JudikaturOLG Wien

133R105/17i – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
23. März 2018

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Rechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch Salomonowitz Horak, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei *****, vertreten durch die Gassauer-Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Veröffentlichung (EUR 36.000) über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 9.8.2017, 34 Cg 19/15y 62,

I. durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Schober und die Richterin Mag. a Fitz den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Berufung wegen Nichtigkeit wird verworfen.

II. durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. a Fitz und den fachkundigen Laienrichter Patentanwalt DI Puchberger zu Recht erkannt:

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 6.099,72 (darin EUR 1.016,62 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Text

Die Klägerin ist Inhaberin des aufrechten österreichischen Patents AT 411 512. Die letztgültigen Patentansprüche1 bis 16 lauten (nach zwei Teilverzichten, rechtswirksam mit 22.6.2010):

1. Hörer, welche über zumindest eine Schnittstelle (1a) mit zumindest einem zumindest für die Ausgabe von Audiosignalen eingerichteten Gerät verbindbar ist, mit zumindest einer Hörkapsel (7), welche in einem Gehäuse (2) angeordnet ist, und mit einem Haltebügel (3) zur lösbaren Befestigung am Ohr (EAR) eines Benutzers, wobei der Bügel (3) am Gehäuse (2) und von diesem weglaufend angeordnet ist und das Ohr (EAR) in einem Bereich der Helix (HEL) mit einem in Richtung des Gehäuses (2) rücklaufenden Bereich (3b) hintergreift, wobei der die Helix (HEL) hintergreifende Bereich (3b) des Bügels (3) einen in befestigtem Zustand an der Rückseite des Ohres (EAR) anliegenden Endbereich aufweist, und wobei an dem die Helix (HEL) hintergreifenden Ende des Bügels (3) ein sich mit einer Kontur (4a) an der Rückseite des Ohres (EAR) abstützendes Passstück (4) angeordnet ist, und wobei die mit der Rückseite des Ohres (EAR) zusammenwirkende Kontur (4a) des Passstückes (4) im Wesentlichen der Form der Rückseite des Ohres angepasst ist und der Haltebügel (3) verformbar ausgebildet ist, und das Gehäuse (2) an seiner der Außenseite des Ohres (EAR) zugewandten Seite eine Ohrenauflagefläche (10) aufweist, und wobei im befestigten Zustand der Bügel (3) zumindest bereichsweise gegen die Rückseite des Ohres (Ear) und der Hörer (1) mit der Ohrauflagefläche (10) zumindest bereichsweise so gegen die Außenseite des Ohres (EAR) gedrückt ist, dass die Hörkapsel (7) im Nahbereich des Schalltrichters (CON) und/oder der Gehörgangsöffnung (Mea) des Ohres angeordnet ist, wobei die Ohrauflagefläche (10) sowie die Hörkapsel (7) einen Abstand zu der Gehörgangsöffnung (MEA) aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass der Bügel (3) elastisch verformbar ist.

2. Hörer nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Fläche (10) eine über die Ausdehnung der Hörkapsel (7) hinausreichende Erstreckung aufweist.

3. Hörer nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass derBügel (3) C förmig ausgebildet ist.

4. Hörer nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass das Passstück (4) und der Bügel (3) einstückig ausgebildet sind.

5. Hörer nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass das Passstück (4) mit einem gummiartigen Überzug versehen ist.

6. Hörer nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass er in einem hinteren, dem Bügel (3) zugewandten Bereich der Ohrauflagefläche (10) eine Erhebung (6) aufweist, welche in befestigtem Zustand des Hörers (1) in einem hinteren, im Wesentlichen der Antihelix (ANT) zugewandten Bereich des Schalltrichters (CON) bzw in dem in die Antihelix (ANT) übergehende Bereich des Schalltrichters (CON) abgestützt ist.

7. Hörer nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Erhebung (6) eine im Wesentlichen abgerundete Kontur aufweist.

8. Hörer nach Anspruch 6 oder 7, dadurch gekennzeichnet, dass die Erhebung (6) einstückig mit der Hörkapsel (7) ausgebildet ist.

9. Hörer nach einem der Ansprüche 1 bis 8, gekennzeichnet durch zumidest ein in einem vorderen, dem Bügel (3) abgewandten Bereich des Hörers angeordnetes Mikrofon (8).

10. Hörer nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass er in einem vorderen, dem Bügel (3) abgewandten Bereich einen ausfahrbaren Mikrofonarm (11) aufweist, welcher in seinem vorderen Bereich das zumindest eine Mikrofon aufnimmt.

11. Hörer nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass er in einem vorderen, dem Ohr (EAR) abgewandten Bereich eine Abstützung (13) zum Abstützen des Hörers in einem unmittelbar vor dem Ohr (EAR) liegenden Bereich des Kopfes aufweist.

12. Hörer nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass die Abstützung (13) zumindest bereichsweise mit einem gummiartigen Überzug versehen ist.

13. Hörer nach einem der Ansprüche 1 bis 12, dadurch gekennzeichnet, dass an der dem Ohr (EAR) abgewandten Seite ein Betätigungselement (9) zum Entgegennehmen und/oder Tätigen von Anrufen vorgesehen ist.

14. Hörer nach einem der Ansprüche 1 bis 13, dadurch gekennzeichnet, dass die Ohrauflagefläche (10) als Abdeckteil für die Gehäuseunterseite ausgeführt und an dieser lösbar befestigbar ist.

15. Hörer nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, dass der Abdeckteil aus einem gummiartigen Material gefertigt ist.

16. Hörer nach Anspruch 12 und 15, dadurch gekennzeichnet, dass das aus Gummi gefertigte Abdeckteil sowie der Gummiüberzug für die Abstützung (13) einstückig ausgebildet sind (in der Folge: Klagspatent ) .

Mit Entscheidung vom 30.10.2013 wies die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts zu N 2/2006 20 den Antrag auf Nichtigerklärung des Klagspatents im Umfang der Patentansprüche 1 bis 26 in der Fassung nach dem Teilverzicht vom 16.11.2005 sowie auch im Umfang der derzeit aufrechten Patentansprüche 1 bis 16 in der Fassung nach dem Teilverzicht vom 22.6.2010 ab sowie den Antrag auf Nichtigerklärung des Klagspatents im Umfang der vom 15.6.2003 rechtskräftigen Patentansprüche 1 bis 27 zurück.

Am 11.12.2014 bestätigte das Oberlandesgericht Wien diese Entscheidung, 34 R 80/14f.

Die Klägerin behauptet den unzulässigen Vertrieb der klagspatentverletzenden Hörer (Headsets) mit der Produktbezeichnung HS 11W, BH 900, BH 904, BH 200, BH 212, HS 26W, BH 301 (in der Folge kurz: Eingriffsgegenstände ) und begehrt unter anderem die Unterlassung. Die Eingriffsgegenstände wiesen sämtliche Merkmale des Klagspatents wortgleich auf, jedenfalls liege eine äquivalente Verletzung des Patents vor. Sie erfüllten die gleiche Aufgabe mit funktionsgleichen Mitteln. Ein Haltebügel teile sich in zwei Arme, teilweise seien die Arme miteinander verbunden. Es liege daher ohnehin auch nur ein Haltebügel vor, jedenfalls aber sei die Lösung naheliegend, gleichwertig und gleichwirkend. Der Mechanismus funktioniere überdies wie beim Klagspatent über die Elastizität des Bügels. Unabhängig von der Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren schließe das Klagspatent eine Ausgestaltung mit mehr als einem Bügel nicht aus.

Die Beklagte bestritt die Begehren und wandte ein, dass sie das Patent der Klägerin nicht verletzt habe. Die Merkmale des Klagspatents seien in den Eingriffsgegenständen nicht verwirklicht, die zwei statt einen Haltebügel aufwiesen und nicht elastisch verformbar seien wie beim Klagspatent. Die Lösung der Beklagten sei weder gleichwirkend noch gleichwertig noch naheliegend.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf die auf den Seiten 12 bis 14 der Urteilsausfertigung wiedergegebenen Feststellungen.

Rechtlich ging es davon aus, dass das wesentliche Merkmal des Klagspatents die elastische Verformbarkeit des Bügels sei. Der gesamte Bügel des Klagspatents sei aus elastischem Material. Bügel, die nicht in ihrer Gesamtheit elastisch seien, seien daher keine wörtliche Verwirklichung des Klagspatents. Die Umlenkabschnitte der Eingriffsgegenstände seien bei bestimmungsgemäßer Anwendung – nur auf eine solche käme es an – im Wesentlichen starr. Es liege auch keine patentverletzende einfache Verdoppelung vor, weil die Bügel jeweils alleine die entscheidenden Funktionen nicht aufwiesen. Es brauche jedenfalls zwei Bügel, daher liege auch keine Gleichwertigkeit oder Gleichwirkung vor. Auf die (ohnehin zu verneinende) Frage des Naheliegens käme es gar nicht mehr an.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellungen auf Grund unrichtiger Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Beantragt wird (sinngemäß), die Entscheidung abzuändern und der Klage stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Zu I.

Die Klägerin sieht die Nichtigkeitsgründe des § 477 Abs 1 Z 4 und Z 7 ZPO (Fehlen der Unmittelbarkeit und der Öffentlichkeit des Verfahrens) dadurch verwirklicht, dass das Gericht die vorgelegten Augenscheinsgegenstände nicht in Anwesenheit der Parteien in Augenschein genommen habe.

Das rechtliche Gehör wird in einem Zivilverfahren nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei die Möglichkeit, sich im Verfahren zu äußern, überhaupt genommen wurde, sondern auch dann, wenn einer gerichtlichen Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrundegelegt werden, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten (RIS-Justiz RS0005915).

Das ist hier nicht verwirklicht. Aus den Verhandlungsprotokollen vom 22.10.2015, ON 12, und vom 8.6.2017, ON 58, – die als öffentliche Urkunden vollen Beweis für den Gang der Verhandlung liefern – geht hervor, dass die vorgelegten Augenscheinsgegenstände in der Verhandlung zum Akt genommen wurden und der Sachverständige sie im Rahmen der mündlichen Gutachtenserörterung neuerlich in Anwesenheit der Parteienvertreter in Augenschein genommen hat.

Die Berufung wegen Nichtigkeit ist jedenfalls zu verwerfen.

Zu II.

1. Zur Mangelhaftigkeit:

1.1. Die Klägerin moniert als Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowohl die oben angeführte Frage des Augenscheins als auch den Umstand, dass kein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt worden sei.

1.2. Zum Augenschein ist sie auf das bereits zur Nichtigkeit Ausgeführte zu verweisen.

1.3. Die Frage, ob ein weiteres Sachverständigengutachten erforderlich ist, fällt nach der Rechtsprechung allerdings in den Bereich der Beweiswürdigung und betrifft keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens (RIS Justiz RS0113643), sodass hier bei richtiger Betrachtung gar kein Verfahrensmangel zur Darstellung gebracht wird.

In Vorwegnahme der Behandlung der Beweisrüge ist dazu bereits jetzt auszuführen, dass zu einem weiteren Sachverständigengutachten kein Anlass bestand, denn das Gutachten ist schlüssig, nachvollziehbar und vollständig, sodass die Bewieswürdigung des Erstgerichtes, soweit sie sich darauf stützt, keinen Bedenken begegnet.

2. Zur Beweisrüge:

2.1. Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung:

„Die Hörer der Beklagten ... weisen ein längliches Gehäuse auf, das an einem Ende zwei Bügel trägt ...”

Soweit die Klägerin die Feststellung als aktenwidrig rügt, ist zu sagen, dass eine Aktenwidrigkeit nicht in einem Widerspruch zwischen einer Tatsachenfeststellung und irgendeinem vorhandenen Beweismittel bestünde, sondern ausschließlich in einem Widerspruch zwischen dem Inhalt eines bestimmten Aktenstückes und dessen Wiedergabe durch das Gericht, und zwar nur dann, wenn die Tatsachenfeststellung nicht das Ergebnis eines richterlichen Werturteils ist (vgl Klauser/Kodek, § 503 ZPO E 122 bis E 124a).

Wenn eine Feststellung durch Schlussfolgerungen aus Beweisergebnissen gewonnen wird, liegt keine Aktenwidrigkeit vor (RIS-Justiz RS0043397 [T1]; RS0043421). Wertungen und Schlussfolgerungen bauen zwar auf Tatsachen auf, sie basieren aber denknotwendig gerade nicht auf unmittelbaren Beweisergebnissen, sondern werden aus diesen bloß abgeleitet. Ob die Beweisergebnisse auch andere Schlussfolgerungen ermöglicht hätten, ist eine Frage der Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0040125).

Eine Aktenwidrigkeit liegt daher nicht vor, weil das Erstgericht auf Grund beweiswürdigender Überlegungen zur angeführten Feststellung gelangt ist.

2.2. Die Argumente der Klägerin überzeugen auch im Rahmen einer Beweisrüge nicht.

Sie wünscht folgende Ersatzfeststellung:

„Alle Eingriffsgegenstände ./M – ./R weisen einen Haltebügel auf.”

In diesem Zusammenhang übersieht die Klägerin, dass der Gerichtssachverständige von Beginn an klargestellt hat, dass bei den Eingriffsgegenständen stets zwei Bügel vorlägen, man aber auch allenfalls von einem zweiteiligen Bügel sprechen könne , was aber nicht zu einer geänderten Funktion führe (Gutachten [...], ON 21, Seite 7). Der Sachverständige hat daher die Möglichkeit, den Bügel der Beklagten auch als „zweiteilig” zu bezeichnen, seiner Einschätzung zu Grunde gelegt und über Befragen durch die Klägerin das auch immer wieder zugestanden, von Anfang an aber klargestellt, dass dieser Umstand an der Frage des Patenteingriffs nichts ändert.

Die Ausführungen in der Berufung vermögen nichts aufzuzeigen, das geeignet wäre, die schlüssigen und nachvollziehbaren Überlegungen des Sachverständigen dazu zu erschüttern.

2.3. Die Klägerin bekämpft weiters nachstehende Feststellung:

„Die Umlenkabschnitte sind sehr steif ausgeführt und verformen sich beim Aufsetzen der Headsets auf das Ohr nicht merklich, ...”

Sie wünscht stattdessen folgende Feststellung:

„Die Umlenkabschnitte sind, insbesondere bei bestimmungsgemäßem Gebrauch am Ohr, elastisch verformbar.”

Zur Aktenwidrigkeit ist die Klägerin auf das bereits Ausgeführte zu verweisen.

Im übrigen gelingt es auch hier der Klägerin nicht, Zweifel an den Ergebnissen des Sachverständigengutachtens, auf das das Erstgericht diese Feststellungen stützt – und somit an der Beweiswürdigung des Erstgerichtes – zu erwecken. Es gelingt ihr auch nicht aufzuzeigen, warum die Ausführungen des Sachverständigen in seinem Ergänzungsgutachten, die Umlenkabschnitte bei den Eingriffsgegenständen seien deutlich steifer, und das Zugeständnis über Befragen, dass sich selbstverständlich dieser Abschnitt auch in die Ausgangslage zurückbewege, gegen die vom Erstgericht getroffene Feststellung sprechen soll.

Im Ergebnis ist entscheidend, dass die Abschnitte jedenfalls deutlich steifer sind als die des Klagspatents. Insgesamt gelingt es der Klägerin nicht, aufzuzeigen, welches Beweisergebnis dafür sprechen soll, dass die von ihr gewünschte Ersatzfeststellung über die elastische Verformbarkeit der Umlenkabschnitte zu treffen gewesen wäre.

2.4. Weiters bekämpft wird folgende Feststellung:

„... während die bogenförmigen Abschnitte der beiden Bügel den Ohrknorpel oben und unten umgeben.”

Stattdessen wären die Ersatzfeststellungen zu treffen gewesen:

„Die Eingriffsgegenstände weisen ein Passstück auf. Zwischen dem Passstück und dem Gehäuse des Headsets entsteht eine Klemmwirkung.”

Die gewünschten Ersatzfeststellungen bilden nicht das begriffliche Gegenteil der bekämpften Feststellung und widersprechen ihr auch nicht. Es handelt sich nur um eine weitere Feststellung über die Beschaffenheit der Eingriffsgegenstände.

Soweit damit ein sekundärer Feststellungsmangel geltend gemacht wird, ist auf diesen in der Rechtsrüge einzugehen.

Ungeachtet dessen gelingt es der Klägerin auch nicht, Beweisergebnisse aufzuzeigen, die die gewünschte Ersatzfeststellung stützen würden. Der Sachverständige führt in seinem Ergänzungsgutachten vom 28.11.2016 auf Seite 2 ausdrücklich aus, dass ein Passstück bei den Eingriffsgegenständen nicht vorgesehen ist. Über Befragen durch die Klägerin führt er in seinem Ergänzungsgutachten vom 7.3.2017 auf Seite 9 dazu nachvollziehbar aus, dass mit einem Passstück ein offensichtlich vom eigentlichen Bügel zu unterscheidender Bauteil gemeint sei und die von der Klägerin bei den Eingriffsgegenständen als Passstück bezeichneten Teile, Teile des Bügels selbst sind.

Er führt weiters dazu aus, dass auch eine Bezeichnung dieser Bauteile als „Passstück” nicht zur Verwirklichung des Merkmals des Klagspatents führt, dass am Ende des Bügels ein sich mit einer Kontur an der Rückseite des Ohres abstützendes Passstück angeordnet ist und dabei die mit der Rückseite des Ohres zusammenwirkende Kontur des Passstücks im Wesentlichen der Form der Rückseite des Ohres angepasst ist.

2.5. Im Ergebnis übernimmt daher das Berufungsgericht den vom Erstgericht ermittelten Sachverhalt und legt ihn seiner Entscheidung zu Grunde.

3. Zur Rechtsrüge:

3.1. Zum sekundären Feststellungsmangel:

Wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen zum Vorliegen eines Passstückes bei den Eingriffsgegenständen ergibt, hat die Frage, ob bestimmte Bauteile der Eingriffsgegenstände nun als Passtücke bezeichnet werden können oder nicht, auf die rechtliche Beurteilung keine Auswirkung, da sie jedenfalls nicht die gleiche Wirkung auf die Rückseite des Ohres des Trägers ausüben und damit auch nicht diese Funktion erfüllen, unabhängig davon, wie sie bezeichnet werden.

Es liegt daher im Bezug auf die zuletzt geforderte Ersatzfeststellung auch kein sekundärer Feststellungsmangel vor.

3.2. Vorauszuschicken ist, dass das Berufungsgericht die bekämpfte Begründung der angefochtenen Entscheidung für zutreffend hält, sodass zunächst darauf verwiesen werden kann (§ 526 Abs 3 iVm § 500a ZPO).

Das Berufungsgericht hält auch die Begründung der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die Auslegung des Patents für zutreffend (§ 141 PatG iVm § 500a ZPO).

3.3. Maßgebend für den Schutzumfang eines Patents ist demnach ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem, was sich aus dem genauen Wortlaut der Patentansprüche ergibt, und dem, was aus der Beschreibung und den Zeichnungen als Lösung des technischen Problems hervorgeht (Op 3/09). Dabei ist auf das Verständnis der im jeweiligen Gebiet tätigen Fachperson abzustellen (Scharen in Benkard, EPÜ 2 [2012] Art 69 Rz 6; Stauder in Stauder/Luginbühl, EPÜ 6 [2013] Art 69 Rz 11).

3.4. Für eine äquivalente Benützung einer patentierten Erfindung müssen folgende Bedingungen kumulativ vorliegen (RIS-Justiz RS0123522):

a) Die abgewandelte Ausführungsform löst das der Erfindung zugrundeliegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln (Gleichwirkung).

b) Die Fachperson kann die bei der Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe ihrer Fachkenntnisse zur Lösung des der Erfindung zugrunde liegenden Problems als gleichwirkend auffinden (Naheliegen).

c) Die Überlegungen der Fachperson sind derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert, dass die Fachperson die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der patentgemäßen Ausführung gleichwertige Lösung in Betracht zieht.

Die Lehre von der Äquivalenz dehnt den Schutzbereich eines Patents auf solche Benutzungshandlungen aus, die zwar im Anspruch nicht genannt sind, die aber von Sinn und Zweck der Erfindung (= Erfindungsgedanke) durch Verwendung gleichwirkender Austauschmittel Gebrauch machen (RIS-Justiz RS0123521). Das Austauschmittel muss die selbe technische Wirkung erzielen, die das im Patentanspruch beschriebene Lösungsmittel nach der Lehre des Klagspatents erreichen soll (RIS-Justiz RS0123523).

Da in den Schutzbereich eines Patents auch vom Wortlaut der Patentansprüche abweichende, aber inhaltsgleiche Ausführungsformen fallen, ist im Verletzungsstreit zu prüfen, ob der Eingriffsgegenstand den durch die Ansprüche vorgezeichneten Lösungsweg des Klagspatents beibehält. Eine äquivalente Benützung der patentierten Erfindung liegt dann vor, wenn die Fachperson im Prioritätszeitpunkt – ausgerüstet mit dem allgemeinen Fachwissen unter Berücksichtigung des Stands der Technik – ohne erfinderisches Bemühen die ausgetauschten Merkmale den Patentansprüchen als funktionsgleiche Lösungsmittel entnimmt (RIS-Justiz RS0118280).

Ob die Äquivalenz zur patentierten Erfindung vorliegt, ist zwar in erster Linie eine Rechtsfrage. Welches Verständnis eine Fachperson im maßgebenden Zeitpunkt hatte, ist allerdings ein objektivierendes, dem Beweis zugängliches Element (RIS-Justiz RS0123155).

3.5. Das Berufungsgericht sieht als kennzeichnende Merkmale des Klagspatents die Elastizität des gesamten einen Bügels .

Beide Merkmale liegen bei den Eingriffsgegenständen nicht vor.

Eine wörtliche Verwirklichung scheidet daher aus.

Um auch nur annähernd diesselbe Funktion zu erfüllen, benötigen die Eingriffsgegenstände zwei Bügel, wie bereits das Erstgericht zutreffend ausführt. Unabhängig von seiner Bezeichnung verfügen die Eingriffsgegenstände auch nicht über ein Passstück, das sich an die Rückseite des Ohres anpasst. Es ist daher auch keine Gleichwirkung gegeben. Die Gleichwertigkeit ist ebensowenig erfüllt, da es bei den Eingriffsgegenständen immer zwei Bügel braucht.

3.6. Richtig sind die Ausführungen der Klägerin zur Bindungswirkung der Entscheidung des Nichtigkeitsverfahrens. Allerdings verkennt die Klägerin, dass das Erstgericht in seiner rechtlichen Begründung nicht eine Bindung an die Gründe der Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren annimmt, sondern diese darlegt und sich der Begründung inhaltlich anschließt (Seite 15 der Urteilsausfertigung).

Sämtliche weitere Ausführungen der Rechtsrüge entfernen sich großteils von den erstgerichtlichen Feststellungen. Sie vermögen aber auch inhaltlich nicht zu überzeugen, geht es doch nicht darum, ob der Bügel des Klagspatents als nur „einer” oder „einteilig” zu bezeichnen ist. In seiner Funktion handelt es sich um einen Bügel, das Patent wird durch diese Einteiligkeit und die Elastizität gekennzeichnet. Dass „ein” auch ein unbestimmter Artikel und nicht nur ein Zahlwort ist, vermag daran nichts zu ändern, wird doch die Einteiligkeit nicht nur mit dem Wort „ein” beschrieben.

Es mag sein, dass das Klagspatent das Vorhandensein eines weiteren Bügels sprachlich nicht ausschließt, es definiert sein entscheidendes Merkmal aber jedenfalls über einen oder einen einteiligen elastischen Bügel. Die Eingriffsgegenstände weisen diese beiden entscheidenden Merkmale eben gerade nicht auf und verletzen deshalb das Klagspatent nicht.

Zum Passstück, zu seiner Funktion und zur Bedeutungslosigkeit der bloßen Bezeichnung als solches ist auf das bereits Ausgeführte zu verweisen.

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Headsets der Beklagten das Klagspatent nicht verletzen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO. Der Zuschlag für die Beiziehung eines Patentanwalts steht zu, weil nicht nur prozessual-juristische Fragen Gegenstand des Berufungsverfahrens waren.

Die ordentliche Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen.

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