133R7/18d – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht ***** wegen Nichtigklärung des Patents E 621882 über die Berufung der Antragsgegnerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 28.7.2017, N 11/2016 8-14, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit EUR 3.074,84 (darin EUR 512,47 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Text
Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des österreichischen Teiles E 621882 des europäischen Patents EP 2251168 B1 mit der Bezeichnung „ Verfahren zur Herstellung von Holzplatten ”, das am 5.5.2010 angemeldet wurde und folgende Ansprüche umfasst:
1. Verfahren zur Herstellung von Holzplatten, bei dem Brettware (1) in Lamellen (B) aufgeteilt wird, die zu längeren Lamellenlagen (29) so hintereinander gesetzt werden, dass die Summe der Lamellenlänge wenigstens der Länge der herzustellenden Lamellenlage (29) entspricht, wobei die Lamellenlagen (29) mit ihren Längsseiten aneinanderliegend zur Holzplatte verleimt werden, dadurch gekennzeichnet, dass für die Lamellen (B) unterschiedlicher Längen Pufferstationen (22 bis 24) vorgesehen sind, denen die Lamellen (B) zur Bildung der Lamellenlagen (29) entnommen werden, dass die Lamellen (B) intelligent so zusammengefügt werden, dass die endseitigen Lamellen (B) innerhalb der Lamellenlage (29) so lang sind, dass sie bei weiterer Bearbeitung der Holzplatte nicht stören, und dass die letzte, innerhalb der Lamellenlage (29) liegende, zu lange Lamelle (B) so abgetrennt wird, dass die Lamellenlage (29) die gewünschte Länge hat, wobei die letzte Lamelle (B) innerhalb der Lamellenlage (29) so lang gewählt wird, dass nach dem Abtrennen der Überlänge dieser Lamelle (B) das Reststück der Lamelle (B) die erste Lamelle der nächsten herzustellenden Lamellenlage (29) bilden kann.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Lamellenlagen (29) mit ihren schmalen Längsseiten aneinander geleimt werden.
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Lamellenlagen (29) mit ihren beleimten breiteren Längsseiten aneinander liegend zu einem Block (28) verpresst werden, aus dem vorteilhaft Mittellagen (30) gesägt werden.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Lamellen (B) innerhalb der Lamellenlage (29) mit ihren Stirnseiten stumpf aneinanderstoßend zur Anlage gebracht werden.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass zur Herstellung der Lamelle (B) aus der Rohware (1) nur grobe Holzfehler (2) entfernt werden.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 und 3 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Lamellen (B) hochkant gestellt werden.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 und 3 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Lamellen (B) an einer Längsseite beleimt werden.
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass die Lamellen (B) vor dem Beleimen an ihren Enden gesägt werden.
9. Verfahren nach Anspruch 3 und ggf. nach einem der Ansprüche 4 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Blöcke (28) quer zu den Leimfugen in Lamellenlagen bzw. Mittellagen (30) gesägt werden.
10. Verfahren nach Anspruch 3 und ggf. nach einem der Ansprüche 4 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Mittellagen (30) zu größeren Platten, bzw. Mittellagenplatten (34) verpresst werden.
11. Verfahren nach Anspruch 3 und ggf. nach einem der Ansprüche 4 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass die Mittellage (30) an ihren beiden Außenseiten mit Lamellen (36) versehen wird, die sich über die ganze Breite der Mittellage (30) erstrecken.
12. Verfahren nach Anspruch 3 und ggf. nach einem der Ansprüche 4 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass die Mittellage (30) an ihren beiden Außenseite mit Lamellen (36) versehen wird, die an ihren Stirnseiten über eine Keilzinkenverbindung (37) miteinander verbunden sind.
Die Antragstellerin beantragte mit Antrag vom 16.9.2016 die Nichtigerklärung des Patents, weil der Gegenstand des Patents den Erfordernissen der erfinderischen Tätigkeit und Neuheit nicht genüge. Die Merkmale des Anspruchs 1 seien insbesondere in der Vorveröffentlichung JP S6119525 A (Beilage D1), DE 3607255 A1 (Beilage D6) und DE 19813132 C1 (Beilage D7) vorweggenommen. Im Übrigen sei die „intelligente Zusammenfügung” der Lamellen nicht definiert und unklar. Wenn Anspruch 1 vorsehe, dass die letzte Lamelle innerhalb der Lamellenlage so lang gewählt werde, dass nach dem Abtrennen der Überlänge dieser Lamelle das Reststück der Lamelle die erste Lamelle der nächsten herzustellenden Lamellenlage bilden könne, so handle es sich um eine Aufgabenstellung, aber keine technische Lösung. Das Patent sei auch nicht so ausreichend bestimmt, dass eine Fachperson es umsetzen könnte. Das Zuschneiden von Lamellen sei trivial. Die von der Antragsgegnerin gestellten Hilfsanträge seien nicht zulässig.
Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Antrags, wobei sie das Vorbringen der Antragstellerin bestritt und ihrerseits vorbrachte, dass der von der Antragstellerin zitierte Stand der Technik nicht das Schicksal des Endstücks einer Lamellenlage betreffe. Die Antragsgegnerin stellte zudem einen Hilfsantrag, mit dem sie eventualiter die Aufrechterhaltung ihres Patents in der Form beantragte, dass aus den Merkmalen der erteilten Ansprüche 1, 3 und 9 unter Beibehaltung der Unteransprüche 4 bis 8 und 10 bis 12 ein neuer Hauptanspruch gebildet wird, der wie folgt lautet (Abweichung vom ursprünglichen Anspruch 1 kursiv ):
1. Verfahren zur Herstellung von Holzplatten, bei dem Brettware (1) in Lamellen (B) aufgeteilt wird, die zu längeren Lamellenlagen (29) so hintereinander gesetzt werden, dass die Summe der Lamellenlänge wenigstens der Länge der herzustellenden Lamellenlage (29) entspricht, wobei die Lamellenlagen (29) mit ihren Längsseiten aneinanderliegend zur Holzplatte verleimt werden, dadurch gekennzeichnet, dass für die Lamellen (B) unterschiedlicher Längen Pufferstationen (22 bis 24) vorgesehen sind, denen die Lamellen (B) zur Bildung der Lamellenlagen (29) entnommen werden, dass die Lamellen (B) intelligent so zusammengefügt werden, dass die endseitigen Lamellen (B) innerhalb der Lamellenlage (29) so lang sind, dass sie bei weiterer Bearbeitung der Holzplatte nicht stören, und dass die letzte, innerhalb der Lamellenlage (29) liegende, zu lange Lamelle (B) so abgetrennt wird, dass die Lamellenlage (29) die gewünschte Länge hat, wobei die letzte Lamelle (B) innerhalb der Lamellenlage (29) so lang gewählt wird, dass nach dem Abtrennen der Überlänge dieser Lamelle (B) das Reststück der Lamelle (B) die erste Lamelle der nächsten herzustellenden Lamellenlage (29) bilden kann, dass die Lamellenlagen (29) mit ihren beleimten breiteren Längsseiten aneinander liegend zu einem Block (28) verpresst werden, und dass die Blöcke (28) quer zu den Leimfugen in Lamellenlagen bzw. Mittellagen (30) gesägt werden .
Mit der angefochtenen Entscheidung gab die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts dem Antrag statt und erklärte das Patent im vollen Umfang für nichtig.
Die Nichtigkeitsabteilung führte dazu aus, dass das Patent hinsichtlich des „intelligenten Zusammenfügens” der Lamellen keine konkreten Anweisungen enthalte, die ein Fachmann umsetzen könnte.
Die Vorveröffentlichung JP S6119525 A (Beilage D1) sehe bereits eine Verarbeitung von Holzlamellen unterschiedlicher Länge mit „Schrankensperrstationen” vor, die den „Pufferzonen” des Streitpatents entsprechen würden, und enthalte bereits alle Merkmale des Anspruchs 1 mit Ausnahme der Verwendung des Reststücks für die nächste herzustellende Holzplatte.
In der Vorveröffentlichung DE 19813132 C1 (Beilage D7) , die eine Anlage zur Fertigung von Mehrschicht-Parklettdielen betreffe, würden hingegen alle Merkmale des Anspruchs 1 neuheitsschädlich vorweggenommen, zumal dort auch eine Mindestlänge der Reststücke vorgesehen sei, damit sie weiter verwenden werden könnten. Die Unteransprüche seien für sich genommen nicht patentfähig.
So würde die Vorveröffenlichung DE 19813132 C1 (Beilage D7) das stumpfe Aneinanderstoßen, das längsseitige Verleimen und das stirnseitige Aneinanderliegen der Lamellenlagen neuheitsschädlich vorwegnehmen.
Das Hochkantstellen der Lamellen sei bereits in der Vorveröffentlichung DE 2135006 A (Beilage D13) ersichtlich. Das Sägen vor dem Beleimen sei für den Fachmann naheliegend und schon in JP S6119525 A (Beilage D1) erwähnt.
Die Herstellung größerer Platten und die Verwendung von durchgehenden oder keilverzinkten Lamellen sei für den Fachmann selbstverständlich. Das Entfernen von Holzfehlern sei handwerklicher Natur und nicht erfinderisch. Der Hilfsantrag sei zulässig, weil er mit einer Verringerung des Schutzumfangs einhergehe. Dennoch sei auch der Hilfsantrag nicht berechtigt, weil ein Fachmann eine solche technische Lösung aus einer Kombination der Vorveröffentlichung DE 19813132 C1 (Beilage D7) und DE 2135006 A (Beilage D13) ableiten würde bzw ihm diese Verarbeitungstechnik aufgrund seiner beruflichen Erfahrung bekannt sei.
Dagegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin mit dem Antrag, die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung aufzuheben und die Rechtsgültigkeit des angefochtenen Patents zu bestätigen, in eventu das Patent im Rahmen des ursprünglichen oder eines weiteren – in der Berufung formulierten – Hilfsantrags aufrecht zu erhalten, wobei sich dieser zweite Hilfsantrag unter Aufrechterhaltung der erteilten Unteransprüche 4, 5, 7, 8 und 10 bis 12 im Hauptanspruch vom ersten Hilfsantrag durch das Merkmal unterscheidet, dass die Lamellen in den Pufferstationen hochkant angeordnet sind und das Verfahren zur Herstellung von Mittellagen eingesetzt wird, sodass der Hauptanspruch des zweiten Hilfsantrags wie folgt lautet (Abweichungen vom ersten Hilfsantrag kursiv und fett ):
1. Verfahren zur Herstellung von Mittellagen , bei dem Brettware (1) in Lamellen (B) aufgeteilt wird, die zu längeren Lamellenlagen (29) so hintereinander gesetzt werden, dass die Summe der Lamellenlänge wenigstens der Länge der herzustellenden Lamellenlage (29) entspricht, wobei die Lamellenlagen (29) mit ihren Längsseiten aneinanderliegend zur Holzplatte verleimt werden, dadurch gekennzeichnet, dass für die Lamellen (B) unterschiedlicher Längen Pufferstationen (22 bis 24) vorgesehen sind, in denen die Lamellen (B) hochkant angeordnet sind und denen die Lamellen (B) zur Bildung der Lamellenlagen (29) entnommen werden, dass die Lamellen (B) intelligent so zusammengefügt werden, dass die endseitigen Lamellen (B) innerhalb der Lamellenlage (29) so lang sind, dass sie bei weiterer Bearbeitung der Holzplatte nicht stören, und dass die letzte, innerhalb der Lamellenlage (29) liegende, zu lange Lamelle (B) so abgetrennt wird, dass die Lamellenlage (29) die gewünschte Länge hat, wobei die letzte Lamelle (B) innerhalb der Lamellenlage (29) so lang gewählt wird, dass nach dem Abtrennen der Überlänge dieser Lamelle (B) das Reststück der Lamelle (B) die erste Lamelle der nächsten herzustellenden Lamellenlage (29) bilden kann, dass die Lamellenlagen (29) mit ihren beleimten breiteren Längsseiten aneinander liegend zu einem Block (28) verpresst werden, und dass die Blöcke (28) quer zu den Leimfugen in Lamellenlagen bzw. Mittellagen (30) gesägt werden.
Die Antragstellerin begehrt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Nach Art 52 Abs 1 EPÜ werden europäische Patente für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Nach § 10 Abs 1 PatV-EG iVm Art 138 Abs 1 lit a EPÜ kann das europäische Patent mit Wirkung für einen Vertragsstaat für nichtig erklärt werden, wenn der Gegenstand des europäischen Patents nach Art 52 bis 57 EPÜ nicht patentierbar ist.
2.1. Zur Zulässigkeit der von der Antragsgegnerin gestellten Hilfsanträge ist auszuführen, dass das europäische Patent nach Art 123 Abs 2 und 3 EPÜ nicht in der Weise geändert werden darf, dass sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht oder sein Schutzbereich erweitert wird. Wohl aber ist der Patentinhaber nach Art 138 Abs 3 EPÜ in Verfahren vor dem zuständigen Gericht oder der zuständigen Behörde, die die Gültigkeit des europäischen Patents betreffen, befugt, das Patent durch Änderung der Patentansprüche zu beschränken, woraufhin die so beschränkte Fassung des Patents dem Verfahren zugrunde zu legen ist. Eine solche Beschränkung kann auch hilfsweise, dh eventualiter für den Fall vorgenommen werden, dass das Gericht das angemeldete Patent als nichtig erkennt (siehe OLG Wien 34 R 96/15k und Heusler/Stauder in Singer/Stauder 6 Art 94 EPÜ Rn 100). Damit ist der erste Hilfsantrag der Antragsgegnerin zulässig.
2.2. Hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags ist auszuführen, dass nach § 141 Abs 2 PatG für die Berufung gegen Endentscheidungen der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts die Bestimmungen der ZPO sinngemäß gelten. Der in der Berufung gestellten zweite Hilfsantrag der Antragsgegnerin verstößt deshalb gegen das Neuerungsverbot im Berufungsverfahren (OPMS OGM 2/10). Dennoch wäre das Patent nach Art 138 Abs 2 EPÜ auch amtswegig durch eine entsprechende Änderung der Patentansprüche zu beschränken, wenn die Nichtigkeitsgründe nur einen Teil des Patents betreffen ( Luginbühl/Stauder in Stauder/Luginbühl 7 Art 138 EPÜ Rn 23; Schauwecker in Singer/Stauder 6 Art 138 EPÜ Rn 16). Damit muss auch der zweite Hilfsantrag einer inhaltlichen Prüfung unterzogen werden.
3. Nach Art 54 Abs 1 EPÜ gilt eine Erfindung als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Nach Art 54 Abs 2 EPÜ bildet den Stand der Technik alles, was vor dem Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung der Öffentlichkeit durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist. Dabei kommt es darauf an, was eine Fachperson aus den am Prioritätstag öffentlich zugänglichen Beschreibungen oder Vorbenutzungen entnehmen konnte ( Melullis in Benkard 2 Art 54 EPÜ Rn 44 ff; Lindner in Singer/Stauder 7 Art 54 EPU Rn 57).
4. Die Antragsgegnerin bekämpft die rechtliche Beurteilung der Nichtigkeitsabteilung, dass die Vorveröffentlichung DE 19813132 C1 (Beilage D7) nicht neuheitsschädlich sei, weil diese Vorveröffentlichung ein Verfahren zur Herstellung vorgegebener Verlegemuster für Mehrschicht-Parkettdielen beschreibe, während das Streitpatent die Herstellung von Holzplatten durch Lamellenlagen bezwecke, weshalb die Aufgabenstellung nicht vergleichbar sei.
Tatsächlich sind auch die in der Vorveröffentlichung DE 19813132 C1 (Beilage D7) beschriebenen „Oberlagen für Mehrschicht-Parkettdielen” Holzplatten, die einer besonderen Verwendung zugeführt werden. Es gilt der allgemeine Grundsatz, dass die Offenbarung eines speziellen Begriffs für einen allgemeinen Anspruch, der den speziellen Begriff mit einschließt, neuheitsschädlich ist ( Medullis in Benkard 2 Art 54 EPÜ Rn 71; Heusler in Singer/Stauder 6 Art 54 EPÜ Rn 96). Die Offenbarung eines Teilgebiets nimmt damit die Neuheit des beanspruchten gesamten, größeren Bereichs vorweg (EPA T 508/91, Früchte und Pflanzen ). Das aus DE 19813132 C1 (Beilage D7) bekannte Verfahren zur Herstellung von Oberlagen für Parkettdielen steht daher der Neuheit dieses Verfahrens zur Herstellung von Holzplatten entgegen.
5. Die Antragsgegnerin will die Neuheit des Streitpatents aus dem Umstand ableiten, dass die Vorveröffentlichung DE 19813132 C1 (Beilage D7) auf ein optisch ansprechendes Ergebnis abziele, während das Streitpatent die optimale Festigkeit der Holzplatte und die Vermeidung von Holzabfall bezwecke.
Eine solche beschränkte Aufgabenstellung ist der Vorveröffentlichung nicht zu entnehmen – und könnte auch Neuheit nicht begründen –, zumal dort ganz allgemein eine „ Anlage zur Fertigung von Oberlagen für Mehrschicht-Parkettdielen” beschrieben wird. Im Übrigen ist eine Verwendung nicht neu, wenn eine Wirkung bereits bei einer bekannten Verwendung oder in einem bekannten Verfahren erkannt, angestrebt oder ausgenutzt wurde (EPA T 892/94, Desodorierende Gemische; Melullis in Benkard 2 Art 54 EPÜ Rn 142). Da auch bei der Fertigung von Parkettdielen eine optimale Festigkeit des Produkts und die Vermeidung von Holzabfall erwünscht und beabsichtigt ist, kann die bloße Hervorhebung dieser Eigenschaften im Streitpatent nicht dessen Neuheit bewirken.
6. Die Antragsgegnerin macht geltend, dass die Vorveröffentlichung DE 19813132 C1 (Beilage D7) im Gegensatz zum Streitpatent kein Aneinandersetzen der Lamellen im Endlosverfahren vorsehe. Dem ist entgegenzuhalten, dass auch in der Vorveröffentlichung die Zuführung der Lamellen über eine „ Legestrecke” und eine „ Staustrecke” zur „ Beleimung (…) der auf den Bahnen abgelegten Lamellen” vorgesehen ist, was dem „ Hintereinandersetzen” und „ Endlosverleimen” der Lamellen entspricht, wie es im Streitpatent beschrieben ist. Damit nimmt die Vorveröffentlichung DE 19813132 C1 (Beilage D7) alle Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 1 und des Anspruchs 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag des Streitpatents neuheitsschädlich vorweg.
7.1. Die Antragsgegnerin macht geltend, dass das Verpressen der Lamellenlagen zu einem Block, aus dem quer zu den Leimfugen vorteilhafte Mittellagen gesägt werden, wie dies in Anspruch 3 und 9 des Streitpatents und in den Hauptansprüchen der Hilfsanträge vorgesehen ist, erfinderisch sei.
7.2. Eine Erfindung gilt nach Art 56 EPÜ nur dann als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für die Fachperson nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Zum Stand der Technik gehört auch der allgemeine Wissenstand einer Fachperson einschließlich des technischen Allgemeinwissens eines Spezialisten (EPA T 195/84, Hochauftriebsvorrichtung; Singer in Singer/Stauder 6 Art 56 EPÜ Rn 11).
Die Nichtigkeitsabteilung hat bereits – von der Antragsgegnerin unbekämpft und unbestritten – festgestellt, dass „eine Person mit Erfahrung auf dem Gebiet der Holzverarbeitung und zumindest guter Kenntnis im Maschinenbau” bei der Herstellung von Platten aus Lamellen schon aufgrund ihrer Erfahrung – insbesondere bei der Herstellung von Tischlerplatten oder Fineline-Furnieren – die Bretter zu einem Block verleimen und dann quer sägen würde. Die Herstellung von Mittellagen, indem Bretter zu einem Block zusammengefügt und quer gesägt werden, entspricht demnach dem Stand der Technik und ist für sich genommen nicht neu.
7.3. Der Gegenstand des Anspruchs 3 ist aber neu, weil dieses der Fachperson bekannte Verfahren, bei dem Bretter zu einem Block zusammengefügt werden, um daraus Mittellagen zu sägen, mit dem bereits aus DE 19813132 C1 (Beilage D7) bekannten Verfahren, dessen Berücksichtigung für die Fachperson naheliegt, zur kostengünstigen Herstellung dieser Bretter kombiniert wird.
Dass durch die Kombination dieser beiden Verfahren eine unerwartete funktionelle Wechselwirkung entstünde, die über die Summe ihrer jeweiligen Einzelwirkungen hinausginge, ist allerdings nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet. Es handelt sich vielmehr um die Lösung von Teilaufgaben. Die bloße Aggregation bekannter Verfahrensschritte ist aber nicht erfinderisch (EPA T 130/89, Profilstab; T 1836/11, Turbolader; Kinkeldey/Karamanli in Benkard 2 Art 56 EPÜ Rn 166; Reich, Materielles Europäisches Patentrecht [2009] 396).
8. Die Antragsgegnerin macht geltend, dass ein Verfahren, bei dem die Lamellen allenfalls schon in den Pufferstationen „hochkant” gestellt werden, wie dies in Anspruch 6 des Streitpatents sowie in Anspruch 1 des zweiten, mit der Berufung vorgelegten Hilfsantrags vorgesehen ist, erfinderisch und damit patentierbar sei.
Dem ist entgegenzuhalten, dass ein Hochkantstellen vor dem Verleimen der Lamellen sowohl in der Fachzeitschrift „Holzkurier” in Beilage D4 als auch in der Vorveröffentlichung DE 2135006 A in Beilage D13 ersichtlich ist. Dass die Lamellen schon bei der Übergabe zu den Pufferstationen hochgestellt werden, wie dies in der Beschreibung des Streitpatents zu [0039] vorgeschlagen wird, stellt demgegenüber keine patentierbare Erfindung dar.
Nach Art 52 Abs 1 EPÜ muss der beanspruchte Gegenstand nämlich „technischen Charakter” aufweisen, um patentfähig zu sein. Das Übereinkommen will damit ausdrücken, dass die Erfindung eine „ Lehre zum technischen Handeln” zum Gegenstand haben muss, worunter eine an die Fachperson gerichtete Anweisung zu verstehen ist, eine bestimmte „technische Aufgabe” mit bestimmten technischen Mitteln zu lösen (Basisvorschlags für die Revision des EPÜ MR/2/00, 43). Patentfähig ist eine Erfindung erst dann, wenn sie der Fachperson eine Lösung für ein (technisches) Problem mit technischen Mitteln gibt (EPA T 222/89, Mittellinie; T 641/00, Zwei Kennungen; Melullis in Benkard 2 Art 52 EPÜ Rn 75). Dementsprechend sind Anspruchsmerkmale, die nicht kausal zur Lösung der technischen Aufgabe beitragen, nicht erfinderisch und damit für sich genommen auch nicht patentfähig (EPA T 222/89, Mittellinie; T 0176/97, Ionisierende Flüssigkeiten; Reich , Materielles Europäisches Patentrecht [2009] 7 f). Da in der Beschreibung nicht behauptet wurde, dass das Hochstellen der Lamellen in den Pufferstationen einen technische Aufgabe lösen würde und auch nicht ersichtlich ist, dass das Hochstellen in den Pufferstationen irgendeinen Einfluss auf die herzustellenden Holzplatten hätte, kann auch dieses Merkmal keine Patentierbarkeit bewirken.
Es mangelt daher dem Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags an der erfinderischen Tätigkeit.
9. Da bereits die Nichtigkeitsabteilung ausführte, dass die anderen Unteransprüche des Streitpatents keine selbständig patentierbaren Erfindungen enthalten, was von der Antragsgegnerin auch nicht bekämpft wird, war der gegen die die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung erhobenen Berufung keine Folge zu geben.
10. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 122 Abs 1 und 141 PatG iVm §§ 41 Abs 1 und 50 ZPO.
11. Die ordentliche Revision war gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage zu lösen war, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukäme. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO beruht auf der Bedeutung von Patentansprüchen im Wirtschaftsleben.