JudikaturOLG Wien

133R81/18m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
31. August 2018

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung der Wortmarke HEIZHAUS über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 29.5.2018, AM 50402/2018 4, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung der Rechtsabteilung des Patentamts wird geändert und lautet:

«Die Wortmarke HEIZHAUS ist in folgenden Waren- und Dienstleistungsklassen mit diesem Schutzumfang in das Markenregister einzutragen:

25 Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen;

26 Aufnäher für Bekleidungsstücke; textile Aufbügelbilder; Patches (Aufnäher) für Bekleidungsstücke;

43 Dienstleistungen der Verpflegung und Beherbergung von Gästen; Verpflegung von Gästen in Gasthäusern, in Speiselokalen, in Gaststätten und in Kneipen; Catering; Cateringdienstleistungen; Betrieb eines Gasthauses; Betrieb eines Restaurants; Dienstleistungen einer Bar; Betrieb einer Bar.»

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Begründung

Text

Der Antragsteller beantragte die Eintragung der Wortmarke

HEIZHAUS

in den bereits aus dem Spruch ersichtlichen Waren- und Dienstleistungsklassen. Er brachte dazu vor, das beanspruchte Zeichen sei unterscheidungskräftig: Der Begriff sei aus anderen Verkehrskreisen entlehnt und er sei geeignet, als individualisierendes Merkmal für die Bezeichnung eines Gasthauses verwendet zu werden. Dem Durchschnittskonsumenten sei zudem der Begriffsinhalt des Worts „Heizhaus” im Detail nicht bekannt.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Patentamt den Eintragungsantrag ab und führte dazu begründend aus: Die beteiligten Verkehrskreise würden in der Marke nur einen informativen Hinweis darauf sehen, dass die so bezeichneten Dienstleistungen der Klasse 43 in einem beliebigen Heizhaus, unter dem ein Lokschuppen oder eine Lokremise verstanden werde, angeboten werden. Die beanspruchten Waren würden nur als zu einem Gasthaus typischerweise gehörende Artikel gewertet werden.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Antragstellers mit dem Abänderungsantrag, das Zeichen im beantragten Umfang zu registrieren.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

1. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.

1.1. Ob einer Waren- oder Dienstleistungsbezeichnung Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand des Gesamteindrucks des Zeichens zu beurteilen ( Koppensteiner, Markenrecht 4 82; RIS-Justiz RS0079038). Diese Eigenschaft kommt einer Marke zu, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann und so die Ursprungsidentität garantiert, sodass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; C 398/08, Vorsprung durch Technik; C 104/01, Orange, Rn 62; EuG T 471/07, Tame it, Rn 15 mwN; RIS-Justiz RS0118396; zuletzt etwa 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix; 4 Ob 49/14f, My TAXI ) .

1.2. Fehlt die Unterscheidungskraft, so kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11, OXI-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a, Shopping City mwN; RIS-Justiz RS0118396 [T7]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft die Eintragung verhindert, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (OBm 3/12, Lounge.at, unter Hinweis auf BGH I ZB 22/11, Starsat; OBm 1/13, Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vgl C 104/01, Orange, Rn 58 und 59; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).

1.3. Ob die Unterscheidungskraft vorliegt, ist anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit zu prüfen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN). Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 67 mwN der Rsp; Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 73; C 104/01, Orange, Rn 46 und 63; RIS-Justiz RS0079038 [T1]; RIS Justiz RS0114366 [T5]).

1.4. Die Gründe nach § 4 Abs 1 Z 3 bis 5 MSchG (Art 3 Abs 1 lit b bis d MarkenRL) sind zwar nach der Rsp des EuGH gesondert zu prüfen (C 304/06, Eurohypo ). Unterscheidungskraft fehlt einer Wortmarke aber dann, wenn die maßgebenden Verkehrskreise sie als Information über die Art der mit ihr gekennzeichneten Dienstleistungen verstehen, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft dieser Dienstleistungen (C 304/06 P, Eurohypo, Rn 69); eine beschreibende Marke iSv § 4 Abs 1 Z 4 MSchG und Art 3 Abs 1 lit c MarkenRL ist daher auch nicht unterscheidungskräftig iSv § 4 Abs 1 Z 3 MSchG und Art 3 Abs 1 lit b MarkenRL (C 363/99, Postkantoor, Rn 86). Insofern überschneiden sich daher die Anwendungsbereiche von § 4 Abs 1 Z 3 und Z 4 MSchG (OM 10/09, Lümmeltütenparty; 4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; 4 Ob 49/14f, My TAXI ).

1.5. Unterscheidungskraft haben bei Wortmarken grundsätzlich nur frei erfundene, keiner Sprache angehörende Phantasiewörter (im engeren Sinn) oder Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen (Phantasiewörter im weiteren Sinn). Entscheidend ist, ob die Worte im Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasst werden (RIS-Justiz RS0066644). Ein Schutzhindernis besteht hingegen, wenn der im Wort enthaltene Hinweis auf die Herstellung, die Beschaffenheit oder die Bestimmung der Ware oder Dienstleistung innerhalb der beteiligten Verkehrskreise allgemein und ohne besondere Denkarbeit erfasst werden kann (ständige Rechtsprechung: RIS-Justiz RS0066456; 4 Ob 26/93, Smash ). Dabei genügt es, wenn die strittige Wortfolge zumindest in einer der möglichen Bedeutungen beschreibenden Charakter hat (vgl etwa C 191/01 P, Doublemint, Rn 32, und C 363/99, Postkantoor, Rz 97; 4 Ob 7/05s, car care ).

2. Auf dieser Grundlage besitzt das angemeldete Zeichen Unterscheidungskraft.

2.1. Die Schutzfähigkeit der Wortmarke HEIZHAUS hängt davon ab, ob die beteiligten Verkehrskreise ihren Inhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und als Hinweis auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen verstehen (RIS-Justiz RS0109431). Zeichen, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehören, jedoch mit der Ware oder der Dienstleistung, für die sie bestimmt sind, in keinem Zusammenhang stehen, haben Unterscheidungskraft (RIS-Justiz RS0066644).

2.2. Die Unterscheidungskraft fehlt hingegen, wenn der im Wort enthaltene Hinweis auf die Herstellung, die Beschaffenheit oder die Bestimmung der Dienstleistung von den beteiligten Verkehrskreise allgemein und ohne besondere Denkarbeit erfasst werden kann (ständige Rechtsprechung: RIS-Justiz RS0066456; 4 Ob 26/93, Smash; 4 Ob 158/05x, Steirerparkett ).

2.3. Beteiligte Verkehrskreise sind hier alle Interessenten oder Abnehmer/Auftraggeber für die beantragten Waren und/oder Dienstleistungen, also nicht nur die Fachkreise, sondern in erster Linie die normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (RIS-Justiz RS0079038).

Anders als die Rechtsabteilung geht das Rekursgericht im Rahmen einer realitätsbezogenen Prognose – durchaus im Einklang mit der Einschätzung des Antragstellers – jedoch davon aus, dass diese Verkehrskreise nur zu einem geringen Teil über ein derart konkretes Begriffsverständnis verfügen, dass sie den Begriff „Heizhaus” dem Betrieb von Dampflokomotiven zuordnen und zusätzlich seine konkrete Bedeutung(en) in diesem historischen verkehrstechnischen Zusammenhang kennen.

Selbst wenn aber der Begriff richtig verstanden wird, steht er mit den in der Klasse 43 beanspruchten Dienstleistungen in keinem logischen Zusammenhang, wie der Rekurs überzeugend vorträgt (oben Punkt 2.1., insbesondere RIS-Justiz RS0066644).

2.4. Ausgehend davon ist für die maßgebliche Frage der Registrierbarkeit zu prüfen, ob die Marke – ihren Schutzumfang ins Kalkül ziehend (RIS-Justiz RW0000784; 4 Ob 49/14f, My TAXI ) – einen relevanten Interpretationsaufwand erfordert oder ob gar von einem uneinheitlichen Begriffsverständnis auszugehen ist. In Übereinstimmung mit der Argumentation des Antragstellers ist das Rekursgericht der Ansicht, dass dem Zeichen Unterscheidungskraft zukommt, weil seine Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG zu bejahen ist:

Das Zeichen ist für die beanspruchten Dienstleistungen und die davon abgeleiteten oder damit im gedanklichen Zusammenhang stehenden Waren ungewöhnlich, weil es interpretationsbedürftig ist. Es ist daher in seiner, im Rahmen der im Eintragungsverfahren prognostizierenden und gesamtheitlichen Betrachtung ausreichend unterscheidungskräftig und damit registrierbar (siehe oben Punkt 2.1.; RIS-Justiz RS0122385; s auch OBm 3/12, Lounge.at ).

Ist die Marke demnach nicht geeignet, bei den beteiligten Verkehrskreisen mehrheitlich eindeutige Vorstellungen über die Art oder die Eigenschaft der damit bezeichneten Waren oder Dienstleistungen hervorzurufen, besitzt sie Unterscheidungskraft (vgl 4 Ob 66/02p, Cornetto ; 4 Ob 49/14f, My TAXI; 4 Ob 69/15y, Chrysal ; OLG Wien 34 R 96/14h, FLATPROVIDER ; 34 R 62/14h, CLIP-TUBE ; 34 R 32/14x, DEEPSEARCH ; 34 R 44/16i, BEACHBODY ; 133 R 111/17x, GROOVE , uva).

2.5. Auf das weitere Argument im Rekurs, dass bereits diverse Schutzzulassungen für vergleichbare Wortmarken bestünden, muss daher nicht näher eingegangen werden; eine präjudizielle Bindung wäre aber zu verneinen (4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; RIS-Justiz RS0125405; C 37/03 P, BioID, Rn 47; C 39/08 und C 43/08, Schwabenpost und Volks.Handy, Rn 39; Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 75 ff mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 70).

3. Grundsätzlich können Rekursentscheidungen im Verfahren außer Streitsachen nach Maßgabe des § 62 AußStrG mit Revisionsrekurs angefochten werden. Dessen ungeachtet wäre ein Rechtsmittel des allein hiezu legitimierten Antragstellers zurückzuweisen, weil sein Rekurs vollständig erfolgreich war und er durch die Entscheidung des Rekursgerichts nicht beschwert ist (RIS-Justiz RS0006880 uva). Der Revisionsrekurs ist daher jedenfalls unzulässig; ein Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands entfällt.

Rückverweise