133R15/18f – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Terlitza und den fachkundigen Laienrichter Patentanwalt DI Barger in der Patentrechtssache der gefährdeten Partei *****, vertreten durch Gassauer-Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei *****, vertreten durch Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG in Wien wegen Unterlassung (Interesse: EUR 300.000) und Unterlassung der Listung von Ausführungsformen (Interesse: EUR 30.000) über den Rekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen die einstweilige Verfügung des Handelsgerichts Wien vom 22.12.2017, 30 Cg 17/17v-6 in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss, der im Übrigen bestätigt wird, wird nur in seinem Punkt 2., zweiter Absatz, geändert, sodass er neu gefasst lautet:
«Die einstweilige Verfügung wird erst dann vollzogen, wenn die gefährdete Partei dem Erstgericht den Erlag einer Sicherheitsleistung von EUR 850.000 nachweist.»
Die gefährdete Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung vorläufig, die Gegnerin der gefährdeten Partei hat die Kosten ihres Rekurses endgültig selbst zu tragen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung
Text
Die Gefährdete ist aufgrund eines Vertrags vom 15.2.2017 Lizenznehmerin einer nicht exklusiven Lizenz des europäischen Patents EP 1 313 508 B1/E 359823 ihrer Muttergesellschaft (in der Folge kurz: Streitpatent) für Österreich verbunden mit der Berechtigung, Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Sie vertreibt ua in Österreich als Tochtergesellschaft der Patentberechtigten das Medikament Alimta®, das den Wirkstoff Pemetrexed enthält. Dieses Medikament wird als Antitumormittel eingesetzt.
Das Streitpatent wurde unter Inanspruchnahme verschiedener Prioritäten vom 30.6.2000, 27.9.2000 und 18.4.2001 am 15.6.2001 angemeldet. Die Veröffentlichung und Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung erfolgte am 18.4.2007. Das Streitpatent ist in Österreich aufrecht und seine Schutzdauer endet am 15.6.2021. Die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts wies einen Einspruch gegen die Erteilung zurück.
Anspruch 1 des Streitpatents lautet:
«Verwendung von Pemetrexeddinatrium zur Herstellung eines Arzneimittels zur Verwendung in einer Kombinationstherapie zur Hemmung eines Tumorwachstums bei Säugern, worin das Arzneimittel in Kombination mit Vitamin B12 oder einem pharmazeutischen Derivat hiervon verabreicht werden soll, wobei das pharmazeutische Derivat von Vitamin B12 Hydroxocobalamin, Cyano-10-chlorcobalamin, Aquocobalaminperchlorat, Aquo-10-chlorcobalaminperchlorat, Azidocobalamin, Chlorcobalamin oder Cobalamin ist.»
Die Ansprüche 2 bis 11 sind von seinem Anspruch 1 abhängige Ansprüche.
Das Patent schützt die einzige zugelassene Verwendung von Alimta®, dh die Verwendung zur Therapie des malignen Pleuramesothelioms (eine Krebserkrankung des Brustfells, Pleura), die erste zugelassene Therapie für diese Art von Krebs, und des fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms in einer Kombinationstherapie mit Vitamin B12.
Diese Kombination hat die Chemotherapie von Patienten mit Pemetrexed überhaupt erstmals ermöglicht, weil der Stoff Pemetrexed allein zur therapeutischen Verwendung nicht zulassungsfähig gewesen wäre.
Die [...], eine Konzerngesellschaft der Gegnerin, hat eine EU-Zulassung (als Generikum) für „Pemetrexed Fresenius Kabi 100 mg Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung“ und „Pemetrexed Fresenius Kabi 500 mg Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung“ (in der Folge kurz: Eingriffsgegenstände). Diese Produkte enthalten Pemetrexed als Pemetrexeddiacid, nicht aber als Pemetrexeddinatrium.
Die [...]-Produkte enthalten weiters kein Vitamin B12; es wird allerdings in Beilage ./L, der Fachinformation, vorgeschrieben, dass vor Behandlungsbeginn mit den „Pemetrexed [...] Kabi“-Produkten Vitamin B12 verabreicht werden muss.
Ein Fachmann hätte die Verwendung von Pemetrexed Disäure anstelle von Pemetrexed Dinatrium(salz) im Prioritätszeitpunkt als gleichwertig in Erwägung gezogen [bekämpfte Feststellung].
Der Wirkstoff Pemetrexed war zum Prioritätszeitpunkt bekannt und zwar sowohl als Disäure als auch als Salzform.
Pemetrexed-Anion ist der Wirkstoff, daher sind die Natriumionen bei der therapeutischen Wirksamkeit nicht maßgeblich. Pemetrexed(dinatrium) weist eine Toxizität auf, diese kann (erfolgreich) mit der kombinierten Verabreichung von (zB) Vitamin B12 verringert werden, ohne dass dabei die therapeutische Wirksamkeit bei der Hemmung des Tumorwachstums nachteilig beeinflusst wird.
Nicht bescheinigt ist, dass Pemetrexedditromethamin oder die prinzipielle Kombination von Pemetrexeddisäure und Tromethamin zum Prioritätszeitpunkt als solches patentierbar gewesen sind, dies gilt ebenso für deren anspruchsgemäße Verwendung zur Hemmung des Tumorwachstums. Die in den USA und beim Europäischen Patentamt (EPA) erteilten Patente gemäß Beilage ./3 betreffen spezielle Formulierungen von Pemetrexed(disäure) und Trometamol.
Die Gegnerin bietet zumindest seit Dezember 2016 die genannten Produkte zum Verkauf an oder verkauft diese direkt den Einkaufsabteilungen von Krankenhäusern. Eine Aufnahme in das Warenverzeichnis I des Österreichischen Apothekerverlags wurde bisher nicht angestrebt.
Mit ihrem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung behauptet die Gefährdete auf das Wesentliche zusammengefasst, die Rechtsbeständigkeit des Streitpatents könne im Provisorialverfahren nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, denn die ihm zugrunde liegenden Patente seien auch in Nichtigkeitsverfahren in den USA und in Japan bestätigt worden. Die Fachperson entnehme dem Streitpatent eine technische Lehre therapeutischer und nicht pharmazeutischer Natur. Die Fachperson sei daher ein promovierter Onkologe mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der antifolbasierten Tumortherapie, der im Team mit einem Chemiker arbeite. Der Erfindungsgedanke des Verfügungspatents liege darin, dass Pemetrexed in einer Kombinationstherapie mit Vitamin B12 oder Derivaten davon verabreicht werde (und gemäß Anspruch 2 des Verfügungspatents zusätzlich mit Folsäure). Auch bei einer Auslegung als „zweckgebundener Verfahrensanspruch“ handle es sich bei den Ansprüchen 1 bis 11 des Verfügungspatents um Verwendungsansprüche als Unterfall eines Verfahrensanspruchs. Die Eingriffsgegenstände würden sämtliche Ansprüche des Verfügungspatents wortsinngemäß, jedenfalls aber äquivalent verletzen.
Die Gegnerin trat den Anträgen der Gefährdeten mit der wesentlichen Argumentation entgegen, die Gefährdete handle rechtsmissbräuchlich, weil die Antragstellung nur dazu diene, die Rechtskraftwirkung des Beschlusses des Handelsgerichts Wien vom 26.10.2017, 30 Cg 1/17z, zu umgehen. Es liege zudem keine unmittelbare, jedenfalls aber keine wortidente und auch keine äquivalente Patentverletzung vor: Es bestehe keine Gleichwirkung. Zu den Eingriffsgegenständen wäre die Fachperson auch nicht durch Überlegungen gelangt, die am Sinngehalt der durch das Streitpatent gestellten Lehre umfasst sind, denn der Anspruch des Streitpatents sei klar auf Pemetrexeddinatrium beschränkt. Die Fachperson wäre im Prioritätszeitpunkt nicht auf die Idee gekommen, gerade Pemetrexeddisäure für eine stabile pharmazeutische Zusammensetzung zu wählen. Die Lehre des Streitpatents beziehe sich entgegen der Argumentation der Gefährdeten nicht auf die Verwendung von Pemetrexed, sondern auf Pemetrexeddinatriumssalz („Alimta“). Sinn und Zweck der Erfindung, der durch die Patentansprüche bestimmt sei, sei die Verhinderung der toxischen Effekte von Pemetrexeddinatrium durch die im Streitpatent beschriebene, geeignete Kombinationstherapie.
Mit dem angefochtenen Beschluss, in den das Erstgericht den in Rechtskraft erwachsenen Beschluss auf Verwerfung der Einrede der entschiedenen Sache integrierte, erließ es die beantragte einstweilige Verfügung im Wesentlichen antragsgemäß und knüpfte ihren Vollzug an den Nachweis des Erlags einer Sicherheitsleistung von EUR 100.000. Die Abweisung des auf das Besitzverbot gerichteten Mehrbegehrens ist rechtskräftig.
In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den bereits eingangs dieser Rekursentscheidung auszugsweise wiedergegebenen Sachverhalt dahin, dass keine wortsinngemäße Patentverletzung vorliege, sondern eine äquivalente Patentverletzung zu prüfen sei. Die prinzipielle Verfügbarkeit der Pemetrexeddisäure zum Prioritätszeitpunkt reiche aus, um ein Naheliegen zu bescheinigen. Somit sei ein äquivalenter Eingriff bescheinigt und die Sicherungsbegehren seien größtenteils berechtigt.
Gegen den stattgebenden Teil der einstweiligen Verfügung richtet sich der Rekurs der Gegnerin aus den Rekursgründen der Mangelhaftigkeit, der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens, hilfsweise aber der Gefährdeten eine Sicherheitsleistung von EUR 850.000 aufzutragen.
Die Gefährdete beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nur mit seinem Eventualbegehren auf Erhöhung der Sicherheitsleistung berechtigt.
1. Zur Mängelrüge:
1.1. Soweit überhaupt einem der Rekursgründe zuzuordnen beziehen sich Ausführungen in Punkt 2. des Rekurses auf das Vorverfahren 30 Cg 1/17z des Handelsgerichts Wien auf eine diesbezüglich behauptete Mangelhaftigkeit. Insoweit ist nur auf den vom Erstgericht gefassten (rechtskräftigen) Beschluss auf Verwerfung der Einrede der entschiedenen Sache zu verweisen. Ob die angefochtene Entscheidung von jener im Vorverfahren abweicht, ist damit irrelevant und durch das Rekursgericht auch nicht näher zu prüfen.
1.2. Die Gegnerin rügt, das Erstgericht habe zur Frage des Naheliegens von Tromaterol keine Begründung gegeben, wobei sie die diesbezüglichen Ausführungen des Erstgerichts in BS 30 als dislozierte Feststellung im Rahmen der rechtlichen Beurteilung qualifiziert.
Ein Verfahrensmangel kann auch darin begründet sein, wenn betreffend eine entscheidungswesentliche Feststellung jegliche Beweiswürdigung fehlt ( Pochmarski/Lichtenberg, Berufung 2 81; RIS-Justiz RS0102004).
Wie die Gefährdete in Rekursbeantwortung zutreffend aufzeigt, geht die Mängelrüge unter diesen Umständen fehl, weil das Erstgericht im Rahmen seiner beweiswürdigenden Erwägungen (BS 18) sich zu den Feststellungen einer äquivalenten Patentverletzung ausdrücklich auf die (Privat-)Gutachten Dris. Pföstl (Beilagen ./G und ./T) stützt. Weiters führt das Erstgericht auch aus, dass aus dem Gutachten von Prof. Smit (Beilage ./H) und jenem von Prof. Steinhilber (Beilagen ./I und ./V) hervorgehe, „dass es zum Prioritätszeitpunkt naheliegend gewesen wäre, anstelle von Pemetrexeddinatrium Pemetrexeddisäure bzw. Pemetrexedditromethamin bei der beanspruchten Verwendung einzusetzen“.
Auf das Gutachten von Patentanwalt Dr. Pföstl (Beilage ./G) nimmt das Erstgericht auch in BS 30 unmittelbar vor der von der Gegnerin kritisierten Passage nochmals Bezug.
Von einem Fehlen der Beweiswürdigung ist damit keine Rede, wobei aus Sicht des Rekursgerichts aus dem Gesamtkontext des ersten Absatzes von BS 30 auch unzweifelhaft ist, dass das Erstgericht sich auf den Prioritätszeitpunkt bezieht und es sich dabei ungeachtet der Stellung im Rahmen der rechtlichen Beurteilung um eine Ausführung mit Feststellungscharakter handelt (RIS-Justiz RS0043110; 3 Ob 2016/96h).
1.3. Soweit die Gegnerin unter diesem Rekursgrund weiters moniert, diese (dislozierte) Feststellung sei auch unrichtig, so macht sie in Wahrheit einen vorweggenommenen Teil der Beweisrüge geltend (RIS-Justiz RS0041851 [T8]; RS0111425), der aber aus Gründen der Übersichtlichkeit hier behandelt wird.
Dass die im Gutachten Dris. Pföstl Beilage ./G zitierte Ausgabe des Lehrbuchs von Stahl/Wermuth, Handbook of Pharmaceutical Salts (zB Anlage ./11 zu Beilage ./G) 2002 veröffentlicht wurde, spricht nicht gegen die überwiegende Wahrscheinlichkeit (§ 389 Abs 1 EO) der Richtigkeit der kritisierten Konstatierung, weil ein Handbuch – wie allgemein bekannt ist – den bereits vorhandenen allgemeinen Wissensstand der Fachwelt wiedergibt und damit auf diesem aufbaut: Trometamol ist etwa bereits in Römmp 8 (1988) als Puffer für pharmazeutische Zwecke angegeben, sodass der „relevante Zeitpunkt“ mit der frühesten Priorität angenommen werden kann. Abgesehen davon müssen auch das Jahr des Erscheinens und der Zeitpunkt des Verfassens der hier interessierenden Passagen nicht zwingend kongruent sein, wobei – den Gesetzen der Logik folgend – der letztere Zeitpunkt notwendigerweise vor dem Erscheinen der Publikation selbst liegen muss.
Angesichts dieser Erwägungen überzeugen auch die weiteren Rekursausführungen nicht, weil es nicht genügt, Feststellungen nur Gegenbehauptungen entgegenzusetzen (RIS-Justiz RS0041830), gehört es doch zum Wesen der freien Beweiswürdigung, dass sich das Gericht aufgrund seiner Überzeugung für eine von mehreren widersprechenden Darstellungen entscheidet, die mehr Glaubwürdigkeit beanspruchen kann (RIS-Justiz RS0043175).
1.4. Als weiteren Verfahrensmangel rügt die Gegnerin, dass das Erstgericht unter Spruchpunkt 2.2. des angefochtenen Beschlusses auch die Unterlassung der Listung ihrer Produkte im Warenverzeichnis I des österreichischen Apotheker-Verlags angeordnet habe, ohne dies zu begründen. Es sei auch keine Begründung für das Vorliegen der Erstbegehungsgefahr ersichtlich.
Auf BS 17 hat das Erstgericht dazu diese hier relevanten Feststellungen getroffen:
„Die [Gegnerin] bietet zumindest seit Dezember 2016 die genannten Produkte zum Verkauf an bzw verkauft diese direkt den Einkaufsabteilungen von Krankenhäusern ([...]). Eine Aufnahme in das Warenverzeichnis I des Österreichischen Apothekerverlags wurde bisher nicht angestrebt.“
Auf die im Rekurs relevierte Erstbegehungsgefahr kommt es nicht weiter an, weil – wie die Gefährdete vorträgt – die Listung im Warenverzeichnis eine besondere (Unter-)Form des Feilhaltens ist. Zum Begriff des Inverkehrbringens iSd § 22 Abs 1 PatG, also einer dem Patentinhaber ausschließlich vorbehaltenen Nutzungshandlung, gehört nämlich nicht nur das Verkaufen, sondern jede andere Art des geschäftlichen Verbreitens, so auch die Aufnahme des Eingriffsgegenstands in eine im geschäftlichen Verkehr verwendete Preisliste (4 Ob 4/97k = RIS-Justiz RS0106303 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Dazu zählt insbesondere auch die Aufnahme in das Warenverzeichnis I des Österreichischen Apothekerverlags (4 Ob 54/12p = RIS-Justiz RS0106303 [T1]; s auch RS0125407).
Das Unterlassungsgebot hat sich in seinem Umfang wohl am konkreten Gesetzesverstoß zu orientieren (RIS-Justiz RS0037645; RS0037478). Eine gewisse allgemeine Fassung des Begehrens in Verbindung mit Einzelverboten ist aber meist schon deshalb erforderlich, um nicht die Umgehung des erwähnten Verbots allzu leicht zu machen (RIS-Justiz RS0037607) und weil es praktisch unmöglich ist, alle nur denkbaren Eingriffshandlungen zu beschreiben (RIS-Justiz RS0000845).
Unter diesen Umständen schadet es nicht, dass das Erstgericht das in Spruchpunkt 2.2. erlassene Unterlassungsgebot rechtlich nicht gewürdigt und damit auch nicht begründet hat, weil es wie eben ausgeführt nur einen Unterfall des Hauptunterlassungsbegehrens bildet (s dazu noch näher unten Punkt 5.).
2. Zur Feststellungsrüge:
2.1. Die Gegnerin wendet sich gegen die eingangs bereits hervorgehobene Konstatierung des Erstgerichts, wonach ein Fachmann die Verwendung von Pemetrexeddisäure anstelle von Pemetrexed dinatrium(salz) im Prioritätszeitpunkt als gleichwertig in Erwägung gezogen hätte (BS 17, Mitte).
Sie strebt stattdessen diese Ersatzfeststellung an:
„[E]in Fachmann [hätte] die Verwendung von Pemetrexeddisäure anstelle von Pemetrexeddinatrium(salz) im Prioritätszeitpunkt nicht als gleichwirkend und gleichwertig in Erwägung gezogen [...].“
Die Gegnerin meint, diese Konstatierung sei zu unrecht getroffen werden (sie sei „ nicht korrekt“ ) und widerspreche auch den Feststellungen des Handelsgerichts Wien im Beschluss vom 26.1.2017, 30 Cg 1/17z, die auch das Erstgericht erwähne. Die im nunmehrigen Verfahren von der Gefährdeten vorgelegten Bescheinigungsmittel seien bloß neue Privatgutachten, ein divergierendes Ergebnis sei daher nicht möglich. Das Erstgericht ignoriere zudem die Argumente der Gegnerin, insbesondere Beilage ./33. Darin würden nicht nur die unterschiedlichen Substanzeigenschaften diskutiert, sondern auch die Vorbehalte der Fachperson, Pemetrexeddisäure als gleichwertige Alternative zu Pemetrexeddinatriumsalz heranzuziehen.
Auf das Verfahren des Handelsgerichts Wien 30 Cg 1/17z kommt es hier in Ermangelung einer Bindungswirkung nicht weiter an; allfällige Widersprüche sind damit nicht aufzuklären, kommt es doch nur auf die Bewertung der in diesem Verfahren zu dieser Detailfrage vorgelegten Bescheinigungsmittel an.
2.2. Der Beurteilungsmaßstab dafür, was der Stand der Technik lehrt und wie Vorveröffentlichungen zu verstehen sind, ist die Durchschnittsfachperson. Diese Kunstfigur dient dazu, einen unbestimmten Rechtsbegriff auszufüllen ( Haedicke, Patentrecht 2 68; Fitzner/Lutz/Bodewig, PatG 4 Art 54 EPÜ Rz 3 f [Rechtsfiktion]; Moufang in Schulte, PatG 10 Art 54 EPÜ Rz 10 und Art 56 Rz 37 [fiktive Person]). Diese Fachperson besitzt durchschnittliche Fachkenntnisse, kennt aber den gesamten Stand der Technik ihres Fachgebiets (OLG Wien 34 R 98/16f, Windturbine; 34 R 99/16b , Fenster mit Abdeckblende uva).
Der Schutzbereich des Patents und der bekanntgemachten Anmeldung werden gemäß § 22a PatG (und Art 69 Abs 1 EPÜ) durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen. Dabei ist das Protokoll über die Auslegung des Art 69 EPÜ, BGBl 1979/350, in der jeweils geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden.
Ob Äquivalenz zur patentierten Erfindung vorliegt, was im Rekursverfahren in rechtlicher Hinsicht allein relevant ist, bildet zwar in erster Linie eine Rechtsfrage. Welches Verständnis ein Fachmann im maßgebenden Zeitpunkt hatte, ist allerdings dennoch ein objektivierendes, dem Beweis zugängliches Element (RIS-Justiz RS0123155): Es bedarf daher entsprechender Feststellungen.
2.3. Das Erstgericht hat nicht wie der Rekurs behauptet die Argumente der Gegnerin ignoriert, sondern sich mit diesen ausdrücklich auseinandergesetzt und ist ihnen letztlich nicht gefolgt (vgl BS 19 [Beweiswürdigung] sowie BS 29 [rechtliche Beurteilung] ). Warum den von der Gegnerin zu dieser Frage vorgelegten Bescheinigungsmitteln höhere Glaubwürdigkeit beigemessen werden sollte als jenen der von der Gefährdeten vorgelegten zeigt der Rekurs nicht überzeugend auf, weil er sich neuerlich auf durch das Rekursgericht im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung auf ihre Plausibilität wiederum nicht erhärtbare bloße Gegenbehauptungen beschränkt (s dazu bereits oben Punkt 1.4.).
Die heranzuziehende – fiktive – Fachperson ist nach Auffassung des Rekursgerichts im Übrigen ein auf dem Gebiet der Antifolate in der Entwicklungsabteilung eines Pharmakonzerns arbeitender Chemiker, der das pharmazeutische/onkologische Wissen während seiner Praxis erworben hat. Dieser kann in Kenntnis der Erfindung des Streitpatents anhand der in der Beschreibung enthaltenen Informationen zumindest prinzipiell die einzelnen Mitglieder der Gruppe in Erwägung ziehen. Unter diesen Umständen ist weder zusätzlich (als Teil eines „Teams“) noch allein auf einen Onkologen abzustellen.
2.4. Das Rekursgericht übernimmt daher den vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt und legt ihn seiner Entscheidung zugrunde.
3. Zur Rechtsrüge:
3.1. Hier wiederholt die Gegnerin (s dazu bereits oben Punkt 1.4.) ihre Argumente im Kontext der Untersagung der Listung ihrer Produkte im Warenverzeichnis I des österreichischen Apotheker-Verlags und ergänzt sie geringfügig.
Es besteht für das Rekursgericht dennoch kein Anlass, von den bisherigen Erwägungen abzurücken.
Ausgehend davon besteht insoweit auch kein rechtlicher Feststellungsmangel, weil es auf die sog Erstbegehungsgefahr unter dem Aspekt des Feilhaltens nach § 22 Abs 1 PatG nicht ankommt, setzt doch die Berechtigung eines Unterlassungsbegehrens bereits ganz allgemein sowohl eine Unterlassungspflicht als auch die Gefahr voraus, dass dieser zuwidergehandelt wird (RIS-Justiz RS0037660). Wesentlich sind das Rechtsschutzbedürfnis und die Wiederholungsgefahr (1 Ob 147/11s; RIS-Justiz RS0012064). Dass die Gegnerin, sofern Äquivalenz der Eingriffsgegenstände zur durch das Streitpatent geschützten Erfindung zu bejahen sein sollte (dazu näher gleich unten), in das Streitpatent eingegriffen hätte, ist im Rekursverfahren als solches gar nicht mehr strittig. Im Zentrum der Rechtsrüge steht daher nur noch diese Frage einer äquivalenten Verletzung.
Bei der Gefahr des Zuwiderhandelns ist aber zu unterscheiden, ob der zu einer bestimmten Unterlassung Verpflichtete bereits einmal zuwidergehandelt oder ob er sich bisher rechtmäßig verhalten hat. Im ersten Fall wird vermutet, dass er erneut zuwiderhandeln werde (Wiederholungsgefahr); es ist daher Sache des Zuwiderhandelnden, Umstände zu behaupten und (hier) zu bescheinigen, denen gewichtige Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen. Nur im zweiten Fall (Erstbegehungsgefahr) muss das Zuwiderhandeln unmittelbar drohend bevorstehen (RIS-Justiz RS0037661; RS0079944 uva).
3.2. Unter dem schon zuvor im Kontext des Maßstabs der Fachperson erwähnten Gesichtspunkt der Äquivalenzprüfung (oben Punkt 2.2.) sind auch die von der Gegnerin behaupteten rechtlichen Feststellungsmängel zu beurteilen.
Diese Prüfung hat indessen zum Ergebnis, dass die als fehlend monierten Konstatierungen allesamt nicht entscheidungswesentlich sind und dass somit die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ausreichen, um diese entscheidende Frage abschließend zu beurteilen.
3.3. Gemäß § 24 PatV-EG sind auf Verfahren, die europäische Patente betreffen, ergänzend zu dessen Bestimmungen die Vorschriften des EPÜ (Europäisches Patentübereinkommen), des PCT (Vertrag über die internationale Zusammenarbeit im Patentwesen) und des Patentgesetzes sinngemäß anzuwenden. Für das Verfahren bei Patentverletzungsstreitigkeiten und für die Rechtsfolgen einer Patentverletzung gilt nach Art 64 Abs 3 EPÜ nationales Recht.
Für Patente bestehen seit Inkrafttreten von § 22a PatG eigene Auslegungsregeln (RIS-Justiz RS0118278; RS0030757 [T10]): Der Schutzbereich des Patents und der bekanntgemachten Anmeldung werden durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen. Dabei ist das Protokoll über die Auslegung des Art 69 EPÜ, BGBl 1979/350, in der jeweils geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden.
3.4. Swiss Claims als zweckgebundene Verfahrensansprüche schützen nicht ein Arzneimittel als solches, sondern ein Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittels, das durch die Verwendung eines bestimmten Wirkstoffs für eine bestimmte medizinische Indikation definiert ist (17 Ob 26/08k, Pantoprazol = RIS-Justiz RS0124036; RIS-Justiz RS0119426 [T1]).
3.5. Vor der Auseinandersetzung mit der weiteren rechtlichen Argumentation im Rekurs sind die Grundsätze der äquivalenten Benutzung (anknüpfend an die obigen oben Punkt 2.2. und 3.2.) folgendermaßen zusammenzufassen:
Die Lehre von der Äquivalenz dehnt den Schutzbereich eines Patents auf solche Benutzungshandlungen aus, die zwar im Anspruch nicht genannt sind, die aber vom Sinn und Zweck der Erfindung (vom Erfindungsgedanken) durch Verwendung gleichwirkender Austauschmittel Gebrauch machen ( Rinkens in Schulte, PatG 10 § 14 Rz 72; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung 10 Rz 106 mN der Rsp des BGH; EPA, Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA 7 247 mN der Rsp der Beschwerdekammern). In den Schutzbereich eines Patents fallen damit auch Ausführungsformen, deren Elemente ganz oder zum Teil von der patentgemäßen Ausführungsform abweichen, sofern die ausgetauschten den beschriebenen Elementen patentrechtlich äquivalent sind.
Die äquivalente Benützung einer patentierten Erfindung liegt nach der Rechtsprechung des OGH und des (früheren) OPM vor, wenn eine mit dem allgemeinen Fachwissen ausgerüstete Fachperson im Prioritätszeitpunkt unter Berücksichtigung des Stands der Technik ohne erfinderisches Bemühen den Patentansprüchen die ausgetauschten Merkmale als funktionsgleiche Lösungsmittel entnimmt (4 Ob 321/84, Befestigungsvorrichtung für Fassadenelemente; 4 Ob 1128/94; 4 Ob 178/03k, Amlodipin; 4 Ob 243/07z; 17 Ob 6/08v, Bicalutamid II; RIS-Justiz RS0118280, RS0071084; RS0071079; Op 4/99; Op 2/01).
Äquivalenz ist nach dem OGH also anzunehmen, wenn die alternative Lösung „im Rahmen des Erfindungsgedankens liegt“ (Op 4/99) und/oder den „durch die Ansprüche vorgezeichneten Lösungsweg der patentierten Erfindung“ beibehält (4 Ob 178/03k, Amlodipin; 4 Ob 243/07z).
Ob eine Patentverletzung durch äquivalente Mittel vorliegt, ist demnach – letztlich als Teil der Lösung der Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0123155) – unter Zugrundelegung der Maßfigur der mit allgemeinem Fachwissen ausgerüsteten Fachperson in einem dreistufigen Prüfungsverfahren anhand eines Vergleichs der patentgemäßen mit der in der angegriffenen Ausführungsform verwirklichten Problemlösung zu beurteilen.
Folgende Bedingungen müssen kumulativ vorliegen (näher etwa Mes, PatG/GebrMG 4 § 14 Rz 72 ff; Loth in Fitzner/Lutz/Bodewig, PatRKomm 4 § 14 PatG Rz 25; Rinkens in Schulte, PatG 10 § 14 Rz 73; Kühnen, Patentverletzung 10 Rz 107 ff; Jestaedt, Patentrecht 2 Rz 612; Scharen in Benkard, PatG 10 § 14 Rz 101 ff mN der Rsp des BGH; 7 Ob 6/08v, Bicalutamid II = RIS-Justiz RS0123522):
Gleichwirkung im zuvor beschriebenen Sinn bedeutet, dass das Austauschmittel dieselbe technische Wirkung erzielen muss, die das im Patentanspruch beschriebene Lösungsmittel nach der Lehre des Streitpatents erreichen soll. Ist ein Verfahren Gegenstand dieses Patents, so genügt eine bloße Übereinstimmung im Verfahrensergebnis noch nicht. Gleichwirkend ist ein Ersatzmittel nur dann, wenn das angegriffene Verfahren außerdem von dem für die patentgeschützte Lehre maßgeblichen technischen Gedanken Gebrauch macht. Eine Gleichwirkung ist deshalb zu verneinen, wenn der mit dem angegriffenen Verfahren beschrittene Lösungsweg von dem patentgeschützten Lösungsweg so weit entfernt ist, dass er nicht mehr als dessen Verwirklichung anzusehen ist ( Rinkens in Schulte, PatG 10 § 14 75).
Äquivalenz bei mehrstufigen chemischen Reaktionsabläufen ist somit auch bei Unterschieden in einzelnen Verfahrensschritten gegenüber den Patentansprüchen noch nicht ausgeschlossen, wenn nur mit den unterschiedlichen Verfahrensschritten dieselbe technische Wirkung erzielt wird, der angegriffene Lösungsweg für die Fachperson naheliegt und die Fachperson die beiden Lösungswege als gleichwertig empfindet. Entscheidend ist auch hier, was eine Fachperson aufgrund ihres Fachwissens dem Patent im Prioritätszeitpunkt entnimmt und welche Lösungswege sich daraus für sie ergeben. Es greift deshalb zu kurz, mehrstufige chemische Reaktionsabläufe nur dann als äquivalent zu beurteilen, wenn sie die gleiche Anzahl von Verfahrensschritten aufweisen und in allen ihren Verfahrensschritten entweder direkt oder in äquivalenter Form übereinstimmen, ohne dabei zu berücksichtigen, ob der angegriffene Lösungsweg der Fachperson als naheliegend erscheinen musste (Op 2/01 = PBl 2004, 26; 7 Ob 6/08v, Bicalutamid II ).
3.6. In Anwendung dieser Grundsätze ist die Gleichwertigkeit erfüllt: Sie ist im vorliegenden Fall allerdings auch kaum von der Gleichwirkung zu trennen, weil der Verletzungsgegenstand Mitglied der im Verfügungspatent angeführten Gruppe chemischer Verbindungen ist.
An der Gleichwirkung ist demnach ebenso wenig zu zweifeln: Im menschlichen Körper, auf den es nach Auffassung des Rekursgerichts ankommt, liegt bei den Eingriffsgegenständen nach ihrer Verabreichung das idente Ion vor wie beim Streitpatent, sodass es denknotwendig auch gleich wirkt. Die für eine äquivalente Benutzung einer patentierten Erfindung erforderliche Gleichwirkung bedeutet nämlich – wie bereits ausgeführt –, dass das Austauschmittel dieselbe technische Wirkung erzielen muss, die das im Patentanspruch beschriebene Lösungsmittel nach der Lehre des Klagepatents erreichen soll (s weiterführend auch RIS-Justiz RS0123523).
Das Naheliegen ist durch die Erläuterungen zum damaligen Stand der Technik im Streitpatent gegeben, denn es werden dort übersichtsweise, aber genau und mit Fundstellen, die einzelnen Verbindungen angeführt, und es wird bei der Erläuterung der Wirkung der Erfindung auf die Gruppe dieser Verbindungen (Antifolate) Bezug genommen (vgl näher BS 16) (und nicht nur auf die eine, einzig genannte Verbindung [Pemetrexed-Dinatrium]). Damit ist es für die Fachperson am Prioritätstag zumindest nahegelegt, dass auch andere Mitglieder der Gruppe erfolgreich verwendbar sind (RIS-Justiz RS0118280).
3.7. Das Erstgericht hat daher ausgehend vom bescheinigten Sachverhalt zu Recht eine äquivalente Verletzung des Streitpatents durch die Eingriffsgegenstände bejaht und diese entgegen dem Rekursvorbringen auch im Einklang mit den durch den OGH entwickelten Rechtsprechungskritieren begründet.
4.1. Die Gegnerin wendet sich gegen die Fassung des Unterlassungsausspruchs, soweit ihn das Erstgericht auch folgendermaßen formuliert hat (Anm: als Teil von Spruchpunkt 1.1.):
„[…] und/oder äquivalente Ausführungsformen der Erfindung, insbesondere Ausführungsformen, deren ausgetauschte Merkmale von einem mit dem allgemeinen Fachwissen unter Berücksichtigung des Standes der Technik ausgerüsteten Fachmann im Prioritätszeitpunkt ohne erfinderisches Bemühen als den Patentansprüchen funktionsgleiche Lösungsmittel entnommen werden können, wie insbesondere solche, in denen pharmazeutisch akzeptable Darreichungsformen, insbesondere Pemetrexed/Pemextreddisäure, Pemetrexedditromethamin oder Pemetrexeddikalium, zur Anwendung kommen, zu nutzen, und/oder solche Ausführungsformen feilzuhalten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen, oder zu den genannten Zwecken einzuführen;“.
Die Gegnerin vertritt dazu die Auffassung, dieser Spruchteil sei zusätzlich zum Wortlaut der Ansprüche angeführt und er gebe bloß einen Teil der Leitsätze des OGH zur Äquivalenzlehre wieder. Der Verweis auf „ äquivalente Ausführungsform[en] “ liefere aber keinen exakten Anhaltspunkt. Die konkrete Ausführungsform der Gegnerin sei darauffolgend im Spruch ohnedies unter „ insbesondere “ beschrieben; dieser Teil sei daher richtigerweise abzuweisen.
4.2. Die Fassung des Unterlassungsgebots hat in erster Linie auf jenes Verwertungsrecht abzustellen, das durch die konkrete Verletzungshandlung berührt wird (RIS-Justiz RS0037645).
Allerdings ist bei Unterlassungsansprüchen eine gewisse allgemeine Fassung des Begehrens in Verbindung mit Einzelverboten meist schon deshalb erforderlich, um die Umgehung des erwähnten Verbots nicht allzu leicht zu machen. Ein Unterlassungsgebot umfasst nämlich auch gleichartige oder ähnliche Handlungsweisen.
Auch ist es praktisch unmöglich, alle nur denkbaren Eingriffshandlungen zu beschreiben (RIS-Justiz RS0000845). Deshalb ist es zulässig, dem Verletzer nicht nur eine konkret beschriebene Handlung zu verbieten, sondern auch ähnliche.
Die an sich wegen der Gefahr von Umgehungen gerechtfertigte weite Fassung von Unterlassungsgeboten darf allerdings nur so weit gehen, als die Befürchtung gerechtfertigt ist, der Verletzer werde auch jene Verletzungshandlungen begehen, die unter das weit gefasste Unterlassungsgebot fallen. Das Unterlassungsgebot ist daher auf den konkreten Sachverhalt sowie auf ähnliche Fälle einzuengen (stRsp, zuletzt 4 Ob 59/17f und 4 Ob 97/17v; RIS-Justiz RS0037567; RS0037733 uva).
4.3. Ausgehend davon stößt diese Unterlassungsanordnung auf keine Bedenken, schützt sich doch die Gefährdete in eindeutig abgrenzbarer Weise gegen allfällige weitere Verletzungshandlungen der Gegnerin, die auf einer äquivalenten Patentverletzung beruhen könnten: Nach ständiger Rechtsprechung des OGH erfasst das erlassene Eingriffsverbot nicht nur alle gleichen, sondern auch alle ähnlichen Handlungsweisen (RIS-Justiz RS0000845 uva).
5.1. Die für die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr (vgl dazu bereits oben unter Punkt 3.1.) ergibt sich damit schon aus der Bestreitung der Gegnerin und ihrer Behauptung, das Streitpatent (auch) nicht äquivalent verletzt zu haben, denn bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr ist stets maßgebend, ob dem Verhalten des Rechtsverletzers in seiner Gesamtheit gewichtige Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (RIS-Justiz RS0012087). Wiederholungsgefahr ist dabei bereits anzunehmen, wenn der mit einem Unterlassungsanspruch Konfrontierte sein Unrecht nicht einsieht (RIS-Justiz RS0010497).
5.2. Ob ein Unterlassungsbegehren berechtigt ist, hängt nicht davon ab, ob sich der Beklagte (im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz; hier am Tag der Erlassung der einstweiligen Verfügung) rechtswidrig verhält, sondern es kommt allein darauf an, ob die Gefahr künftiger Rechtsverletzungen (Erstbegehungsgefahr, Wiederholungsgefahr) besteht (RIS-Justiz RS0114254 [insbesondere T3]). Beharren auf dem bisherigen Standpunkt indiziert dabei die Wiederholungsgefahr, sodass selbst die bloße Beseitigung des Eingriffs unter Aufrechterhaltung eines Rechtsstandpunkts, der den Eingriff rechtfertigen soll, in der Regel keinen Wegfall der Wiederholungsgefahr bewirkt (RIS-Justiz RS0012055 [T1, T2] uva).
5.3. Unter diesen Umständen ist die Begehungsgefahr nicht zweifelhaft, beharrt doch die Gegnerin selbst in ihrer Rekursbeantwortung noch darauf, das Streitpatent nicht verletzt zu haben.
6. Auch bei ausreichender Bescheinigung des Anspruchs kann das Gericht dann die Bewilligung der einstweiligen Verfügung von einer entsprechenden Sicherheitsleistung abhängig machen, wenn nach den Umständen des Falls Bedenken wegen tiefgreifender Eingriffe der einstweiligen Verfügung in die Interessen des Gegners der gefährdeten Partei bestehen (§ 390 Abs 2 EO). Durch die Sicherheitsleistung wird in solchen Fällen die nötige Interessenabwägung zwischen der Gefährdung des Antragstellers und dem Eingriff in die Rechtssphäre des Antragsgegners vorgenommen und ein entsprechender Ausgleich bewirkt (RIS-Justiz RS0005711; RS0005595). In diese Interessenabwägung ist die Möglichkeit einzubeziehen, dass sich der zu sichernde Unterlassungsanspruch letztlich als unberechtigt erweisen könnte; dies insbesondere dann, wenn ein Einwand des Gegners der gefährdeten Partei mit den Mitteln des Sicherungsverfahrens nicht oder jedenfalls nicht sicher erledigt werden kann (4 Ob 145/14y mwN).
Die Gegnerin hat bereits in ihrer Äußerung zum Provisorialantrag vorgebracht (ON 2, S 20), die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung brächte verheerende Folgen für sie mit sich. Die Höhe der Sicherheitsleistung müsse daher „ zumindest EUR 1.500.000 pro Jahr “ betragen.
Angesichts der von der Gegnerin bescheinigten Umsatzzahlen von Dezember 2016 bis Juni 2017 (Beilage ./25), die der Rekursentscheidung zugrunde gelegt werden, ist das Rekursgericht der Auffassung, dass der zuletzt noch begehrte Betrag von EUR 850.000 angemessen ist und daher der Vollzug der einstweiligen Verfügung vom Erlag einer Sicherheitsleistung in dieser Höhe abhängig zu machen ist.
Das Rekursgericht wäre zudem auch amtswegig verpflichtet gewesen, die Frage einer Sicherheitsleistung auch noch im Rekursverfahren zu prüfen (4 Ob 145/14y; RIS-Justiz RS0005496).
Nur insoweit (und damit bloß im Umfang seines Eventualantrags) ist der Rekurs der Gegnerin erfolgreich.
7. Die Entscheidung über die Kosten der Gefährdeten beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Gegnerin auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 43 Abs 2 erster Fall, 50 Abs 1 ZPO.
Die teilweise Stattgebung des Rekurses nur in Bezug auf die Erhöhung der Sicherheitsleistung ist – ungeachtet der bereits rechtskräftigen Abweisung des auf das Besitzverbot gerichteten Sicherungsmehrbegehrens durch das Erstgericht – kostenersatzrechtlich einem Rekurserfolg „ nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil“ der relevanten insgesamt geltend gemachten Sicherungsansprüche gleichzuhalten.
8. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands stützt sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO.
9. Der ordentliche Revisionsrekurs war nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen der in § 528 Abs 1 ZPO genannten Qualität und von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung nicht zu lösen waren.
Das Rekursgericht hält sich innerhalb der zitierten Rechtsprechung. Ob eine Sicherungsmaßnahme zumutbar und erforderlich ist, hängt zudem immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0078150). Ob und in welcher Höhe eine nach § 390 Abs 2 EO auferlegte Sicherheitsleistung gerechtfertigt ist, ist ebenfalls einzelfallbezogen (RIS-Justiz RS0113134).