133R60/18y – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Schober und den Patentanwalt DI Barger in der Rechtssache der klagenden Partei C***** , vertreten durch Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG in Wien und DI Reinhard Hehenberger, Patentanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K***** , vertreten durch Gassauer-Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien und Schwarz Partner, Patentanwälte in Wien, wegen zuletzt Unterlassung (EUR 60.600), Antragsrückziehung (EUR 2.000) Beseitigung (EUR 2.000), Auskunft (EUR 2.000), Rechnungslegung (EUR 2.000) und Urteilsveröffentlichung (EUR 1.400) über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 9.4.2018, 34 Cg 1/15a 43 (Berufungsinteresse EUR 5.400) in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.459,42 (darin EUR 243,24 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 5.000, nicht aber EUR 30.000.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Text
Die Klägerin war Inhaberin des europäischen Patents EP 1 145 729 (in Österreich validiert als AT E 310 557). Das Klagspatent betraf ein gebrauchsfertiges Blasenkatheterset mit mindestens einem Blasenkatheter und einer Katheterverpackung zur Bereitstellung eines gebrauchsfertigen Kathetersets. Es wurde als Teilanmeldung aus der europäischen Patentanmeldung Nr. 97918923.0 (veröffentlicht unter EP 0923398 A) mit Anmeldetag vom 18.9.1997 angemeldet. Die Produkte der Klägerin werden in Österreich unter dem Markennamen Sp***** verkauft.
Das Patent ist am 17.9.2017 (vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 14.2.2018) abgelaufen.
Die Klägerin behauptet, der Harnkatheter der Beklagten Qu***** mache von den Merkmalen ihrer Patentansprüche 1 bis 6 und 11 wortsinngemäß Gebrauch, und begehrt die Unterlassung des Feilhaltens, des Inverkehrbringens, des Gebrauchs, der Einfuhr oder des Besitzes, die Rückziehung des Antrags auf Aufnahme der Gegenstände in den Tarifkatalog des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträgers, die Vernichtung aller in ihrem Besitz befindlicher Gegenstände, die Rechnungslegung, die Auskunftserteilung sowie die Veröffentlichung; zuletzt auch in Form eines Eventualbegehrens der Feststellung, dass die Beklagte bis zum Ablauf des Patents schuldig gewesen sei, das Feilhalten, das Inverkehrbringen, den Gebrauch, die Einfuhr oder den Besitz des Eingriffsgegenstands zu unterlassen. Mit dem Feilhalten des Eingriffsgegenstands im Tarifkatalog des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger ab 1/2015 habe die Beklagte bereits eine Patentverletzung begangen, sodass die gesetzliche Vermutung der Wiederholungsgefahr greife; ebenso sei die Bewerbung in der Zeitschrift „Rollstuhl aktiv” eine Patentverletzung.
Die Beklagte bestritt die Klagebegehren und wandte ein, das Klagspatent sei nichtig. Sie sei auch dem Einspruchsverfahren gegen das bezughabende europäische Patent EP 1 145 729 B1 beigetreten. Zudem falle das beanstandete Blasenkatheterset nicht in den Schutzumfang des Klagspatents und sei in Österreich auch nie angeboten worden; das im Verfahren vorgelegte Set stamme aus einem Verfahren in den Niederlanden. Nicht bestritten werde, dass die Beklagte Preisverhandlungen mit dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger geführt habe, die in die Listung eines solcherart bezeichneten Produkts im Tarifkatalog gemündet hätte. Im Zuge der Preisverhandlungen seien im Ausland von Hand gefertigte Prototypen vorgelegt worden, um den Katheter Qu***** MBH O***** zu veranschaulichen. Es handle sich dabei aber um keine kommerziellen Endprodukte. Der Tarifkatalog für Heilbehelfe/Hilfsmittel sei nicht mit dem Erstattungskodex für Arzneimittel vergleichbar. Die Vorlage der Prototypen bedeute noch kein Feilhalten in Österreich. Die Klägerin habe auch keinen Nachweis für ein in Österreich zum Kauf angebotenes patentverletzendes Produkt erbracht. Deshalb habe die Beklagte in Bezug auf die begehrte Rechnungslegung auch eine „Nullmeldung” erstattet. Der Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch sei abzuweisen, weil er nach dem Patentablauf nicht mehr zugesprochen werden könne; das gleiche gelte für den zum Unterlassungsanspruch akzessorischen Veröffentlichungsanspruch, welcher zudem extrem überschießend sei und sich an das falsche Publikum richte.
Das Erstgericht wies letztlich sämtliche Urteilsbegehren ab und traf die auf den Seiten 7 bis 9 der Urteilsausfertigung wiedergegebenen Feststellungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.
Rechtlich folgerte es, dass die Beklagte das Klagspatent zwar verletzt habe, jedoch sei der Anspruch auf Unterlassung infolge des Ablaufs des Klagspatents erloschen; dies bedinge, dass auch das darauf abzielende Veröffentlichungsbegehren abzuweisen sei. Das Eventualbegehren sei abzuweisen gewesen, weil die Klägerin zum rechtlichen Interesse an diesem Feststellungsbegehren kein Vorbringen erstattet habe; aus dem gleichen Grund falle auch der Beseitigungsanspruch weg. In Bezug auf das Rechnungslegungsbegehren habe die Klägerin weder vorgebracht, dass die Beklagte diesen Harnkatheter in Österreich auch verkaufe oder verkauft habe, noch einen Beweis dafür vorgelegt, sodass bereits aus diesem Grund das Rechnungslegungsbegehren sowie das Begehren auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der Gegenstände abzuweisen gewesen sei.
Da die Klägerin für den Verfahrensabschnitt bis zum Erlöschen des Patents als obsiegend anzusehen sei, sprach das Erstgericht ihr den vollen Kostenersatz zu.
Ausschließlich gegen die Abweisung des Rechnungslegungs-, des Auskunfts- und des Veröffentlichungsbegehrens richtet sich die Berufung der Klägerin aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, mit dem Antrag, das Urteil in diesen Punkten im klagsstattgebenden Sinn abzuändern.
Die Beklagte beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Die Klägerin moniert, dass das Erstgericht dem Rechnungslegungsbegehren schon wegen § 151 PatG stattgeben hätte müssen. Zweck der Rechnungslegung sei es zu erfahren, ab welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang das Schutzrecht verletzt worden sei. Selbst wenn die Beklagte keinen einzigen Eingriffsgegenstand verkauft hätte, so hätte die Klägerin doch zumindest für das (mehrfache) Feilhalten einen Anspruch auf ein angemessenes Entgelt.
Zudem dürfe das Erstgericht die Parteien nicht mit ihrer Rechtsansicht überraschen, was es mit der Abweisung des Rechnungslegungsbegehrens getan habe. Dass auf ein Feilhalten und Inverkehrbringen ein Verkaufen folge (oder zumindest beabsichtigt sei), liege auf der Hand. Ausgehend von der Vermutung der Wiederholungsgefahr sei auf der Grundlage der Negativfeststellung („Nicht festgestellt werden konnte, dass die Beklagte ein Blasenkatheter-Set Qu***** verkaufte.”) im Zweifel davon auszugehen, dass die Beklagte die Eingriffsgegenstände nicht nur feilgehalten, sondern auch in Verkehr gebracht, gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen habe.
2.1 Inhalt und Umfang der Verpflichtung nach § 151 PatG richten sich nach dem Zweck der Rechnungslegung, von dem es auch abhängt, ob dazu im Einzelfall die Vorlage von Belegen gehört. Zweck der Rechnungslegung ist es, den jeweils Berechtigten in die Lage zu versetzen, die Grundlage für seine Ansprüche zu ermitteln. Um diesem Zweck zu genügen, gewährt die Rechtsprechung grundsätzlich Einsicht in die Wareneingangs- und Warenausgangsrechnungen, sofern eine derartige Einsicht nicht besonderen Geheimhaltungsinteressen des Rechnungslegungspflichtigen entgegenstehen (vgl 4 Ob 145/05k; 17 Ob 5/07w; 17 Ob 23/08v ua). Mit der Legung einer formell vollständigen Rechnung ist die Rechnungslegungspflicht erfüllt ( Weiser, PatG GMG 3 § 151 PatG 587). Die urteilsmäßige Verpflichtung zur Rechnungslegung ist bereits mit der Vorlage einer ordnungsgemäß zusammengestellten, formell vollständigen Rechnung erfüllt.
2.2 Inhalt und Umfang der Rechnungslegung sind wichtig für Klagsinhalt und das Urteil sowie für die zwangsweise Durchsetzung. Demnach muss ein auf Rechnungslegung Klagender auch sein Begehren möglichst konkret fassen und dabei auf die ihm wichtigen Informationen Wert legen. Geschuldet wird dann nach herrschender Meinung nur eine formell vollständige, nicht aber auch eine inhaltlich richtige Abrechnung, die allerdings detailliert sein muss und sich nicht in der bloßen Angaben von Endziffern oder in der Überlassung von Belegen erschöpfen kann. Ob zur Abrechnung auch die zusätzliche Vorlage von Belegen gehört, hängt nach der herrschenden Rechtsprechung vom Zweck der Rechnungslegung im Einzelfall ab ( Konecny in Fasching/Konecny 3 II/1 Art 42 EGZPO Rz 27 mwN; Klauser/Kodek ZPO 17 Art XLII EGZPO E 17).
2.3 Von der Klägerin unbekämpft blieb, dass nicht festgestellt werden konnte, dass die Beklagte einen Eingriffsgegenstand verkauft hat. Ausgehend vom Vorbringen der Klägerin und unter Berücksichtigung des festgestellten Sachverhalts erfolgte die Abweisung des Rechnungslegungsbegehren somit zu Recht. Unstrittig ist, dass die Beklagte den Harnkatheter Qu***** im Tarifkatalog des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger zum Verkauf ab 01/2015 angeboten hat, ebenso im Tarifkatalog 01/2017. Auch unstrittig ist, dass die Beklagte in der Ausgabe Nummer 212 der Zeitschrift „Rollstuhl aktiv” eine Werbeanzeige für den Qu***** geschaltet hat. Rechtlich ist dieses Handeln der Beklagten jedenfalls zumindest eine Vorbereitungshandlung für ein Inverkehrbringen im Sinne des § 22 Abs 1 PatG und daher jedenfalls eine Verletzungshandlung. Da jedoch kein Verkauf eines (einzigen) Blasenkatheter-Sets der Beklagten festgestellt werden konnte, verliert das Rechnungslegungsbegehren das darauf abzielende inhaltliche Substrat. In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob die „Nullmeldung” der Beklagten in der Tagsatzung vom 14.2.2018 eine ordnungsgemäße Rechnungslegung darstellt.
2.4 Soweit die Klägerin das Rechnungslegungsbegehren dadurch zu retten versucht, in dem sie in Anlehnung an § 53 MSchG (?) aus der Schutzrechtverletzung einen (allgemeinen) Bereicherungsanspruch in Form einen Verwendungsanspruchs behauptet, ist darauf hinzuweisen, dass § 150 PatG ohnedies einen ähnlichen Anspruch auf ein angemessenes Entgelt auf einer bereicherungsrechtlichen Grundlage schafft.
Die begehrte Rechnungslegung kann dafür aber deshalb keine Basis bilden, weil dies ein selbständiger Anspruch wäre, der auch nach anderen Grundsätzen bemessen wird (dazu siehe näher Weiser, PatG GMG 3 § 150 PatG 580 ff).
Die selben Prämissen sind auch auf das abgewiesene Auskunftsbegehren anzuwenden.
2.5 Das Erstgericht konnte mit der Entscheidung die Klägerin auch nicht überraschen, der jedenfalls bekannt war oder bekannt sein musste, dass kein Nachweis für den Verkauf eines (einzigen) Eingriffsgegenstands auf dem österreichischen Markt vorliegt. In diesem Zusammenhang bleibt auch offen, welche Auskünfte sie aufgrund der gegebenen Sachlage tatsächlich noch erwartet, die sie ohnedies aufgrund der „Nullmeldung” der Beklagten in der Tagsatzung vom 14.2.2018 erhalten hat.
2.6 Das Auskunftsbegehren nach § 151a PatG wäre auch unverhältnismäßig, weil keine weiteren als die festgestellten Verletzungshandlungen vorliegen. § 151a PatG dient der wirksamen Bekämpfung der Produktpiraterie und bezweckt die Ermittlung der Hintermänner bei Patentverletzungen. Da die Herkunft ohnedies unstrittig war und auch noch kein Vertriebsweg bestanden hat, erfolgte die Abweisung des darauf ausgerichteten Auskunftsbegehrens auch aus Sicht des Berufungsgerichts inhaltlich zu Recht.
3.1 Nach Ansicht der Klägerin seien die einzelnen Tatbestandsmerkmale für die Urteilsveröffentlichung nach § 149 PatG erfüllt. Sie habe auch nach Ablauf des Klagspatents Anspruch auf Veröffentlichung der Information, dass die Beklagte bis zum Ablauf des Klagspatents verpflichtet gewesen sei, es zu unterlassen, die im Klagebegehren beschriebenen Handlungen zu setzen. Das Berufungsgericht könne im Rahmen seines Ermessens bei der Veröffentlichungsermächtigung durchaus einen angemessenen Hinweis auf den Ablauf des Klagspatents anordnen.
3.2 Das Urteilsveröffentlichungsbegehren besteht schon insofern nicht zu Recht, weil es Bezug nimmt auf die abgewiesenen Urteilspunkte 1. und 2. Aufgrund der gegeben Sachlage kann das Berufungsgericht auch kein schutzwürdiges Interesse der Klägerin an einer derartigen Urteilsbekanntmachung festmachen (vgl RIS-Justiz RS0079737). Nach ständiger Rechtsprechung wird ein berechtigtes Interesse an der Urteilsveröffentlichung immer dann anerkannt, wenn die Aufklärung der Öffentlichkeit/des Publikums über einen bestimmten Gesetzesverstoß und über die wahre Sachlage geboten ist oder sonst nachteilige Auswirkungen zu besorgen sind (RIS-Justiz RS0079820). Eine Bekanntmachung, mit der allein der Zweck der Bestrafung oder Bloßstellung der unterlegenen Prozesspartei verfolgt wird, ist nicht zulässig (vgl Schmid in Wiebe/G. Kodek UWG 2 § 25 Rz 2 mwN; Wiltschek/Horak UWG 8 § 25 E12).
Auch unter Berücksichtigung der konstatierten Verletzungshandlungen der Beklagten sind nach dem Ablauf des Patents keine nachteiligen Auswirkungen für die Zukunft zu befürchten, die eine Information der Allgemeinheit geboten erscheinen lassen. Es wurde auch nicht behauptet, dass durch das Handeln der Beklagten eine Marktverwirrung entstanden sei. „Generalpräventive Gründe” als Rechtfertigung hätten reinen Bestrafungscharakter.
Auch die Abweisung des Urteilsveröffentlichungsbegehrens ist daher nicht korrekturbedürftig.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.
Die ordentliche Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen.
Bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstands orientiert sich das Berufungsgericht an jener der Klägerin in der Berufung.
[Der Oberste Gerichtshof wies die (nachträglich zugelassene) Revision am 26.3.2019 zurück, 4 Ob 217/18t.]