JudikaturOLG Wien

133R13/18m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
04. Juli 2018

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht ***** wegen Nichtigerklärung des Patents Nr 500251 über die Berufung der Antragstellerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 9.1.2017, N 3/2011 7, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts wird dahingehend abgeändert, dass sie lautet:

«Das österreichische Patent Nr 500251 wird teilweise für nichtig erklärt, sodass es nunmehr lautet:

1. Zangenbackautomat mit einer zwischen zumindest zwei Umlenkpunkten (5) gespannten Kette (2), an der Backzangen (8) angeordnet sind, und mit einer Teigauftragsvorrichtung (10) sowie mit einem der Teigauftragsvorrichtung (10) in Transportrichtung (6) der Backzangen (8) gesehen nachgeschalteten Backraum (4), wobei der Teigauftragsvorrichtung (10) eine die separate Dosierung der aufzugebenden Teigmenge für jede einzelne Backzange (8) ermöglichende Steuereinrichtung (26) zugeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass eine spezifische, Rückschlüsse auf die aufgegebene Teigmenge erlaubende Parameter, wie z.B. Gewicht, Dicke oder Restfeuchte, des gebackenen Backproduktes erfassende Einrichtung vorgesehen ist, die mit der Steuereinrichtung (26) verbunden ist.

2. Zangenbackautomat nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuereinrichtung (26) zur automatischen Bestimmung der zu befüllenden Backzange (8) mit einer Identifizierungseinrichtung (28) verbunden ist.

3. Zangenbackautomat nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass vorzugsweise zumindest eine Backzange (8) eine Kennung aufweist und als Identifizierungseinrichtung (28) ein die Kennung erfassender Sensor vorgesehen ist.

4. Zangenbackautomat nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Teigauftragsvorrichtung (10) eine hinsichtlich der Einzeldosierung steuerbare Pumpe (12), insbesondere eine Zahnrad- oder Impellerpumpe oder eine Pumpe variabler Hubsteuerung, umfasst.

5. Zangenbackautomat nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Teigauftragsvorrichtung (10) ein vorzugsweise quer zur Transportrichtung (6) der Backzange (8) ausgerichtetes und mit zumindest einer in Richtung der zu befüllenden Backzange (8) weisenden Austrittsöffnung versehenes Teigzuführrohr (11) umfasst.

Der darüber hinausgehende Antrag, das Patent auch hinsichtlich dieser Ansprüche für nichtig zu erklären, wird abgewiesen.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin den mit EUR 340 (Barauslagen) bestimmten Verfahrenskostenanteil binnen 14 Tagen zu ersetzen.»

Die Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin den mit EUR 375 (Barauslagen) bestimmten Anteil an den Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Text

Der Antragsgegner ist Inhaber des Patents Nr 500251 mit der Bezeichnung „ Zangenbackautomat ”, das am 15.12.2003 zu A 2015/2003 angemeldet wurde und folgende Ansprüche umfasst:

1. Zangenbackautomat mit einer zwischen zumindest zwei Umlenkpunkten (5) gespannten Kette (2), an der Backzangen (8) angeordnet sind, und mit einer Teigauftragsvorrichtung (10) sowie mit einem der Teigauftragsvorrichtung (10) in Transportrichtung (6) der Backzangen (8) gesehen nachgeschalteten Backraum (4), dadurch gekennzeichnet, dass der Teigauftragsvorrichtung (10) eine die separate Dosierung der aufzugebenden Teigmenge für jede einzelne Backzange (8) ermöglichende Steuereinrichtung (26) zugeordnet ist.

2. Zangenbackautomat nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuereinrichtung (26) zur automatischen Bestimmung der zu befüllenden Backzange (8) mit einer Identifizierungseinrichtung (28) verbunden ist.

3. Zangenbackautomat nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass vorzugsweise zumindest eine Backzange (8) eine Kennung aufweist und als Identifizierungseinrichtung (28) ein die Kennung erfassender Sensor vorgesehen ist.

4. Zangenbackautomat nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass eine spezifische, Rückschlüsse auf die aufgegebene Teigmenge erlaubende Parameter, wie z.B. Gewicht, Dicke oder Restfeuchte, des gebackenen Backproduktes erfassende Einrichtung vorgesehen ist, die mit der Steuereinrichtung (26) verbunden ist.

5. Zangenbackautomat nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Teigauftragsvorrichtung (10) eine hinsichtlich der Einzeldosierung steuerbare Pumpe (12), insbesondere eine Zahnrad- oder Impellerpumpe oder eine Pumpe variabler Hubsteuerung, umfasst.

6. Zangenbackautomat nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Teigauftragsvorrichtung (10) ein vorzugsweise quer zur Transportrichtung (6) der Backzange (8) ausgerichtetes und mit zumindest einer in Richtung der zu befüllenden Backzange (8) weisenden Austrittsöffnung versehenes Teigzuführrohr (11) umfasst.

Die Antragstellerin beantragte mit Antrag vom 2.2.2011 die Nichtigerklärung des Patents und brachte dazu vor, dass der Hauptanspruch des Streitpatents nicht festlege, wie die Teigmenge für die einzelnen Backzangen zu dosieren und wie die Steuereinrichtung herzustellen sei.

Die Möglichkeit, variable Teigmengen zu steuern, sei im Hinblick auf die Vorveröffentlichung GB 20043 (Beilage ./C) sowie DE 2749556 A1 (Beilage ./E), die alle charakteristischen Merkmale des Anspruchs 1 vorwegnehmen würden, nicht neu. Die Behauptung des Antragsgegners, sein Patent sehe abweichend von den Vorveröffentlichungen nur eine einzige Steuereinrichtung vor, könne keine Neuheit begründen, weil eine Steuereinrichtung auch aus mehreren Steuerelementen bestehen könne. Auch die Identifizierung der Backzangen nach Unteranspruch 2 werde durch die genannten Vorveröffentlichungen vorweggenommen.

Unteranspruch 3 sei trivial, zumal eine Identifizierungseinrichtung ohnehin nur einen Sinn habe, wenn ein Sensor vorhanden sei. Im Übrigen erfüllten die Gleitrollen und Kolbenstangen in der Vorveröffentlichung GB 20043 (Beilage ./C) sowie die Rollen und Steuerhebel in der Vorveröffentlichung DE 2749556 A1 (Beilage ./E) die Funktion eines Sensors. Angesichts des technischen Fortschritts sei es für eine Fachperson naheliegend, diese Mechanik durch elektronische Steuereinrichtungen zu ersetzen.

Die Erfassung von Parametern des Backprodukts in Unteranspruch 4 sei eine der Fachperson bekannte Methode und zudem aus der Vorveröffentlichung DE 19627941 C1 (Beilage ./F) ersichtlich. Im Übrigen lege das Patent des Antragsgegners nicht offen, wie diese Messungen erfolgen sollen, um die Teigmengen sinnvoll anpassen zu können.

Auch die variable Teigpumpe nach Unteranspruch 5 und die Teigauftragvorrichtung nach Unteranspruch 6 seien bereits in den Vorveröffentlichungen GB 20043 (Beilage ./C), DE 2749556 A1 (Beilage ./E) und EP 285442 A2 (Beilage ./I) vorweggenommen.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Antrags, bestritt das Vorbringen der Antragstellerin und brachte seinerseits vor, die Offenbarung sei ausreichend, damit eine Fachperson sie ausführen könne. Die Neuheit des Patents ergebe sich aus dem Umstand, dass im Gegensatz zu den Vorveröffentlichungen erstmals eine separate Dosierung der aufzutragenden Teigmengen für jede einzelne Backzange durch eine einzige Steuereinrichtung vorgeschlagen werde. Die Vorveröffentlichung EP 285442 A2 (Beilage ./I) betreffe weder den Gegenstand des Anspruchs 1 noch lege sie eine solche Anwendung nahe.

Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts (NA) den Antrag ab und führte dazu aus, dass insbesondere aus Figur 2 des Patents klar ersichtlich sei, dass nur eine einzige Steuereinrichtung vorgesehen sei, die auf Grund von Messergebnissen die Teigmenge für jede Backzange gesondert bestimmen könne, was gegenüber den Vorveröffentlichungen die Neuheit des Patents begründe.

Da nicht ersichtlich sei, wie eine Fachperson ausgehend vom Stand der Technik zu der vorgeschlagenen technischen Lösung gelangen würde, komme dem Gegenstand des Anspruchs 1 die für eine Patentierung erforderliche Erfindungseigenschaft zu. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 6 beschrieben eine vorteilhafte Ausgestaltung des Anspruchs 1 und seien deshalb ebenfalls neu und erfinderisch.

Das Patent sei ausreichend offenbart worden, weil sich aus der Beschreibung ergebe, dass es sich um eine elektronische Steuereinrichtung handle, die Messergebnisse verarbeite, um die jeweilige Teigmenge zu bestimmen. Die Ausführung der Identifizierungseinrichtung in Unteranspruch 2 erschließe sich aus der Beschreibung, wenn dort eine von der Identifizierungseinrichtung „lesbare” Schaltnocke beschrieben werde. Schließlich sei einer Fachperson auch bekannt, wie bei Backwaren das Gewicht, die Dicke und die Restfeuchte gemessen werden könnten.

Dagegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin mit dem Antrag, die Entscheidung der NA aufzuheben, in eventu abzuändern und das angefochtene Patent im vollen Umfang für nichtig zu erklären.

Der Antragsgegner begehrt der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist im Sinne des Abänderungsantrags berechtigt.

1. Unter dem Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung bekämpft die Antragstellerin die vermeintlichen Feststellungen der NA, wonach das Streitpatent im Vergleich zu den Vorveröffentlichungen eine einzige Steuerungseinrichtung vorsehe, die nicht den Backzangen, sondern der Teigauftragvorrichtung zugeordnet sei und eine Rückkoppelung zum Verändern der aufgebrachten Teigmenge erlaube.

Tatsächlich handelt es sich dabei aber um keine Tatsachenfeststellungen, sondern um die Auslegung des seinem Inhalt nach unstrittigen Streitpatents. Die Beurteilung der Neuheit des Streitpatents im Vergleich zu bestimmten Vorveröffentlichungen ist eine Rechtsfrage ( Weiser, PatG 3 122). Auch die vermeintliche Feststellung der NA, wonach das Streitpatent ausreichend offenbart sei, ist der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen und wird deshalb im Rahmen der Rechtsrüge zu überprüfen sein.

2.1. In der Rechtsrüge macht die Antragstellerin geltend, dass die NA den Patentanspruch unzulässigerweise beschränkend ausgelegt habe, obwohl der Anspruch 1 des Streitpatents tatsächlich derart weit und unklar formuliert sei, dass jeder der in den Vorveröffentlichungen beschriebenen Backautomaten mit steuerbaren Teigauftragvorrichtungen der Neuheit des Patents entgegenstehe.

Der Unteranspruch 4 sei entgegen der Rechtsansicht der NA nicht ausreichend offenbart und angesichts des Stands der Technik auch nicht erfinderisch. Die übrigen Unteransprüche beträfen Details, die dem bekannten Stand der Technik entsprächen.

2.2. Nach §§ 48 Abs 1 iVm 112 Abs 1 PatG ist ein Patent auf Antrag nichtig zu erklären, wenn der Gegenstand des Patents nicht den §§ 1 bis 3 PatG entspricht. Nach § 1 Abs 1 PatG werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik Patente erteilt, sofern sie neu sind, sich für die Fachperson nicht in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben und gewerblich anwendbar sind. Nach § 3 Abs 1 PatG gilt eine Erfindung als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört, wobei den Stand der Technik alles bildet, was der Öffentlichkeit vor dem Prioritätstag der Anmeldung durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benützung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist.

2.3. Das Streitpatent befasst sich mit der Aufgabe, Backzangen in Zangenbackautomaten mit der optimalen Teigmenge zu befüllen, um Backreste und Teigabfall zu vermeiden. Anspruch 1 schlägt dabei einen Zangenbackautomaten vor, bei dem der Teigauftragvorrichtung eine die separate Dosierung der aufzugebenden Teigmenge für jede einzelne Backzange ermöglichende Steuereinrichtung zugeordnet ist. Die Antragstellerin hält diesem Anspruch die Vorveröffentlichung DE 2749556 A1 (Beilage ./E) entgegen, die in Anspruch 3 einen Zangenbackautomaten beschreibt, der mit einem Steuerventil und einer variablen Teigzufuhr ausgestattet ist, wobei die einzelnen Backzangen über verstellbare Nocken verfügen, mit denen sich die Teigzufuhr variieren lässt.

Der Ansicht der NA, dass damit nur die Verteilung des Teigs in der Backzange, nicht aber die Teigmenge dosierbar sei, ist entgegenzuhalten, dass die Vorveröffentlichung auf Seite 4 das „ kurzzeitige Mindern oder Absperren des Teigflusses infolge Betätigung des Steuerventils der Teigzufuhreinrichtung” beschreibt, womit selbstverständlich auch eine Veränderung der aufgebrachten Teigmenge verbunden ist.

2.4. Das Steuerventil der Vorveröffentlichung DE 2749556 A1 (Beilage ./E) entspricht dabei der (zentralen) Steuereinrichtung des Streitpatents. Es liegt freilich auf der Hand, dass das Streitpatent durch den Verweis auf eine nicht näher beschriebene „ Steuereinrichtung” wesentlich abstrakter und weiter formuliert ist als die Vorveröffentlichung. Zudem finden sich in der Beschreibung des Streitpatents Hinweise, dass vorrangig an eine elektronische Steuereinrichtung gedacht wurde, während das Steuerventil eine mechanische Steuereinrichtung ist. Dennoch umfasst das Streitpatent durch die Verwendung des abstrakten Begriffs „ Steuereinrichtung” auch mechanische Steuerelemente.

Es ist allgemein anerkannt, dass ein Patentinhaber, der durch die Verwendung allgemein gehaltener Ausdrücke einen weiten Schutzbereich für sich beansprucht, es sich auch gefallen lassen muss, dass ihm Vorveröffentlichungen entgegengehalten werden, die von den in der Beschreibung genannten Ausführungsbeispielen abweichen und bei einer engeren und präziseren Fassung des Schutzbegehrens nicht berechtigt wären (mwN Weiser, PatG 3 142 f). Der Spezialfall nimmt nämlich den Allgemeinfall vorweg, wodurch eine auf ein spezielles Anwendungsbeispiel beschränkte Vorveröffentlichung bewirkt, dass der Anspruch auch in einer allgemeinen Form nicht mehr beansprucht werden kann (OPM 11.7.2007, OBp 1/07, PBl 2008, 45; Weiser, PatG 3 138).

Die Vorveröffentlichung DE 2749556 A1 (Beilage ./E) enthält in ihrer speziellen Ausprägung alle abstrakt formulierten Merkmale des Anspruchs 1 und ist deshalb neuheitsschädlich.

2.5. Die Unteransprüche 2 und 3 in Verbindung mit dem Anspruch 1 in der ursprünglich erteilten Fassung betreffen eine Ausgestaltung des in Anspruch 1 beschriebenen Zangenbackautomaten, bei der die Steuereinrichtung mit einer „Identifizierungseinrichtung” verbunden ist bzw als „ Identifizierungseinrichtung” ein „Sensor” eine an einer Backzange angebrachte „Kennung” erfasst.

Die Beschreibung des Streitpatents, Seite 3 Zeilen 5 ff, nennt als Ausführungsbeispiel der „ Kennung ” eine „ Schaltnocke ”. Auch diesen Gegenstand nimmt Anspruch 3 der Vorveröffentlichung DE 2749556 A1 (Beilage ./E) vorweg, weil dort das Anbringen von Nocken an den Backzangen vorgeschlagen wird, die mit dem Steuerventil der Teigzuführeinrichtung in Verbindung stehen, was einer „ Identifizierungseinrichtung” samt „Kennung an den einzelnen Backzangen entspricht.

Die Beschreibung der Vorveröffentlichung, Seite 5, sieht zudem vor, dass Rollen über die Nocken laufen und über eine Zugfeder das Steuerventil betätigen, wodurch diese Rollen dem „Sensor” des Streitpatents entsprechen. Auch hier gilt, dass die spezielle Ausgestaltung der Vorveröffentlichung DE 2749556 A1 (Beilage ./E) der Neuheit der allgemeinen Formulierung im Streitpatent entgegensteht.

2.6.1. Der Unteranspruch 4 betrifft die Verbindung der Steuereinrichtung mit einer „ spezifische[n], Rückschlüsse auf die aufgegebene Teigmenge erlaubende Parameter, wie z.B. Gewicht, Dicke oder Restfeuchte, des gebackenen Backprodukts erfassende(n) Einrichtung” [verständlicher formuliert: eine spezifische Einrichtung, die Parameter (wie z.B. Gewicht, Dicke oder Restfeuchte) des gebackenen Backprodukts erfasst, die Rückschlüsse auf die aufgegebene Teigmenge erlauben ] .

Aus der Beschreibung des Streitpatents in Seite 4 Zeilen 50 ff bis Seite 5 Zeile 6 (Beilage ./A) ergibt sich, dass diese Messungen beim „ fertigen” Backprodukt durchgeführt, die Ergebnisse mit in der Steuervorrichtung hinterlegten Sollwerten abgeglichen und im Fall von Abweichungen die Backzangen schon in einem der nächsten Durchläufe mit der „optimalen” Teilmenge befüllt werden sollen.

2.6.2. Die Antragstellerin macht geltend, dass der Gegenstand des Anspruchs 4 nicht ausreichend offenbart worden sei. Nach § 87a Abs 1 PatG ist die Erfindung in der Patentanmeldung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass eine Fachperson sie ausführen kann.

Entscheidend ist, ob eine Fachperson auf Grund der in der Anmeldung enthaltenen Informationen in die Lage versetzt wird, unter Inanspruchnahme des von ihr zu erwartenden Informations- und Wissensstands und des allgemeinen Fachwissens und mit Hilfe der vom Anmelder aufgezeigten Ausführungswege die Lehre zum technischen Handeln zuverlässig, wiederholbar und ohne Umwege in die Praxis umzusetzen, ohne dabei einen unzumutbaren Aufwand treiben und eine unangemessene Zahl anfänglicher Fehlschläge hinnehmen zu müssen (RIS-Justiz RS0119499).

Die NA hat bereits darauf hingewiesen, dass einer Fachperson bekannt ist, wie bei Backwaren das Gewicht, die Dicke oder die Restfeuchte gemessen werden können. Wenngleich allenfalls überschüssiger Teig als Backrest entfernt und beim fertigen Produkt nicht mehr messbar ist, wie dies die Antragstellerin einwendet, so spricht dies nicht gegen die Ausführbarkeit der Erfindung, weil zumindest das Fehlen der erforderlichen Teigmenge am fertigen Backprodukt gemessen werden kann. Die Patentschrift legt nicht fest, welche dieser Parameter zu messen, welche Sollwerte anzunehmen und welche Veränderungen in der Teigzufuhr bei welchen Abweichungen vorzunehmen sind. Es ist offensichtlich, dass diese Daten im Einzelfall zum Beispiel vom verwendeten Teig, von der Ausgestaltung der Backzangen, von der Temperatur und von den Anforderungen an das fertige Backprodukt abhängen. Eine Fachperson müsste deshalb erst die richtigen Einstellungen ermitteln, um ein optimales Ergebnis zu erzielen, was aber nichts an der Ausführbarkeit der Erfindung ändert.

2.6.3. Die Antragstellerin behauptet, dass der Gegenstand des Anspruchs 4 im Hinblick auf die Patentschrift DE 19627941 C1 (Beilage ./F) weder neu noch erfinderisch sei.

Diese Entgegenhaltung beschreibt eine Produktionsüberwachungseinrichtung für Dauerbackwaren-Produkte, wobei sich die Patentschrift auf die Ausgestaltung der Messeinrichtung beschränkt, aber keine Verbindung mit einer Steuereinrichtung vorsieht. Auch die sonstigen Entgegenhaltungen offenbaren keinen Zangenbackautomaten, bei dem die Steuervorrichtung für die Teigzufuhr mit einer Messeinrichtung verbunden ist, weshalb der Gegenstand des Anspruchs 4 neu ist.

2.7.1. Eine Erfindung gilt nach § 1 Abs 1 PatG als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für die Fachperson nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt (RIS-Justiz RS0130386). Die Beurteilung der Erfindungseigenschaft hat nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz zu erfolgen, nach dem die zu lösende technische Aufgabe zu formulieren, sodann der nächstliegende Stand der Technik zu bestimmen und schließlich zu prüfen ist, ob die beanspruchte Erfindung angesichts des nächstliegenden Stands der Technik und der technischen Aufgabe für die Fachperson naheliegend gewesen wäre (Op 5/05; Op 4/07; Op 1/12; Weiser, PatG 3 32 ff).

Nach dem „could-would-approach” fehlt die erfinderische Tätigkeit aber nicht schon dann, wenn eine Fachperson auf Grund des Stands der Technik zu einer bestimmten Lösung gelangen hätte können, sondern erst, wenn sie sie auf Grund eines hinreichenden Anlasses in Erwartung einer Verbesserung oder eines Vorteils auch tatsächlich vorgeschlagen hätte (RIS-Justiz RS0071157 [T1]; RS0130386).

2.7.2. Das Streitpatent befasst sich mit der Aufgabe, Backzangen in Zangenbackautomaten mit der optimalen Teigmenge zu befüllen, um Backreste und Teigabfall zu vermeiden. Der nächstliegende Stand der Technik ist die Vorveröffentlichung DE 2749556 A1 (Beilage ./E), die einen Zangenbackautomaten beschreibt, der mit einem Steuerventil und einer variablen Teigzufuhr ausgestattet ist, wobei die einzelnen Backzangen über verstellbare Nocken verfügen, mit denen sich die Teigzufuhr variieren lässt. Damit muss die Teigmenge für jede Backzange manuell eingestellt werden.

Eine Fachperson, die die Aufgabe hat, die Regulierung der Teigmenge weiter zu verbessern, hätte ausgehend vom nächstliegende Stand der Technik keine Veranlassung für den Vorschlag, bestimmte Parameter am fertigen Backprodukt zu messen und das Ergebnis dieser Messung mit der Steuereinrichtung zu koppeln, wodurch erstmals eine automatisierte Regulierung der Teigzufuhr hergestellt würde. Damit ist der Gegenstand des Anspruch 4 auch erfinderisch.

2.8. Zum Unteranspruch 5 , der die Ausstattung der Teigauftragvorrichtung mit einer „hinsichtlich der Einzeldosierung steuerbaren Pumpe”, insbesondere einer Zahnrad- oder Impellerpumpe oder einer solchen mit variabler Hubsteuerung vorschlägt, ist darauf zu verweisen, dass bereits die Vorveröffentlichung GB 20043 (Beilage ./C) einen Zangenbackautomaten mit einer Teigpumpe mit variabler Hubsteuerung beschreibt. Auch hier gilt, dass die speziellere Vorveröffentlichung der Neuheit eines allgemein formulierten Schutzanspruchs entgegensteht.

2.9. Unteranspruch 6 beschreibt „ ein vorzugsweise quer zur Transportrichtung der Backzangen ausgerichtetes und mit einer in Richtung der zu befüllenden Backzange weisenden Austrittsöffnung versehenes Teigzuführrohr”.

Eine solche Vorrichtung wird bereits in der Vorveröffentlichung DE 2749556 A1 (Beilage ./E) in Figur 1 dargestellt und auf Seite 5 als „Teigaufgießer” bezeichnet. Auch die Unteransprüche 5 und 6 sind damit mangels Neuheit nicht patentierbar.

2.10. Im Ergebnis ist damit nur der Gegenstand des Anspruchs 4 neu und erfinderisch, weshalb das Patent durch eine Neuformulierung der Ansprüche entsprechend einzuschränken war. Der neue Patentanspruch 1 setzt sich aus den Merkmalen der Patentansprüche 1 und 4 in der erteilten Fassung zusammen, während die abhängigen Ansprüche 2, 3, 5 und 6 als Ansprüche 2 bis 5 mit angepassten Rückbezügen fortbestehen.

3. Die Abänderung in der Hauptsache bedingt auch eine Änderung der Kostenentscheidung in erster Instanz. Die Antragstellerin ist mit ihrem Nichtigkeitsantrag nur teilweise durchgedrungen, wobei mangels wertmäßiger Bestimmbarkeit der Bemesungsgrundlage im Zweifel vom gleichteiligen Obsiegen der Parteien auszugehen war (mwN Obermaier, Kostenhandbuch 3 Rn 1.138). Dementsprechend waren die Vertretungskosten nach § 122 Abs 1 PatG iVm §§ 43 Abs 1 ZPO gegeneinander aufzuheben, der Antragstellerin aber die Hälfte ihrer Barauslagen zuzusprechen.

4. Gleiches gilt für die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens nach §§ 122 Abs 1 und 141 Abs 2 PatG iVm §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO.

5. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO beruht auf der Bedeutung von Patentansprüchen im Wirtschaftsleben.

6. Die ordentliche Revision war gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage zu lösen war, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukäme.

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