JudikaturOLG Wien

133R36/18v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
21. Juni 2018

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke Nr 290485 über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 6.11.2017, WM 34/2017/ 2, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin der am 3.10.2016 zu Nr 290485 angemeldeten Wortbildmarke

(angegriffene Marke) für Dienstleistungen der Klassen

35 Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten;

41 Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten;

43 Dienstleistung zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen.

Die Antragstellerin hat gegen die Eintragung dieser Marke für Dienstleistungen der Klasse 43 „Dienstleistung zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen” Widerspruch erhoben und beruft sich auf folgende drei Marken (Widerspruchsmarken):

***

a) die am 27.2.2007 angemeldete Bildmarke UM 5719067

für Dienstleistungen der Klasse

43 Verpflegung und Beherbergung von Gästen; Beherbergung von Gästen.

***

b) die am 6.12.2007 angemeldete Bildmarke UM 6490502

für die Dienstleistungen der Klasse

36 Immobiliendienstleistungen, nämlich Dienstleistungen eines Immobilienmaklers, Immobilien- und Grundstückserwerb, Kapitalbeteilung an Immobilien, nämlich Verwaltung und Vermittlung von Immobilienbesitz, Eigentumswohnungen, Appartements; Anlagen in Immobilien, Immobilienverwaltung, Timesharing von Immobilien und Verpachten von Immobilien und Grundeigentum, einschließlich Eigentumswohnungen und Appartements.

37 Bauwesen; Reparaturwesen; Installationsarbeiten.

39 Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Veranstaltung von Reisen.

43 Verpflegung und Beherbergung von Gästen; Beherbergung von Gästen.

***

c) die am 31.5.2012 angemeldete Bildmarke UM 10929073

unter anderem für die Dienstleistungen der Klasse

43 Cateringdienste.

***

Die Antragstellerin führte dazu aus, dass alle Marken für idente Dienstleistungen eingetragen seien. Der der angegriffenen Marke beigefügten Stadtnamen „Wels” habe ebensowenig Unterscheidungskraft wie die quadratische Umrahmung der Widerspruchsmarken. Da alle Marken aus dem Buchstaben „W” bestünden und sich nur durch die farbliche Gestaltung unterscheiden würden, liege eine hochgradige Ähnlichkeit vor, welche eine Verwechslungsgefahr begründe.

Die Antragsgegnerin beantragte, den Widerspruch abzuweisen, weil die Dienstleistungsidentität sich nur auf Dienstleistungen der Klasse 43 beziehe. Das „W” der Marken unterscheide sich nicht nur durch die völlig andere farbliche Ausgestaltung, sondern auch in der Form. Zudem würden die Zusätze „Wels” und „Hotels” angesichts des Gesamteindrucks der Zeichen eine Unterscheidung der Marken gewährleisten. Hinsichtlich der Marken UM 5719067 und UM 6490502 liege ein Löschungsgrund vor, weil die Antragstellerin diese Marken über fünf Jahre nicht für jene Dienstleistungen verwendet habe, für die sie eingetragen worden seien.

Die Rechtsabteilung des Patentamts wies mit der angefochtenen Entscheidung den Widerspruch ab und führte dazu begründend aus, dass den Marken der Antragstellerin nur durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukomme und der Buchstabe „W” die Marken nur schwach präge. Die Registrierung einzelner Buchstaben sei zulässig, weshalb aber im Gegenzug bei der Ähnlichkeitsprüfung ein Interessenausgleich vorzunehmen sei. Die grafische Ausgestaltung der Marken verhindere eine optische Verwechslung. Der Beisatz „Wels” bei der angegriffenen Marke entziehe dem Buchstaben „W” seine Neutralität und werde als Hinweis auf diesen Ort interpretiert, was die klangliche Übereinstimmung der Marken überlagere. Zudem würden die beschreibenden Zusätze „WELS” einerseits und „HOTELS” andererseits die Unterscheidung der Zeichen gewährleisten. Es liege deshalb keine Ähnlichkeit vor.

Mangels Verwechslungsgefahr sei die Frage, ob zwei der Widerspruchsmarken durch Nichtgebrauch erloschen sind, nicht entscheidungsrelevant.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss dahingehend abzuändern, dass dem Widerspruch stattgegeben wird.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Nach § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG ist eine Marke auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten noch zu Recht bestehenden Marke zu löschen, wenn die Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und wenn dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

2. Die Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen, wobei die Kennzeichnungskraft der verletzten Marke, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und die Ähnlichkeit der von den Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen zu berücksichtigen sind (4 Ob 124/06y, Hotel Harmony; 4 Ob 189/14v, VIVA; RIS-Justiz RS0121500).

Dabei kann ein geringer Grad der Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (RIS-Justiz RS0116294; RS0121482). Aus dieser Wechselwirkung folgt, dass bei Warenidentität einschließlich hochgradiger Warenähnlichkeit ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen erforderlich ist, um Verwechslungsgefahr auszuschließen, als dies bei größerer Warenverschiedenheit zutreffen würde (RIS-Justiz RS0116294).

Sowohl die Widerspruchsmarken als auch die angegriffene Marke wurden für Dienstleistungen der Klasse 43 „Verpflegung und Beherbergung von Gästen; Beherbergung von Gästen” (und „Catering”) registriert, wodurch ein deutlicher Unterschied der Zeichen zu fordern ist.

3. Ob die Zeichen im Bild, im Klang oder in der Bedeutung ähnlich sind, richtet sich nach ihrem Gesamteindruck (RIS-Justiz RS0114771 [T1, T5]). Verwechslungsgefahr ist aber im allgemeinen schon dann anzunehmen, wenn sie bei einem der drei Ähnlichkeitskriterien (Wortbild, Wortklang, Wortsinn) gegeben ist (RIS-Justiz RS0066753 [T7, T18]; RS0066779 [T13]).

Alle Marken enthalten den Buchstaben „W” als zentrales Element.

4. Für den Ähnlichkeitsvergleich sind die einzelnen Zeichenbestandteile aber nicht isoliert zu betrachten, sondern es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, welchen Einfluss der einzelne Markenbestandteil auf den Gesamteindruck des Zeichens hat (RIS-Justiz RS0066753). So kommt einem einzelnen Markenbestandteil nur dann ein selbständiger Schutz zu, wenn er für sich allein unterscheidungskräftig ist und durch seine Verwendung die Gefahr von Verwechslungen zu besorgen ist (RIS-Justiz RS0066816). Schutzunfähige oder schwache Bestandteile tragen hingegen nur wenig zum Gesamteindruck des Zeichens bei, weshalb schon relativ geringe Abweichungen in den restlichen Bestandteilen die Gefahr von Verwechslungen beseitigen können (RIS-Justiz RS0066749).

5. Die Antragstellerin bekämpft die rechtliche Beurteilung der Rechtsabteilung des Patentamts, wonach dem Buchstaben „W” im Gesamteindruck der Zeichen keine wesentliche Kennzeichnungskraft zukomme. Nach Ansicht der Antragstellerin würden die angesprochenen Kundenkreise angesichts der angegriffenen Marke eine Verbindung zum Unternehmen der Antragstellerin herstellen und annehmen, dass das „W” auch im Geschäftsbetrieb der Antragstellerin „Wels” bedeute.

Der Antragstellerin ist dahingehend zuzustimmen, dass die Herkunftsgarantie bereits dann beeinträchtigt wird, wenn die Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr auch nur den Eindruck entstehen lässt, dass eine Verbindung zwischen den betroffenen Dienstleistungen und dem Markeninhaber bestehe (RIS-Justiz RS0122216).

6. Der Antragstellerin ist aber entgegenzuhalten, dass die Rechtsprechung Buchstaben oder Ziffern sowie Buchstabengruppen und Zifferngruppen früher generell die Kennzeichnungskraft abgesprochen hat, weil solche Zeichen erfahrungsgemäß von vielen Unternehmen zur Bezeichnung bestimmter Warenmerkmale (Größe, Sorte, Qualität) verwendet würden und nicht geeignet seien, auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen (RIS-Justiz RS0066724, RS0079095).

Nach der Umsetzung der Markenrichtlinie können Marken nach § 1 MSchG jedoch auch Buchstaben und Zahlen sein, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Der EuGH hat aber bereits darauf hingewiesen, dass die allgemeine Markenfähigkeit eines Einzelbuchstabens nicht bedeutet, dass dieses Zeichen im Hinblick auf eine bestimmte Ware oder Dienstleistung notwendig Unterscheidungskraft hat (C 265/09 P, Buchstabe „α” ).

Dem entspricht die Absicht des österreichischen Gesetzgebers, wonach Buchstaben und Zahlen auch nach geltender Rechtslage nicht registrierbar sind, wenn ihnen „anhand der zu kennzeichnenden Waren und Dienstleistungen sowie der besonderen Umstände des Einzelfalles und im Hinblick auf bestehende Verkehrsgewohnheiten” keine Unterscheidungskraft zukommt oder ein Freihaltebedürfnis anzunehmen ist (RV 1643 BlgNR 20. GP 49). Auch die Rechtsprechung in Deutschland lässt die Anmeldung eines Einzelbuchstabens nur zu, wenn diesem Buchstaben Unterscheidungskraft zukommt, nicht aber, wenn der Verkehr diesen Buchstaben für bestimmte Waren nicht als Herkunftsbezeichnung versteht (I ZB 4/98 MDR 2001, 407 = GRUR 2001, 161).

7. Die Unterscheidungskraft eines Einzelbuchstabens hängt stets vom Verständnis der mit den jeweiligen Waren oder Dienstleistungen angesprochenen Verkehrskreise ab. Bei Dienstleistungen im Bereich der „Verpflegung und Beherbergung von Gästen” ist der Buchstabe „W” keine allgemein gebräuchliche Bezeichnung einer bestimmten Dienstleistung. Ein Kunde würde diesen Einzelbuchstaben aber auch nicht als (vollständigen) Namen eines Unternehmens interpretieren, sondern vielmehr darin eine als Marke verwendete beliebige Abkürzung sehen.

Im vorliegenden Fall ist der Buchstabe „W” die Abkürzung des Stadtnamens der Antragsgegnerin. Daneben wäre aber auch ein Hinweis auf die geografische Lage (Wien, Wachau) oder die angebotenen Produkte oder Dienstleistungen (Wein, Wellness) denkbar. Den angesprochenen Kundenkreisen ist im Bereich der Gastronomie und des Hotelgewerbes durchaus bewusst, dass die aus einem einzigen Buchstaben bestehende Abkürzung verschiedene Bedeutungen haben kann.

8. Hinzu kommt, dass im Bereich der „Verpflegung und Beherbergung von Gästen” die Bezeichnung eines Unternehmens typischerweise nicht einzigartig ist. In dieser Branche besteht nämlich die Besonderheit, dass eine Vielzahl von Anbietern am Markt auftreten, ihr Angebot aber naturgemäß örtlich beschränkt ist. Es ist auch allgemein bekannt, dass Berherbergungs- und Gastronomiebetriebe häufig unter gleichen Bezeichnungen auftreten, etwa weil es sich um traditionelle Etablissementbezeichnungen („Parkhotel”, „Seeblick”, „Jägerwirt” etc) oder um den Namen des jeweiligen Inhabers handelt, weshalb diese gleichnamigen Unternehmen von den Kunden aufgrund ihrer geografischen Lage unterscheiden werden.

9. Entscheidend ist, dass sich die grafische Gestaltung der Marken erheblich unterscheidet. So sind die Widerspruchsmarken in Schwarz/Weiß gehalten, die angegriffene Marke hingegen auffällig bunt. Auch die Schrifttypen der Marken unterscheiden sich deutlich. Zudem befindet sich der Buchstabe bei den Widerspruchsmarken auf einem schwarzen Quadrat und ist in einem Fall mit dem Hinweis „HOTELS” versehen, während die angegriffene Marke durch den Zusatz „WELS” charakterisiert ist.

Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung, die von der verschiedenen Gestaltung des Buchstabens, von der Farbe der angegriffenen Marke und vor allem vom Bestandteil „WELS” dominiert wird, schließt sich das Rekursgericht der Einschätzung des Patentamts an und hält dessen Entscheidung nicht für korrekturbedürftig.

10. Angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben war auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 30.000 übersteigt.

11. Die Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im konkreten Fall wirft keine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG auf (RIS-Justiz RS0112739). Der ordentliche Revisionsrekurs war daher nicht zuzulassen.

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