133R135/17a – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung einer Bildmarke über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 4.5.2017, AM 52217/2015 7, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
1. Die Antragstellerin beantragte die Eintragung folgender Bildmarke
für die Waren „ Fleisch- und Wurstwaren ” (Klasse 29).
2. Das Patentamt wies den Antrag ab, weil das Zeichen keine Unterscheidungskraft habe, und stellte fest, dass es nur unter der Voraussetzung registrierbar sei, dass die Antragstellerin die Verkehrsgeltung nachweise (§ 4 Abs 2 MSchG).
3. Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, die Entscheidung zu ändern und die Marke einzutragen.
Nachdem das Patentamt den Rekurs als verspätet zurückgewiesen hatte, gab es dem gegen die Zurückweisung erhobenen Rekurs der Antragstellerin selbst Folge, sodass der Rekurs als rechtzeitig anzusehen ist.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt
4. Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.
4.1 Ob einem Zeichen Unterscheidungskraft zukommt, ist anhand seines Gesamteindrucks zu beurteilen ( Koppensteiner, Markenrecht 4 82; RIS-Justiz RS0079038). Unterscheidungskräftig ist eine Marke, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen mit anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (C 108/97, Chiemsee; C 104/00 P, Companyline; EuG T 471/07, Tame it, Rn 15 mwN; C 398/08, Vorsprung durch Technik; RIS-Justiz RS0118396; zuletzt etwa 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix; oder 4 Ob 49/14f, My TAXI ).
4.2 Fehlt die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (OBm 1/11, Oxi-Effekt mwN; 4 Ob 38/06a, Shopping City mwN; RIS-Justiz RS0118396). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (vgl OBm 1/13, Malzmeister mwN; ähnlich RIS-Justiz RS0122383). Dies bedeutet aber nicht, dass eine Marke im Zweifel zuzulassen ist (vgl C 104/01, Orange, Rz 58 und 59; C 64/02, Das Prinzip der Bequemlichkeit ).
4.3 Ob die Unterscheidungskraft vorliegt, ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu prüfen, für die das Zeichen angemeldet wurde ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 57; 4 Ob 10/14w, Jimi Hendrix mwN).
Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 67 mwN der Rsp; C 104/01, Orange, Rz 46 und 63; RIS-Justiz RS0079038, T1; RIS Justiz RS0114366, T5; vgl zuletzt 4 Ob 77/15z, Amarillo ).
4.4 Diese Grundsätze gelten auch für Formmarken (C 344/10 P, Freixenet; 4 Ob 239/04g mwN; RIS-Justiz RS0079038 [T4]; OLG Wien 34 R 122/15h, Joghurtbecher = ÖBl 2016/30, 125 [Pöchhacker/Riede]; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG 11 § 8 Rz 280; Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 186 f). Bei der Beurteilung ist der Gesamteindruck maßgebend, den der Durchschnittsbetrachter von der Formmarke gewinnt; eine Zergliederung in schutzfähige und schutzunfähige Bestandteile ist nicht zulässig (17 Ob 2/08f, Roter Koffer; 17 Ob 30/11b, Goldhase VI; RIS-Justiz RS0119660). Abzustellen ist auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsadressaten der betreffenden Warenart (C 342/97, Lloyd/Lloint’s, Rn 26 mwN; 17 Ob 15/07s; RIS-Justiz RS0117324).
4.5 Auch bei reinen Bildmarken kommt es auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise an; einfachen geometrischen Figuren, Emoticons oder Satzzeichen kommt in der Regel keine Unterscheidungskraft zu (mit zahlreichen Beispielen Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 123 ff; OLG Wien 34 R 17/14s, Wollsiegel ).
4.6 Mit Blick auf das gegebene Freihaltebedürfnis sieht die Rechtsprechung reine Farbmarken, die mit Bildmarken eng verwandt sind, nur unter der Voraussetzung als registrierbar an, wenn sie bereits durch Benutzung Bekanntheit erlangt haben.
5. Aus diesen Grundsätzen ist somit für reine Bildmarken als Ergebnis festzuhalten, dass sie dann nicht registrierbar sind, wenn sie entweder eine zu einfache Form oder Struktur aufweisen ( Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 123 f, Ingerl/Rohnke, MarkenG 3 § 8 Rz 166) oder wenn ihr Gesamteindruck zu stark auf das Wesen oder die Eigenschaften der damit versehenen Waren (oder – hier nicht relevant – Dienstleistungen) hinweist. Bei dieser Frage ist auch zu prüfen, ob die Verkehrskreise unmittelbar, das heißt ohne vorherige Denkleistung und ohne davon wegführende Assoziationen gedanklich auf die gekennzeichnete Ware hingewiesen werden. In diesem Sinn hätten auch Abbildungen der Waren selbst keine Unterscheidungskraft, weil sie, wenn auch nur aus einem Bild bestehend, einen rein beschreibenden Charakter hätten.
5.1 Die im Rekurs zitierte Entscheidung des OLG Wien 34 R 153/14s , „oranger Klecks”,
ist im gegebenen Zusammenhang nicht einschlägig, weil diese Entscheidung in einem Widerspruchsverfahren erging, bei dem es auf die Verwechslungsgefahr ankam und nicht auf die Frage, ob die Widerspruchsmarke hätte eingetragen werden dürfen.
5.2 Das OLG Wien hatte in jüngerer Zeit folgende Bildmarken zu beurteilen:
133 R 37/17i , Schokoladeverpackung:
Dabei wurde die Unterscheidungskraft für sich genommen verneint, und die Entscheidung beschäftigt sich hauptsächlich mit der Frage der Verkehrsgeltung. In Bezug auf die Unterscheidungskraft wurde ausgesprochen, dass dieses Zeichen, das nicht nur als Bildmarke, sondern auch als Formmarke anzusehen war, zu wenig von der allgemein üblichen Art einer Schokoladeverpackung abweicht.
133 R 6/17f , Orgel:
In diesem Fall wurde der Entscheidung mit dem Argument verweigert, das Zeichen weise zu stark auf die zu schützenden Waren hin, weil es als Hinweis auf Musik, Musikalien und musikalische Tonträger angesehen würde.
6. Im vorliegenden Fall sprechen beide oben in Punkt 5. angegebenen Argumente gegen eine Registrierung.
Offenkundig ist, dass die Antragstellerin dieses Zeichen dafür verwenden will, die Ware mit dieser optischen Ausgestaltung zu verpacken, wobei das in der Mitte befindliche runde graue Feld ein Sichtfenster sein soll, durch das die Ware betrachtet werden kann.
Somit trifft zum einen das Argument des Patentamts zu, wonach sich das Zeichen nicht ausreichend von der üblichen Form einer Verpackung abhebt, wie sie für Wurstwaren üblich ist. Auch der Umstand, dass andere Hersteller ihre Verpackungen mit anderen Farben versehen und optisch anders aufmachen, ändert daran nichts, weil – und dies führt zum zweiten Argument – gerade im vorliegenden Fall die Gestaltung zu stark an ein kariertes Tischtuch erinnert oder an eine karierte Serviette, sodass der Konsument unmittelbar und ohne darüber nachdenken zu müssen, an eine Mahlzeit, speziell eine Jause erinnert wird und die durch das Sichtfenster erkennbare Ware den Eindruck vermittelt, sie sei auf einem Tischtuch oder auf einer Serviette ausgebreitet.
Auch bei einer Einzelbetrachtung der prägenden Bildelemente kommt man zum selben Ergebnis. Die linke obere Ecke des Zeichens ist einfach nur rot. Das rot-weiß-rote Band, das links oben diagonal verläuft, ist die Abbildung der österreichischen Fahne und suggeriert nur, dass die Ware aus Österreich stammt. Das von Tischtüchern, Servietten, aber auch von den klischeehaften „Wanderhemden” abgeleitete rot-weiße Karomuster hat keine eigenständige Kennzeichnungskraft, sondern verkörpert ein „Allerweltsmuster”. Der Umstand, dass sich in der Mitte ein graues Feld befindet, das als Platzhalter für das Sichtfeld auf die Ware fungiert, ist für die Verpackung vergleichbarer Produkte banal.
Auf die im Rekurs ins Treffen geführten Beispiele, wonach das EUIPO vergleichbare Bildmarken bereits registriert habe, ist nicht einzugehen, weil keine Präjudizialität gegeben ist (4 Ob 11/14t, EXPRESSGLASS; RIS-Justiz RS0125405; C 37/03 P, BioID, Rn 47; C 39/08 und C 43/08, Schwabenpost und Volks.Handy, Rn 39; Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 4 Rz 75 ff mwN; Koppensteiner, Markenrecht 4 70).
Genauso wenig könnte sich die Antragstellerin darauf berufen, dass das folgende – auch einen Text enthaltende – Zeichen registriert wurde (Nr 284344):
Die bekämpfte Entscheidung des Patentamts bedarf keiner Korrektur.
7. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig. In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt.
Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.