen, die sich in der Verfügungsmacht des Beschuldigten oder eines Mitbeschuldigten befinden und zum Zwecke der Beratung oder Verteidigung des Beschuldigten durch eine in § 157 Abs 1 Z 2 StPO genannte Person von dieser oder vom Beschuldigten selbst erstellt wurden“.
§ 157 Abs 2 zweiter Satz StPO wurde im Zuge der Umsetzung der Richtlinie 2013/48/EU über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand im Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzuges (im Folgenden: RL Rechtsbeistand) mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz I 2016, BGBl I Nr 26/2016, eingefügt und ist am 1. Oktober 2016 in Kraft getreten.
Unterlagen und Informationen, die im Zuge der Ausübung des Mandats durch einen in § 157 Abs 1 Z 2 StPO genannten Berufsgeheimnisträger von dieser Person oder vom Beschuldigten selbst erstellt wurden, sind seit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz I 2016 somit unabhängig davon, ob sie sich beim (Mit-)Beschuldigten oder beim Berufsgeheimnisträger befinden, der Sicherstellung und Beschlagnahme entzogen. § 157 Abs 2 StPO stellt damit sicher, dass zwischen dem Rechtsbeistand und dem Beschuldigten im Zuge des Vertretungsverhältnisses schriftlich ausgetauschte oder verschriftlichte bzw gespeicherte Informationen den gleichen Schutz genießen, wie mündlich ausgetauschte Informationen.
Durch § 157 Abs 2 StPO wird damit das Aussageverweigerungsrecht des Berufsgeheimnisträgers durch ein Beweisbeschaffungs- und Beweisverwertungsverbot hinsichtlich solcher Informationen abgesichert, die eine solche Aussage substituieren könnten (vgl Riffel, Einige Überlegungen zur Verwertbarkeit von Unterlagen von „Parteienvertretern“ in der Hauptverhandlung, RZ 2016, 159 [160]).
Demnach besteht für Verteidigerkorrespondenz grundsätzlich auch beim Beschuldigten ein Sicherstellungsverbot.“
Das Erstgericht ist in diesen – bereits im Beschluss vom 25. Juni 2018 und vom Oberlandesgericht Wien in seiner Beschwerdeentscheidung (AZ 17 Bs 198/18v) dargelegten - rechtlichen Erwägungen zu dem in § 157 Abs 1 Z 2 StPO normierten Aussageverweigerungsrecht für dort explizit angeführte Berufsgeheimnisträger zum Zweck der Sicherstellung einer effektiven Verteidigung und eines fairen Verfahrens durch den Schutz der Vertrauenssphäre zwischen dem Beschuldigten und dem Berufsgeheimnisträger im Recht. Ebenso treffen die rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts dazu, welche Unterlagen dem Aussageverweigerungsrecht im Sinn des leg cit unterliegen und dass dieses Recht durch einen in § 157 Abs 2 StPO normierten Umgehungsschutz abgesichert ist, zu.
Nunmehr ist jedoch – entgegen der Erwägung des Erstgerichts – zu differenzieren:
Zum Einspruch des Betroffenen RA Mag. G* nach § 106 Abs 1 StPO iVm § 157 Abs 1 Z 2, Abs 2 StPO:
Wie das Erstgericht zutreffend ausführt, macht der Umgehungsschutz die gegenständliche Sicherstellung nicht von Vornherein unzulässig.
Präzisierend zu ergänzen ist, dass bei der gesetzlichen Ausgestaltung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht kein allgemeines Verbot der Verwertung anwaltlicher Kommunikation oder (sonstiger) dem Berufsgeheimnis unterliegender Unterlagen normiert wurde, sondern bloß ein Recht des Berufsgeheimnisträgers, die Aussage bezüglich solcher Informationen zu verweigern (§ 157 Abs 1 Z 2 StPO), wobei dieses Aussageverweigerungsrecht zusätzlich durch ein Umgehungsverbot (§§ 144 Abs 2; 157 Abs 2 StPO) abgesichert wurde (vgl OLG Wien 19 Bs 297/17s).
In der Tat führt der Umstand, dass sich ein Beschuldigter oder dessen Rechtsanwalt als berechtigter Berufsgeheimnisträger bei der Sicherstellung auf § 157 Abs 2 zweiter Satz StPO beruft, nicht zwangsläufig dazu, dass eine (vorläufige) Sicherstellung zwecks genauerer Überprüfung dessen unzulässig ist. Dies würde nämlich zur Folge haben, dass beispielsweise die bloße Betitelung eines Ordners als Verteidigerkorrespondenz, das Einschlichten einzelner Notizen aus einem Verteidigergespräch in einem auch anderes Beweismaterial enthaltenden Ordner oder auch nur die Berufung auf § 157 Abs 2 StPO die Möglichkeit eröffnen würde, belastendes Beweismaterial der Sicherstellung durch die Strafverfolgungsbehörden zu entziehen.
Wie das Erstgericht ausführt, befinden sich im Ordner unter anderem Angebotsergebnisse, Kostenübersichten, Leistungsverzeichnisse, Übersichten etc zu verfahrensgegenständlichen Bauvorhaben. Auch bereits nach dem Vorbringen der Einspruchswerber enthält der Ordner Unterlagen zu verfahrensgegenständlichen Bauvorhaben, welche der Beschuldigte ausgehoben hat. Weshalb diesen im Ordner enthaltenen Unterlagen – wie von den Beschwerdeführern vorgebracht – keine Beweisrelevanz zukommen soll, ist dem Beschwerdegericht, wie schon dem Erstgericht, nicht ersichtlich. Zutreffend verwies das Erstgericht auch darauf, dass das Vorbringen, dass die Erstellung des Ordners erst nach Einleitung des Strafverfahrens gegen den Beschuldigten die Sicherstellung hindern soll, bzw die Tatsache, dass es sich um bloße Kopien von Unterlagen handle, der Sicherstellung entgegenstehe, nicht nachvollziehbar ist, kann doch die Sicherstellung von Beweismaterial nicht dadurch verhindert werden, dass der Beschuldigte dieses nach Einleitung der Ermittlungen sichtet bzw zusammenträgt, selbst wenn dies aus Sicht des Beschuldigten der Vorbereitung seiner Verteidigung dienen soll.
Hinzuweisen ist darauf, dass sich im Ordner viele Unterlagen wie zB Schriftverkehr zwischen dem Beschuldigten und seiner Arbeitgeberin, Angebotsergebnislisten, E Mails aus dem Jahr 2013 etc befinden, die nicht prima vista offensichtlich zum Zweck der Beratung oder zum Zweck der Verteidigung vom Beschuldigten oder dem Einspruchswerber erstellt worden sind. Selbst wenn der Inhalt solcher Unterlagen dem betroffenen Einspruchswerber bekannt gewesen wäre, wären sie nicht allein schon auf Grund dieser Kenntnisnahme des Berufsgeheimnisträgers geschützt ( Kirchbacher , WK StPO § 157 Rz 17).
Wie bereits vom Erstgericht dargelegt, ist der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Wien (17 Bs 370/14g und 17 Bs 371/14d) folgend bei einer Durchsuchung das volle Absaugen von elektronischen Daten ohne Aussonderung vor Ort zulässig. Dies muss genau so auch bei einer Sicherstellung von physischen Unterlagen in umfangreichen Verfahren gelten. Hinsichtlich der schriftlichen Aufzeichnungen des Beschuldigten im Aktenordner ist auch die Behauptung des Einspruchswerbers, dass er bereits in Kenntnis des Inhalts dieser Aufzeichnungen war, ohne ergänzende Information nicht nachvollziehbar und zumindest überprüfungsbedürftig. Eine vorläufige Sicherstellung wie hier, bei der Grobsichtung der Unterlagen vor Ort - wobei explizit darauf hingewiesen wurde, dass bei der Einsatzbesprechung sämtliche Ermittler angewiesen wurden, nach bestimmten Suchworten zu suchen und im Zuge der Vielzahl an Hausdurchsuchungen auch Einsatzkräfte eingesetzt wurden, die nicht unmittelbar in die Sachbearbeitung dieses Ermittlungsverfahrens involviert waren -, zur Überprüfung der Behauptung des Vorliegens von Anwaltskorrespondenz, die einer Sicherstellung und Beschlagnahme entzogen ist, ist zulässig. Durch die nicht gezielte Sicherstellung allfälliger behaupteter Verteidigerkorrespondenz im Sinn des § 157 Abs 2 zweiter Satz StPO, von welchen Unterlagen bloß Kopien angefertigt wurden und deren Inhalte in keiner Weise verwertet, sondern nur zur Beurteilung gemäß § 157 Abs 2 StPO durchgesehen wurden, wurde der Betroffene in seinen Rechten nicht verletzt.
Zutreffend führte das Erstgericht dazu weiter aus, dass, wenn auch die vorläufige Sicherstellung nicht zu beanstanden ist, danach auf begründeten Antrag des von der Sicherstellung betroffenen Berufsgeheimnisträgers eine Prüfung vorzunehmen und allfällige Verteidigerkorrespondenz zurückzustellen oder zu vernichten ist, welchem Prüferfordernis die WKStA, die umgehend eine derartige Evaluierung veranlasste (ON 770 AS 3), obwohl zunächst pauschal der gesamte Ordnerinhalt ohne genaue Bezeichnung als gemäß § 157 Abs 2 StPO geschützt moniert wurde, nachkam.
Die gegenständliche aufgrund von Beweisrelevanz erfolgte Sicherstellung trotz Berufung auf § 157 Abs 2 StPO durch den betroffenen Rechtsanwalt zur unmittelbar darauffolgenden Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 157 Abs 1 und Abs 2 StPO, die auch veranlasst wurde, ohne dass der Ordnerinhalt einer Verwertung zugeführt wurde, ist daher bei ex ante Betrachtung nicht zu beanstanden und verletzt den betroffenen Einspruchswerber nicht in seinem subjektiven Recht.
Dem Beschwerdevorbringen zuwider vertrat das Erstgericht nicht die Rechtsansicht, dass die zum Zwecke der Verteidigung ausgehobenen und mit handschriftlichen Notizen versehenen Unterlagen nicht vom Umgehungsschutz des § 157 Abs 2 zweiter Satz StPO umfasst sind, sondern hielt lediglich prinzipiell fest, dass allgemein die Erstellung eines Ordners erst nach Einleitung des Strafverfahrens gegen den Beschuldigten per se die Sicherstellung nicht hindern kann. Es sprach jedoch dem Inhalt des Ordners damit nicht konkret die Qualität immunisierter Unterlagen ab, sondern beantwortete diese Frage in seiner rechtlichen Konklusio ausdrücklich positiv und hielt fest, dass die bei näherer Überprüfung des Ordners ausgemachte Verteidigerkorrespondenz nunmehr umgehend zu vernichten oder an den Beschuldigten auszufolgen sein werde (ON 904 Seite 17 f).
Zum Einspruch des Beschuldigten E* nach § 106 Abs 1 iVm § 157 abs 1 Z 2, Abs 2 StPO:
Zusätzlich zu den eingangs dargestellten zutreffenden Erwägungen zu § 157 Abs 1 Z 2 und Abs 2 StPO ist hinsichtlich des Einspruchs des Beschuldigten zu erwägen:
Der mit BGBl I Nr 26/2016 neu eingefügte und seit 1. November 2016 in Kraft getretene zweite Satz des § 157 Abs 2 StPO erweitert diesen Umgehungsschutz nun auch auf solche Unterlagen und Informationen, die sich in der Verfügungsmacht des Beschuldigten oder eines Mitbeschuldigten befinden und zum Zweck der Beratung oder Verteidigung des Beschuldigten durch einen der in § 157 Abs 1 Z 2 StPO angeführten Berufsgeheimnisträger von diesem oder vom Beschuldigten erstellt wurden.
Dazu ist vorauszuschicken, dass bereits vor Erweiterung dieses Umgehungsschutzes kein generelles Durchsuchungsverbot in Bezug auf Räumlichkeiten eines nicht dringend tatverdächtigen Parteienvertreters iSd § 157 Abs 1 Z 2 StPO bestand (OGH 13 Os 66/12y). Die §§ 157 Abs 2 und 144 Abs 2 StPO verbieten nicht jegliche Verwertung von Unterlagen und es gibt keine gesetzliche Grundlage, wonach Unterlagen von Berufsgeheimnisträgern dem staatlichen Zugriff stets und jedenfalls entzogen wären. Das Aussageverweigerungsrecht – und somit das Umgehungsverbot – ist vielmehr, wie bereits ausgeführt, ganz spezifisch auf jene Umstände begrenzt, die den Berufsgeheimnisträgern bei Tätigkeiten, die sie bei der Berufsausübung regelmäßig zu verrichten haben oder sonst in unmittelbarem Bezug dazu stehen, zur Kenntnis gelangen (RIS-Justiz RS0105934) bzw die vom Geheimnisträger in dessen beruflicher Eigenschaft bekannt gewordenes Wissen enthalten ( Tipold/Zerbes, WK-StPO Vor §§ 110 – 115 Rz 20).
Fallkonkret liegt nur ein ganz spezifisch die Umgehung des Aussageverweigerungsrechts des Berufsgeheimnisträgers betreffendes Beweismittelverbot, nicht jedoch ein Beweisthemenverbot vor. Der gesamte Berufsgeheimnisschutz ist also an das Aussageverweigerungsrecht geknüpft, daher gewährt ihn die StPO nach dem Gesetzeswortlaut auch nur, wenn dieses Recht tatsächlich besteht.
Die neue Bestimmung in § 157 Abs 2 StPO (bereits dem Wortlaut nach) ändert daran nichts, da durch den Wortlaut des § 157 Abs 1 Z 2 StPO klargestellt ist, dass durch diese Bestimmung nicht der Kreis der Personen, deren Aussageverweigerungsrecht durch einen mit Nichtigkeit bedrohten Umgehungsschutz abgesichert ist, erweitert wurde. Die Bestimmung bezieht sich ausschließlich auf die in § 157 Abs 1 Z 2 StPO genannten Personen und demzufolge gilt das Umgehungsverbot nur, sofern ein Recht der in dieser Bestimmung genannten Personen auf Aussageverweigerung durch die Sicherstellung von Unterlagen bei einem (Mit-) Beschuldigten umgangen würde.
Der Gesetzgeber hat somit in § 157 Abs 2 zweiter Satz StPO kein neues Sicherstellungsverbot geschaffen, sondern auch diese Konstellation ist als bloßer Unterfall des Umgehungsverbots nach § 157 Abs 1 StPO geregelt. Das ergibt sich aus der systematischen Einordnung des neuen Satzes in § 157 Abs 2 StPO, aus den Gesetzesmaterialien und auch der Wortlaut der Bestimmung („dies gilt ...“) kann sich nach grammatikalischer Auslegung nur auf den Inhalt des vorangestellten Satzes beziehen und daher auf das dort normierte Verbot (das Recht, die Aussage zu verweigern, darf nicht umgangen werden). Die Bestimmung bezieht sich ausschließlich auf die in § 157 Abs 1 Z 2 StPO genannten Berufsgeheimnisträger, denen ihr gesetzlich normiertes Aussageverweigerungsrecht zusteht und verstärkt dieses, indem es eine Umgehung verbietet (vgl auch Stricker, Das Umgehungsverbot [§ 157 Abs 2 StPO] nach dem StRÄG 2016 I, ÖJZ 2018, 498).
Das in der StPO das Berufsgeheimnis schützende Aussageverweigerungsrecht des jeweiligen Geheimnisträgers ist ein höchstpersönliches Recht des Berufsgeheimnisträgers (OGH 13 Os 124/97; 14 Os 20/06g; 14 Os 104/08p; 13 Os 110, 111/96; Kirchbacher in WK-StPO § 157 Rz 18, Stricker aaO mwN), das nicht auf andere Personen übertragen werden kann und auf das der Berufsgeheimnisträger auch gegen den Willen seines Mandanten verzichten kann. Der Verteidiger, Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar oder Wirtschaftstreuhänder verliert sein Recht auf Verweigerung der Aussage nicht durch eine Entbindung von der beruflichen Verschwiegenheitspflicht seitens des Mandanten; es handelt sich um ein ihm höchstpersönliches Recht, dessen Ausübung – auch bei Entbindung – berufsadäquater Ausübung unterliegen soll ( Kirchbacher aaO Rz 18 mwN).
Sohin kann eine allfällige Umgehung dieses höchstpersönlichen Rechtes auch nur von dem Berufsgeheimnisträger, dem dieses Recht eingeräumt ist, releviert werden.
Wie bereits ausgeführt steht der Rechtsbehelf nach § 106 Abs 1 StPO nur jener Person zu, die behauptet, in einem ihr nach der StPO zustehenden subjektiven Recht verletzt worden zu sein.
§ 157 Abs 2 zweiter Satz StPO dient lediglich der weiteren Absicherung dieses Aussageverweigerungsrechts, sodass die vom Erstgericht vertretene Rechtsansicht, dass die Bestimmung anderen als den in § 157 Abs 1 Z 2 StPO genannten Berufsgeheimnisträgern ein subjektives Recht einräumt, das fremde höchstpersönliche Aussageverweigerungsrecht geltend zu machen, weder mit dem Gesetzeswortlaut noch mit der Intention des Gesetzgebers in Einklang zu bringen ist.
Da der Einspruchswerber D* E* nicht zu den in § 157 Abs 1 Z 2 StPO angeführten Berufsgeheimnisträgern gehört, kann er somit auch nicht erfolgreich eine allfällige Verletzung des Aussageverweigerungsrechts nach § 157 Abs 1 Z 2 StPO durch Umgehung desselben in Form der Sicherstellung von in seiner Verfügungsmacht befindlichen Unterlagen und Daten geltend machen.
Im Lichte dieser Erwägungen wurde der Beschuldigte sohin nicht nur nicht in dem nicht ihm zustehenden Recht auf Umgehungsschutz nach § 157 Abs 2 StPO, sondern auch nicht in seinem Recht auf Verteidigung und ein faires Verfahren nach § 7 StPO oder Art 6 EMRK verletzt (vgl hiezu OLG Wien 17 Bs 198/18v).
Zum Einspruch des Betroffenen RA Mag. G* gemäß § 106 Abs 1 StPO iVm § 112 Abs 1 StPO wegen Verweigerung des Rechts auf Widerspruch und Versiegelung gemäß § 112 Abs 1 StPO:
Das Erstgericht kam, inhaltlich übereinstimmend mit der Äußerung der Bundesregierung vom 14. Juli 2017 zu den Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu § 112 Abs 1 StPO, AZ G 83/2017 und G 86/2017, und den Erwägungen in seinem Beschluss vom 3. Jänner 2018 (ON 522), vollinhaltlich bestätigt durch Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien zu 17 Bs 27/18x, zum Schluss, dass die Durchführung eines Sichtungsverfahrens gemäß § 112 StPO nach Erhebung eines Widerspruchs bei Sicherstellungen in Bauunternehmen oder Privaträumlichkeiten nicht in Betracht kommt (AS 18 ff/ON 904):
„ Gemäß § 111 Abs 1 StPO ist grundsätzlich jede Person, die sicherzustellende Gegenstände oder Vermögenswerte in ihrer Verfügungsmacht hat, verpflichtet, diese auf Verlangen der Kriminalpolizei herauszugeben oder die Sicherstellung auf andere Weise zu ermöglichen. Die Verpflichtung richtet sich damit an den Inhaber einer Sache, denn nur dieser hat die Verfügungsmacht über den betreffenden Gegenstand oder Vermögenswert (Bertel/Venier, Kommentar zur StPO [2012] § 111 Rz 1). Die Pflicht zur Herausgabe bzw Mitwirkung trifft jedermann, somit auch vom Beschuldigten verschiedene Personen (sogenannte „Editions- und Mitwirkungspflicht“, vgl Kroschl in Schmölzer/Mühlbacher [Hrsg.], StPO 1: Ermittlungsverfahren [2013], § 111 Rz 1). Die Editions- und Mitwirkungsverpflichtung kann gemäß § 111 Abs 1 zweiter Satz StPO erforderlichenfalls auch mittels Durchsuchung von Personen oder Wohnungen erzwungen werden.
Der von der Sicherstellung betroffenen Person ist gemäß § 111 Abs 4 StPO sogleich oder längstens binnen 24 Stunden eine Bestätigung über die Sicherstellung auszufolgen oder zuzustellen; sie ist weiters über das Recht zu informieren, gemäß § 106 StPO Einspruch zu erheben oder gemäß § 115 StPO eine gerichtliche Entscheidung über die Aufhebung oder Fortsetzung der Sicherstellung („Beschlagnahme“) zu beantragen. Von der Sicherstellung „betroffen“ sind der Inhaber sowie, wenn der Inhaber selbst nicht Eigentümer ist, der Eigentümer (Tipold/Zerbes, aaO, § 111 StPO Rz 23 mit Verweis auf § 48 Abs 1 Z 3 StPO).
Beschränkungen der Editions- und Mitwirkungsverpflichtung ergeben sich für Unterlagen und Informationen, die durch ein Umgehungsverbot vor Sicherstellung und Beschlagnahme geschützt sind (Bertel/Venier, aaO, § 111 Rz 3). Soweit ein Geheimnis als solches vor der Aufdeckung im Strafverfahren geschützt ist, darf dem von einer Aussagepflicht befreiten Geheimnisträger auch ein Sachbeweis nicht abgenommen werden (Tipold/Zerbes, aaO, § 111 StPO Rz 2). Soweit eine Person keine Verpflichtung zur Aussage trifft, darf sie auch nicht durch Beugemittel gezwungen werden, durch Herausgabe ihrer Sachen Beweise preiszugeben (Tipold/Zerbes, aaO, § 111 StPO Rz 9). Unzulässig sind daher alle Maßnahmen – insbesondere im Bereich einer Haus- oder Personendurchsuchung oder die Durchsuchung von Papieren –, die ein entsprechend geschütztes Aussageverweigerungsrecht unterlaufen (Kirchbacher, aaOm § 157 StPO Rz 32).
Die Strafprozessordnung normiert in bestimmten Fällen unbedingte („absolute“) Zeugnis- bzw Aussageverweigerungsrechte. Zeugen, denen ein solches Recht zukommt, können eine Aussage vor der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht ganz oder in bestimmtem Umfang verweigern. Soweit ein solcher Verweigerungsgrund vorliegt, muss der Zeuge in diesem Bereich in keinem Fall aussagen, selbst dann nicht, wenn seine Angaben für die Wahrheitsfindung unerlässlich wären (Kirchbacher in Fuchs/Ratz [Hrsg.] WK-StPO [194.Lfg. 2013] § 156 StPO Rz 3).
Ein solches absolutes Recht zur Aussageverweigerung wird etwa in § 157 Abs 1 Z 2 StPO zugunsten von Berufsgeheimnisträgern normiert (nähere Ausführungen zu § 157 Abs 1 und 2 StPO siehe bereits oben).
Wird eine Sicherstellung entgegen dem Verbot des § 157 Abs 2 StPO vorgenommen, stehen folgende Rechtsmittel zur Verfügung: Gegen die im Ermittlungsverfahren erfolgende Anordnung der Sicherstellungen durch die Staatsanwaltschaft kann gemäß § 106 Abs 1 Z 2 StPO Einspruch an das Gericht wegen Verletzung eines subjektiven Rechts erhoben werden. Gemäß § 106 Abs 4 StPO hat (zunächst) die Staatsanwaltschaft zu prüfen, ob die behauptete Rechtsverletzung vorliegt. Soweit der Einspruch berechtigt ist, hat ihm die Staatsanwaltschaft zu entsprechen; der Einspruchswerber ist über die entsprechend getroffenen Maßnahmen zu verständigen und über das Recht zu informieren, mit der Behauptung, dass seinem Einspruch nicht entsprochen wurde, eine Entscheidung des Gerichts zu verlangen. Diesfalls sowie dann, wenn die Staatsanwaltschaft dem Einspruch nicht binnen vier Wochen entspricht, ist der Einspruch gemäß § 106 Abs 5 StPO an das Gericht weiterzuleiten. Gibt das Gericht dem Einspruch in weiterer Folge statt, sind Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei gemäß § 107 Abs 4 StPO verpflichtet, den entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Die von einer Sicherstellung betroffene Person kann auch eine gerichtliche Entscheidung über die Aufhebung oder Fortsetzung der Sicherstellung („Beschlagnahme“ gemäß § 115 StPO; zur Definition der Beschlagnahme vgl § 109 Z 2 lit a StPO) beantragen […]
Sofern geschützte Unterlagen unrechtmäßig Eingang in die Hauptverhandlung finden, kann dies zur Nichtigkeit des Urteils führen: Wird das Aussageverweigerungsrecht im Ermittlungsverfahren – durch die Kriminalpolizei, die Staatsanwaltschaft oder das Gericht – missachtet und wird das Protokoll oder ein anderes nichtiges Schriftstück über eine nichtige Erkundigung oder Beweisaufnahme im Ermittlungsverfahren trotz Widerspruchs des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung verlesen, kann Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 281 Abs 1 Z 2 StPO erhoben werden (Kirchbacher in Fuchs/Ratz [Hrsg.] WK-StPO [194. Lfg. 2013] § 156 StPO, Rz 15; Ratz in Fuchs/Ratz [Hrsg.] WK-StPO [222. Lfg. 2015] § 281 StPO, Rz 38-59, 169-172, 180 f). Unterläuft der Fehler dem Gericht in der Hauptverhandlung, kann Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 281 Abs 1 Z 3 StPO erhoben werden (Kirchbacher, aaO, § 156 StPO, Rz 15; Ratz, aaO, § 281 Rz 219 f, 223 f).
Zusätzlich zu diesen Möglichkeiten Sicherstellungen, die unter Verletzung des Umgehungsschutzes des § 157 Abs 2 StPO vorgenommen wurden, zu bekämpfen, sieht § 112 StPO für die Sicherstellung von schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträgern bei Berufsgeheimnisträgern ein besonderes Widerspruchs- und Sichtungsverfahren vor (vgl hierzu die Äußerung der Bundesregierung vom 14. Juli 2017 zu den Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof G 83/2017 und G 86/2017).
Zum Widerspruch nach § 112 StPO berechtigt ist „die von der Sicherstellung betroffene oder anwesende Person“.
Bei den von der Sicherstellung betroffenen Personen handelt es sich um jenen Berufsgeheimnisträger , der die sichergestellte Sache in seiner Verfügungsmacht hatte (Kroschl, aaO, § 112 StPO, Rz 1 f; Schmieder/Singer, Das neue Widerspruchsrecht nach § 112 StPO, JSt 2012, 176; vgl auch die Ausführungen im Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 7. April 2017, GZ 334 HR 436/08g, S 32 ff; weitergehend ohne nähere Begründung Tipold/Zerbes, aaO, § 112 StPO Rz 10/1, die neben dem genannten Personenkreis hinsichtlich einiger spezieller Unterlagen auch anderen Gewahrsamsinhabern als dem Geheimnisträger ein Widerspruchsrecht zubilligen; Stricker, Schutz von Berufsgeheimnissen - Zum Widerspruch nach § 112 StPO, ÖJZ 2016, 539 [540]).
Die Wortfolge „oder anwesende“ soll auch jene Personen zum Widerspruch berechtigen, die das Anwesenheitsrecht des jeweiligen Geheimnisträgers substituieren und dessen Widerspruchsrecht vertretungsweise ausüben (vgl den Bericht des Justizausschusses 1700 BlgNR 24. GP, 2). Darunter fallen zunächst Personen, die für den Berufsgeheimnisträger arbeiten, wie Kanzleibedienstete, Berufsanwärter oder Hilfskräfte (Tipold/Zerbes, aaO, § 112 StPO Rz 10/1). Bei Rechtsanwälten, Notaren und Wirtschaftstreuhändern kann der Widerspruch auch durch den gemäß § 121 Abs 2 letzter Satz StPO der Durchsuchung zwingend beizuziehenden Vertreter der jeweiligen gesetzlichen Interessenvertretung vertretungsweise ausgesprochen werden (AB 1700 BlgNR 24. GP, 2).
§ 112 Abs 1 StPO setzt zusammengefasst somit den Widerspruch einer von der Sicherstellung betroffenen oder (dabei in deren Vertretung) anwesenden Person voraus, die sich auf ein gesetzlich anerkanntes Recht auf Verschwiegenheit beruft, das bei sonstiger Nichtigkeit nicht durch Sicherstellung umgangen werden darf. Von der Sicherstellung betroffen ist jene Person, welche die sichergestellten schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträger in ihrer Verfügungsmacht hat (OGH 11.10.2017, 13 Os 94/17y, 13 Os 95/17w, 13 Os 96/17t, 13 Os 97/17i). […]
Dieser zusätzliche Rechtsschutz des § 112 StPO kommt (ausschließlich) Berufsgeheimnisträgern aufgrund folgender Erwägungen zu:
Das Recht eines Beschuldigten auf ungehinderten Kontakt mit seinem Rechtsbeistand stellt einen wesentlichen Gesichtspunkt des Rechts auf Beiziehung eines Rechtsbeistandes gemäß Art 6 Abs 3 lit c EMRK dar und wird vom EGMR in ständiger Rechtsprechung als eine der Grundvoraussetzungen eines fairen Verfahrens anerkannt: Könnte der Rechtsbeistand von seinem Mandanten keine vertraulichen Informationen erhalten, würde der anwaltliche Beistand viel von seinem Nutzen verlieren, was dem Zweck der EMRK, praktisch und wirksam zu sein, entgegenstünde (EGMR 25.7.2013, Khodorkovskiy und Lebedev gegen Russland, Appl 11082/06, Rz 627 mwN; VfSlg 10.291/1984 [700]; vgl dazu auch Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention 6 [2016] § 24 Rz 126; Grabenwarter in Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht [8. Lfg. 2007] Art 6 EMRK Rz 203).
Erfordert aber die Beiziehung eines Rechtsbeistandes notwendigerweise auch den ungehinderten Austausch von – auch schriftlichen – Informationen, würde die Möglichkeit der Beschlagnahme solcher Informationen eine effektive Vertretung der Interessen des Beschuldigten in einem Verfahren verhindern und damit das Gebot des fairen Verfahrens gemäß Art 6 EMRK verletzen (VfSlg 10.291/1984 [700, 705]; 13.656/1993).
Das Gebot des ungehinderten Kontakts mit dem Verteidiger steht daher der Erlangung von Beweismitteln aus der Sphäre des Verteidigers grundsätzlich entgegen (Grabenwarter, aaO, Art 6 EMRK Rz 204). Hausdurchsuchungen und Sicherstellungen bei Verteidigern sind zwar nicht per se ausgeschlossen. Da die Durchsuchung – und allfällige Sicherstellung – von Unterlagen des Verteidigers eines Beschuldigten jedenfalls in das durch Art 6 Abs 3 lit c EMRK geschützte Recht eingreifen, prüft der EGMR diesfalls besonders genau, ob zwingende Gründe für die Maßnahme vorhanden waren und ob angemessene verfahrensrechtliche Schutzmaßnahmen getroffen wurden (EGMR 24.7.2008, Andre ua. Gegen Frankreich, Appl. 18603/03, Rz 41; EGMR, Khodorkovskiy und Lebedev gegen Russland, Rz 633 f mwN).
Insbesondere ergibt sich aus Art 6 Abs 3 EMRK, aber auch aus Art 90 Abs 2 B-VG, kein Recht des Beschuldigten auf die Einräumung bestimmter verfahrensrechtlicher Instrumente, wie etwa auf Durchführung eines Sichtungsverfahrens.
§ 157 Abs 1 Z 2 StPO normiert das Recht von Verteidigern, Rechtsanwälten, Patentanwälten, Verfahrensanwälte in Untersuchungsausschüssen des Nationalrats, Notaren und Wirtschaftstreuhändern zur Verweigerung der Aussage über das, was ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden ist. Zweck dieses Aussageverweigerungsrechtes ist die Sicherstellung einer effektiven Verteidigung und eines fairen Verfahrens durch den Schutz der Vertrauenssphäre zwischen dem Angeklagten und dem Berufsgeheimnisträger.
Dieses Aussageverweigerungsrecht ist, wie bereits dargelegt, gemäß § 157 Abs 2 StPO durch einen umfassenden Umgehungsschutz abgesichert. […]
Werden solche geschützten Informationen unter Missachtung des Verbots des § 157 Abs 2 StPO dennoch sichergestellt bzw beschlagnahmt, stehen jedem davon Betroffenen – wie bereits oben ausgeführt – die Rechtsmittel des Einspruchs gemäß § 106 StPO, des Antrags auf gerichtliche Entscheidung über die Aufhebung oder Fortsetzung der Sicherstellung (§ 115 StPO) und - sofern (auch) ein gerichtlicher Beschluss vorliegt – der Beschwerde gemäß § 87 StPO offen.
Durch diese Rechtsmittel ist sichergestellt, dass zeitnah über die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung bzw Beschlagnahme entschieden wird und diese, im Falle ihrer Rechtswidrigkeit, beendet wird.
Das Sicherstellungs- bzw Beschlagnahmeverbot, die Rechtsmittel gegen Sicherstellungen bzw Beschlagnahmen und die Nichtigkeitssanktion bei rechtswidrigen Sicherstellungen bzw Beschlagnahmen gelten unabhängig davon, ob sich die Unterlagen bzw Datenträger beim Berufsgeheimnisträger selbst oder beim (Mit-)Beschuldigten befinden.
Das Sichtungsverfahren, wie es in § 112 StPO vorgesehen ist, ist auf jene Fälle beschränkt , in denen sich die sichergestellten Unterlagen und Datenträger beim Berufsgeheimnisträger selbst befinden (vgl. OGH 10.11.2017, 13 Os 94/17y ua.). Damit wird der besonderen Sensibilität solcher Ermittlungsmaßnahmen bei Berufsgeheimnisträgern Rechnung getragen. Im Rahmen einer zulässigen Durchschnittsbetrachtung kann nämlich davon ausgegangen werden, dass sich in der Gewahrsame eines Berufsgeheimnisträgers überwiegend Unterlagen befinden, die nicht bereits durch die Tatbegehung, sondern erst durch die Ausübung des Mandats entstanden sind.
Bei einer Sicherstellung bei einem Berufsgeheimnisträger ist daher – im Unterschied zu einer Sicherstellung bei einem Beschuldigten – die Wahrscheinlichkeit, dass Unterlagen sichergestellt werden könnten, die das vertrauliche Verhältnis zwischen Beschuldigtem und Berufsgeheimnisträger betreffen, besonders hoch. Zum anderen wird damit der besonderen Stellung von Berufsgeheimnisträgern im Rahmen des strafprozessualen Verfahrens Rechnung getragen. Diese besondere Stellung zeigt sich neben dem absoluten Aussageverweigerungsrecht etwa an der verpflichtenden Anwesenheit eines Kammervertreters bei Durchsuchungen (§ 121 Abs 2 letzter Satz StPO), einem allgemeinen Umgehungsverbot (§ 144 Abs 2 StPO) und den besonderen Kontrollrechten des Rechtsschutzbeauftragten (§ 147 Abs 1 Z 5 und Abs 2 letzter Satz StPO).
Schließlich darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass ein Sichtungsverfahren zu einer Verzögerung des Ermittlungsverfahrens führt, die – im Hinblick auf das Recht auf eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist und das grundsätzliche Beschleunigungsgebot – aus den soeben genannten Gründen eben nur zum besonderen Schutz von Unterlagen bzw Datenträgern bei Berufsgeheimnisträgen in Kauf genommen werden soll.
Das Widerspruchs- und Sichtungsverfahren des § 112 StPO ist daher auf Unterlagen bzw Datenträger beschränkt, die sich in der Gewahrsame des Berufsgeheimnisträgers befinden, auch im Hinblick auf das bestehende hohe Schutzniveau, das die Korrespondenz zwischen dem Beschuldigten und seinem Vertreter auch dann genießt, wenn sich die Unterlagen bzw Datenträger in der Gewahrsame des Beschuldigten befinden. Das Widerspruchsrecht des § 112 StPO bezieht sich somit in der Konsequenz ausschließlich auf Sicherstellungen, die in den Räumlichkeiten des Berufsgeheimnisträgers vorgenommen werden.
Die Beschränkung des Widerspruchsrechts auf Unterlagen bzw Datenträger, die sich in Gewahrsame des Berufsgeheimnisträgers befinden, entspricht auch dem besonderen Charakter des Sichtungsverfahrens als einen zusätzlichen Rechtsbehelf, der auf die besondere Sensibilität von Sicherstellungen bei Berufsgeheimnisträgern und deren besonderer Stellung im strafprozessualen Ermittlungsverfahren Bedacht nimmt (vgl hierzu Äußerung der Bundesregierung vom 14. Juli 2017 zu den Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof G 83/2017 und G 86/2017).“
Diesen Ausführungen sind die bereits in diesem Verfahren zu 17 Bs 27/18x (Beschwerdeführer ua K* GmbH und I* AG) zusätzlich angeführten Erwägungen anzuschließen:
Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs ist eine von der Sicherstellung betroffene Person, welche die sichergestellten schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträger in ihrer Verfügungsmacht hat (OGH 13 Os 94/17y ua).
Gemäß § 112 Abs 2 StPO ist der von der Sicherstellung Betroffene aufzufordern, jene Teile der Aufzeichnungen oder Datenträger konkret zu bezeichnen, deren Offenlegung eine Umgehung seiner Verschwiegenheit bedeuten würde (vgl OGH 13 Os 94/17y ua). Ein Widerspruch nach § 112 StPO kann sohin nur bei der Sicherstellung von schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträgern, die im Besitz eines in § 157 Abs 1 Z 1 bis 4 StPO und § 155 Abs 1 Z 1 StPO angeführten Geheimnisträgers sind, erhoben werden („die von der Sicherstellung betroffene Person“).
Der Widerspruch kann entweder von dem betroffenen Geheimnisträger selber oder von einer Person, die das Anwesenheitsrecht des jeweiligen Geheimnisträgers substituiert, erhoben werden („oder anwesende Person“), und zwar nur unter Berufung auf das dem von der Sicherstellung betroffenen Geheimnisträger selbst zustehende Recht auf Verschwiegenheit (vgl die Äußerung der Bundesregierung vom 14. Juli 2017 zu den Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof G 83/2017 und G 86/2017, GZ BKA-604.549/0004-V/5/2017). Von dieser Voraussetzung, dass lediglich dem betroffenen Berufsgeheimnisträger selbst ein Widerspruchsrecht zukommt, ging auch der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung zu 13 Os 94/17y ua aus, hielt er doch ausdrücklich fest, dass gemäß § 112 Abs 2 erster Satz StPO der Betroffen e aufzufordern ist, binnen einer angemessenen, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist jene Teile der Aufzeichnungen oder Datenträger konkret zu bezeichnen, deren Offenlegung eine Umgehung seiner Verschwiegenheit bedeuten würde (Punkt 6). Davon geht auch der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung zum zuvor angeführten Normprüfungsverfahren aus, indem er erwägt, dass selbst im Fall der Aufhebung des bekämpften Teils des § 112 Abs 1 StPO nach der dann verbleibenden Textierung dieser Bestimmung „die Person“, der ein Widerspruchsrecht zustünde, weiterhin nur jener Geheimnisträger, in dessen Gewahrsame sich die schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträger befinden, wäre, und dass nach Aufhebung des bekämpften Satzteils „von der Sicherstellung Betroffene oder Anwesende“ der verbleibende Wortlaut des § 112 Abs 1 StPO dazu führen würde, dass jede Person (im Sinne eines Geheimnisträgers bzw jener Person, die das Anwesenheitsrecht des jeweiligen Geheimnisträgers substituiert), und zwar unabhängig davon, ob diese die schriftlichen Aufzeichnungen oder den Datenträger jemals in ihrer Verfügungsmacht hatte, ein Widerspruchsrecht eingeräumt würde, was aber einen vom Gesetzgeber nicht gewollten Sinngehalt bedeuten würde (VfGH G 83/2017).
Das Widerspruchsverfahren nach § 112 StPO sieht bestimmte prozessuale Schritte vor: dem Widerspruch des Betroffenen folgt als nächster Verfahrensschritt die Aufforderung des Gerichts, jene Unterlagen konkret zu bezeichnen, die die Verschwiegenheit tangieren.
Dieser zweite Verfahrensschritt kann sich – dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes folgend – jedoch nur an den von der Sicherstellung Betroffenen richten und dieser Betroffene hat sodann darzulegen, inwieweit seine – also die ihm persönlich auferlegte – Verschwiegenheitspflicht durch die Auswertung der sichergestellten Unterlagen umgangen werden könnte. Gemäß § 112 Abs 2 erster StPO hat der Betroffene jene Teile konkret zu bezeichnen, deren Offenlegung eine Umgehung seiner Verschwiegenheitspflicht bedeuten würde. Daraus ergibt sich, wie zuvor schon dargelegt, dass einer solchen Aufforderung des Gerichts nur jene Person nachkommen kann, die 1.) von der Sicherstellung betroffen ist und 2.) auch zugleich ein Aussageverweigerungsrecht nach § 157 Abs 1 Z 1 bis 4 oder § 155 Abs 1 Z 1 StPO hat. Diese beiden Merkmale müssen in einer Person vereint sein, damit das Widerspruchsverfahren überhaupt durchgeführt werden kann. Die Durchführung eines Aufforderungs- und (folglich auch eines) Sichtungsverfahrens nach § 112 StPO ist nur denkbar, wenn ein Berufsgeheimnisträger von der Sicherstellung betroffen ist, andernfalls kann § 112 Abs 2 erster StPO gar nicht zur Anwendung gelangen.
Betroffen von einer Sicherstellung ist gemäß § 48 Abs 1 Z 4 StPO jede Person, die durch die Anordnung oder Durchführung von Zwang in ihren Rechten unmittelbar beeinträchtigt wird. Das ist allein jene Person, in deren Verfügungsmacht sich die sichergestellten Unterlagen oder Datenträger befinden (OGH 13 Os 94/17y ua) bzw deren Eigentümer.
Diese Verfügungsmacht muss, um mit der Bestimmung des § 48 Abs 1 Z 4 StPO im Einklang zu stehen, mit einer gewissen Rechtsposition einhergehen. Allein die faktische Innehabung kann mithin nicht genügen.
Die Ansicht, dass ein Berufsgeheimnisträger auch dann betroffen sein könne, wenn sich die Unterlagen oder Datenträger gar nicht erst in seiner Verfügungsmacht befinden, ist nach der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs unzutreffend (aA Stricker , Schutz von Berufsgeheimnissen, Zum Widerspruch nach § 112 StPO, ÖJZ 2016, 539 [540]).
§ 112 Abs 1 StPO in Zusammenschau mit dem zweiten Absatz dieser Bestimmung kann folglich nur so verstanden werden, dass ein Widerspruch lediglich gegen Sicherstellungen von solchen Unterlagen oder Datenträgern zulässig ist, die sich (zumindest) in der Verfügungsmacht eines privilegierten Berufsgeheimnisträgers befinden. Eine Auslegung, wonach auch gegen Sicherstellungen von Unterlagen oder Datenträgern, die sich nicht in der Verfügungsmacht des Geheimnisträgers befinden, Widerspruch erhoben werden kann, wäre sinnentleert, da es denkunmöglich ist, dass das Gericht eine solche von der Sicherstellung betroffene Person (die kein Berufsgeheimnisträger ist) nach § 112 Abs 2 StPO dazu auffordern könnte, bekannt zu geben, welche Unterlagen seiner Verschwiegenheit unterliegen.
Der Gesetzgeber hatte somit bei der Novellierung der Bestimmung des § 112 StPO eindeutig (nur) die Sicherstellung in Räumlichkeiten eines Geheimnisträgers vor Augen. Zweck der Novellierung war es, der in der Praxis geradezu „reflexartigen“ Erhebung von Widersprüchen durch Berufsgeheimnisträger in umfangreichen Wirtschafts- und Korruptionsermittlungen entgegenzuwirken, um die dadurch verursachten erheblichen Verfahrensverzögerungen und die übermäßige Belastung der Haft- und Rechtsschutzrichter durch die Vielzahl und den Umfang der Sichtungsverfahren auf das Notwendigste einzuschränken (EBRV 1677 BlgNR 24. GP 10 f).
Es kann dem Gesetzgeber nach den Ausführungen in den Gesetzesmaterialien daher nicht unterstellt werden, dass es sein Ansinnen war, einen Widerspruch gegen die Sicherstellung von Unterlagen und Datenträgern auch von Personen, die keine Berufsgeheimnisträger oder nicht betroffen sind, zuzulassen, würde es doch dadurch gerade nicht zu einer Einschränkung des Kreises der Widerspruchlegitimierten kommen. Im Gegenteil, das würde dazu führen, dass jeder von einer Sicherstellung Betroffene sich darauf berufen könnte, dass sich in seinen Unterlagen irgendwo privilegierte Korrespondenz oder Aufzeichnungen zwischen irgendeinem Berufsgeheimnisträger und einer weiteren Person befänden.
Der Gesetzgeber normierte nunmehr ohne Verzicht auf gerichtliche Kontrolle und Schutz vor möglicher Umgehung von Aussageverweigerungsrechten eine Präzisierung jener Fälle, in welchen tatsächlich die Möglichkeit der Erhebung eines Widerspruchs sinnvoll ist, womit eine maßgebliche Beschleunigung der Verfahren und eine zügige und effiziente Aufklärung gerade in komplexen Verfahren im Bereich der Wirtschaftskriminalität und Korruption erfolgen sollte.
Die erläuternden Bemerkungen hielten explizit fest, dass in diesem Sinne der Widerspruch nunmehr ein exklusives Recht für gerade nicht selbst beschuldigte Personen, also Betroffene iSd § 48 Abs 1 Z 3 StPO darstellen soll, und dass diesen Personen der Rechtsbehelf bei Berufung auf ein gemäß § 157 Abs 1 Z 2 bis 5 StPO anerkanntes Recht auf Verschwiegenheit (Aussageverweigerung für Angehörige bestimmter Berufsgruppen über das, was ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden ist, sowie Wahlgeheimnis) offen steht. In Anbetracht der erwähnten Problematik, dass gerade in Wirtschaftsstrafsachen oftmals Sicherstellungen in ausgesprochen großem Umfang zu erfolgen haben bzw pauschal Widerspruch ohne Präzisierung erhoben wird, soll der Betroffene gemäß § 112 Abs 2 StPO sodann von der Strafverfolgungsbehörde aufgefordert werden, binnen einer angemessenen, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist jene Teile der Aufzeichnungen oder Datenträger konkret zu bezeichnen, deren Offenlegung eine Umgehung seiner Verschwiegenheit bedeuten würde, womit eine gewisse Bringschuld der Angehörigen der in § 157 Abs 1 Z 2 bis 4 StPO genannten Berufsgruppen statuiert wird (EBRV 1677 BlgNR 24. GP 11).
Dass die im Jahr 2016 in Kraft getretene Novellierung des § 157 Abs 2 StPO nicht zwangsweise auch zu einer anderen Auslegung des § 112 Abs 1 StPO und einer Ausweitung des Kreises der Widerspruchslegitimierten bzw der „Betroffenen“ führen muss, ist evident. Bleibt noch anzumerken, dass die Anwendungsbereiche und Zielsetzungen des § 157 Abs 2 StPO und des § 112 StPO nicht ident sind und beide Bestimmungen unabhängig von einander zur Anwendung gelangen können. § 157 Abs 2 StPO ist auch dann von Amts wegen anzuwenden, wenn kein Widerspruch erhoben wurde. Diese Bestimmung normiert ein Verwertungsverbot hinsichtlich der dort angeführten Beweismittel.
Ein Widerspruch nach § 112 StPO hingegen soll als zusätzlicher Rechtsbehelf für einen exklusiven Personenkreis von Berufsgeheimnisträgern verhindern, dass die Strafverfolgungsbehörden überhaupt Kenntnis vom Inhalt der privilegierten Unterlagen und Datenträger, die im Besitz des Berufsgeheimnisträgers sind und häufig dem Aussageverweigerungsrecht unterliegen, erlangen.
Demzufolge kann dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, bei der Novellierung des § 157 Abs 2 StPO eine Anpassung des § 112 StPO verabsäumt zu haben, weil eine solche eben nicht zwingend erforderlich und auch nicht intendiert war.
Voraussetzung für eine Widerspruchslegitimation ist auch nach der geltenden Rechtslage daher, dass ein in § 157 Abs 1 Z 1 bis 4 StPO und § 155 Abs 1 Z 1 StPO angeführter Geheimnisträger eine mit einer Rechtsposition verknüpfte Verfügungsmacht über die sicherzustellenden Unterlagen oder Datenträger hat. Legitimiert zu Erhebung des Widerspruchs ist sodann entweder der von der Sicherstellung betroffene Geheimnisträger (Inhaber) selber oder eine Person, die das Anwesenheitsrecht des jeweiligen Geheimnisträgers substituiert ( Schmölzer/Mühlbacher, StPO § 112 RZ 1), und zwar unter Berufung auf das dem von der Sicherstellung betroffenen Geheimnisträger selber zustehende Recht auf Verschwiegenheit.
Bei den durchsuchten Räumlichkeiten am Standort **, handelt es sich um die Wohnung des Beschuldigten E*, der Prokurist und sohin Angestellter der Bauunternehmen I* und K* GmbH ist.
Fallkonkret erwog das Erstgericht sohin zutreffend, dass die Prüfung der primären Hinterlegungsbedingung, nämlich ob die Berufung des Widersprechenden auf ein in § 112 Abs 1 StPO bezeichnetes Verschwiegenheitsrecht als Prozessvoraussetzung vorliegt und ob die Sicherstellung bei einem Berufsgeheimnisträger erfolgte, negativ auszufallen habe, handelt es sich bei den durchsuchten Räumlichkeiten doch um Wohnräumlichkeiten eines beschuldigten Verantwortlichen von Bauunternehmen und nicht um die Räumlichkeiten eines Berufsgeheimnisträgers nach § 157 Abs 1 Z 1 bis 4 StPO.
Im vorliegenden Fall ergibt sich daraus, dass mangels Sicherstellung bei einem Berufsgeheimnisträger die für ein Sichtungsverfahren kumulativ notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen, nämlich die Durchsuchung bzw Sicherstellung in Räumlichkeiten von Berufsgeheimnisträgern sowie der Widerspruch eines betroffenen Berufsgeheimnisträgers unter Berufung auf sein gesetzliches Verschwiegenheitsrecht nicht vorlagen, sodass sämtlichen Beschwerdeführern von vornherein keine Widerspruchslegitimation zukam, weil die Grundvoraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 112 StPO nicht erfüllt waren.
Sohin hat die WKStA zutreffend beurteilt, dass der anlässlich der Durchsuchung und Sicherstellung in den Wohnräumlichkeiten des Beschuldigten E* vom Beschuldigten sowie vom betroffenen Rechtsanwalt erhobene Widerspruch dem von § 112 Abs 1 StPO angesprochenen gesetzlichen Verschwiegenheitstatbestand nicht entspricht, weshalb die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt.
Zum Einspruch wegen Rechtsverletzung des Beschuldigten D* E* und Betroffenen Mag. F* G* nach § 106 Abs 1 StPO iVm § 112 Abs 1 StPO wegen Anmaßung eines ausschließlich in die Kompetenz des Gerichts fallenden Rechts durch die Staatsanwaltschaft bzw – wie in der Beschwerde neu vorgebracht – Rechtsverletzung durch die Vorlage des sichergestellten Ordners an das Gericht anstelle einer unverzüglichen Ausfolgung nach § 114 Abs 2 erster Satz StPO ist zu erwägen:
Die Beschwerdeführer bringen dazu im Wesentlichen vor, dass sich aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu AZ 13 Os 94/17y ergäbe, dass die Staatsanwaltschaft sich jeder Beurteilung der Behauptung, ob dem Widersprechenden ein gesetzlich anerkanntes Verschwiegenheitsrecht zukommt, zu enthalten habe, weil dies allein in die Kompetenz der Gerichte fallen würde. Der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei komme lediglich die Kompetenz zur Prüfung zu, ob ein gesetzlich anerkanntes Verschwiegenheitsrecht behauptet wird, nicht jedoch die Entscheidung darüber, ob dem Widersprechenden ein solches Verschwiegenheitsrecht auch tatsächlich zusteht, weshalb sich die Staatsanwaltschaft mit der Beurteilung, dass dem Widersprechenden kein solches Verschwiegenheitsrecht zustehe (ON 800 AS 473), ein Recht angemaßt habe, das ausschließlich dem Gericht vorbehalten ist.
Damit legen sie jedoch nicht dar, welches konkret ihnen gemäß § 106 Abs 1 StPO zustehende subjektive Recht dadurch verletzt worden sein könnte.
Da ihnen schlichtweg keine Widerspruchslegitimation nach § 112 StPO zukam, können sie auch einen monierten vermeintlichen (prozessualen) Fehler bei einem Vorgehen nach § 112 StPO nicht erfolgreich geltend machen.
Da auf Grund der von den Einspruchswerbern erhobenen Widersprüche in der vorliegenden Situation, nämlich Sicherstellung von Unterlagen in den Wohnräumlichkeiten des Beschuldigten E*, sohin in der Verfügungsmacht einer Person, der offenkundig ein in § 112 Abs 1 StPO angeführtes Verschwiegenheitsrecht nicht zukommt, die Einhaltung der in § 112 StPO normierten Verfahrensschritte nicht geboten war, kann in der Verweigerung der WKStA, ein Widerspruchsverfahren nach § 112 StPO durchzuführen keine Verletzung ihrer subjektiven Rechte erblickt werden.
Lediglich der Vollständigkeit halber sei anzumerken, dass der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung zwar ausführt, dass die Entscheidung im Sichtungsverfahren ob das Verschwiegenheitsrecht, auf das sich der Betroffene beruft, auch tatsächlich in concreto verwirklicht ist, dem Gericht zukommt, dass die einschreitenden Staatsanwälte jedoch auf Grund ihrer Anordnungs- und Durchführungsbefugnis von Durchsuchungen und Sicherstellungen auch die Verpflichtung zur Prüfung der Prozessvoraussetzung, ob der erklärte Widerspruchsgrund einem in § 112 Abs 1 StPO normierten Verschwiegenheitstatbestand entspricht, haben.
Inwiefern die Beschwerdeführer nach Initiieren eines Verfahrens gemäß § 106 Abs 1 StPO wegen behaupteter Verletzung der §§ 157 Abs 2 und 112 Abs 1 StPO, in welchem die WKStA - trotz einer allgemeinen Verpflichtung der unverzüglichen Herausgabe von Unterlagen gemäß § 114 Abs 2 erster Satz StPO - gesetzeskonform den gesamten Akt samt streitverfangenem Kopienordner mit Stellungnahme zur Entscheidung vorlegte (§ 106 Abs 4 und 5 StPO), dadurch in ihrem subjektiven Recht verletzt sein wollen, ist dem Beschwerdegericht nicht nachvollziehbar.
Zuletzt ist das Erstgericht auch mit seiner Entscheidung zum Einspruch des Beschuldigten D* E* und Betroffenen Mag. F* G* nach § 112 Abs 3 StPO im Recht.
Gemäß § 112 Abs 1 StPO kann der Betroffene, auf dessen Widerspruch hin Unterlagen versiegelt wurden, auf seinen Antrag die Unterlagen auch bei der Staatsanwaltschaft hinterlegen lassen, die sie vom Ermittlungsakt getrennt aufzubewahren hat. Nach einem solchen Antrag hätte die Staatsanwaltschaft das Sichtungsverfahren gemäß § 112 Abs 2 StPO durchzuführen und am Ende anzuordnen, welche Unterlagen zum Akt genommen werden dürfen. Gegen diese Anordnung der Staatsanwaltschaft kann der Betroffene gemäß § 112 Abs 3 StPO Einspruch erheben, in welchem Fall die Unterlagen dem Gericht vorzulegen sind, das zu entscheiden hat, ob und in welchem Umfang sie zum Akt genommen werden dürfen.
Der von den Einspruchswerbern nach dieser Bestimmung erhobene Einspruch setzt die Anwendung des Verfahrens nach § 112 StPO, nämlich die erfolgte Versiegelung auf Grund eines zulässigen Widerspruchs voraus und auch, dass der Beschuldigte zunächst die Durchführung des Sichtungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft selbst beantragt hat.
Zutreffend erwog das Erstgericht, dass im Lichte dessen, dass die WKStA bei der Vorprüfung zum Schluss kam, dass die primäre Hinterlegungsbedingung, nämlich die Berufung des Widersprechenden auf ein in § 112 Abs 1 StPO bezeichnetes Verschwiegenheitsrecht als Prozessvoraussetzung, nicht vorliegt, und sohin auch kein Verfahren nach § 112 StPO erfolgte, die Einsprüche gemäß § 112 Abs 3 StPO mangels Vorliegens der prozessualen Voraussetzungen
zurückzuweisen waren.