133R21/18p – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht ***** Nichtigkeit des Patents AT E 355 433 über die Berufungen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin jeweils gegen den Beschluss der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 1.12.2016, N 5/2013 6, in nichtöffentlicher Sitzung
I. den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Berufung der Antragsgegnerin wegen Nichtigkeit wird verworfen;
II. zu Recht erkannt:
Der Berufung der Antragstellerin wird nicht Folge gegeben.
Der Berufung der Antragsgegnerin wird teilweise Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird geändert und lautet:
«Der Antrag auf teilweise Nichtigerklärung des Patents AT E 355 433 wird abgewiesen und das Patent mit der Maßgabe aufrecht erhalten, dass es im Umfang des gestellten Hilfsantrags 1 lautet [Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind unterstrichen]:
Die Antragstellerin ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit EUR 4.238,28 (darin EUR 706,38 USt) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.»
Die Antragstellerin ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit EUR 4.408,32 (darin EUR 609,72 USt und EUR 750 Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe und Begründung
Text
Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des Patents AT E 355 433 (österreichischer Teil von EP 1 606 475 B1 , s dazu bereits OLG Wien 34 R 133/14z), veröffentlicht am 28.2.2007), das am 26.1.2004 angemeldet wurde und die Priorität vom 11.2.2003 (DE 10 305 613) beansprucht. Das Patent (in der Folge kurz: Streitpatent) „ Schalungsträger ” umfasst 16 Ansprüche mit folgendem Wortlaut:
Die Antragstellerin stellte den Antrag auf Nichtigerklärung des österreichischen Teils des europäischen Patents im Umfang der Ansprüche 1 bis 9 und 12 bis 16, den sie auf § 10 PatV-EG iVm Art 138 Abs 1 lit a und b EPÜ stützte. Sie bestreitet insoweit die Neuheit und behauptet zudem das Fehlen einer erfinderischen Tätigkeit. Weder Variante A noch Variante B von Anspruch 1 seien neu (Verweis auf Beilagen ./1 und ./2). In Verbindung mit Variante A von Anspruch 1, bei der die Ausnehmung im Gurt situiert sei, sei Anspruch 2 zudem nicht ausführbar, weil nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass eine Fachperson den Gegenstand der Erfindung ausführen könnte. Der unabhängige Verfahrensanspruch 12 gemäß Variante A weise kein Merkmal auf, das nicht unmittelbar aus Beilage ./1 abgeleitet werden könne, was sinngemäß auch auf Variante B von Anspruch 12 in Bezug auf Beilage ./2 gelte.
Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Antrags auf Nichtigerklärung und wandte auf das Wesentliche zusammengefasst ein, die Aufgabe der dem Streitpatent zugrunde liegenden Erfindung sei, einen Schalungsträger zu schaffen, dessen Tragfähigkeit und/oder Widerstand bei stoßartigen Beanspruchungen verbessert werde. Der erfindungsgemäße Lösungsansatz liege darin, den Schalungsträger nicht nur mittels außen liegender Prall- oder Verstärkungselemente zu schützen, sondern bereits den inneren Aufbau so auszulegen, dass die Verformungsfähigkeit und die Tragfähigkeit erheblich erhöht würden. In Anbetracht der Rechtsbeständigkeit der Ansprüche 1 und 12 des Streitpatents ergebe sich die Schutzfähigkeit der jeweils davon abhängigen weiteren Ansprüche; letztere hätten aber dennoch auch eigenständigen Erfindungscharakter. Mit vorbereitendem Schriftsatz vom 24.11.2016 (ON 5) stellte die Antragsgegnerin einen „Hilfsantrag 1”, mit dem sie die erteilten Ansprüche des Streitpatents modifizierte.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab die Nichtigkeitsabteilung dem Nichtigkeitsantrag teilweise mit der wesentlichen Begründung statt, der Begriff „Endbereich” gehe über den Bereich „Stirnfläche” hinaus. Eine „Bohrung”, die einen kreisrunden Querschnitt aufweise und den gesamten Bauteil durchsetze, sei eine spezielle Form einer „Ausnehmung”. Mit „Gurt” und „Steg” würden Teilbereiche eines Trägers bezeichnet, die sich hinsichtlich ihrer Funktion innerhalb des Trägerquerschnitts unterscheiden. Ein Gurt habe die Längskräfte aufzunehmen, während ein Steg die Gurte auf Distanz zu halten habe. Darauf aufbauend nahm die Nichtigkeitsabteilung eine tabellarische Merkmalsanalyse sowohl in Bezug auf die Ansprüche 1 bis 9 als auch in Bezug auf die Ansprüche 12 bis 16 des Streitpatents vor (näher BS 14). Ausgehend davon gelangte die Nichtigkeitsabteilung zur Auffassung, beide Varianten von Anspruch 1 seien neuheitsschädlich vorweggenommen. Die übrigen zu beurteilenden Ansprüche (2 bis 9 und 12 bis 16) seien zwar neu, aber nicht erfinderisch. Sowohl Anspruch 1 als auch Anspruch 12 könne jeweils nur in einer gegenüber dem Hilfsantrag weiter eingeschränkten Fassung aufrecht bleiben, die jene Variante einer Ausnehmung nicht mehr umfasse, die ausschließlich im Steg liege. Die weiteren Ansprüche 2 bis 9 und 12 bis 16 beträfen zusätzliche Ausgestaltungen und könnten rückbezogen auf die jeweils so beiden eingeschränkten Hauptansprüche aufrecht bleiben.
Dagegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin aus den Berufungsgründen der unrichtigen [Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger] Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Streitpatent im beantragten Umfang für nichtig zu erklären.
Gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung richtet sich weiters die Berufung der Antragsgegnerin wegen Nichtigkeit, primärer Mangelhaftigkeit und unrichtiger Beurteilung mit den Anträgen, (primär) die angefochtene Entscheidung als nichtig aufzuheben oder (jeweils hilfsweise) die angefochten Entscheidung dahin abzuändern, dass der Nichtigkeitsantrag abgewiesen werde oder das Streitpatent im Umfang der gestellten Hilfsanträge 1 bis 4 (in aufsteigender Reihenfolge) aufrecht erhalten bleibe.
Die Streitteile beantragen jeweils, der Berufung der anderen Partei nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung der Antragstellerin ist nicht berechtigt, jene der Antragsgegnerin ist hingegen im Sinn des bereits mehrfach erwähnten Hilfsantrags 1 teilweise berechtigt.
1.1. Angesichts der Dichte der Argumente in den beiden Berufungen ist es angezeigt, diese geordnet nach Berufungsgründen gemeinsam zu behandeln.
1.2. Wegen des besonderen Gewichts der Rechtsrügen, das in gewisser Weise auch auf die übrigen zu prüfenden Berufungsgründe durchschlägt, ist es zudem sinnvoll, die allgemein be- und anerkannten Grundsätze der Patentauslegung voranzustellen.
1.3. Zur Rechtsrüge : Nach § 3 Abs 1 PatG gilt eine Erfindung als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört.
1.4. Den Stand der Technik bildet dabei alles, was der Öffentlichkeit vor dem Prioritätstag der Anmeldung durch schriftliche oder mündliche Beschreibung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist.
1.5. Eine Erfindung gilt nach § 1 Abs 1 PatG und nach dem sinngleichen Art 56 EPÜ ( Wiltschek, Patentrecht 3 § 1 PatG Anm 4) als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für die Fachperson nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Einer Neuentwicklung fehlt aber nicht schon dann die erfinderische Tätigkeit, wenn die Fachperson aufgrund des Stands der Technik zu ihr gelangen hätte können, sondern erst, wenn sie sie aufgrund eines hinreichenden Anlasses in Erwartung einer Verbesserung oder eines Vorteils auch tatsächlich vorgeschlagen hätte – could-would-approach ( Kinkeldey/Karamanli in Benkard, EPÜ 2 Art 56 Rz 72; Kroher in Stauder/Luginbühl, EPÜ 6 Art 56 Rz 54 ff; 17 Ob 24/09t; zuletzt Op 3/12; zuletzt 4 Ob 17/15a, Gleitlager ).
1.6. Der Beurteilungsmaßstab dafür, was der Stand der Technik lehrt und wie Vorveröffentlichungen zu verstehen sind, ist die Durchschnittsfachperson. Es handelt sich hierbei um eine Kunstfigur und damit letztlich nur um ein Werkzeug des Gerichts, das dazu dient, einen unbestimmten Rechtsbegriff auszufüllen ( Haedicke, Patentrecht 2 68). Die Fachperson besitzt durchschnittliche Fachkenntnisse, kennt aber den gesamten Stand der Technik des Fachgebiets.
1.7. Die Prüfung kann insbesondere nach dem vom Europäischen Patentamt herangezogenen Aufgabe-Lösungs-Ansatz erfolgen (vgl Op 1/02 PBl 2003, 29 mwN; Op 6/08; Op 4/11; 4 Ob 17/15a, Gleitlager ). Dazu ist zuerst der nächstliegende Stand der Technik zu ermitteln, dann die zu lösende objektive technische Aufgabe zu bestimmen und schließlich zu prüfen, ob die beanspruchte Erfindung angesichts des nächstliegenden Stands der Technik und der objektiven Aufgabenstellung für die Durchschnittsfachperson naheliegend gewesen wäre.
1.8. Für Patente bestehen seit Inkrafttreten von § 22a PatG eigene Auslegungsregeln (RIS-Justiz RS0118278; RS0030757 [T10]): Der Schutzbereich des Patents und der bekanntgemachten Anmeldung werden durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung ist jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen. Dabei ist das Protokoll über die Auslegung des Art 69 des EPÜ, BGBl 1979/350, in der jeweils geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden. Nach dem Auslegungsprotokoll zu Art 69 EPÜ ist diese Vorschrift nicht in der Weise auszulegen, dass unter dem Schutzbereich des europäischen Patents jener Schutzbereich zu verstehen ist, der sich aus dem genauen Wortlaut der Patentansprüche ergibt, und dass die Beschreibung sowie die Zeichnungen nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen anzuwenden sind. Ebenso wenig ist Art 69 dahingehend auszulegen, dass die Patentansprüche nur als Richtlinie dienen und der Schutzbereich sich auch auf das erstreckt, was sich der Fachperson nach Prüfung der Beschreibung und der Zeichnungen als Schutzbegehren des Patentinhabers darstellt (4 Ob 178/03k mwN der Rsp des OPM).
1.9. Schon weil § 87a Abs 1 PatG und Art 83 EPÜ inhaltlich übereinstimmen, ist in der Frage, unter welchen Umständen ein in einer Patentschrift offenbartes Erzeugnis geeignet ist, als Stand der Technik im Prioritätszeitpunkt zu gelten, eine harmonisierungsfreundliche Auslegung des innerstaatlichen Patentrechts im Lichte des EPÜ geboten.
Abzustellen ist danach darauf, ob die Durchschnittsfachperson auf Grund der in der Anmeldung enthaltenen Informationen in die Lage versetzt wird, unter Inanspruchnahme des von ihr zu erwartenden Informations- und Wissensstands und des allgemeinen Fachwissens und mit Hilfe der vom Anmelder (hier Patentinhaber) aufgezeigten Ausführungswege die Lehre zum technischen Handeln zuverlässig, wiederholbar und ohne Umwege in die Praxis umzusetzen, ohne dabei einen unzumutbaren Aufwand treiben und eine unangemessene Zahl anfänglicher Fehlschläge hinnehmen zu müssen (RIS-Justiz RS0119499 = 4 Ob 214/04f mwN).
Auch wenn einzelne Elemente des Inhalts der Erfindung bereits vorher bekannt waren, so bedeutet dies noch nicht von vornherein, dass die Erfindung selbst nicht mehr als neu im Sinn des PatG angesehen werden könnte. Eine Erfindung kann auch darin bestehen, dass bereits bekannte Einrichtungen durch eine besondere Art ihrer Verwendung oder durch die Verbindung mit noch unbekannten Einrichtungen dazu verwendet werden, ein technisches Problem zu lösen (RIS-Justiz RS0071157).
Ob eine Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist grundsätzlich eine Rechtsfrage (17 Ob 24/09t; 17 Ob 13/09z). Da sich die Erfindungshöhe am Stand der Technik, also am Fachwissen der „Durchschnittsfachperson” auf dem betreffenden Gebiet orientiert, ist die Beurteilung, ob sich das eingetragene Patent für die Fachperson nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, in erster Linie von einer Tatfrage abhängig (RIS-Justiz RS0071399). Es bedarf entsprechender Feststellungen, was sich
für die Fachperson im Prioritätszeitpunkt aus den Vorveröffentlichungen ergeben hätte (vgl 17 Ob 4/11d ua).
1.10. „Gegenstand der Erfindung” iSd § 22 Abs 1 PatG ist der in den Patentansprüchen definierte Lösungsgedanke im Zusammenhang mit der durch ihn gelösten Aufgabe; er bestimmt das Wesen und den Umfang des dem Patentinhaber gewährten Schutzes (RIS-Justiz RS0071537). Es kommt nicht darauf an, was erfunden wurde, sondern allein darauf, wofür der Schutz in Anspruch genommen und gewährt wurde (RIS-Justiz RS0071338). Für die Feststellungen des Inhalts des Patentanspruchs ist maßgeblich, wie der durch die Beschreibung und die Zeichnungen erläuterte Wortlaut des erteilten Patents auszulegen ist. Ob die Erteilungsakten für einen engeren Umfang sprechen, ist nicht maßgebend (17 Ob 35/09k; 4 Ob 214/12t, Lochski ).
1.11 . Entscheidend ist daher, ob sich aus den von der Antragstellerin ins Treffen geführten Vorveröffentlichungen für die Facherson im Prioritätszeitpunkt die technische Lehre des Streitpatents in naheliegender Weise ergibt.
2. Zur Nichtigkeit [Berufung der Antragsgegnerin]:
2.1. Als nichtig vermeint die Antragsgegnerin die Ausführungen der Nichtigkeitsabteilung im Kontext der Frage des Naheliegens des Schutzgegenstands zu erkennen; sie vertritt die Ansicht, insofern liege (gar) keine Begründung vor.
2.2. Dieser Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor, weil das Patentamt in zwar knapper und gedrängter Form (s nur das zutreffende Zitat von BS 15 der angefochtenen Entscheidung in der Berufung der Antragsgegnerin), aber für das Berufungsgericht ohne Weiteres nachvollziehbar zur kritisierten Feststellung gelangt ist. Außerdem bewirkt nur das völlige Fehlen von Gründen, nicht jedoch eine mangelhafte Begründung diesen Nichtigkeitsgrund ( Kodek in Rechberger , ZPO 4 § 477 Rz 12 mwN; RIS-Justiz RS0007484; RS0042206; RS0106079 [Beweiswürdigung]).
2.3. Die Berufung wegen Nichtigkeit war daher zu verwerfen.
3. Zur Feststellungsrüge [Berufung der Antragstellerin]:
Entgegen ihrer Anfechtungserklärung führt die Antragstellerin diesen Berufungsgrund nicht (zumindest nicht gesetzmäßig) aus. Aus dem gesamten Berufungsvortrag geht nicht deutlich hervor, aufgrund welcher Umwürdigung bestimmter Beweismittel welche vom angefochtenen Beschluss abweichenden Feststellungen angestrebt werden (vgl statt aller zB RIS-Justiz RS0041835 [T2]).
4. Zu den Rechtsrügen :
4.1. Sofern die sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung insoweit kritisieren, als diese über den Hilfsantrag 1 hinausgegangen sei und dem Streitpatent eine neue Fassung gegeben habe, die weder erörtert worden sei noch vom Hilfsantrag 1 der Antragsgegnerin umfasst sei, sind sie mangels Relevanz für die vom Berufungsgericht getroffene Entscheidung zur Vermeidung von Wiederholungen auf die nachfolgenden Ausführungen zu verweisen.
4.2. Zur besseren Verständlichkeit empfiehlt es sich zudem, auf den bereits aufgezeigten Grundsätzen aufbauend der Auseinandersetzung mit den rechtlichen Argumenten in beiden Berufungen die folgenden weiteren und auf den Einzelfall bezogenen eigenständigen Überlegungen des Berufungsgerichts voranzustellen, weil sich damit weitestgehend eine konkretisierende Befassung mit den im Berufungsverfahren vorgetragenen Rechtsauffassungen der beiden Parteien erübrigt, nimmt das Berufungsgericht doch damit seine eigene Rechtsansicht vorweg.
4.3. Die von der Antragstellerin entgegen gehaltenen und von der Nichtigkeitsabteilung in ihrem Beschluss berücksichtigten und gewerteten Druckschriften haben nach Auffassung des Berufungsgerichts folgende Ziele und Aufgaben:
Beilage ./1 : Einfache Herstellung, lange Standzeit (Lebensdauer).
Beilage ./2 : Möglichkeit der Verwendung beim Betonieren von Wänden (Durchgangsöffnungen für Spannelemente), Schutz vor Witterung.
Beilage ./3 : Steigerung der statischen, gleichmäßigen Belastbarkeit (hat nichts mit der punktuellen, dynamischen Belastbarkeit des Streitpatents zu tun).
Beilage ./4 : Bessere Montage eines besseren Endschutzes in Form einer Kappe.
Beilage ./5 : Das gleiche Schutzrecht wie Beilage ./4, nur aus Österreich.
Beilage ./6 : Bessere Stirnflächenabdeckung wegen Feuchtigkeit und Frost, aber auch Schutz beim Absturz. Dargestellt ist nur ein Holzbalken, im Text wird auch ein Doppel-T-Schalungsträger genannt; wie dort die Kappe aufgesetzt werden soll, wird nicht erklärt.
Beilage ./7 : Praktisch das Gleiche wie Beilage ./6, aber es wird gesagt, dass der gezeigte Balken einer von zwei Gurten sein kann, womit es beim Balken bleibt.
Beilage ./8 : Ein Schutzrecht erheblichen Alters; es betrifft die Verbindung zwischen Steg und Gurten mit möglichster Schonung der belastbaren Querschnitte.
Beilage ./9 : Verwendung von verleimtem Steg (anstelle eines einteiligen Steges) bei einem Schalungsträger.
Beilage ./10 : Schutz der empfindlichen Enden, Lösung: Abschrägen.
Beilage ./11 : Verbesserung des Stirnschutzes mittels zweier Endkappen, die die beiden Gurtenden abdecken und schützen.
Wenn die Fachperson diese Probleme und die entsprechenden Lösungen des Stands der Technik im Hinblick auf das Problem betrachtet, dass es beim Absturz des Trägers (unter anderem) zwischen Gurt und Steg zu Absplitterungen und anderen Beschädigungen kommt [0004] und dadurch die Maßhaltigkeit in der Richtung der Steghöhe beeinträchtigt wird, so erkennt sie, dass keine dieser Druckschriften sich damit beschäftigt. Wenn man impliziert, dass beim mechanischen Schutz des Trägerendes auch die Maßhaltigkeit mit berücksichtigt wird, so bleiben nur die Entgegenhaltungen Beilagen ./6, ./10 und ./11 übrig.
Die Lösungen, die diese Druckschriften vorschlagen sind, wie eben ausgeführt, andere als beim Streitpatent und sie können daher weder einzeln noch zusammen genommen zum Gegenstand des Streitpatents führen. Die Fachperson kommt ohne erfinderischen Schritt nicht weiter; sie gelangt also ohne einen solchen nicht zur Lehre des Streitpatents. Dies zeigen die jeweils passendsten Figuren dieser drei Publikationen:
4.4. Die Übereinstimmung, die sich zwischen dem Streitpatent und den verschiedenen Druckschriften trotzdem ergibt, ist nach Ansicht des Berufungsgerichts daher rein semantisch, und so bedarf das Schutzbegehren des Streitpatents einer entsprechenden Klarstellung und zugleich Abgrenzung, weil wie bereits oben betont (auch) die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sind.
4.5. Dies hat auch die Nichtigkeitsabteilung in ihrer Herangehensweise grundsätzlich zutreffend erkannt und dafür erkennbar als Grundlage den Hilfsantrag 1 der Antragsgegnerin herangezogen, dabei aber noch (ohne dies allerdings im Verfahren zu erörtern [Art 6 Abs 1 EMRK; dazu zB OLG Wien 34 R 16/15w, Bodenbearbeitungsgerät mwN], was jedoch im Berufungsverfahren ohne Relevanz bleibt) die im Folgenden erläuterte (weiter einschränkende) Änderung vorgenommen.
4.6. Der Schutzumfang eines Patents wird – ganz generell – durch die Patentansprüche bestimmt (vgl RIS-Justiz RS0071119). In den Schutzbereich eines Patents fallen alle Ausführungsformen, deren Elemente der patentgemäßen Ausführungsform entsprechen oder den in den Ansprüchen beschriebenen Elementen ganz oder zum Teil patentrechtlich äquivalent sind (vgl 17 Ob 6/08v; 4 Ob 127/13z; RIS-Justiz RS0071119).
§ 91 Abs 3 PatG ermöglicht Änderungen der Beschreibung und der Patentansprüche im Erteilungsverfahren bis zur Fassung des Erteilungsbeschlusses. Ein Verzicht auf das schon erteilte Patent ist aber auch davon unabhängig jedenfalls zulässig (§ 46 Abs 1 Z 3 PatG). Betrifft der Verzicht nur einzelne Teile des Patents, so bleibt das Patent in seinen übrigen Teilen nach § 46 Abs 2 PatG aufrecht, sofern diese noch den Gegenstand eines selbstständigen Patents bilden können (vgl 17 Ob 26/08k, Pantoprazol; Op 1/13).
Ein erteiltes Patent kann später aus Gründen der Rechtssicherheit allerdings nicht beliebig geändert werden. Eine Änderung darf insbesondere nicht dazu führen, dass an die Stelle der geschützten Erfindung eine andere gesetzt oder dass der Gegenstand und/oder der Schutzbereich erweitert werden. Unzulässig ist daher grundsätzlich die Streichung von Merkmalen, da dies in aller Regel den Patentanspruch nicht einschränkt, sondern ihn erweitert. Maßgebend ist somit, ob die Änderung mit der ursprünglichen Offenbarung vereinbar ist; sie muss unmittelbar und eindeutig daraus ableitbar sein und darf damit nicht im Widerspruch stehen (zu Art 105a EPÜ: 17 Ob 13/09z mwN [allgemeiner Grundsatz]; krit dazu Beetz, ÖBl 2010, 11; siehe für Österreich auch Schäfers in Benkard, EPÜ2 § 105a Rz 11; allg Friebel/Pulitzer, Patentrecht 2 § 46 Anm IV.7.; Burgstaller, Patentrecht 173 f).
Entscheidend ist daher, dass erstens der Schutzbereich durch die Einschränkung tatsächlich verkleinert und zweitens die ursprüngliche Offenbarung dadurch nicht überschritten wird (zuletzt eindeutig [entgegen Beetz, ÖBl 2010, 11, jedoch ohne direkte Bezugnahme auf dessen Thesen] Op 1/13 = ÖBl LS 2014/20 [krit Adocker]; zB auch OLG Wien 34 R 86/14p, Lochski ).
4.7. Im ersten Hilfsantrag wird gefordert, dass in Anspruch 1 die Ausnehmung (8) dahingehend präzisiert wird, dass sie von einer Stirnfläche (1’’) des Schalungsträgers (1) in den Steg (6) und/oder zumindest einen Gurt (2, 4) hineinreichend […] ist (die Unterstreichung dient nur der Klarstellung). Analoges gilt für den unabhängigen Anspruch 12.
Die Nichtigkeitsabteilung vertritt die Ansicht (vgl BS 17), dass Anspruch 1 nur in einer weiter eingeschränkten Fassung aufrecht bleiben könne, bei der die Variante des Anspruchs 1 mit einer Ausnehmung, die ausschließlich im Steg liegt, nicht mehr umfasst sei. Diese Ansicht beruht jedoch auf einer vom Berufungsgericht so nicht geteilten, weil nicht ausreichend belastbaren Interpretation der Beilage ./2 (BS 16, Mitte):
Diese Veröffentlichung zeigt tatsächlich, wie bereits dargestellt, einen Doppelsteg,
den die Nichtigkeitsabteilung dahingehend interpretiert, dass der Hohlraum zwischen den beiden Stegen „eine von der Stirnfläche in den Steg hineinreichende Ausnehmung” sei. Wenn dem allerdings so wäre, dann wäre aber zB auch jedes Zimmer eine „zwischen den Wänden liegende Ausnehmung”, was bereits nach dem Allgemeinwissen nicht zutrifft.
4.7. Darüber hinaus weist nicht einmal „der Steg” eine Ausnehmung auf, weil jeder seiner beiden Teile bis zum Stirnende mit den Gurten fest verbunden ist und es jeweils auch bleiben würde, wenn der andere Steg entfernt würde.
4.8. Da Anspruch 1 des Streitpatents bei der Variante mit der Ausnehmung in zumindest einem Gurt definiert, dass diese „im Bereich einer Überdeckung des Steges und an ihn angrenzend” sein muss, ist die geometrische Umkehr im Falle der Ausnehmung im Steg naheliegend und erfordert daher die Trennung von Steg und Gurt im Endbereich durch eine Ausnehmung von der Stirnseite her samt Einbringung eines stoßdämpfenden Materials in diese Ausnehmung. Keine der Druckschriften schlägt etwas Ähnliches vor; daran kann auch eine zergliedernde Merkmalsanalyse nichts ändern.
4.9. Eine Abgrenzung ist dennoch erforderlich: Sie ist durch die gemachten Änderungen des ersten Hilfsantrags erfüllt, weil – wie bereits oben ausgeführt – im Gegensatz zur Ansicht der Nichtigkeitsabteilung keine der Druckschriften etwas Derartiges (Ausnehmung von der Stirnseite im Kontaktbereich Gurt-Steg) zeigt.
4.10. Für Anspruch 12 geht die Nichtigkeitsabteilung davon aus (vgl BS 17, dritter Absatz ff), dass die Beilagen ./6, ./7 und ./11 gemäß Hilfsantrag 1 stirnseitig eingebrachte Ausnehmungen für Füllmaterialien offenbaren. Zugleich ist sie aber auch der Ansicht, dass aus den Beilagen ./6 und ./7 kein genauer Ort (Steg-Gurt) ersichtlich sei und dass Beilage ./11 zeige, dass die Ausnehmung anderswo wäre.
Dennoch gelangt die Nichtigkeitsabteilung zum Resultat, dass „das” (die Lage der Ausnehmung) nur bei entsprechender Umformulierung zur Abgrenzung dienen könne und auch dann nur für Ausnehmungen in zumindest einem Gurt, nicht aber im Steg allein erfolgreich sei.
4.11. Diese Ansicht teilt das Berufungsgericht nicht, weil die Nichtigkeitsabteilung zu diesem Anspruch - insofern noch zutreffend - schon in BS 15, Bemerkung **) und in BS 17 (letzter Satz des zweiten Absatzes) sogar bezüglich der erteilten Version festhielt, dass die stirnseitige Einbringung der Ausnehmung in den Steg aus Beilage ./2 nicht hervorgehe.
Aus welcher Druckschrift dieses Merkmal des Anspruchs 12 hervorgehen sollte, begründet die Nichtigkeitsabteilung allerdings nicht und dies ist für das Berufungsgericht auch sonstwie nicht ersichtlich.
4.12. Als verbleibendes Argument der Antragstellerin, das im Rahmen der allseitigen Prüfung der rechtlichen Beurteilung der Nichtigkeitsabteilung noch zu behandeln bleibt, ist der Einwand der unzulässigen Erweiterung anzusehen.
4.13. Die Beschränkung der Ansprüche eines Patents mittels Teilverzichts ist auch unter Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung möglich, sofern dadurch die ursprüngliche Offenbarung nicht überschritten wird (RIS-Justiz RW0000811), wenngleich es bei einer Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung nicht zu einer Verschiebung des Erfindungsgedankens kommen soll. Jedenfalls zulässig ist die Beschränkung im Einspruchsverfahren, wenn aus einer ursprünglich größeren Menge eine kleinere Einheit beansprucht wird ( Mes, PatG³ § 59 Rz 91; Moufang in Schulte, PatG 9 § 21 Rz 169; OLG Wien 34 R 16/15w, Bodenbearbeitungsgerät; vgl auch die weiteren, bereits oben in Punkt 4.6. wiedergegebenen Grundsätze).
4.14. In der Beschreibung heißt es in [0030] betreffend eine erste Ausführungsform:
In [0035] :
Die zweite (und damit letzte) Ausführungsform unterscheidet sich nur durch eine anders ausgestaltete Abdeckkappe von der ersten. Es tritt somit – anders gewendet – der Effekt nicht auf, dass von mehreren unterschiedlichen Ausführungsformen nur ein Element einer Ausführungsform ausgewählt und verallgemeinert wird. Etwas Anderes ist gar nicht geoffenbart, die Änderung ist zulässig.
4.15. Zusammengefasst ergibt sich, dass die neuen Ansprüche 1 und 12 in der Fassung des ersten Eventualantrags gegen den nachgewiesenen Stand der Technik abgegrenzt, ausreichend klar formuliert und damit patentierbar sind. Das Streitpatent ist daher auf der Grundlage dieser beiden neuen Patentansprüche 1 und 12 eingeschränkt aufrecht zu erhalten.
4.16. Damit erübrigt sich aufgrund der ausdrücklichen Reihung der Eventualanträge ein Eingehen auf die weiteren Hilfsanträge (vgl zu § 226 ZPO RIS-Justiz RS00337625; zum Patenteinspruchsverfahren OLG Wien 34 R 16/15w, Bodenbearbeitungsgerät ).
5. Die Abänderung in der Hauptsache bedingt auch eine Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung; diese stützt sich auf § 122 Abs 1 und § 141 PatG iVm § 43 Abs 2 erster Fall iVm 54 Abs 1a ZPO. Die Antragsgegnerin belastet trotz der Abweisung des Nichtigkeitsantrags, dass sie nur mit ihrem Hilfsantrag 1 Erfolg hatte und das Streitpatent damit nur in eingeschränkter Fassung aufrecht erhalten bleibt. Der Verfahrensaufwand, der zur Prüfung der Berechtigung dieses Eventualantrags erforderlich war, findet allerdings bereits Deckung in der erfolgten Prüfung des Hauptanspruchs. Hinzu tritt, dass mit der Aufrechterhaltung des Streitpatents im Umfang des Hilfsanspruchs 1 annähernd der gleiche wirtschaftliche Erfolg verbunden ist wie bei der gänzlichen Abweisung des Antrags auf Nichtigerklärung (s Obermaier, Kostenhandbuch 3 Rz 1.146 mwN).
Die Antragstellerin erhob gegen das Kostenverzeichnis der Antragsgegnerin keine Einwendungen.
6. Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren stützt sich auf § 122 Abs 1 und § 141 PatG iVm § 43 Abs 2 erster Fall und § 50 ZPO.
7. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil die Auslegung eines Patents stets einzelfallbezogen zu erfolgen hat. Grundsätze, die über den konkreten Fall hinausgehen, berührt diese Entscheidung dementsprechend nicht.
8. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO beruht auf der Bedeutung von Patentansprüchen im Wirtschaftsleben.