132Bs205/18v – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Richterin Mag. Neubauer als Vo r sitzende sowie die Richterin Mag. Maruna und den fachku n digen Laienrichter Brigadier Steinacher als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des G***** E***** wegen § 90b StVG über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts ***** vom *****, GZ ***** , nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss ersatzlos aufgehoben und die Beschwerde des G***** E***** der Anstaltsleiterin der Justizanstalt ***** zur Entscheidung überwiesen.
Text
B e g r ü n d u n g
G***** E***** ist derzeit wegen § ***** in der Justizanstalt ***** untergebracht. Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Landesg e richt ***** als Vollzugsgericht einer Beschwerde des G***** E*****, wonach er am ***** von einem Justizwachebeamten ohne Vorliegen eines begründeten Verdachts oder einer Meldung gezwungen worden sei, einen an die Rechtsanwaltskammer ***** gerichteten verschlossenen Brief aufzureißen und zu öffnen, nicht Folge.
Den Feststellungen folgend hat G***** E***** am ***** einen an die Rechtsanwaltskammer ***** geric h teten, verschlossenen Brief bei dem an diesem Tag dafür zuständigen Justizwachebeamten BezInsp O***** abgeg e ben. Dieser vermeinte bei der Übernahme des Briefes etwas im Briefumschlag zu ertasten, weshalb er hinsichtlich der weiteren Vorgangsweise mit der stellvertretenden Anstaltsleitung Rücksprache hielt. Auf deren Anordnung und mangels aktuell zur Verfügung stehender technischer Möglichkeiten einer Durchleuchtung des Umschlags forderte BezInsp O***** G***** E***** auf, den Brief selbst zu öffnen, selbstständig herauszunehmen, auseinanderzufalten und die Seiten sowie den Briefumschlag auszuschütteln. Während dieser Prozedur wurde der Inhalt des Briefs von keinem Justizwachebeamten gelesen. Da sich der Verdacht auf verbotene Gegenstände innerhalb des Umschlages nicht erhärtete, verklebte G***** E***** den Brief neuerlich und gab ihn schließlich ab.
Die Zuständigkeit des Vollzugsgericht sei gegeben, da die Öffnung des Briefs auf Anordnung der stellvertr e tenden Anstaltsleitung erfolgt sei. Weil ein Durchleuc h ten des Briefumschlags nicht möglich war, sei die Öffnung der Briefsendung, unter größtmöglicher Einhaltung des Briefgeheimnisses, zu Recht erfolgt. Überdies sei § 90b StVG nicht verletzt, da gemäß Abs 2 leg cit an öffentl i che Stellen gerichtete Schreiben im Fall eines begründ e ten und nicht auf andere Weise überprüfbaren Verdachts einer unerlaubten Sendung von Geld oder Gegenständen in Gegenwart des Strafgefangenen geöffnet werden dürften.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des G***** E***** (ON 9), der moniert, dass § 90b Abs 4 StVG den begründeten Verdacht eines Missbrauchs verlange und nicht durch irgendwelche mündliche Behauptungen darstel l bar sei, sondern nur im Zuge einer schriftlichen Meldung, welche formal zum Inhalt haben müsse, worin der begrü n dete Verdacht bestehe. Das angeordnete Öffnen des Briefs sei nicht freiwillig erfolgt, sondern mittels „auf Nöt i gung fußender Erpressung“, da der Beamte das Öffnen unter Androhung den Brief sonst selbst aufzureißen und es ihm egal sei, ob Kuvert und Briefmarke dabei unbeschädigt bleiben, verlangt habe. Überdies sei der Inhalt des Briefs auf verbotene Gegenstände per Durchleuchtung fes t zustellen.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Let z tere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat. Hat das Vollzugsgericht nach § 16 Abs 3 StVG Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt, darf das Oberlandesgericht Wien den Beschluss weder aufheben, noch – um das Ermessen anders auszuüben – abändern ( Pieber in W K 2 StVG § 16a Rz 5; Drexler, StVG3 § 16a Rz 5; Drexler, StVG3 § 16a Rz 2).
Nur wenn sich eine Beschwerde gegen eine Entsche i dung, Anordnung oder ein Verhalten des Anstaltsleiters oder gegen die Verletzung des Entscheidungspflicht durch diesen richtet und dieser der Beschwerde nicht selbst abhilft, hat darüber das Vollzugsgericht zu entscheiden (§ 16 Abs 3 StVG). Über Beschwerden gegen eine Anordnung eines Strafvollzugsbediensteten entscheidet hingegen der Anstaltsleiter (§ 121 Abs 1 erster Satz StVG); eine direkte Anrufung des Vollzugsgerichts ist in diesen Angelegenheiten nicht zulässig ( Pieber in W K 2 StVG § 121 Rz 1; OLG Wien 132 Bs 162/17v, 132 Bs 275/17m).
Unter einer Anordnung ist die Geltendmachung der Befehlsgewalt durch den Anstaltsleiter oder einen Stra f vollzugsbediensteten gegenüber einem Strafgefangenen im Sinne des § 26 Abs 1 StVG zu verstehen ( Pieber in W K 2 StVG § 16 Rz 11/3).
Nach Erhebungen des Oberlandesgerichts Wien als Vollzugssenat übte Dr. K***** K***** am ***** aufgrund der Abwesenheit der Anstaltsleiterin HR Dr. B***** die Funktion der Anstaltsleiterin aus. Anordnungen sind jedoch dem Strafvollzugsbedienst e ten zuzurechnen, der sie dem Strafgefangenen gegenüber tatsächlich trifft, wobei es unmaßgeblich ist, wer alle n falls eine Weisung hiezu erteilt hat ( Drexler, StVG3 § 120 Rz 1 Punkt 2).
Der Beschluss des Vollzugsgerichts war daher au f grund zur Gänze aufzuheben ( Pieber in W K 2 StVG § 121b Rz 4; OLG Wien 132 Bs 162/17v, 132 Bs 275/17m); das Vol l zugsgericht wird die Beschwerde des G***** E***** (ON 1) der dafür zuständigen Anstaltsleiterin der Justizanstalt ***** zur Entscheidung zukommen lassen zu haben.