129R38/18h – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden, den Richter Dr. Parzmayr und die Richterin Mag. a Fitz in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation , *****, vertreten durch die Kosesnik-Wehrle Langer Rechtsanwälte KG in Wien, wider die beklagte Partei K*****GmbH, Hermann Gebauer-Straße 1, 1220 Wien, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Dr. David Plasser, LL.M., Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (EUR 30.500,--) und Urteilsveröffentlichung (EUR 5.500,--) über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 22.2.2018, GZ 58 Cg 31/17t-12, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.051,12 (darin EUR 508,52 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei bringt unter der Produktbezeichnung
„Knuspriges Gemüse
Gemüsechips
Premiumqualität
hauchdünn gebacken“ gebackene Waffelscheiben in der folgend dargestellten Verpackung in Verkehr:
Auf der Rückseite ist unter der Überschrift „Gebackene Waffelscheiben mit Gemüseanteil“ das folgende Zutatenverzeichnis in der auf der dritten Aufnahme von links im oberen Bildteil ersichtlichen Schriftgröße abgedruckt:
Zutaten: Mehlmischung (Maisstärke, Glukosesirup, Kartoffelflocken, Apfelfaser) 14 % Rote Rübe (Pulver), Kokosöl, Kren (Pulver), Salz, Emulgator (Lecithin), Backtriebmittel (Natriumhydrogencarbonat).
Die gebackenen Waffeln bestehen aus einer Mehlmischung (70 %, zusammengesetzte Zutat), die sich aus Maisstärke, Glukosesirup, Kartoffelflocken und Apfelfasern zusammensetzt, der Rote Rüben Pulver, Kokosöl, Krenpulver, Salz, Lecithin und Natriumhydrogencarbonat zugesetzt werden. Die Teigmischung enthält 14 g Rote Rüben Pulver auf 100 g. 1.000 g Rote Rüben Pulver wird aus 10.000 g bis 14.000 g frische Rohware Rote Rübe durch Wasserentzug extrahiert. Diese Mehlmischung wird auf Backplatten portionsweise zu dünnen Scheiben gebacken.
Die Beklagte vertreibt unter der Produktbezeichnung „Knuspriges Gemüse“ ebenfalls gebackene Waffelscheiben mit den Geschmacksrichtungen „Karotte-Ingwer“ und „Spinat“. Diese beiden Produkte werden ebenfalls aus einer Teigmischung hergestellt, die bis auf einzelne Aromastoffe und Gewürze der Teigmischung des Rote Rüben Produkts gleicht. Bei der Geschmacksrichtung „Karotte-Ingwer“ kommen 17 g Karottenpulver auf 100 g Teigmischung; bei der Geschmacksrichtung „Spinat“ kommen 14 g Spinatpulver auf 100 g Teigmischung.
Der Kläger begehrt, die Beklagte zu verpflichten, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, den unrichtigen Eindruck zu erwecken, sie biete gebackene Gemüsescheiben, insbesondere gebackene Scheiben der Roten Rübe zum Kauf an, insbesondere durch Anpreisung wie „Knuspriges Gemüse“, „Gemüsechips - hauchdünn gebacken“ und/oder der Abbildung einer in zwei Hälften aufgeschnittenen Roten Rübe vor rot gefärbten dünnen Chips auf der Verpackung, wenn es sich in Wahrheit um gebackene Waffelscheiben aus einer Mehlmischung handelt, der das Gemüse, insbesondere Rote Rübe, lediglich zu einem untergeordneten Anteil und/oder in Pulverform beigemischt ist, sowie die bezughabende Urteilsveröffentlichung.
Die Inverkehrbringung dieser Produkte verstoße gegen § 2 Abs 1 Z 1 und 2 UWG. Durch die Aufmachung und Präsentation des Produktes werde die Erwartungshaltung geweckt, es handle sich um gebackene Scheiben der Roten Rübe. Der Verbraucher erwarte jedenfalls nicht ein Produkt, welches aus brot- oder kuchenähnlichem Teig bestünde, sondern ein Lebensmittel, das aus dem Gemüse hergestellt werde. Das den lebensmittelkennzeichnungsrechtlichen Vorschriften entsprechende Zutatenverzeichnis könne die durch die Verpackung hervorgerufene Irreführung nicht widerlegen.
Die Beklagte wendet ein, kein mit dem Produkt konfrontierter Durchschnittsverbraucher könne annehmen, dass er tatsächlich „Knuspriges Gemüse“ oder eine mit frischem Gemüse vergleichbare Ware erhalte. Chips sei ein Sammelbegriff für kleine scheibchenförmige Nahrungsmittel, die je nach Produktart Unterschiede in Zusammensetzung, Aussehen und Geschmack aufwiesen. Ein Verbraucher wisse, dass derartige Knabbererzeugnisse häufig auf Teigbasis hergestellt würden. Es könne kein vernünftiger Durchschnittsverbraucher erwarten, dass hauchdünn gebackene „Gemüsechips“ mit der Geschmacksrichtung „Rote Rübe-Kren“ ausschließlich oder überwiegend aus der geschmacksgebenden Gemüsesorte bestünden. Dies erschließe sich auch aufgrund der Produktabbildung auf der Verpackung. Derart hauchdünne, glatte gleichförmige und stapelförmig angeordnete Scheiben ließen sich mit dem Grundprodukt des Gemüses gar nicht herstellen. Die Beklagte würde auch Produkte mit der Geschmacksrichtung „Karotte-Ingwer“ und „Spinat“ vertreiben. Diese Produkte würden im Lebensmittelhandel stets gemeinsam im Regal mit dem „Rote Rüben“-Produkt angeboten. Jeder Verbraucher würde daher immer gleichzeitig diese drei Produkte sehen. Bei den Gemüsesorten Karotte und Spinat sei es aufgrund der Beschaffenheit von vornherein unmöglich, hauchdünne Scheiben mit einem Durchmesser von circa sechs Zentimeter herzustellen und zu backen. Der verständige Verbraucher lese auch das Zutatenverzeichnis. Es spiele überdies eine untergeordnete Rolle für die Verbrauchererwartung, in welchem genauen Mengenverhältnis die geschmacksgebende Zutat zu den sonstigen Zutaten stünde.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es ging dabei von dem eingangs bereits auszugsweise wiedergegebenen – großteils unstrittigen – Sachverhalt aus und traf überdies noch folgende hervorzuhebende Feststellungen, wobei die angefochtene Feststellung in Fettdruck gekennzeichnet ist:
Essbare Chips werden entweder aus Gemüse geschnitten oder aus Teig hergestellt. In weiterer Folge werden sie im Öl frittiert oder bei großer Hitze ausgebacken. Teilweise werden Chips hergestellt, indem geschnittenes Gemüse oder Obst in Öl geröstet wird. Aus der Roten Rübe können Chips durch das Schneiden in dünne Scheiben und das anschließende Frittieren gewonnen werden. Die dadurch gewonnenen Scheiben sind nicht von gleichmäßiger Form. Es werden derart erzeugte Rote Rüben Chips am Markt als Mischung (zumeist mit Pastinake, Karotte und/oder Süßkartoffel) angeboten.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass die drei Produkte „Rote Rübe-Kren“, „Karotte-Ingwer“ und „Spinat“ in Verkaufslokalitäten stets nebeneinander aufgestellt angeboten werden.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, gemäß § 1 Abs 1 Z 2 UWG könne derjenige, der im geschäftlichen Verkehr eine unlautere Geschäftspraktik anwende, die den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspreche und in Bezug auf das jeweilige Produkt geeignet sei, das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers, den sie erreiche oder an den sie sich richte, wesentlich zu beeinflussen, auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
Gemäß § 1 Abs 3 UWG seien unlautere Geschäftspraktiken insbesondere solche, die irreführend im Sinne des § 2 seien. Gemäß § 2 Abs 1 Z 1 UWG gelte eine Geschäftspraktik als irreführend, wenn sie unrichtige Angaben (§ 39) enthalte oder sonst geeignet sei, einen Marktteilnehmer in Bezug auf das Produkt über die Art des Produkts derart zu täuschen, dass dieser dazu veranlasst werde, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Beim Irreführungstatbestand nach § 2 UWG sei zu prüfen
1. wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für das Produkt, der eine dem Erwerb solcher Produkte angemessene Aufmerksamkeit aufwendet, die strittige Ankündigung versteht,
2. ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht und ob
3. eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet sei, den Interessierten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte.
Für das Verständnis der Anpreisung des Produkts seien alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller- oder Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf Lebensmittel beziehen und die auf dessen Verpackung angebracht seien, zu beachten. Hier sei auch die Platzierung, Größe, Farbe, Schriftart, Sprache, Syntax und Zeichensetzung der verschiedenen Elemente auf der Verpackung des Produkts zu berücksichtigen. Der Umstand, dass ein Zutatenverzeichnis auf der Verpackung des Produkts angebracht sei, könne für sich alleine nicht ausschließen, dass der Käufer durch die Angaben auf der Verpackung in die Irre geführt werde. Wenn Elemente der Verpackungsgestaltung dazu geeignet seien, einen falschen oder missverständlichen Eindruck bezüglich der Eigenschaft eines Lebensmittels zu erwecken, so könne das Verzeichnis der Zutaten, auch wenn es richtig und vollständig sei, in bestimmten Fällen gleichwohl nicht geeignet sein, diesen falschen oder missverständlichen Eindruck zu berichtigen. Auch löse die Bezeichnung eines Produkts beim angesprochenen Verkehrskreis Erwartungen aus, etwa über die stoffliche Beschaffenheit oder die Zusammensetzung und die damit verbundene Qualität des Produkts. Dem Konsumenten springe das auf der Frontseite der Verpackung zentral angebrachte und in Grün gehaltene Premiumqualität-Siegel mit dem Schriftzug „Gemüsechips“ sowie „hauchdünn gebacken“ ins Auge. Dies erwecke beim Durchschnittskonsumenten die Erwartung, es handle sich hier um Gemüsechips. Der dahinter abgebildete Chipsstapel trete in den Hintergrund. Die erste Assoziation sei, dass Gemüsechips aus Gemüse geschnitten würden. Auch die Wortfolge „knuspriges Gemüse“ verstärke diesen Eindruck. Auch die Beifügung „Kren“ spräche hier nicht dagegen, da es sich um eine Würzung handle. Die als Symbolfoto angebrachte aufgeschnittene rote Rübe verstärke den Gesamteindruck, der auch durch die Darstellung der Chips im Hintergrund nicht verändert werde, da diese in ihrer Stapelung nicht als Abbildung der realen Chips und somit idealisierend wahrgenommen würden.
Der durchschnittliche Konsument erwarte hier kein Waffelgebäck, sondern Chips aus Gemüse, weshalb das aus der Anpreisung gewonnene Verständnis im Hinblick auf die Zusammensetzung des Produkts nicht den Tatsachen entspräche.
Dies sei auch geeignet, die Interessenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, da in der Regel Angaben über die stoffliche Beschaffenheit einer Ware, die nicht der Wahrheit entsprächen, irreführend seien. Das Segment „Gemüsechips“ solle ess- und gesundheitsbewusste Konsumenten ansprechen. Gerade diesen sei auch bekannt, dass andere Marktteilnehmer geschnittenes und frittiertes Gemüse mit verschiedenen Würzungen anbieten würden. Solche würden in der Regel als qualitätsvoller angesehen als Waffelgebäck, weshalb die Irreführung auch geeignet sei, eine Ankaufsentscheidung zu veranlassen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil im klagsabweisenden Sinn abzuändern.
Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1 . Aus Zweckmäßigkeitserwägungen wird vorab auf die Rechtsrüge eingegangen :
Das Berufungsgericht hält die Begründung der angefochtenen Entscheidung für zutreffend, die Rechtsmittelausführungen hingegen für nicht stichhältig, weshalb es sich mit einer kurzen Begründung begnügen kann (§ 500a ZPO).
In Entgegnung der Berufung ist daher Folgendes zu ergänzen:
1.1. Die Argumentation der Berufung, der verständige Konsument wisse, dass rote Rüben nicht zylinderförmig seien, und müsse deshalb davon ausgehen, dass die gleichförmig großen, kreisrunden Waffelerzeugnisse aus dieser Rübe gar nicht hergestellt werden können, dies umso mehr, wenn diese Produkte in der Regel gemeinsam mit den „Karotte-Ingwer-“ und den „Spinatgemüsechips“ angeboten würden, deren Grundprodukte (Karotte und Spinat) noch weniger eine Herstellung von kreisrunden Scheiben mit 6 cm Durchmesser zuließen, überzeugt aus zwei Gründen nicht:
1.1.1. Wie das Erstgericht zutreffend ausführt, tritt die Abbildung der gestapelten kreisrunden Chips gegenüber der restlichen Aufmachung auf der Verpackung in den Hintergrund. Das Logo „Premium Qualität Gemüsechips hauchdünn gebacken“ und die Abbildung des Gemüses sowie der Schriftzug „knuspriges Gemüse“ sind der erste und auch entscheidende Blickfang.
1.1.2. Einem verständigen Konsumenten mag zwar bekannt sein, dass nicht nur Karotten und Blattspinat, sondern auch Rote Rüben aufgrund ihrer Beschaffenheit die Herstellung von gleichförmigen runden Scheiben alleine durch das Zerschneiden nicht zulassen. Dem mündigen Konsumenten ist aber ebenso klar, dass die Beschaffenheit des Grundprodukts durch Zerkleinern, Zerstampfen, Raspeln oder Ähnlichem verändert und dadurch eine Masse hergestellt werden kann, aus der problemlos unter Verwendung entsprechender Hilfsmittel kreisrunde Scheiben hergestellt werden können. Alleine die Notwendigkeit, das rohe Gemüse in seiner äußeren Form zu verändern, um zu flachen Scheiben zu gelangen, kann nicht dazu führen, dass automatisch davon ausgegangen werden müsste, es werde eine Mehlmischung verwendet, der das angepriesene Gemüse lediglich zu einem gewissen (noch dazu eher untergeordneten) Prozentsatz beigemischt wird. Die Möglichkeit, durch das bloße Verarbeiten des Gemüses eine Masse zu gewinnen, gilt (wenn auch mit unterschiedlichen Mitteln: Spinat wäre zu passieren, Karotte und Rübe zu zerhacken oder zu raspeln) für alle drei hier angeführten Gemüsesorten. Es können daher aus den Karotten- und den Spinat-Gemüsechips keine Rückschlüsse auf die Variante aus roten Rüben gewonnen werden .
1.2. Richtig ist, dass aufgrund der Bezeichnung Chips für sich alleine der verständige Verbraucher möglicherweise noch nicht erkennen kann, ob es sich um ein Teigprodukt oder um geschnittenes Gemüse handelt. Die Gesamtaufmachung des Produkts (knuspriges Gemüse, Gemüsechips, hauchdünn gebacken) lässt diesen Rückschluss auf geschnittenes Gemüse aber sehr wohl zu. Gerade die Verbindung der Wortfolge „Gemüsechips“ im oberen Teil des Siegels mit „Premium Qualität“ in der Mitte und im unteren Teil „hauchdünn gebacken“ stellt eindeutig die Assoziation her, dass hier das Gemüse zu Chips gebacken und nicht eine Mehlmischung bearbeitet wird.
1.3. Die Entscheidung C-195/14 des EuGH (Teekanne) ist entgegen der Berufungsargumentation durchaus einschlägig. Dort wurde für die den entsprechenden UWG-Bestimmungen zugrundeliegenden Richtlinien des Europäischen Parlaments ausgesprochen, dass die Etikettierung eines Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, durch das Aussehen, die Bezeichnung oder die bildliche Darstellung einer bestimmten Zutat den Eindruck des Vorhandenseins dieser Zutat in dem Lebensmittel erwecken kann. Für den Fall, dass sie darin tatsächlich nicht vorhanden ist, würde es nicht reichen, dass sich dies allein aus dem Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung des Lebensmittels ergibt. Hier geht es zwar nicht um ein Fehlen der Zutat im Produkt, aber um das Verwenden einer völlig anderen Hauptzutat, dies mit der Beimischung der angepriesenen Hauptzutat in untergeordneter Weise. Die Wertung aus der „Teekanne-Entscheidung“ betreffend das Verhältnis zwischen Anpreisung und Zutatenverzeichnis ist auf den hier zu beurteilenden Fall übertragbar.
Teekanne hatte einen Früchtetee unter der Bezeichnung „Felix Himbeer-Vanille Abenteuer“ vertrieben. Die Verpackung wies unter anderem Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten auf, weiters die Angaben „Früchtetee mit natürlichen Aromen“ und „Früchteteemischung mit natürlichen Aromen – Himbeer-Vanille-Geschmack“ sowie den Hinweis auf „nur natürliche Zutaten“. Dieser Früchtetee enthielt allerdings keine Bestandteile oder Aromen von Vanille oder Himbeere. Im Zutatenverzeichnis wurden sämtliche Zutaten wie Hibiskus, Apfel, süße Brombeerblätter, Orangenschalen und Hagebutten sowie natürliches Aroma mit Vanille- bzw Himbeergeschmack aufgezählt. Unstrittig war, dass der Tee keine natürlichen Zutaten aus Vanille oder Himbeere oder aus Vanille oder Himbeer gewonnenen Aromen enthalten hat. Er enthielt natürliche Zutaten (Hagebutte und Ähnliches) sowie Aromen mit Vanille- und Himbeergeschmack, kombinierte also natürliche Zutaten mit chemisch hergestellten Vanille- und Himbeergeschmack. Das hat sich aus dem Zutatenverzeichnis auch leicht feststellen lassen, wurde aber dennoch als unzulässig erklärt. Entscheidend ist dort wie auch hier, dass durch die Gesamtaufmachung ein Eindruck vermittelt wird, der unrichtig ist. Die Gesamtaufmachung, die prominent platzierten Himbeeren und Vanilleblüten in Zusammenschau mit der Verwendung von Wortfolgen wie „Früchtetee mit natürlichen Aromen“ und „nur natürliche Zutaten“ ließen den Eindruck beim Verbraucher entstehen, es sei gerade die Himbeere und die Vanille in Form von natürlichen Zutaten bzw Aromen vertreten. Die Aufklärung dieses Irrtums nur im Zutatenverzeichnis reichte nicht.
Auch hier ist das Wort „Gemüsechips“ und die Wortfolge „hauchdünn gebacken“ auf der Verpackung sehr prominent angebracht und als großer Blickfang im oberen Bereich die Wortfolge „knuspriges Gemüse“. Das erweckt eine Erwartungshaltung in Bezug auf die stoffliche Beschaffenheit dieser Chips (bestehend aus Gemüse). Dass diese Beschaffenheit möglicherweise durch das Aussehen der kreisrund aufgestapelten Chips auf der Verpackung hinterfragt werden müsste ist nicht entscheidend, da die übrigen Merkmale deutlich im Vordergrund stehen und daher die beschriebene Assoziation dennoch hervorrufen. Die korrekte Angabe der Zutaten im Zutatenverzeichnis vermag an dieser Irreführung nichts mehr zu ändern, schon alleine wegen des wesentlich geringeren Auffälligkeitsgehaltes des Zutatenverzeichnisses.
1.4. Durch die Aufmachung des Produktes kann ein unrichtiger Eindruck über die Zusammensetzung der angebotenen Gemüsechips entstehen. Auch der Hinweis auf Entscheidungen bezüglich Sauce hollandaise und einer Marmelade vermögen daran nichts zu ändern.
1.4.1. Eine Sauce ist ein Erzeugnis, das für den gesundheitsbewussten Konsumenten über seine Zusammensetzung definiert wird. Die ergibt sich nicht notwendigerweise aus der Bezeichnung oder Aufmachung der Verpackung. Das Lesen des Zutatenverzeichnisses ist bei dem Produkt „Sauce hollandaise“ daher viel eher kaufentscheidend, wenn dem Konsument die Zusammensetzung an sich wichtig ist und er nicht – wie hier – bereits von der Aufmachung der Verpackung in die Irre geführt wird. Es war daher zu C-51/94 des EuGH ausreichend, die Zutaten im Zutatenverzeichnis korrekt anzugeben.
1.4.2. Betreffend Darbo Naturrein (C-465/98) wurde den Verbrauchern nicht zugesonnen, zu glauben, dass Marmelade gänzlich ohne einen künstlichen Stoff hergestellt werden würde. Das hat nichts mit der Möglichkeit zu tun, Chips grundsätzlich aus Gemüsescheiben herstellen zu können; solche werden – unstrittig - hergestellt und angeboten.
1.5. Insgesamt sind lauterkeitsrechtlich in diesem Zusammenhang folgende Grundsätze zu beachten:
Die Werbeangaben, die ein Unternehmer über Bestandteile und zur stofflichen Beschaffenheit des angebotenen Produkts macht, sind für den Verkehr von wesentlicher Bedeutung, da aus diesen Angaben auf bestimmte Eigenschaften oder Wirkungen, insbesondere auf die Güte der Ware, geschlossen wird. Fehlvorstellungen darüber sind grundsätzlich für die (Kauf-)Entscheidung relevant. Angaben über die stoffliche Beschaffenheit, die nicht der Wahrheit entsprechen, sind daher in aller Regel irreführend.
Zu den Informationen über die Zusammensetzung zählen nicht nur Angaben zur Zusammensetzung einer Ware, wie zB das Zutatenverzeichnis, sondern auch und gerade die Bezeichnung einer Ware. Denn die Bezeichnung eines Produkts löst beim angesprochenen Verkehrskreis Erwartungen aus, etwa über die stoffliche Beschaffenheit oder die Zusammensetzung und die damit verbundene Qualität, und veranlasst aufgrund dieser Erwartungen die wirtschaftliche Entscheidung (vgl auch 4 Ob 20/91 - Himbeer Essig betreffend eine Enttäuschung der Verbrauchererwartung über den Inhalt an wertbestimmenden Bestandteilen eines Lebensmittels).
Maßfigur für die lauterkeitsrechtliche Prüfung einer gegenüber Verbrauchern angewendeten Geschäftspraktik (§ 1 Abs 1 Z 2 UWG) ist ein angemessen gut unterrichteter und angemessen aufmerksamer und kritischer Durchschnittsverbraucher. Die Maßfigur kann auch als mündiger Konsument bezeichnet werden.
Die Irreführungseignung ist - auch nach der UWG-Nov 2007 - nach dem Gesamteindruck der strittigen Ankündigung zu beurteilen. Der Gesamteindruck ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Gesamtinhalt der Ankündigung. Denn er kann schon durch einzelne Teile der Ankündigung, die als Blickfang besonders herausgestellt sind, entscheidend geprägt werden. In solchen Fällen darf auch der blickfangartig herausgestellte Teil der Ankündigung für sich allein nicht irreführend sein. In solchen Fällen kann nur ein ausreichend deutlicher aufklärender Hinweis zum Wegfall der Irreführungseignung führen (vgl dazu ausführlich 4 Ob 228/10y mwN, Waldbeeren-Fruchtschnitte ).
1.6. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist aus dieser Entscheidung für ihren Rechtsstandpunkt nichts zu gewinnen.
In 4 Ob 228/10y ging es darum, dass die geschmacksbestimmenden Zutaten (Waldbeeren) grafisch auf der Verpackung hervorgehoben waren, jedoch mengenmäßig nicht dominierten. Dass die Früchte – welche Früchte auch immer – nur durch einen Vorgang des Verarbeitens und Pressens in eine Fruchtschnitte verarbeitet werden können, war zu keinem Zeitpunkt als irreführungsgeeignet angesehen. Es ging dort lediglich um die Frage, dass die grafisch stärker hervorgehobenen Waldbeeren nicht den Hauptanteil der hergestellten Fruchtmasse ausmachten.
Hier geht es aber darum, dass ein Produkt aus einer grundsätzlich anderen Masse – nämlich einer Mehlmischung, die sich in der Erwartung des Verbrauchers ganz grundsätzlich von geraffeltem, geschnittenem oder sonst verarbeitetem Gemüse unterscheidet – hergestellt wird. Es besteht daher hier ein weiterer entscheidender Unterschied zwischen der Aufmachung des Produkts und dessen tatsächlicher Beschaffenheit. Hier werden eben keine Gemüsechips angeboten, aber solche angepriesen. Dort wurde eine Fruchtschnitte aus verschiedenen Früchten – unter anderem Waldbeeren – angeboten und in der Anpreisung die Waldbeeren hervorgehoben. Dies ist ein qualitativ weniger stark irreführendes Vorgehen und daher mit der hier zu beurteilenden Situation nicht vergleichbar. Gerade die entscheidende Bezeichnung des Produkts als Gemüsechips, die für sich allein schon eine Aussage über die Zutat trifft, spielt hier eine wesentliche Rolle.
Der mündige Konsument erwartet von einem als Waldbeeren-Fruchtschnitte bezeichneten Produkt weder eine unter Verwendung ganzer Früchte noch eine überwiegend aus Waldbeeren hergestellte Fruchtschnitte, sondern dass diese aus echten Waldbeeren (die, um in die flache Form einer Fruchtschnitte zu passen, selbstverständlich passiert und weiterverarbeitet werden müssen) und nicht aus Aromastoffen hergestellt ist und danach schmeckt. Der mündige Konsument erwartet von Gemüsechips aber sehr wohl Chips aus Gemüsescheiben, welche ja auch hergestellt werden können und hergestellt werden. Dort war das Mengenverhältnis problematisch und wurde letztlich als für den Verbraucher nicht entscheidend beurteilt, da andere Obstsorten verwendet werden. Hier geht es nicht um das Mengenverhältnis, sondern um das Produkt als solches und die Verwendung einer Mehlmasse statt einer anderen Gemüsesorte.
An alldem vermag das Zutatenverzeichnis nichts zu ändern, da es aufgrund der Schriftgröße und der Platzierung nicht als ausreichend deutlich im Verhältnis zur Anpreisung angesehen werden kann (RIS-Justiz RS0078542, RS0118488).
1.7. Dass nach dem Ergebnis eines von der Beklagten eingeholten Privatgutachtens – das sich mit der Schriftgröße und den verpflichtenden Elementen des Zutatenverzeichnisses auseinandersetzt - die Ware nach den Anforderungen der EU-Lebensmittelinformationsverordnung in Österreich verkehrsfähig wäre, beeinflusst die hier vorzunehmende wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Gesamtaufmachung nach dem UWG nicht. Dieses Gutachten trifft auch keine Aussage über die Irreführungseignung nach § 5 Abs 2 LMSVG, weshalb aus den Ausführungen in 4 Ob 116/12f, das Irreführungsverbot (dort analog für kosmetische Mittel) gemäß § 5 Abs 2 und 4 iVm § 18 Abs 2 LMSVG stehe im Einklang mit dem lauterkeitsrechtlichen Verbot nach § 2 UWG, für die Beklagte nichts gewonnen werden kann.
1.8. Da die Frage, ob die Chips aus roten Rüben mit den anderen beiden Gemüsechipsprodukten der Beklagten immer gemeinsam nebeneinander aufgestellt angeboten werden, für die rechtliche Beurteilung nicht relevant ist, weil die Beurteilung der Aufmachung der Verpackung mit dem Hinweis auf hauchdünn gebackene Gemüsechips und der Möglichkeit, durch Verarbeitung die Konsistenz des Gemüses so zu verändern, dass eine Herstellung von Scheiben möglich ist, auf alle drei Gemüsesorten zutrifft, ist eine Feststellung dazu für die rechtliche Beurteilung irrelevant. Es liegen daher keine sekundären Feststellungsmängel vor .
2. Zur Beweisrüge :
2.1 . Soweit die Berufung sich auf die Negativfeststellung bezieht, es habe nicht festgestellt werden können, dass die drei Produkte „Rote Rübe-Kren“, „Karotte Ingwer“ und „Spinat“ in Verkaufslokalitäten stets nebeneinander aufgestellt angeboten werden, ist die Beweisrüge unbeachtlich, weil auch eine positive Feststellung - wie bereits aufgezeigt - an der rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern vermag.
2.2. Sofern die Berufung von Feststellungen in Bezug auf „rot gefärbte dünne Chips“ spricht, bezieht sie sich, wie sie auch selbst ausführt, auf Punkt 1. des Urteilsspruchs. Festzuhalten ist, dass eine diesbezügliche Feststellung vom Erstgericht gar nicht getroffen wurde.
2.2.1. Es bestehen aber auch inhaltlich gegen die diesbezügliche Formulierung im Spruch keine Bedenken. Diese soll lediglich der Präzision des hier ausgesprochenen Verbots im Rahmen der Aufmachung der Verpackung dienen und hat mit der Art und Weise der Färbung der Waffelscheiben als solche gar nichts zu tun. Die Wortfolge „rot gefärbte dünne Chips“ enthält keine Aussage darüber, wodurch diese Chips rot gefärbt sind. Im Vordergrund steht hier die rote Farbe der Waffelscheiben, über die Herkunft der Farbe wird damit keine Aussage getroffen.
2.2.2. Das Treffen der in der Beweisrüge begehrten Ersatzfeststellung, die abgebildeten Chips seien nicht rot gefärbt und würden nichts enthalten, was den natürlichen Farbanteil des Produkts erhöhen könnte, scheitert bereits daran, dass eine gegenteilige Feststellung vom Erstgericht nicht getroffen wurde.
2.3. Dasselbe gilt für den Teil des Urteilsspruchs, der von einem untergeordneten Anteil der roten Rübe in der Mehlmischung spricht. Auch hier gibt es keine Feststellung des Erstgerichts, die mit einer Beweisrüge angefochten werden könnte.
Inhaltlich sei dazu angemerkt, dass die Argumentation der Berufung, warum die 14% rote Rüben in Pulverform in den roten Rüben-Chips (die bei oberflächlicher Betrachtung, vor allem gemessen an der Aufmachung, wohl ohne Weiteres als untergeordnet bezeichnet werden können) unrichtig seien, nicht überzeugt. Der Vergleich mit der roten Rübe, die 86% Wasser und daher ebenfalls nur 14% Feststoffe enthält, passt in diesem Zusammenhang nicht. Es ist doch ein wesentlicher Unterschied, ob ein Gemüse zu einem gewissen Prozentsatz - egal wie hoch der auch ist – aus Wasser besteht, oder ob eine Mehlmischung dieses Wasser durch andere feste Stoffe ersetzt. Die 14% Feststoffe, die in absoluten Zahlen in beiden Fällen gleich sind, unterscheiden sich erheblich voneinander, betrachtet man eine rote Rübe in Natur und das Produkt der Beklagten.
Insgesamt bestehen gegen die Formulierung des Spruchs durch das Erstgericht keine Bedenken.
Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.
Der Bewertungsausspruch orientiert sich an der vom Kläger vorgenommenen Bewertung.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision beruht auf § 500 Abs 2 Z 3 iVm § 502 Abs 1 ZPO.
Das Berufungsgericht entscheidet im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des OGH; es handelt sich überdies um eine Einzelfallentscheidung.