133R86/18x – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Marke JAZZ THE CITY SALZBURG über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 7.6.2018, AM 50924/2017-5, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
1. Der Antragsteller beantragte am 24.7.2017 die Eintragung des Zeichens
als Wortbildmarke für folgende Dienstleistungen:
41 Organisation und Durchführung von Jazzmusik-Festivals; Organisation und Durchführung von kulturellen Aktivitäten; Unterhaltung.
Der Antragsteller machte dabei auch geltend, dass dieses Zeichen Verkehrsgeltung erlangt habe.
2. Mit dem angefochtenen Beschluss wies die Rechtsabteilung des Patentamts den Antrag ab, ging vom Fehlen der Unterscheidungskraft aus und verneinte auch das Vorliegen der Verkehrsgeltung.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.
3. Die im Rekursverfahren geltende relative Anwaltspflicht erstreckt sich gemäß § 145 Abs 2 PatG iVm § 43 Abs 1 MSchG auch auf den einschreitenden Patentanwalt.
4. Auf das angemeldete Zeichen treffen nur die Kriterien für die Wortmarke zu, obwohl der Anmelder sie als Wortbildmarke bezeichnet. Ein bildhafter Effekt ist aber nicht zu erkennen.
Zur Unterscheidungskraft:
5. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.
5.1 Ob einer Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen ( Koppensteiner, Markenrecht 4 82; RIS-Justiz RS0079038).
Unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen mit anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; EuG T 471/07, Tame it, Rn 15 mwN; C 398/08, Vorsprung durch Technik; RIS-Justiz RS0118396; zuletzt etwa 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix; oder 4 Ob 49/14f, My TAXI ).
5.2 Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (vgl OBm 1/13, Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383). Dies bedeutet aber nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vgl C 104/01, Orange, Rz 58 und 59; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).
5.3 Ob die Unterscheidungskraft vorliegt, ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit anhand der konkret beanspruchten Dienstleistungen zu prüfen, für die das Zeichen angemeldet wurde ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN).
5.4 Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 bis 5 MSchG sind zwar nach der Rechtsprechung des EuGH gesondert zu prüfen (C 304/06, Eurohypo ; Newerkla in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 4 Rz 171 ff). Unterscheidungskraft fehlt bei einer Wortmarke aber jedenfalls dann, wenn die maßgeblichen Verkehrskreise sie als Information über die Art der damit gekennzeichneten Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf deren Herkunft (C 304/06p, Eurohypo [Rz 69]); eine beschreibende Marke im Sinne von § 4 Abs 1 Z 4 MSchG ist daher auch nicht unterscheidungskräftig im Sinne des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG (C 363/99, Postkantoor [Rz 86]). Insofern überschneiden sich daher die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG (OM 10/09, Lümmeltütenparty; vgl 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS oder 4 Ob 49/14f, My TAXI ).
5.5 Nach der Rechtsprechung des EuGH gelten Zeichen als beschreibend, wenn sie für die beteiligten Verkehrskreise eine unmittelbare und ohne weiteres Nachdenken erkennbare Aussage über die Art, Natur, Beschaffenheit oder Ähnliches der angemeldeten Dienstleistungen enthalten, das heißt einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Dienstleistungen herstellen (vgl Koppensteiner, Markenrecht 4 71 mwN; Newerkla in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 Rz 175 ff; RIS-Justiz RS0109431; C 326/01, Universaltelefonbuch mwN; C 494/08p, Pranahaus; vgl zuletzt 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS = RIS-Justiz RS0122383). Trifft das zu, kann auch Wortneubildungen die Unterscheidungskraft fehlen (4 Ob 38/06a, Shopping City; 4 Ob 28/06f, Firekiller; Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 120 mwN; RIS-Justiz RS0117763, RS0066456, RS0066644).
5.6 Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Dienstleistung, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RIS-Justiz RS0066644).
5.7 Ob Begriffe, die einer Fremdsprache entnommen sind, unterscheidungskräftig sind, hängt davon ab, ob ihre Kenntnis im Inland im Prioritätszeitpunkt so weit verbreitet war, dass der inländische Verkehr einen die Kennzeichnungsfunktion ausschließenden Sinngehalt erkennen konnte (4 Ob 7/05s = wbl 2005, 387, car care; 4 Ob 28/06f, Firekiller; 17 Ob 21/07y, Anti-Aging-Küche; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS ). Das kann selbst dann zutreffen, wenn die Bezeichnung in der Fremdsprache selbst nicht gebräuchlich ist (4 Ob 277/04w, Powerfood; 4 Ob 28/06f, Firekiller; 4 Ob 38/06a, Shopping City ). Englisch ist als wichtigste Handelssprache in Österreich die geläufigste Fremdsprache (Koppensteiner, Markenrecht 4 84 mwN; RIS-Justiz RS0066456; 4 Ob 36/14v, selective/line ).
5.8 Auch aus mehreren Worten zusammengesetzte Marken sind daher nach denselben Kriterien zu prüfen wie herkömmliche Wortmarken (RIS-Justiz RS0122385 [T1]). Sie sind dann nicht schutzfähig, wenn der Satz oder Satzteil nur eine beschreibende Aussage über die Dienstleistung enthält (vgl 17 Ob 21/11d, echte Berge: als Synonym für prächtige, hohe Berge nicht unterscheidungskräftig). Anderes gilt, wenn die Wortfolge eine interpretationsbedürftige Aussage enthält (vgl Obm 1/12, Die grüne Linie mwN; 17 Ob 15/07s, we will rock you: unterscheidungskräftig für Ton- und Videoaufzeichnungen; VwGH 2009/03/0020, Doc around the clock: unterscheidungskräftig für ärztliche Dienstleistungen).
5.9 Im Falle eines zusammengesetzten Zeichens ist zu prüfen, ob die Wortverbindung ein zusätzliches Merkmal – eine grafische oder inhaltliche Änderung – aufweist, welches das Zeichen in seiner Gesamtheit geeignet erscheinen lässt, die betroffenen Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH C 104/00 P, Companyline [Rn 23]). Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen in der Regel der Wortbestandteil maßgebend ist, weil sich der Geschäftsverkehr meist an diesem – sofern er unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem den Wortbestandteil im Gedächtnis behält (RIS-Justiz RS0066779).
6. Mit Blick auf diese Rechtslage und die dazu existierende Rechtsprechung bedarf die Entscheidung des Patentamts keiner Korrektur, wonach dem Zeichen die Unterscheidungskraft fehlt. Die Verkehrskreise werden zwanglos annehmen, dass sich das Zeichen auf Musikveranstaltungen in der Stadt Salzburg bezieht, bei der Jazzmusik geboten wird. Auch wenn die Formulierung nicht lautet „Jazz in Salzburg” legt die Verbindung von „Jazz” und der „Stadt Salzburg” („City Salzburg”) ausreichend nahe, dass die Jazzmusik in dieser Stadt zu hören sein wird und dass die Musikveranstaltungen in dieser Stadt stattfinden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Slogan zweifellos an die Fernsehserie „Sex and the City” erinnert. Diese zusätzliche Assoziation bewirkt aber nicht, dass die Assoziation mit Jazzmusik in irgendeiner Weise schwierig wäre oder einen nennenswerten Denkprozess verursachen würde.
Dass das Zeichen in englischer Sprache gefasst ist, ändert auch wegen der Bekanntheit des Slogans „Sex and the City” nichts an der Beurteilung; vielmehr ist davon auszugehen, dass auch Menschen, die nicht englisch sprechen, diese Wortkombination und somit auch das angemeldete Zeichen verstehen werden.
Der Antragsteller führt auch ins Treffen, dass bei Musikveranstaltungen in Städten der Stadtname üblicherweise vor dem Begriff der Veranstaltung steht, zum Beispiel „Salzburger Festspiele” etc. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass eine Formulierung, wie sie hier gewählt wurde, nicht die selben Assoziationen hervorrufen würde.
Insgesamt nähert sich das Zeichen in Bezug auf die gewünschten Dienstleistungen der Grenze zum beschreibenden Charakter an; jedenfalls fehlt ihm die Unterscheidungskraft in Bezug auf diese Dienstleistungen.
Zur Verkehrsgeltung:
7.1 Was den Erwerb von Unterscheidungskraft durch Benutzung angeht, so muss die Tatsache, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Ware oder Dienstleistung als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen, auf der Benutzung der Marke als Marke beruhen. Die Unterscheidungskraft kraft markenmäßiger Benutzung („Verkehrsgeltung”) muss somit auch in dem Sinn personenbezogen sein, als nicht nur das Zeichen als solches bekannt ist, sondern auch die Zuordnung zu einem bestimmten Unternehmen ( Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz 12 § 8 Rz 599; RIS Justiz RS0113084; 4 Ob 325/99v), wenn den Verkehrskreisen auch die genaue Identität des Unternehmens nicht bekannt sein muss.
7.2 Dazu hat der Antragsteller im Rekurs unter Hinweis auf den Schriftsatz vom 19.2.2018 vorgetragen, dass das Festival seit 1999 Jazz-Interessierte aus ganz Österreich und aus dem angrenzenden Raum anlockt. Diese Bekanntheit sei durch Mundpropaganda und durch Berichte in Medien (Zeitungen, Magazine, Blogs, Onlinemedien und Fernsehsendungen) erreicht worden. Auch Programmbücher, Faltpläne, Plakate, Postkarten sowie die Beflaggung der Salzburger Staatsbrücke und der Salzburger Obusse hätten zur Bekanntheit beigetragen.
Aus den dazu vorgelegten Urkunden (Beilagen ./A1 bis ./A12) ergibt sich aber nach Einschätzung des Rekursgerichts allenfalls nur die Bekanntheit des Festivals selbst. Sie enthalten aber keinen Hinweis darauf, dass die Verkehrskreise den Namen des Festivals auch mit einem bestimmten Unternehmen (Veranstalter) assoziieren.
Dabei stehen die originäre Kennzeichnungskraft und die konkrete Benutzung in einer Wechselbeziehung: Je kennzeichnungskräftiger ein Zeichen (eine Warenausstattung) ist, umso eher wird eine durch Benutzung bewirkte Bekanntheit dazu führen, dass die angesprochenen Kreise das Zeichen einem bestimmten Produkt und damit einem bestimmten Unternehmen zuordnen. Bei originär schwachen oder überhaupt beschreibenden Zeichen (wie annähernd im vorliegenden Fall) wird demgegenüber eine weit höhere Marktpräsenz erforderlich sein, um eine solche Zuordnung zu erreichen (4 Ob 227/12d, Tico Pop-Lutscher mwN).
7.3 Die Bescheinigungsmittel enthalten auch keinen Hinweis darauf, ob das Zeichen österreichweit Unterscheidungskraft erlangt hat. Selbst wenn man die Verkehrskreise des benachbarten Auslands (Bayern, allenfalls auch Südtirol) in Betracht zieht, ersetzt dies nicht die Notwendigkeit, die bundesweite Verkehrsgeltung nachzuweisen.
Den Bescheinigungsmitteln ist auch nicht zu entnehmen, in welchem Ausmaß das Zeichen überhaupt bekannt ist. Die Nachweise für die Ausgaben für die Werbung lassen darauf keinen unmittelbaren Rückschluss zu.
Die Entscheidung des Patentamts bedarf daher keiner Korrektur.
8. Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 30.000 übersteigt.
9. Da die Beurteilung der markenrechtlichen Kennzeichnungskraft im Einzelfall keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwirft, war der ordentliche Revisionsrekurs nicht zuzulassen.