18Bs146/18d – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Bruzek und Mag. Lehr als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* B* und weitere Beschuldigte wegen § 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB idF BGBl I 154/2015; §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Beschwerde der Beschuldigten 1. Mag. C* D* und 2. E* F* AG gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10. April 2018, GZ 317 HR 336/14k-643 nichtöffentlich den
Spruch
In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und festgestellt , dass Mag. C* D* und die E* F* AG durch die faktische Nichterledigung der in ihren Anträgen vom 25. Jänner 2017 (ON 491) und vom 6. Februar 2017 (ON 544) beantragten Beweisaufnahmen bzw die Unterlassung der Verständigung von den Gründen der Abstandnahme die Genannten jeweils in ihren subjektiven Rechten gemäß § 55 Abs 1 und Abs 4 zweiter Satz StPO verletzt wurden.
Die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption hat den entsprechenden Rechtszustand gemäß § 107 Abs 4 StPO herzustellen.
B e g r ü n d u n g:
Die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (in Folge: WKStA) führt zu AZ 22 St 43/15y ein Ermittlungsverfahren gegen A* B* und weitere Beschuldigte, darunter auch Mag. C* D* und die E* F* AG, wegen § 153 Abs 1 und 3 StGB, in eventu §§ 146, 147 Abs 3 StGB, wobei zur bestehenden Verdachtslage zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im bekämpften Beschluss und in der Vorentscheidung des Oberlandesgerichts Wien zu AZ 18 Bs 299/16a verwiesen wird.
Mit Schriftsatz vom 25. Jänner 2017 (ON 491) beantragten die nunmehrigen Beschwerdeführer die Ergänzung des Gutachtensauftrag des Sachverständigen DDr. G* dahingehend, dass „die Analyse der Konten der E* F* AG und der weiteren im Ermittlungsverfahren sichergestellten und derzeit beim Sachverständigen befindlichen Unterlagen zum Beweis dafür vorgenommen werden möge, dass die E* F* AG nach Erwerb des H*-Partizipationskapitals durch die ehemaligen Vermögensverwaltungskunden keine Erlöse mehr erzielt habe, dass der „Ausgabeaufschlag“ nicht der E* F* AG sondern allein der H* zugute gekommen sei und es sich daher im Ergebnis beim Erwerb des H*-Partizipationskapitals um einen für E* F* AG in wirtschaftlicher Hinsicht ausschließlich nachteiligen Vorgang gehandelt habe, da ihr die zuvor im Rahmen der Vermögensverwaltung und der Managementgebühren entstandenen Erträge der ehemaligen Kunden ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zugeflossen seien. “ Das zu erwartende Beweisergebnis sei für die Beurteilung des Sachverhaltes und der Schuldfrage in Bezug auf Mag. C* D* und auch zur Klärung der Verantwortung der E* F* AG im Rahmen des VbVG wesentlich (AS 11 in ON 491).
Mit Schriftsatz vom 6. Februar 2017 (ON 544) erstatteten der Beschuldigte Mag. C* D* und die Beschuldigte E* F* AG durch ihren Verteidiger eine Stellungnahme und stellten neben weiteren hier nicht relevanten Anträgen den Beweisantrag nach § 55 Abs 1 StPO auf Einvernahme des J* K* als Zeugen unter Anführung des zu klärenden Beweisthemas und Darlegung der Relevanz der beantragten Beweisaufnahme für das gegenständliche Ermittlungsverfahren (AS 35 in ON 544).
Am 5. Oktober 2017 (ON 623) und am 9. November 2017 (ON 626) erhoben die Beschuldigten Mag. C* D* und E* F* AG jeweils einen Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 Abs 1 Z 1 StPO und brachten vor, dass zum Zeitpunkt der Erhebung des Einspruchs seit der jeweiligen Antragstellung bereits acht Monate vergangen seien ohne dass die Anklagebehörde den gestellten Beweisanträgen auf Ergänzung des Sachverständigenauftrages (AS 11 in ON 623) und Einvernahme des Zeugen K* (AS 2 in ON 626) entsprochen habe und dass der ausgewiesene Verteidiger entgegen § 55 Abs 4 zweiter Satz StPO nicht davon verständigt worden sei, aus welchen Gründen die beantragten Beweisaufnahmen unterblieben seien. Die Beschwerdeführer stellten daher den Antrag, die WKStA möge dem Einspruch wegen Rechtsverletzung dadurch entsprechen, dass die im Beweisantrag vom 25. Jänner 2017, ON 491, begehrte Beweisaufnahme antragsgemäß durchgeführt und der ausgewiesene Verteidiger davon gemäß § 55 Abs 4 zweiter Satz StPO verständigt bzw im Fall der Ablehnung der Beweisaufnahme von den Gründen aus welchen sie unterbleibt benachrichtigt werde, andernfalls den Einspruch innerhalb der gesetzlichen Frist an das Gericht zur Entscheidung weiterzuleiten. Bei diesem werde beantragt, dem Einspruch stattzugeben, die Rechtsverletzung festzustellen und der Staatsanwaltschaft die Herstellung des entsprechenden Rechtszustandes durch Aufnahme der beantragten Beweise aufzutragen (AS 17 f in ON 623). Mit dem Einspruch wegen Rechtsverletzung vom 9. November 2017 beantragten die Einspruchswerber, das Landesgericht für Strafsachen Wien möge feststellen, dass die Einspruchswerber dadurch, dass die WKStA den Beweisantrag ON 544 faktisch unerledigt gelassen hat, in ihrem subjektiven Recht auf Aufnahme des beantragten Beweises (Ladung und Einvernahme des Zeugen J* K* zu den im Beweisantrag genannten Beweisthemen) verletzt worden seien; in eventu möge festgestellt werden, dass die Einspruchswerber in ihrem Recht, darüber verständigt zu werden, aus welchen Gründen eine beantragte Beweisaufnahme unterbleibt (§ 55 Abs 4 zweiter Satz StPO), verletzt worden seien. Der WKStA möge überdies aufgetragen werden, den entsprechenden Rechtszustand gemäß § 107 Abs 4 StPO herzustellen (AS 7 in ON 626).
Die WKStA übermittelte am 13. November 2017 die beiden Einsprüche (siehe Deckblatt des Einspruchs) wegen Rechtsverletzung mit ablehnender Stellungnahme dem Erstgericht und beantragte, den Einspruch wegen Rechtsverletzung mangels Zulässigkeit zurückzuweisen, in eventu mangels Verletzung eines subjektiven Rechtes als unbegründet abzuweisen. Inhaltlich nahm die WKStA ausschließlich zu dem im Einspruch ON 623 erhobenen Vorbringen (Ergänzung des Sachverständigenauftrages) dahingehend Stellung, dass erst nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens von DDr. G* und der Ermittlungsergebnisse aus der Auswertung der Daten eine Entscheidung über den Beweisantrag möglich sei. Dem Sachverständigen sei am 30. April 2015 (ON 90) ein sehr breit formulierter Gutachtensauftrag erteilt worden, nämlich eine detaillierte Untersuchung der personellen und gesellschaftsrechtlichen Verbindungen und etwaiger wirtschaftlicher Beziehungen (Verrechnungskonten, Ausschüttungen, Kredite, Darlehen, Vergütungen, Leistungsbezüge) von A* B* und L* M* zu den Gesellschaften E* F* AG, H* Beteiligungs GmbH, I* Beteiligungs GmbH, N* AG, O* P* GmbH, O* Q* GmbH, O* Holding GmbH, R* Privatstiftung, S* Privatstiftung und D* Privatstiftung vorzunehmen. Hinsichtlich der E* F* AG sei dem Sachverständigen aufgetragen worden, die Originalkundenprofile, Risikohinweise, Kundenvereinbarungen etc von Investoren beizuschaffen, wobei dies im Hinblick auf die Vorwürfe einer zweckwidrigen Mittelverwendung im Rahmen der E*-Vermögensverträge im Zusammenhang mit der Veranlagung in die von der H* Beteiligungs GmbH begebenen Partizipationsscheine und der von der O* P* GmbH begebenen Anleihe erfolgen sollte. Dazu hätten umfangreiche Kontenöffnungen stattgefunden, seien bislang eine Vielzahl von Unterlagen und Informationen an den Sachverständigen übermittelt und Akten aus vor den Zivilgerichten geführten Verfahren beigeschafft worden, um - unter anderem - auch die Tatbeteiligung des Mag. C* D* und die Verantwortlichkeit der E* F* AG aufgrund strafbarer Handlungen ihrer Entscheidungsträger B*, M* und Mag. D* aufzuklären. Die Auswertungen der bei der E* F* AG sichergestellten Daten (ON 114 S 18 ff) würde noch andauern, wobei die sichergestellten physischen Unterlagen vom Sachverständigen bereits in seine Befundaufnahme einbezogen worden seien. Die Einspruchswerber würden sich weiterhin damit verantworten, dass ihnen bei der Ausgabe der Partizipationsscheine der H* T* AG keine Rolle zugekommen sei, wobei auch von ihnen nicht bestritten werde, dass zumindest B* in diese Vorgänge involviert gewesen sei. Aus dem Prüfbericht der U* würde sich ergeben, dass zwischen den einzelnen Gesellschaften erhebliche Geschäfte und organschaftliche Verflechtungen stattgefunden hätten. Daher müsse die Argumentation der Einspruchswerber, dass keine Erlöse mehr zugunsten der E* F* AG erwirtschaftet worden seien und diese schon allein aufgrund des wirtschaftlichen Nachteils nicht in die Ausgabe der Partizipationsscheine der H* T* AG eingebunden gewesen sein können, die Geschäfte somit ohne Beteiligung der E* F* AG abgewickelt worden seien, aufgrund der Ergebnisse des bisherigen Ermittlungsverfahrens, insbesondere der vorliegenden Aussagen der Zeugen V*, W*, Mag. X* und Y* in Zweifel gezogen werden. Eine Entscheidung über den Beweisantrag sei daher erst nach Vorliegen des in Auftrag gegebenen Gutachtens und der Ermittlungsergebnisse aus der Auswertung der Daten möglich, weil sich dadurch ergeben könne, dass die begehrten Beweisaufnahmen ohne Bedeutung für die Beurteilung des Tatverdachts oder nicht geeignet seien, eine erhebliche Tatsache zu beweisen oder ein Beweisthema als erwiesen gelten könne (§ 55 Abs 2 StPO). Der StPO lasse sich zudem nicht entnehmen, dass die Staatsanwaltschaft innerhalb einer bestimmten Frist über einen Beweisantrag zu entscheiden habe. Lediglich § 55 Abs 4 letzter Satz StPO sehe vor, dass die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten zu verständigen habe, aus welchen Gründen einem Beweisantrag nicht entsprochen werde; eine Frist für eine solche Beantwortung könne dem Gesetz jedoch nicht entnommen werden. Da über den Beweisantrag noch nicht entschieden werden könne, seien die Beschuldigten auch noch nicht verständigt worden. Die Einsprüche seien daher mangels Zulässigkeit zurückzuweisen, in eventu mangels Verletzung eines subjektiven Rechts als unbegründet abzuweisen.
Eine inhaltliche Befassung mit den Gründen für das Unterbleiben der beantragten Einvernahme des Zeugen K*, der Gegenstand des Einspruchs vom 9. November 2017 ist, ist der Stellungnahme der WKStA nicht zu entnehmen (ON 628).
Mit dem bekämpften Beschluss (ON 643) wies das Landesgericht für Strafsachen Wien die Einsprüche wegen Rechtsverletzung des Mag. C* D* und der E* F* AG vom 5. Oktober 2017 (ON 623) und vom 9. November 2017 (ON 626) zurück.
Begründend führte das Erstgericht zum Einspruch vom 5. Oktober 2017 aus, § 55 Abs 1 StPO sehe von einer bindenden Regelung des Verhaltens der Staatsanwaltschaft ab, bestehe doch keine Verpflichtung der Staatsanwaltschaft innerhalb einer bestimmten Frist über den Beweisantrag zu entscheiden. Die Staatsanwaltschaft habe von ihrem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht, sodass die Einspruchswerber daraus keine Verletzung eines subjektiven Rechts ableiten könnten. Das Argument der Einspruchswerber, eine spätere - allenfalls erst nach einer einem Einspruch wegen Rechtsverletzung stattgebenden Entscheidung - erfolgende Entscheidung der Staatsanwaltschaft über den Beweisantrag würde das Beschleunigungsgebot nach § 9 Abs 1 StPO verletzen, sei im Rahmen des § 106 Abs 1 StPO unbeachtlich, weil sich ein Betroffener im Einspruchsverfahren nur gegen bereits eingetretene Rechtsverletzungen zur Wehr setzen könne. Eine Verständigung nach § 55 Abs 4 StPO über die Gründe der nicht erfolgten Entscheidung über den Beweisantrag sei jedenfalls mit der ablehnenden Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 13. November 2017 erfolgt. Diesbezüglich habe die Staatsanwaltschaft daher dem Einspruch entsprochen, sodass dieser, soweit er sich auf das Unterlassen der Verständigung nach § 55 Abs 4 StPO stütze, gemäß § 107 Abs 1 StPO zurückzuweisen gewesen sei.
Der Einspruch wegen Rechtsverletzung vom 9. November 2017 habe nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprochen, weil darin das an die Staatsanwaltschaft gerichtete Begehren, das es dieser ermöglicht hätte, dem Einspruch im Sinne des § 106 Abs 4 StPO zu entsprechen, gefehlt habe. Zudem sei das Zuwarten der Staatsanwaltschaft mit der Entscheidung über den Beweisantrag im Einklang mit dem vom Gesetz eingeräumten Ermessen gestanden und die monierte Verständigung jedenfalls mit der ablehnenden Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 13. November 2017 erfolgt.
Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Mag. C* D* und der E* F* AG (ON 646), zu der die WKStA am 12. Juni 2018 Stellung nahm, wozu sich die Beschwerdeführer ihrerseits am 25. Juni 2018 äußerten.
Text
Beschluss
gefasst:
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.
Zur Rechtsmittellegitimation und Rechtzeitigkeit der Einsprüche ist auszuführen, dass gemäß § 106 Abs 1 StPO ein Einspruch an das Gericht jeder Person zusteht, die behauptet, im Ermittlungsverfahren durch (die) Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil ihr die Ausübung eines Rechts nach diesem Gesetz verweigert (Z 1) oder eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde (Z 2).
Eine Verletzung eines subjektiven Rechts liegt nicht vor, soweit das Gesetz von einer bindenden Regelung des Verhaltens von Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei absieht und von diesem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (§ 106 Abs 1 letzter Satz StPO).
Als subjektive Rechte sind solche zu verstehen, welche dem Betroffenen einen Anspruch auf ein bestimmtes Verfahrensrecht nach der StPO einräumen (zB Akteneinsicht, Beweisantragsrecht oder Recht auf Beiziehung einer Person des Vertrauens) oder die Voraussetzungen und Bedingungen festlegen, die bei der Ausübung von Zwang gegenüber Betroffenen nach der StPO konkret einzuhalten sind. Vor diesem Hintergrund beschränkt sich die aktive Legitimation zur Einbringung eines Einspruchs wegen Rechtsverletzung nicht bloß auf den Kreis der eigentlichen Verfahrensbeteiligten, sondern letztlich auf jede natürliche oder juristische Person, die sich durch die Führung eines Ermittlungsverfahrens nach der StPO kausal in einem subjektiven Recht verletzt erachtet ( Koenig/Pilnacek , WK-StPO § 106 Rz 10).
Lehnt die Staatsanwaltschaft einen Beweisantrag ab oder behält sie die Beweisführung der Hauptverhandlung vor, kann dagegen gemäß § 106 Abs 1 Z 1 StPO ein Einspruch an das Strafgericht erhoben und der Sachverhalt einer gerichtlichen Nachprüfung zugeführt werden ( Schmoller, aaO Rz 100). Es entspricht nicht der Intention des Gesetzes, dass ein Beschuldigter ausschließlich die Abweisung eines Beweisantrags einer gerichtlichen Kontrolle zuführen könne, jedoch jede Nichtbehandlung – die letztlich einer faktischen Abweisung gleichkommt – dagegen unangreifbar sein soll. Daher steht den Beschuldigten auch im Fall eines längerfristigen stillschweigenden Übergehens eines gestellten Beweisantrages das Recht des Einspruchs nach § 106 Abs 1 Z 1 StPO zu.
Nach dem dargestellten Verfahrensablauf sind die Beschwerdeführer Beschuldigte und sind daher zur Erhebung des Einspruchs legitimiert, weil ihnen ein nach der StPO zustehendes Recht, nämlich das Beweisantragsrecht iS des § 55 StPO, de facto verweigert wurde. Da die behauptete Rechtsverletzung in der Untätigkeit der WKStA zu erblicken ist, dauert diese noch an, sodass die Einsprüche auch rechtzeitig innerhalb der gesetzlichen Frist von sechs Wochen eingebracht wurden.
§ 55 StPO sieht vor, dass der Beschuldigte berechtigt ist, die Aufnahme von Beweisen zu beantragen, wobei Beweisthema, Beweismittel und jene Informationen, die für die Durchführung der Beweisaufnahme erforderlich sind, zu bezeichnen sind. Soweit dies nicht offensichtlich ist, ist zu begründen, weswegen das Beweismittel geeignet sein könnte, das Beweisthema zu klären. Unzulässige, unverwertbare und unmögliche Beweise sind nicht aufzunehmen. Im Übrigen darf eine Beweisaufnahme auf Antrag des Beschuldigten nur unterbleiben wenn 1. das Beweisthema offenkundig oder für die Beurteilung des Tatverdachts ohne Bedeutung ist 2. das beantragte Beweismittel nicht geeignet ist, eine erhebliche Tatsache zu beweisen und 3. das Beweisthema als erwiesen gelten kann (§ 55 Abs 2 StPO). Das Beweisantragsrecht des § 55 StPO ermöglicht den Verfahrensbeteiligten, ihre eigene Einschätzung der Beweisrelevanz eines Beweismittels in das Verfahren einzubringen. Dem entspricht die Einschränkung der Ablehnungsmöglichkeit eines Beweisantrags auf die obgenannten taxativ aufgezählten Ablehnungsgründe. Grundsätzlich soll die Einschätzung der Beweisrelevanz durch den Antragsteller vom Gericht akzeptiert werden, sie ist nur einer Plausibilitätskontrolle unterworfen. Sind auf eine Beweisaufnahme gerichtete Anträge unzureichend konkretisiert, sind Beweismittel oder Beweisthema nicht klar angegeben, hat dies die Nichtanwendbarkeit des § 55 StPO zur Folge und sind solche zur Konkretisierung zurückzustellen, wobei auch ein nicht hinreichend konkretisierter oder begründeter Antrag auf Beweisaufnahme Informationen und Hinweise enthalten kann, die im Rahmen der allgemeinen Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung relevant erscheinen können und sodann zu verfolgen sind ( Schmoller, WK-StPO § 55 Rz 74 ff). Liegt ein hinreichend konkretisierter und begründeter Beweisantrag vor, ist dessen Ablehnung auf die in § 55 Abs 2 StPO taxativ aufgezählten Gründe beschränkt. Nach § 55 Abs 4 zweiter Satz StPO hat die Staatsanwaltschaft die Beweisaufnahme zu veranlassen oder den Beschuldigten zu verständigen, aus welchen Gründen sie unterbleibt.
Den Einspruchswerbern ist beizupflichten, dass sich aus § 55 Abs 1 und Abs 4 StPO ergibt, dass die Staatsanwaltschaft zwingend Beweisanträge des Beschuldigten zu prüfen und gegebenenfalls anzuordnen hat, auf welche Weise die Beweisaufnahme durchzuführen ist, und andernfalls den Beschuldigten verständigen muss, aus welchen Gründen die Beweisaufnahme nach Ansicht der Staatsanwaltschaft unterbleiben kann oder an welchen Kriterien oder Konkretisierungen es mangelt. Daraus ist abzuleiten, dass das Gesetz in diesem Fall das mögliche Vorgehen der Staatsanwaltschaft bindend regeln will. Der Staatsanwaltschaft kommt kein Ermessen darüber zu, ob sie Beweisanträge des Beschuldigten zur Kenntnis nimmt, oder nicht. Sie ist zur Prüfung der Anträge ohne schuldhafte Verzögerung und zu entsprechenden Veranlassungen bzw Verständigungen schon im Sinn des Objektivitätsgebotes verpflichtet (§ 3 Abs 2 Satz 1 StPO). Sinnvollerweise sollen Kriminalpolizei bzw Staatsanwaltschaft den Antragsteller daher auch dann verständigen, wenn dem Beweisantrag stattgegeben wurde ( Schmoller, aaO Rz 98). Es trifft zwar zu, dass § 55 Abs 4 zweiter Satz StPO eine Frist zur Vornahme der Verständigung des Beschuldigten nicht zu entnehmen ist und dass der Staatsanwaltschaft daher ein gewisses Ermessen dahingehend zukommt, innerhalb welchen Zeitraums sie über den gestellten Beweisantrag entscheidet, wobei sie durchaus einzelne noch ausstehende Beweisergebnisse vor der Entscheidung abwarten darf, die Intention des Gesetzes geht aber dahin, dass eine möglichst zeitnahe Entscheidung und eine Verständigung des Antragstellers erfolgen soll. Der Beschuldigte, der sich aktiv an der Beweisbeschaffung durch Stellung entsprechender begründeter Beweisanträge beteiligen soll, soll nämlich durch die möglichst rasche Mitteilung der Staatsanwaltschaft über das Unterbleiben der beantragten Beweisaufnahme und die dafür maßgeblichen Gründe auch in die Lage versetzt werden, andere zielführende oder konkretisierte Beweisanträge zu stellen. Aus § 55 Abs 4 StPO ergibt sich daher, dass – je nach Sach- und Rechtslage und Komplexität des Verfahrens – binnen angemessener Frist für den Beschuldigten erkennbar sein muss, ob die von ihm gestellten Beweisanträge einer Erledigung zugeführt werden oder nicht. Mag daher in der von der WKSTA zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien, AZ 21 Bs 313/17h, eine Zeitspanne der „Nichtreaktion“ auf einen gestellten Beweisantrag rund drei Monaten im konkreten Fall auch angesichts der in diesem Zeitraum erfolgten endgültigen Verfahrenseinstellung noch tolerierbar sein, ist ein Zeitraum von ca acht Monaten, in dem sich die WKStA in keiner Form zu den gestellten Beweisanträgen äußerte, als nicht mehr angemessen anzusehen. Die Einspruchswerber sind daher im Recht, dass das von der Staatsanwaltschaft gewählte Vorgehen, nämlich das gegenüber den Antragstellern nicht erklärte Zuwarten bis zum Vorliegen eines nach Ansicht der Staatsanwaltschaft erforderlichen weiteren Beweismittels (hier das Ergebnis des Sachverständigengutachtens), auf dessen Grundlage die Staatsanwaltschaft sodann eine Entscheidung über den Beweisantrag zu fällen beabsichtigte, faktisch einem stillschweigenden Übergehen des gestellten Beweisantrags gleichkommt. Dass ein solches Zuwarten bis zu einem auch für die Ermittlungsbehörden nicht vorhersehbaren Zeitpunkt nicht sinnvoll ist, zeigt auch der Umstand, dass der besagte Sachverständige seit mittlerweile rund vier Jahren umfangreiche Sachverhalte zu untersuchen hat, wobei zweimal die Frist zum Abschluss des Gutachtens von der WKStA um jeweils ein Jahr, zuletzt auf den 31. Dezember 2017, erstreckt wurde (AB-Bogen S 75 und 141) und dieses Gutachten im Juni 2018 noch immer nicht vorliegt (Stellungnahme der Einspruchswerber vom 26. Juni 2018).
Nicht gefolgt werden kann der erstgerichtlichen Argumentation, dass das Vorgehen der Staatsanwaltschaft, über den Beweisantrag auf Ergänzung des Sachverständigengutachtens aus Gründen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit bis zum Abschluss desselben zuzuwarten, nachvollziehbar, im Einklang mit dem Gesetz und somit nicht zu beanstanden sei. Denn es entspräche viel eher dem Gebot der Sparsamkeit, Effizienz und Beschleunigung, eine vom Beschuldigten konkret vom Sachverständigen zu klärende Prüfung eines Teilaspekts im Rahmen der noch laufenden Begutachtung vorzunehmen, als allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt, den Sachverständigen erneut mit der Begutachtung dieser Frage zu betrauen.
Zum Grund der Ablehnung des Beweisantrages auf Einvernahme des Zeugen K*, der Gegenstand des ersten Einspruchs ist, hat sich die WKStA nicht einmal im Einspruchsverfahren geäußert, sodass nach wie vor offen ist, aus welchen Erwägungen die begehrte Zeugeneinvernahme bislang unterblieb.
Die WKStA wäre daher verhalten gewesen die beantragten Beweise zu prüfen und nach einer angemessenen Frist die Beschuldigten in Kenntnis darüber zu setzen, ob die beantragten Beweise aus einem der Fälle des § 55 Abs 2 Z 1 bis 3 StPO für nicht durchführbar erachtet werden, um auch allenfalls notwendige Ergänzungen/ Konkretisierungen/ Änderungen zu ermöglichen und damit ihre Mitwirkungsrechte im Ermittlungsverfahren (§ 6 Abs 1 StPO) effektuieren zu lassen.
Durch das faktische, stillschweigende Übergehen der gestellten Beweisanträge bzw durch die nicht erfolgte Auskunft über die weitere Vorgehensweise über eine Dauer von rund acht Monaten verletzte die WKStA daher das Gesetz im Sinne des § 55 Abs 1 und Abs 4 StPO.
Abschließend ist festzuhalten, dass das Beschwerdegericht die im bekämpften Beschluss betreffend den Einspruch vom 9. November 2017 konstatierten Formgebrechen des Fehlens eines an die Staatsanwaltschaft gerichteten Begehrens (ON 643, S 9) nicht teilt. Darin beantragten die Einspruchswerber, das Landesgericht für Strafsachen Wien möge feststellen, dass die Einspruchswerber dadurch, dass die WKStA den Beweisantrag ON 544 faktisch unerledigt gelassen hat, in ihrem subjektiven Recht auf Aufnahme des beantragten Beweises (Ladung und Einvernahme des Zeugen J* K* zu den im Beweisantrag genannten Beweisthemen) verletzt worden seien; in eventu möge festgestellt werden, dass die Einspruchswerber in ihrem Recht, darüber verständigt zu werden, aus welchen Gründen eine beantragte Beweisaufnahme unterbleibt (§ 55 Abs 4 zweiter Satz StPO), verletzt worden seien.
Da die Rechtsverletzung der WKStA darin bestand, dass sie faktisch über einen unangemessen langen Zeitraum, nämlich vom 6. Februar 2017 (Zeitpunkt des Beweisantrages ON 544) bis zum Zeitpunkt des Einspruchs am 9. November 2017 nicht im Sinne des § 55 Abs 2 und 4 StPO über den gestellten Beweisantrag entschieden hat, hätte die WKStA dem Einspruchsbegehren, nämlich einer zeitnahen Entscheidungsfällung über den gestellten Beweisantrag, iS des § 106 Abs 4 StPO gar nicht mehr entsprechen können, sodass der auf Feststellung der Rechtsverletzung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien gerichtete Einspruchsantrag nicht zu beanstanden ist.
Dass die WKStA die monierte Verständigung jedenfalls mit der ablehnenden Stellungnahme vom 13. November 2017 vorgenommen und dadurch dem Erfordernis des § 55 Abs 4 StPO entsprochen hätte (S 10 im bekämpften Beschluss), ist hinsichtlich des Einspruchs vom 9. November 2017 unzutreffend, weil die WKStA das Unterlassen der Vernehmung des Zeugen K* darin nicht begründet hat. Aber auch in Ansehung des Einspruchs vom 5. Oktober 2017 vermag die Argumentation des Erstgerichts, die Verständigung über die Gründe des Unterbleibens der beantragten Beweisaufnahme sei jedenfalls mit der ablehnenden Stellungnahme der WKStA am 13. November 2017 erfolgt, nicht zu überzeugen, weil § 55 Abs 4 StPO wie oben dargestellt eine zeitnahe Verständigung (ohne ungebührliche Verzögerung) erfordert, die in casu nicht vorlag, zumal der Beweisantrag am 25. Jänner 2017, sohin etwa neun Monate zuvor, gestellt wurde.
Da aus dem Akt hervorgeht, dass die Rechtsverletzung noch andauert, war der WKStA gemäß § 107 Abs 4 StPO aufzutragen, den rechtmäßigen Zustand herzustellen.
Oberlandesgericht Wien
1011 Wien, Schmerlingplatz 11
Abt. 18, am 16. Juli 2018
Mag. Natalia Frohner Elektronische Ausfertigung gemäß § 79 GOG