133R45/18t – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke Nr 286064 ROOM SEVEN über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 15.11.2017, WM 57/2016-10, 11 und 12, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
Die Widerspruchsmarken:
Die Antragstellerin beruft sich in ihrem Widerspruch auf ihre am 2.12.2009 angemeldete Wortmarke UM 8728651
SEVEN
für Waren der Klassen 16 und 18, davon in der Klasse
18 Waren aus Leder und Lederimitationen, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Rucksäcke, Minirucksäcke, Schultaschen, Kindertragetaschen, Taschen, Einkaufstaschen, Reisetaschen und Matchsäcke, große und kleine Sporttaschen; Handtaschen; Campingtaschen; Strandtaschen; Taschen für Kletterer; Schulranzen; Aktenmappen; Geldscheinetuis; Beutel (Taschen); Schlüsselhalter; Gürteltaschen; Reisetaschen; Regenschirme; Schrankkoffer; Spazierstöcke; Sportreisetaschen.
sowie auf ihre am 27.1.2014 registrierte Wortbildmarke UM 1231145
für Waren der Klasse 9, 16, 18 und 35, davon in der Klasse
18 Rucksacks; backpacks; school bags, shoulder bags for carrying infants, bags, shopping bags; travelling bags and duffel bags for travel; bags and holdalls for sports; handbags; bags for campers; beach bags; backpacks for hiking and climbing, satchels, briefcases, pocket wallets; purses; key cases; hip bags; suitcases; umbrellas, trunks; walking sticks; overnight suitcases; vanity cases, gift garment bags for clothing, wheeled bags, wheeled backpacks and wheeled suitcases.
Die angegriffene Marke:
Die Antragstellerin erhob Widerspruch gegen die am 21.9.2015 zu Nr 286064 angemeldeten Wortmarke (angegriffene Marke) der Antragsgegnerin
ROOM SEVEN
für Waren der Klasse
18 Leder und Lederimitationen; Waren aus diesen Materialien, nämlich Gepäck, Koffer, Taschen, insbesondere Hand-, Reise- und Einkaufstaschen; Reise- und Handkoffer; Regenschirme; Sonnenschirme.
Die Antragstellerin führte dazu aus, dass die Widerspruchsmarken und die angegriffene Marke für idente Waren eingetragen seien. Da die Antragsgegnerin die Widerspruchsmarke UM 8728651 (Wortmarke „SEVEN”) als wesentlichen Bestandteil der angegriffene Marke verwende, bestehe Verwechslungsgefahr. Entsprechendes gelte für die Widerspruchsmarke UM 1231145 (Wortbildmarke), weil der Geschäftsverkehr ungeachtet der grafischen Ausgestaltung auch hier den Begriff „SEVEN” als prägend empfinde und im Gedächtnis behalte. Auch werde die Wortbildmarke als „seven” ausgesprochen, wodurch sich ein phonetischer Gleichklang ergebe.
Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Widerspruchs und wendete ein, dass die Antragstellerin die Widerspruchsmarken in den letzten fünf Jahren nicht kennzeichenmäßig benutzt habe. Die Antragsgegnerin verwende ihre Marke seit 1995 in zahlreichen europäischen Staaten, unter anderem auch in Österreich. Ihre Marke sei in den Beneluxstaaten registriert und ihr Handelsname ROOM SEVEN nach dem PVÜ geschützt. Aufgrund der langen Koexistenz der Zeichen bestehe keine Verwechslungsgefahr. Die Wortmarke „SEVEN” habe als bloßes Zahlwort auch keine Unterscheidungskraft. Das Zeichen sei bloß beschreibend, weil Konsumenten diese Zahl als Hinweis auf die Größe des Gepäckstücks, etwa im Sinne von „7 Zoll” oder „für 7 Tage” verstehen würden. Es sei durchaus üblich, dass derartige Waren mit Zahlwörtern bezeichnet werden, und es bestehe ein allgemeines Freihaltebedürfnis an solchen Zahlwörtern. Auch die auffällige grafische Gestaltung der Widerspruchsmarke stehe einer Verwechslung entgegen. Es bestehe auch kein phonetischer Gleichklang, weil die Widerspruchsmarke UM 1231145 „seven seven” oder „sieben seven” ausgesprochen werde. Schließlich komme dem Beisatz „ROOM” dominierende und selbständig kennzeichnende Bedeutung zu, wodurch eine Verwechslungsgefahr auszuschließen sei.
Mit der angefochtenen Entscheidung gab die Rechtsabteilung des Patentamts dem Widerspruch statt, hob die Registrierung der angegriffenen Marke auf und führte dazu aus, dass der Antragstellerin der Nachweis einer kennzeichenmäßigen Benutzung nicht gelungen sei. Daher könne die Antragstellerin ihren Widerspruch nur auf die erst am 27.1.2014 registrierte Wortbildmarke UM 1231145 stützen.
Die Zeichen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin seien in klanglicher und begrifflicher Hinsicht ähnlich, zumal beide das Wort „SEVEN” enthielten. Die Zahl 7 sei im Hinblick auf die Waren, für die die Marken eingetragen seien, nicht beschreibend, sondern unterscheidungskräftig. Unter Berücksichtigung der hochgradigen Warenidentität sei deshalb eine Verwechslungsgefahr anzunehmen.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin aus den Rekursgründen des Verfahrensmangels und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung der Rechtsabteilung dahingehend abzuändern, dass der Widerspruch abgewiesen wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragstellerin beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
1. Nach § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG ist eine Marke auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten noch zu Recht bestehenden Marke zu löschen, wenn die Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und wenn dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.
2. Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Rechtsansicht der Rechtsabteilung, wonach zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke UM 1231145 Verwechslungsgefahr bestehe.
Die Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen, wobei die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und die Ähnlichkeit der von den Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen zu berücksichtigen sind (RIS-Justiz RS0116970; RS0121482; RS0121500). Dabei kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (RIS-Justiz RS0116294; RS0121482). Aus dieser Wechselwirkung folgt, dass bei Warenidentität oder hochgradiger Warenähnlichkeit ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen erforderlich ist, um Verwechslungsgefahr auszuschließen, als dies bei größerer Warenverschiedenheit zutreffen würde (RIS-Justiz RS0116294).
Sowohl die Widerspruchsmarken als auch die angegriffene Marke wurden für Waren der Klasse 18, insbesondere für Rucksäcke, Taschen und Koffer eingetragen, weshalb ein deutlicher Unterschied der Zeichen zu fordern ist.
3. Die Widerspruchsmarken und die angegriffene Marke haben gemeinsam, dass sie das Wort „seven” enthalten. Für den Ähnlichkeitsvergleich sind die einzelnen Zeichenbestandteile nicht isoliert zu betrachten, sondern es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, welchen Einfluss der einzelne Markenbestandteil auf den Gesamteindruck des Zeichens hat (RIS-Justiz RS0066749; RS0066753). So kommt einem einzelnen Markenbestandteil selbständiger Schutz zu, sofern er für sich allein unterscheidungskräftig und durch seine Verwendung die Gefahr von Verwechslungen zu besorgen ist (RIS-Justiz RS0066816).
4. Die Antragsgegnerin steht auf dem Standpunkt, dass dem Wort „seven” keine Unterscheidungskraft zukomme, weil es sich um ein bloßes Zahlwort handle, das bei Waren der Klasse 18 als bloßer Hinweis auf die Größe des Gepäckstücks verstanden werde, wodurch auch ein Freihaltebedürfnis bestehe. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Wort „seven” jedenfalls keine gebräuchliche Beschreibung der Größe eines Gepäckstücks ist. Dementsprechend hat das EuG bereits ausgesprochen, dass das Wort „seven” in der Warenklasse 18 nicht beschreibend ist, sondern vielmehr über durchschnittliche Unterscheidungskraft verfügt (T 176/10, seven for all mankind ).
5. Weiters macht die Antragsgegnerin geltend, dass der markenmäßige Gebrauch von Zahlwörtern weit verbreitet sei und auch das Wort „seven” in zahlreichen anderen Marken vorkomme, wodurch dieses Wort schon durch die häufige Benutzung seine Unterscheidungskraft verloren habe. Die Rechtsabteilung habe die rechtliche Bedeutung dieser Tatsache nicht erkannt und deshalb dazu keine Feststellungen getroffen.
Dem ist entgegenzuhalten, dass nach Ansicht des EuGH, der sich bereits mit der Unterscheidungskraft dieses Zeichens befasst hat, die Existenz solcher Marken, auch wenn es sich um zahlreiche Marken handelt, der Unterscheidungskraft des Zeichens „seven” nicht entgegensteht (C 655/11 P, seven ). Auch wenn das Wort „seven” den Konsumenten möglicherweise aus anderen registrierten Marken bekannt sein mag, ändert dies nichts daran, dass ein Konsument das Wort „seven” im Zusammenhang mit der Waren der Klasse 18 als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen versteht.
6. Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass zwischen den Zeichen weder eine „graphische Ähnlichkeit” noch eine „phonetische Ähnlichkeit” bestehe. Nach der Rechtsprechung ist Verwechslungsgefahr im allgemeinen schon dann anzunehmen, wenn sie bei einem der drei Ähnlichkeitskriterien (Wortbild, Wortklang, Wortsinn) gegeben ist (RIS-Justiz RS0066753 [T7, T18]; RS0066779 [T13]). Zutreffend ist, dass die Widerspruchsmarke UM 1231145 eine Wortbildmarke ist, während die angegriffene Marke als Wortmarke eingetragen wurde. Entgegen der Ausführungen der Antragsgegnerin besteht aber kein Grund zur Annahme, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Widerspruchsmarke als „seven seven” oder gar „sieben seven” aussprechen würden. Vielmehr ist bei der Widerspruchsmarke offensichtlich, dass die Ziffer „7” dem beigefügten Wort „seven” entspricht, weshalb die angesprochenen Verkehrskreisen die Widerspruchsmarke bloß als „seven” aussprechen würden. Damit besteht sowohl hinsichtlich Wortklang als auch Wortbedeutung Identität des Zeichenbestandteils, was für sich genommen die Verwechslungsgefahr begründet.
7. Auch der EuGH hat bei Verwendung des Zeichens „seven” eine Verwechslungsgefahr angenommen, die beispielsweise durch die nachgestellte Beifügung „for all mankind” nicht beseitigt wird (C 655/11 P, seven ). Ob die Beifügung dem übernommenen Zeichenbestandteil voran- oder nachgestellt wird, macht entgegen der Rechtsansicht der Antragsgegnerin keinen wesentlichen Unterschied.
Zwar hat die Cour d’appel de Paris eine Verwechslungsgefahr zum Zeichen „room seven” verneint, weil diese Wortverbindung als Einheit wahrgenommenen werde und dem Wort „seven” darin kein überwiegendes Gewicht zukomme (Cour d’appel de Paris, 26.9.2017, Pôle 5 , Chambre 1, n° 187/2017; vorgelegt von der Antragsgegnerin als Beilage./ 15). Dem ist entgegenzuhalten, dass die angesprochenen Verkehrskreise das Zeichen „room seven” sehr wohl als zusammengesetztes Zeichen auffassen, wobei „room” das Grundwort und „seven” das Bestimmungswort ist. Für die angesprochenen Verkehrskreise wird damit jedenfalls eine – wenn auch nicht näher definierte – Verbindung zum Zeichen „seven” hergestellt. Dies reicht aus, um eine Verwechslungsgefahr anzunehmen, zumal die Herkunftsgarantie der Marke nach der Rechtsprechung bereits dann beeinträchtigt wird, wenn die Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr auch nur den Eindruck entstehen lässt, dass eine Verbindung zwischen den betroffenen Waren und dem Markeninhaber bestehe (RIS-Justiz RS0122216). Aus diesen Erwägungen hat auch das EUIPO zu R 955/2012 4 die Verwechslungsgefahr der vorliegenden Zeichen bejaht.
8. Schließlich behauptet die Antragsgegnerin, dass der Widerspruch aufgrund der „langjährigen friedlichen Koexistenz” der Marken abzuweisen gewesen wäre, und rügt die Nichtaufnahme der diesbezüglichen angebotenen Beweise.
Der EuGH hat zu C 482/09, Budějovický Budvar/Anheuser-Busch , ausgeführt, dass der Inhaber einer älteren Marke die Ungültigerklärung einer identischen jüngeren Marke, die identische Waren kennzeichnet, nicht erwirken kann, wenn diese beiden Marken über eine lange Zeit hinweg in redlicher Weise gleichzeitig benutzt wurden und dabei die Hauptfunktion der Marke, nämlich die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern zu gewährleisten, nicht beeinträchtigt ist (ebenso OPMS Om 9/12, Sparda ). Im Ausgangsfall war festgestellt worden, dass die Marken 30 Jahre nebeneinander verwendet wurden und den Konsumenten aufgrund der Unterschiedlichkeit der angebotenen Produkte bekannt war, dass es sich um zwei Unternehmen handelt, die unter der gleichen Marke auftreten.
Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin nur behauptet, dass sie seit dem Jahr 1995 unternehmerisch tätig sei und es bislang keine Verwechslungen gegeben habe, weshalb auch in Zukunft keine Gefahr von Verwechslungen bestehe. Damit hat die Antragsgegnerin aber gar nicht vorgebracht, dass den Konsumenten bekannt sei, dass zwei Unternehmen Waren der Klasse 18 unter dem Zeichen „SEVEN” vertreiben, was aber die Voraussetzung dafür wäre, um eine Verwechslungsgefahr auch für die Zukunft ausschließen zu können.
9. Bei diesem Verfahrensergebnis ist auch die zuletzt in der Rekursbeantwortung der Antragstellerin aufgeworfene Frage der Benutzung der ersten Widerspruchsmarke (UM 8728651) nicht mehr von Bedeutung.
10. Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 30.000 übersteigt.
11. Die Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im konkreten Fall stellt keine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG dar (RIS-Justiz RS0112739). Der ordentliche Revisionsrekurs war daher nicht zuzulassen.