133R34/18z – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Thunhart und den fachkundigen Laienrichter Patentanwalt DI Mag. Babeluk in der Patentrechtssache der gefährdeten Partei *****, vertreten durch die Gassauer-Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei *****, vertreten durch die Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert EUR 550.000) über den Rekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 28.2.2018, 19 Cg 49/17b 9, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die gefährdete Partei ist schuldig, der Gegnerin der gefährdeten Partei die mit EUR 2.987 (darin EUR 497,48 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
Die gefährdete Partei (im Folgenden: Antragstellerin) ist Berechtigte des am 8.1.2001 angemeldeten und später eingeschränkten Patents EP 1250138 B2 „Fulvestant Formulierung”, das unter anderem folgende Ansprüche umfasst:
Weiters ist die Antragstellerin Berechtigte des am 8.1.2001 angemeldeten Patents EP 2266573 B1 „Fulvestant Formulierung”, zu dem ein Einspruchsverfahren anhängig ist und das unter anderem folgenden Anspruch umfasst:
Die Gegnerin der gefährdeten Partei (im Folgenden: Antragsgegnerin) vertreibt das Produkt „Fulvestrant 250 mg Injektionslösung” in Österreich. Unstrittig ist, dass dieses Produkt den Gegenstand der angeführten Patentansprüche der Antragstellerin verwirklicht.
Der Wirkstoff Fulvestrant wurde auch als „ ICI 182,780 ” bezeichnet; 7α-[9-(4,4,5,5,5-Pentafluorpentylsulfinyl)nonyl]oestra-1,3,5(10)-trien-3,17β-dion.
Die Antragstellerin begehrt die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der der Antragsgegnerin – zusammengefasst – verboten werde, Fulverstrant oder eine andere, dem Patent der Antragstellerin entsprechende Formulierung zur Verwendung bei der Behandlung einer gut- oder bösartigen Erkrankung der Brust oder des Reproduktionstrakts herzustellen, in Verkehr zu bringen, feilzuhalten, zu gebrauchen oder einzuführen, sowie ihr aufgetragen werde, die Streichung dieses Produkts aus dem Erstattungskodex der Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger zu veranlassen.
Die Antragstellerin brachte dazu vor, dass der Gegenstand ihrer Patente erfinderisch sei, weil die Studie von Howell et al (Pharmacokinetics, pharmacological and anti-tumour effects of the specific anti-oestrogen ICI 182780 in women with advanced breast cancer, British Journal of Cancer 1996, 300–308; Beilage ./U = GUT./11 zu Beilage ./2; in der Folge „Howell” ) keine Informationen über die Formulierung von Fulvestrant enthalte und die Vorveröffentlichung von McLeskey et al (Tamoxifen-resistant Fibroblast Growth Factor-transfected MCF 7 Cells Are Cross-Resistant in Vivo to the Antiestrogen ICI 182,780 and Two Aromatase Inhobitors, Clinical Cancer Research 1998, 697–711; Beilage ./T = GUT./12 zu Beilage ./2; in der Folge „McLeskey” ) sich nicht auf den Einsatz von Fulvestrant zur Heilung von Brustkrebs beziehe. Dass Benzylbenzoat zu einer besseren Löslichkeit von Steroiden gegenüber ölbasierenden Trägersubstanzen führe, sei zuvor nicht bekannt gewesen.
Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Antrags, weil dem Patent im Hinblick auf die Vorveröffentlichungen von Howell und McLeskey keine erfinderische Qualität zukomme.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Sicherungsantrag ab, weil bereits die nicht rechtskräftige Entscheidung der Einspruchsabteilung des EPA zum Patent EP 2266573 B1 dessen Nichtigkeit indiziere. Im Übrigen sei der Wirkstoff Fulvestrant in Verbindung mit Rizinusöl und Benzylalkohol bereits aus EP 346014 A1 bekannt. Die Studie von Howell aus dem Jahr 1996 befasse sich mit der Langzeitwirkung von Fulvestrant bei Patienten mit Brustkrebs. Die Studie von McLeskey aus dem Jahr 1998 beziehe sich auf eine mögliche Tamoxifenresistenz bei Krebserkrankungen, wobei in der Versuchsreihe Fulvestrant mit Rizinusöl, Benzylbenzoat und Alkohol eingesetzt worden sei. Wenngleich diese Studie subkutane Injektionen beschreibe, liege es nahe, diese Formulierung auch für intramuskuläre Injektionen zu nutzen. Die Kombination der beiden Dokumente lege zur Behandlung von Patienten eine Formulierung nahe, wie sie im Patent EP 1250138 B2 beschrieben werde, weshalb die Nichtigkeit des Patents wahrscheinlich sei.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin aus den Rekursgründen der Verfahrensmängel, der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss zu ändern und dem Sicherungsantrag (in eventu unter Auferlegung einer Sicherheitsleistung) stattzugeben, in eventu den Beschluss aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Antragsgegnerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Zur Verfahrensrüge:
1.1. Die Antragstellerin macht als Verfahrensmangel geltend, dass die Entscheidung den Sachantrag, soweit er sich auf das Patent EP 2266573 B1 stütze, gänzlich unbehandelt gelassen habe. Die unvollständige Erledigung eines Sachantrages sei als Verfahrensmangel geltend zu machen (RIS-Justiz RS0041472).
Da das Erstgericht aber über den gesamten Antrag entscheiden hat, liegt keine unvollständige Erledigung des Sachantrags vor. Zudem hat das Erstgericht die Abweisung des Antrags auch im Hinblick auf das Patent EP 2266573 B1 ausdrücklich mit der Indizwirkung der Entscheidung der Einspruchsabteilung begründet. Darüber hinaus ist die Entscheidung des Erstgerichts bei verständiger Lesart dahingehend zu verstehen, dass die Ausführungen zum Fehlen der erfinderischen Tätigkeit in der Begründung nicht nur das Patent EP 1250138 B2, sondern auch den Gegenstand des Patents EP 2266573 B1 betreffen.
1.2. Die Antragstellerin macht weiters das Fehlen von Feststellungen zum Aufgabe-Lösungs-Ansatz und zur Motivation einer Fachperson nach dem could-would-approach sowie den Umstand als Verfahrensmangel geltend, dass das Erstgericht keines der dazu vorgelegten Bescheinigungsmittel gewürdigt habe.
Die Anwendung des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes und die damit verbundene Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents erfinderisch ist, ist aber eine Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0123155 [T3 und T4]). Die diesbezügliche Beurteilung des Erstgerichts wird deshalb im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge zu prüfen sein.
Zur Tatsachenrüge:
2. Unter dem Rekursgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung bekämpft die Antragstellerin im Wesentlichen die Annahme des Erstgerichts, dass die Studie von Howell den nächstliegenden Stand der Technik darstelle und sich die Studie von McLeskey vom Patent der Antragstellerin nur dadurch unterscheide, dass eine subkutane Injektion vorgesehen sei. Weiters macht die Antragstellerin (auch) als unrichtige Tatsachenfeststellung geltend, dass keine Feststellungen zur technischen Aufgabe und zum could-would-approach getroffen worden seien. Da der Wortlaut der Entgegenhaltungen und der Patente, wie er sich aus den vorgelegten Urkunden ergibt, unstrittig ist, richtet sich die Antragstellerin mit ihrer Beweisrüge in Wahrheit nicht gegen die getroffenen Feststellungen, sondern gegen die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts. Die im Verfahren mit Beilage ./T, ./U und ./W vorgelegten Vorveröffentlichungen wurden vom Erstgericht nur kursorisch bzw auszugsweise wiedergegeben, sind ihrem Wortlaut nach aber unstrittig, weshalb sie auch der Entscheidung des Rekursgerichts ohne weiteres zugrunde gelegt werden können (RIS-Justiz RS0121557).
Zur Rechtsrüge:
3.1. Unstrittig ist, dass das von der Antragsgegnerin vertriebene Produkt „Fulvestrant 250 mg Injektionslösung“ den Gegenstand der Patente der Antragstellerin verwirklicht. Die Antragsgegnerin hat aber die Nichtigkeit der Patente der Antragstellerin eingewendet.
3.2. Der Klägerin ist dahingehend zuszustimmen, dass die Patenterteilung nach ständiger Rechtsprechung im Provisorialverfahren eine durch Gegenbescheinigungen entkräftbare Vermutung für das Bestehen des Patentrechts schafft (RIS-Justiz RS0071369; RS0103412 [T1]). Die Vorfrage der Gültigkeit oder Wirksamkeit eines Patents muss aber auch im Provisorialverfahren geprüft werden, wenn in dieser Richtung eine Gegenbescheinigung angeboten wurde, wobei diese Prüfung freilich nur mit den Mitteln des Provisorialverfahrens und in dessen Grenzen vorgenommen werden kann (RIS-Justiz RS0071408). Da die Beklagte zur Bescheinigung der behaupteten Nichtigkeit Urkunden vorgelegt hat, die auch im Provisorialverfahren jedenfalls zu berücksichtigen sind, ist die behauptete Nichtigkeit des Patents im Sicherungsverfahren selbständig zu prüfen (RIS-Justiz RS0103412 [T2]). Liegt ein Nichtigkeitsgrund vor, so ist dem Patentinhaber der einstweilige Rechtsschutz zu versagen (RIS-Justiz RS0103412 [T3]).
3.3. Nach § 10 Abs 1 PatV-EG iVm Art 138 Abs 1 lit a EPÜ kann das europäische Patent mit Wirkung für einen Vertragsstaat für nichtig erklärt werden, wenn der Gegenstand des europäischen Patents nach Art 52 bis 57 EPÜ nicht patentierbar ist. Nach Art 52 Abs 1 EPÜ werden europäische Patente für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Eine Erfindung gilt nach Art 56 EPÜ als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Nach Art 54 Abs 2 EPÜ bildet den Stand der Technik alles, was vor dem Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung der Öffentlichkeit durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist.
Nach dem vom Europäischen Patentamt entwickelten „Aufgabe Lösungs-Ansatz“ ist dabei zunächst der nächstliegende Stand der Technik zu ermitteln, sodann die zugrunde liegende technische Aufgabe zu bestimmen und schließlich zu beurteilen, ob die Erfindung angesichts des nächstliegenden Standes der Technik und der technischen Aufgabe für den Fachmann naheliegend war (mwN Kinkeldey/Karamanli in Benkard 2 Art 56 EPÜ Rn 23).
3.4. Die Antragstellerin kritisiert, dass das Erstgericht es unterlassen habe, die Aufgabenstellung des Patents zu ermitteln. Bei der Festlegung der Aufgabe ist von der Patentschrift auszugehen (mwN Kroher in Singer/Stauder 6 Art 56 EPÜ Rn 44). Aus den Patentschriften ergibt sich, dass die Patente EP 1250138 B2 und EP 2266573 B1 der Antragstellerin auf die längerfristige Aufrechterhaltung einer therapeutisch signifikanten Fulvestrant-Konzentration bei Behandlung von Patienten mit Brustkrebs abzielen.
3.5. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Heranziehung der Studien von Howell als nächstliegenden Stand der Technik und verweist auf die Vorveröffentlichung EP 0346014 A1, weil dort in Beispiel 3 beschrieben wird, wie Ratten eine Formulierung von Fulvestrant, Ricinoleat und Alkohol intramuskulär injiziert wird.
Die bloße Ähnlichkeit der stofflichen Zusammensetzung des Produkts rechtfertigt aber noch nicht die Heranziehung dieses Dokuments als nächster Stand der Technik (T 273/92; T 65/98). Vielmehr muss der erfolgversprechendste Ausgangspunkt für eine Weiterentwicklung ermittelt werden, wobei der nächstliegende Stand der Technik typischerweise jene Dokumente sind, die sich auf den gleichen oder zumindest ähnlichen Zweck beziehen (T 606/89; T 482/92, T 730/96; T 650/01; Kinkeldey/Karamanli in Benkard 2 Art 56 EPÜ Rn 42). Die Zweckidentität hat bei der Ermittlung des nächstliegenden Stands der Technik deshalb Vorrang vor der Strukturnähe ( Reich, Materielles Europäisches Patentrecht [2009] Art 56 EPÜ Rn 714).
Die Antragstellerin macht darauf aufmerksam, dass die Studie von Howell keine darüber hinausgehenden Informationen enthält, aus denen eine Formulierung abgeleitet werden könnte, wie sie in den Patenten der Antragstellerin vorgeschlagen wird.
Ein Dokument gehört aber auch dann zum Stand der Technik, wenn seine Offenbarung mangelhaft ist, es sei denn, es könne zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass die Offenbarung des Dokuments nicht ausführbar sei oder dass der Wortlaut der Offenbarung des Dokuments Fehler aufweise ( T 230/01 ). Dies hat die Antragstellerin aber gar nicht behauptet.
Es liegt in der Natur des Aufgabe-Lösung-Ansatzes, dass das den nächstkommenden Stand der Technik darstellende Dokument mindestens ein Merkmal des zu beurteilenden Patentanspruchs nicht zeigt, da sonst schon die Neuheit fehlen würde.
Überdies bietet die Tatsache, dass die Studie von Howell „ nur” 19 Patientinnen umfasst, keinen Grund, die Offenbarung anzuzweifeln.
Die von der Antragstellerin genannte Vorveröffentlichung EP 0346014 A1 betrifft eine Östrogentherapie menopausaler Zustände und kann schon deshalb nicht als nächstliegender Stand der Technik herangezogen werden.
Demgegenüber betrifft die Studie von Howell im British Journal of Cancer 1996, 300, die Behandlung von Brustkrebs mit Fulvestrant, wobei als Ziel der Studie die Erforschung der Langzeitwirksamkeit des Medikaments genannt wird. Angesichts der identen Aufgabenstellung, nämlich die Behandlung von Brustkrebs mit Fulvestrant unter Herbeiführung einer Langzeitwirkung, ist nicht zu beanstanden, wenn das Erstgericht diese Vorveröffentlichung als nächstliegenden Stand der Technik herangezogen hat.
3.6. Nach dem could-would-approach ist zu prüfen, ob eine Fachperson ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik einen Anlass dafür hätte, den weiteren Stand der Technik heranzuziehen und dessen Lehre auf das Verfahren des nächstliegenden Stands der Technik anzuwenden (T 203/93; T 280/95; T 1126/09; Kroher in Singer/Stauder 6 Art 56 EPÜ Rn 56).
Es stellt sich deshalb die Frage, ob eine Fachperson mit der Aufgabe, bei der Behandlung von Brustkrebs mit Fulvestrant eine Langzeitwirkung zu erzielen, die intramuskuläre Injektion einer Formulierung vorgeschlagen hätte, wie sie in den Patenten EP 1250138 B2 und EP 2266573 B1 der Antragstellerin dargelegt wird. Die Studie von Howell beschreibt – ebenso wie die Patente der Antragstellerin – die intramuskuläre Injektion von Fulvestrant in einer Formulierung mit Rizinusöl (Seite 301).
Die Antragstellerin macht aber darauf aufmerksam, dass die Studie von Howell keine darüber hinausgehenden Informationen enthält, aus denen eine Formulierung abgeleitet werden könnte, wie sie in den Patenten der Antragstellerin vorgeschlagen wird.
Nach dem could-would-approach ist in einem solchen Fall zu prüfen, ob eine Fachperson ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik einen Anlass dafür hätte, den weiteren Stand der Technik heranzuziehen und dessen Lehre auf das Verfahren des nächstliegenden Stands der Technik anzuwenden (T 203/93; T 280/95; T 1126/09; Kroher in Singer/Stauder 6 Art 56 EPÜ Rn 56).
Der Umstand, dass die Studie von Howell – abgesehen vom Hinweis auf die Verwendung von Rizinusöl als Trägersubstanz – keine Angaben zur Formulierung enthält, ist für eine Fachperson, die bei der Behandlung mit Fulvestrant eine Langzeitwirkung erreichen will, jedenfalls ein Anlass, nach weiteren Veröffentlichungen zu suchen, denen eine exakte Formulierung entnommen werden kann.
Zwar enthält Howell (naturgemäß schon wegen der Chronologie des Erscheinens) keinen Hinweis auf McLeskey, jedoch ist umgekehrt Howell in McLeskey zitiert (Zitat 19). Es entspricht allgemeiner Erfahrung, dass bei Literaturrecherchen insbesondere Zitate verwendet werden, um weitere Fundstellen zu ermitteln.
Eine Fachperson würde daher nach jüngeren Veröffentlichungen suchen, in denen die ältere zitiert ist, wobei die Möglichkeit und die Wahrscheinlichkeit der Auffindbarkeit im Einzelfall zu beurteilen sind.
Im konkreten Fall geht das Rekursgericht davon aus, dass die Studie von McLeskey in Clinical Cancer Research 1998, 677, aufgefunden worden wäre, weil schon in ihrem Titel der Wirkstoff „ICI 182,780” genannt und in ihrem erstem Satz vom „breast cancer” die Rede ist.
Diese Studie betrifft die Resistenz von Brusttumorzellen gegen Tamoxifen und wurde an Mäusen durchgeführt, denen Fulvestrant in einer Formulierung aus 10 % Ethanol, 15 % Benzylbenzoat und 10 % Benzylalkohol mit Rizinusöl als Trägersubstanz subkutan injiziert wurde. Diese Formulierung entspricht jener Formulierung, wie sie (allgemein) im Patent EP 1250138 B2 und (konkret) im Patent EP 2266573 vorgeschlagen wird.
Für eine Fachperson, die eine Langzeitwirkung von Fulvestrant bei der Behandlung von Brustkrebspatienten erreichen will, liegt es daher nahe, die Lehren von Howell mit jenen von McLeskey zu kombinieren und deshalb eine Formulierung vorzuschlagen, wie sie die Patente der Antragstellerin beschreiben. Daher ist der Gegenstand der Patente EP 1250138 B2 und EP 2266573 nicht erfinderisch.
3.7. Der Antragstellerin ist es insofern nicht gelungen, ihren Anspruch zu bescheinigen, als der Antragsgegnerin die Gegenbescheinigung gelungen ist, wonach die Patente der Antragstellerin nichtig seien.
Das gänzliche Fehlen einer Bescheinigung des Anspruches kann auch nicht durch eine Sicherheitsleistung nach § 390 Abs 1 EO ersetzt werden (RIS-Justiz RS0005694; RS0005381; König, Einstweilige Verfügungen 5 Rz 5/3).
Die Abweisung des Sicherungsantrags war daher zu bestätigen (RIS-Justiz RS000569 [T4]).
4. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 393 EO, §§ 50 Abs 1, 41 ZPO.
5. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands nach §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO ergibt sich aus der wirtschaftlichen Bedeutung des Patentrechts und orientiert sich auch an der Bewertung durch die Antragstellerin.
6. Ob der Gegenstand eines Patents erfinderisch ist, insbesondere ob ein Fachmann zur Bewältigung einer bestimmten Aufgabe eine bestimmte Lösung vorgeschlagen hätte, kann nur im Einzelfall beurteilt werden und wirft demnach keine Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO auf, weshalb der ordentliche Revisionsrekurs nicht zuzulassen war.