JudikaturOLG Wien

132Bs281/18w – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
19. September 2018

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch den Senatspräsidenten Dr. Dostal als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Vetter und den fac h kundigen Laienrichter Oberst Wolf als weitere Senatsmi t glieder in der Vollzugssache des C***** R***** über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesg e richts ***** als Vollzugsgericht vom *****, GZ 192 Bl *****, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Text

B e g r ü n d u n g

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Vollzugsg e richt (im zweiten Rechtsgang) einer Beschwerde des Veru r teilten gegen die Entscheidung der Anstaltsleiterin der Justizanstalt ***** vom ***** (ON 6 S 3, 33), mit der seinem Antrag auf Ausgang gemäß § 99a StVG vom ***** für den Zeitraum *****, 08:00 Uhr bis 13:00 Uhr (ON 6 S 31) nicht stattg e geben worden war, nicht Folge.

Begründend wurde zusammengefasst erwogen, dass der Strafgefangene mit Urteil des Landesgerichts ***** vom *****, GZ 22 Hv *****, neue r lich wegen Betrugshandlungen schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von letztlich ***** verurteilt worden sei. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Anstaltsleiters vom ***** sei ob der ne u erlichen Verurteilung vom ***** (rechtskräftig seit *****) trotz bereits im ***** gewährter Ausgänge, ob der Vorstrafenbelastung, des raschen Rückfalls, der Tatbegehung während offener Prob e zeit und des Umstands, dass der Strafgefangene neuerlich die Notsituation juristischer Unerfahrenheit anderer au s genützt habe, nicht davon auszugehen gewesen, dass vom Strafgefangenen keine besondere Gefährlichkeit im Sinne des § 99 StVG auszugehen sei. Vielmehr stünden das Tatm o tiv und die Tathandlung im Einklang mit dem bisherigen Lebenswandel des Strafgefangenen, der gegenüber rechtlich geschützten Vermögenswerten eine ablehnende Haltung demonstriere und kein Anzeichen erkennen lasse, in Hi n kunft sein Verhalten ändern zu wollen. Vorbildliches Ve r halten in der Haft vermöge im Hinblick auf sein Verhalten außerhalb der Justizanstalt kein anderes Licht auf den Sachverhalt zu werfen. Überdies liege weder eine Sch a densgutmachung noch eine Versöhnung mit dem Opfer vor.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde des C***** R*****, der zunächst unter Berufung auf Univ.-Prof. Dr. B***** F***** zusammengefasst Unsachlichkeit, kurfürstliche Gebarung jenseits der Rechtsstaatlichkeit und Verschle p pungsabsicht durch den Staat moniert. Aus der Beilage ./E (Vollzugsplan) lasse sich erblicken, dass die Justiza n stalt ***** am ***** keine Therapieindik a tion festgestellt habe und sein Verhalten als unauffällig beschrieben worden sei.

Der bekämpfte Beschluss sei im Kern gleichlautend ausgefertigt wie jene zu 190 Bl ***** und 190 Bl *****. Jedenfalls sei er mit Urteil des Landesgerichts ***** vom *****, GZ 22 Hv *****, nicht rechtskräftig unter Anwendung des § 39 Abs 1 StGB verurteilt worden.

Die Annahme besonderer Gefährlichkeit erweise sich jedenfalls zwischenzeitig als rechtswidrig, weil es kein Anzeichen über eine solche im Charakter seiner Person gäbe. Seit seinen letzten Ausgängen vom ***** bis ***** und ***** bis ***** sei er durchgängig in Haft gewesen und habe das bisher verschärfte Haftübel entgegen der gesetzlichen Bestimmung des § 124 Abs 1 StVG über ***** verspürt, was dazu beigetragen habe, sein Handeln genau zu überdenken. Weiters habe seine Au f führung während der Haft Berücksichtigung zu finden und dass besondere Gefährlichkeit nur vorliege, wenn die Wahrscheinlichkeit der Begehung nicht bloß leichter Straftaten gegen geschützte Rechtsgüter bestehe. Es liege weder eine Scheinführung vor, noch beabsichtige er Straftaten zu begehen. Die bekämpfte Entscheidung sei durch Ermessensmissbrauch zustande gekommen, leichtfertig getroffen worden und dies ohne Berücksichtigung des Ei n zelfalles, was die Bestimmung des § 99a StVG zu totem Recht degradiere. Sein letzter Ausgang datiere vom ***** bis *****.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist nicht im Recht.

Gemäß § 99a Abs 1 StVG ist einem im Sinne des § 99 Abs 1 StVG nicht besonders gefährlichen Strafgefangenen auf sein Ansuchen höchstens zwei Mal im Vierteljahr zu gestatten, die Anstalt in der Dauer von höchstens zwölf Stunden am Tag zu verlassen, sofern die voraussichtlich noch zu verbüßende Strafzeit drei Jahre nicht übersteigt und der Strafgefangene einen Ausgang zu einem der in § 93 Abs 2 StVG genannten Zwecke benötigt. Ob es sich um einen nicht besonders gefährlichen Strafgefangenen handelt, ist nach § 99 Abs 1 StVG zu beurteilen. Nach dieser Besti m mung kommt es darauf an, ob der Strafgefangene nach der Art und dem Beweggrund der strafbaren Handlung, derentw e gen er verurteilt worden ist, sowie nach seinem Leben s wandel vor der Anhaltung und seiner Aufführung während dieser weder für die Sicherheit des Staates, noch die der Person oder des Eigentums besonders gefährlich ist. Für die angesprochenen Rechtsgüter ist ein Verurteilter dann besonders gefährlich, wenn es wahrscheinlich ist, dass er in Freiheit Straftaten nicht bloß leichter Art zum Sch a den dieser Rechtsgüter wiederholen oder ausführen wird, wobei im Sinne eines beweglichen Systems bereits eine geringere Wahrscheinlichkeit einer schweren Straftat ebenso die besondere Gefährlichkeit begründet, wie eine mit höherer Wahrscheinlichkeit zu erwartende wiederholte Begehung weniger schwerwiegender Straftaten, weil in be i den Fällen ein vergleichbares Schutzbedürfnis der Gesel l schaft besteht. An eine solche „Tatbegehungsgefahr“ begründende Umstände ist ein weniger strenger Maßstab anzulegen, als in den Fällen des § 173 Abs 2 Z 3 StPO (vgl Pieber in WK² StVG § 99 Rz 1 iVm § 5 Rz 29 mwN).

Die Beurteilung der besonderen Gefährlichkeit ist bei Gesamtwürdigung aller Umstände, aus denen sich Schlüsse auf das künftige Verhalten des Verurteilten zi e hen lassen, vorzunehmen, insbesondere auch Vorstrafenb e lastung, rascher Rückfall, Tatbegehung während offener Probezeit, zu Gunsten des Verurteilten sind hingegen etwa geleistete Schadensgutmachung oder Versöhnung mit den Opfern zu berücksichtigen. Die besondere Gefährlichkeit kann sich konkret aus der Art oder dem Beweggrund der strafbaren Handlung ergeben, aber auch allgemein aus dem Lebenswandel. Bei der Art der strafbaren Handlung ist nicht eine bestimmte Deliktskategorie maßgeblich, sondern das historische Geschehen, auf dem das Ausmaß der durch die Tat herbeigeführten Rechtsgutbeeinträchtigung fußt, sowie den vom Gesetzgeber im Strafrahmen ausgedrückten Unrechtsgehalt des entsprechenden Deliktstypus. Das Ta t motiv kann besonders achtenswert, aber auch besonders verwerflich sein und die Einstellung des Verurteilten gegenüber den rechtlich geschützten Werten widerspiegeln ( Pieber in WK² StVG § 5 Rz 28; Drexler/Weger , StVG³ § 99 Rz 8).

Unter den in § 99a Abs 1 StVG genannten Vorausse t zungen haben Strafgefangene ein subjektiv-öffentliches Recht auf Gewährung eines Ausgangs. Zweck desselben ist die Aufrechterhaltung und Pflege der sozialen Beziehungen einschließlich der wirtschaftlichen und rechtlichen Angelegenheiten außerhalb der Anstalt. Ein Ausgang ist von Vornherein nicht zu bewilligen, wenn anzunehmen ist, dass er den Zwecken des Vollzugs (§ 20 StVG) wide r spricht, etwa weil eine Flucht geplant ist ( Drexler/Weger , StVG4 § 99a Rz 11).

Nach § 45 Abs 2 AVG, der ob § 17 Abs 2 Z 1 StVG zur Anwendung gelangt, gilt im Verfahren der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, dh dass lediglich die Überze u gungskraft der Beweismittel im gegebenen Zusammenhang für ihre Bewertung maßgebend ist. Die Beweiswürdigung ist jedoch insofern nicht frei, als der maßgebende Sachve r halt vollständig erhoben und die Beweisführung tragfähig sein muss ( Thienel / Zeleny , Verwaltungsverfahrensgesetz e2 0 § 45 AVG Anm 4).

Das Erstgericht hat die angesprochenen Entsche i dungsgrundlagen umfassend zur Darstellung gebracht und daraus in nicht zu beanstandender Weise nachvollziehbare Schlüsse gezogen.

Dass das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom *****, die vom Landesgericht *****, GZ 22 Hv *****, angewendete Bestimmung des § 39 Abs 1 StGB ausschaltete, wird dem Vorbringen des Beschwerdeführers zuwider - vom Vollzugsgericht durch Bezugnahme auf die Herabsetzung der Strafe durch das Oberlandesgericht Wien auf *****, nicht übersehen.

Weiters ist anzumerken, dass der letzte Ausgang vom ***** bis ***** stattfand und nicht wie vom Beschwerdeführer (auch) behauptet, vom ***** bis ***** (vgl Auszug auf IVV).

Soweit der Beschwerdeführer zur Argumentation die Stellungnahme der Justizanstalt ***** vom ***** heranzieht, ist anzumerken, dass diese - wie vom Vollzugsgericht zutreffend erwogen – schon mit Blick auf einen gewünschten Ausgang im ***** nicht ins Gewicht fallen kann. Weiters erwog das Vollzugsgericht auch, die tadellos ausgeübte Beschäftigung als Hausarbe i ter und dass sich der Verurteilte als Auskunftsperson für externe Personen, wie etwa Richteramtsanwärter zur Verf ü gung stelle, stellte aber auch fest, dass dies nichts an dem Umstand zu ändern vermöge, dass der Beschwerdeführer mit der bereits zitierten Entscheidung des Oberlandesg e richts Wien vom ***** neuerlich rechtskräftig wegen des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt wurde.

Dass die Beschlussausfertigung im Kern anderen Beschlüssen des Vollzugsgerichts entspreche, vermag ang e sichts des Umstandes, dass den genannten Verfahren – wie der VJ-Justiz zu entnehmen - Ausgangsersuchen für einen vergleichbaren Zeitraum (*****) zugrunde liegen, nicht zu verwundern und ist überdies nicht geeignet, die gegenständlich vom Vollzugsgericht ins Treffen geführten Umstände zu entkräften.

Angesichts der vom Vollzugsgericht aufgezeigten Parameter kann von einem behaupteten Missbrauch des Ermessens, das ohne Bezugnahme auf den Einzelfall leich t fertig erfolgt sei, jedenfalls nicht die Rede sein. Vie l mehr vermag der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen bei gebotener Gesamtbetrachtung der Umstände der Ermessensentscheidung des Erstgerichts nicht die Grun d lage zu entziehen.

Der Beschwerde war sohin ein Erfolg zu versagen.

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