JudikaturOLG Wien

133R131/17p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
01. März 2018

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht ***** wegen Nichtigerklärung des Patents AT E 499 261 über die Berufung der Antragsgegnerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts vom 27.6.2017, N 1/2015 9, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen die Kosten der Berufungsbeantwortung von EUR 1.829,16 (darin EUR 304,86 USt) zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Die Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Text

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des Patents AT E 499 261 (österreichischer Teil von EP 1 992 539 B1), angemeldet am 17.3.2008 mit der Priorität vom 7.5.2007. Die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte am 23.2.2011. Das Patent „Einrichtung zum Befördern von Personen und/oder Gegenständen” umfasst folgende 18 Ansprüche:

1 Einrichtung zum Befördern von Personen und/oder Gegenständen mit einem antriebslosen Laufwerk (2), das entlang eines Fahrweges geschoben oder mittels eines Zugseiles (5) gezogen wird, mit wenigstens einem Verbraucher (15) für elektrische Energie und mit einem elektrischen Energiespeicher (14), wobei eine Vorrichtung (11) zur Gewinnung elektrischer Energie aus der Relativbewegung zwischen Laufwerk (2) und Fahrweg und zum Speichern der gewonnenen Energie im elektrischen Energiespeicher (14) vorgesehen ist und wobei das Laufwerk (2) über Laufrollen (3) am Fahrweg läuft, dadurch gekennzeichnet, dass mit wenigstens einer Laufrolle (3) ein Generator verbunden ist.

2 Einrichtung zum Befördern von Personen und/oder Gegenständen mit einem antriebslosen Laufwerk (2), das entlang eines Fahrweges geschoben oder mittels eines Zugseiles (5) gezogen wird, mit wenigstens einem Verbraucher (15) für elektrische Energie und mit einem elektrischen Energiespeicher (14), wobei eine Vorrichtung (11) zur Gewinnung elektrischer Energie aus der Relativbewegung zwischen Laufwerk (2) und Fahrwerk und zum Speichern der gewonnenen Energie im elektrischen Energiespeicher (14) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass ein Radnabengenerator vorgesehen ist und dass der Radnabengenerator in einer Laufrolle (3), über die das Fahrwerk (2) am Fahrweg läuft, oder in einem Reibrad (11), das mit dem Fahrweg in reibschlüssiger Verbindung steht, angeordnet ist.

3 Einrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Fahrweg von einem Tragseil (4) gebildet ist.

4 Einrichtung Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Fahrweg von Schienen gebildet ist.

5 Einrichtung nach einem der Ansprüche 2 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Radnabengenerator an die Welle der Laufrolle (3) oder des Reibrades (11) angebaut ist.

6 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass der Energiespeicher (14) Akkumulatoren und/oder Kondensatoren aufweist.

7 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass sie die Kabine (7) einer Seilschwebebahn aufweist.

8 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass sie die Kabine einer Standseilbahn aufweist.

9 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass sie ein Fahrzeug einer Vergnügungseinrichtung, beispielsweise einer Achterbahn, ist.

10 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbraucher (15) eine Heizeinrichtung, z.B. eine Sitzheizung, Fußbodenheizung oder Kabinenluftheizung ist.

11 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbraucher (15) eine Klimaanlage ist.

12 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbraucher (15) eine Multimediaeinrichtung ist.

13 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 12, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbraucher (15) eine Beleuchtung ist.

14 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 13, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbraucher (15) ein Antrieb für eine Kabinentür ist.

15 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 14, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbraucher (15) eine Messeinrichtung ist.

16 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 15, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbraucher (15) ein Motor zum Drehen der Kabine ist.

17 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 16, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbraucher (15) eine Einrichtung zur aktiven Pendeldämpfung ist.

18 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 17, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbraucher (15) ein Antrieb für ein aktives Fahrwerk für Kurvenfahrten ist.

Das Streitpatent betrifft eine Einrichtung zum Befördern von Personen und/oder Gegenständen mit einem antriebslosen Laufwerk, das entlang eines Fahrwegs geschoben oder mittels eines Zugseiles gezogen wird, mit wenigstens einem Verbraucher für elektrische Energie und mit einem elektrischen Energiespeicher, wobei eine Vorrichtung zur Gewinnung elektrischer Energie aus der Relativbewegung zwischen Laufwerk und Fahrweg und zum Speichern der gewonnenen Energie im elektrischen Energiespeicher vorgesehen ist und wobei das Laufwerk über Laufrollen am Fahrwerk läuft [0001]. Derartige Einrichtungen sind zum Beispiel Kabinen von Seilschwebebahnen und Standseilbahnen. Da die Laufwerke der Kabinen von Seilschwebebahnen und Standseilbahnen keinen eigenen Antrieb aufweisen, weisen sie nicht notwendigerweise eine externe elektrische Energieversorgung auf [0002]. Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Einrichtung zur Verfügung zu stellen, mit welcher auf technisch einfache Weise eine Stromversorgung elektrischer Verbraucher gewährleistet werden kann [0006]. Gelöst wird diese Aufgabe durch die Einrichtungen mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 und 2 [0007].

Die Antragstellerin beantragt die Nichtigerklärung des österreichischen Teils des europäischen Patents, weil es weder neu noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Zur Begründung stützte sie sich auf nachtstehende Veröffentlichungen:

WO 2008/129019 A1 (Beilage ./A)

US 2006/0249320 A1 (Beilage ./B)

JP2005297635 (Beilage ./C bis ./Cb)

DE 31 09 294 A1 (Beilage ./D)

JPH 08133069 (Beilage ./E bis ./Eb)

DE 10 2006 054 979 A1 (Beilage ./F)

EP 1 264 761 A2 (Beilage ./G)

US 2011/0156543 A1 (Beilage ./H)

DE 10 2006 040 222 A1 (Beilage ./I)

US 5 465 806 (Beilage ./J)

DE 1 588 622 (Beilage ./K)

DE 197 56 904 A1 (Beilage ./L)

EP 1 15 1906 A2 (Beilage ./M)

CH 564 445 A5 (Beilage ./O) .

Sämtliche Merkmale des im Anspruch 1 gekennzeichneten Gegenstands sei durch die in der Beilage ./A geoffenbarte Standseilbahn vorweggenommen. Dies gelte auch für die Ansprüche 2, 4, 6, 8 bis 11, 13, 17 und 18. Der Gegenstand des Anspruchs 5 – rückbezogen auf den zum Anspruch 1 parallelen Anspruch 2 – sei auf Grund mangelnder Offenbarung eine unmögliche und nicht ausführbare Kombination von technischen Merkmalen.

Der in der Beilage ./B beschriebene Radnabengenerator für eine Laufrolle eines Supermarkt-Einkaufswagens sei neuheitsschädlich für die Ansprüche 1, 2, 6, 9, 12, 13, 15.

Auf Grund der Lehre aus der Veröffentlichung Beilage ./C seien in Kombination mit einer der Veröffentlichungen der Beilagen ./B, ./F bis ./M die Gegenstände der Ansprüche 4, 5, 6, 7, 9 naheliegend. Die Gegenstände der Ansprüche 10 bis 18 (beanspruchte Arten von elektrischen Verbrauchern) würden im Bereich des Könnens einer Fachperson liegen.

In einer Zusammenschau der Beilage ./D mit ./B sei der Gegenstand des Anspruchs 2 für eine Fachperson naheliegend, weil die Beilage ./B die Anwendbarkeit von Radnabengeneratoren für Beförderungseinrichtungen zeige. Somit weise der Gegenstand des Anspruchs 2 keine Erfindungseigenschaft auf.

In der Beilage ./E werde auf von einem Reibrad angetriebene Generatoren hingewiesen. In einer Kombination der Veröffentlichungen Beilage ./E und ./C sei der Gegenstand des Anspruchs 2 für eine Fachperson naheliegend und sei aus diesem Grund nicht erfinderisch.

Die Beilage ./O zeige sämtliche Merkmale der Ansprüche 1 und 2; ebenso offenbart seien die (Unter-)Ansprüche 4, 5, 6 und 9, jene von 3, 7, 8 und 10 bis 18 seien für die Fachperson naheliegend.

In der Folge verteidigte die Antragsgegnerin nicht mehr die (ursprünglichen) Patentansprüche 1 und 5 und legte durch Teilung des Anspruchs 2 in die (neuen) Ansprüche 1 und 2 ein geändertes Schutzbegehren vor, das insgesamt wie folgt lautet:

1 Einrichtung zum Befördern von Personen und/oder Gegenständen mit einem antriebslosen Laufwerk (2), das entlang eines Fahrweges (4) mittels eines Zugseiles (5) gezogen wird, mit wenigstens einem Verbraucher (15) für elektrische Energie und mit einem elektrischen Energiespeicher (14), wobei eine Vorrichtung (11) zur Gewinnung von elektrischer Energie aus der Relativbewegung zwischen Laufwerk (2) und Fahrweg (4) und zum Speichern der gewonnenen Energie im elektrischen Energiespeicher (14) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass ein Radnabengenerator vorgesehen ist und dass der Radnabengenerator in einer Laufrolle (3), über die das Fahrwerk (2) am Fahrweg (4) läuft, oder in einem Reibrad (11), das mit dem Fahrweg (4) in reibschlüssiger Verbindung steht, angeordnet ist.

2 Einrichtung zum Befördern von Personen und/oder Gegenständen mit einem antriebslosen Laufwerk (2), das entlang eines Fahrweges (4) geschoben wird, mit wenigstens einem Verbraucher (15) für elektrische Energie und mit einem elektrischen Energiespeicher (14), wobei eine Vorrichtung (11) zur Gewinnung elektrischer Energie aus der Relativbewegung zwischen Laufwerk (2) und Fahrweg (4) und zum Speichern der gewonnenen Energie im elektrischen Energiespeicher (14) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass ein Radnabengenerator vorgesehen ist und dass der Radnabengenerator mit einem Reibrad (11), das mit dem Fahrweg (4) in reibungsschlüssiger Verbindung steht, angeordnet ist.

3 Einrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Fahrweg (4) von einem Tragseil gebildet ist.

4 Einrichtung Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Fahrweg von Schienen gebildet ist.

5 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Energiespeicher (14) Akkumulatoren und/oder Kondensatoren aufweist.

6 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass sie die Kabine (7) einer Seilschwebebahn aufweist.

7 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass sie die Kabine einer Standseilbahn aufweist.

8 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass sie ein Fahrzeug einer Vergnügungseinrichtung, beispielsweise einer Achterbahn, ist.

9 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbraucher (15) eine Heizeinrichtung, z.B. eine Sitzheizung, Fußbodenheizung oder Kabinenluftheizung ist.

10 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbraucher (15) eine Klimaanlage ist.

11 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbraucher (15) eine Multimediaeinrichtung ist.

12 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbraucher (15) eine Beleuchtung ist.

13 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 12, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbraucher (15) ein Antrieb für eine Kabinentür ist.

14 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 13, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbraucher (15) eine Messeinrichtung ist.

15 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 14, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbraucher (15) ein Motor zum Drehen der Kabine ist.

16 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 15, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbraucher (15) eine Einrichtung zur aktiven Pendeldämpfung ist.

17 Einrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 16, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbraucher (15) ein Antrieb für ein aktives Fahrwerk für Kurvenfahrten ist.

Zur Verteidigung trug sie vor, dass die Veröffentlichung Beilage ./A nur zur Beurteilung der Neuheit herangezogen werden dürfe, nicht jedoch zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit. Diese Gegenschrift offenbare eine Seilbahn mit einer an einer Laufrolle oder einem Reibrad angeordneten elektrischen Maschine, die als Generator, Motor und Bremse wirke. Die elektrische Maschine wirke demnach als Motor, wogegen in den Merkmalen der neu vorgelegten Ansprüche 1 und 2 ein antriebsloses Fahrwerk beansprucht sei.

Die Beilage ./B offenbare einen Radnabengenerator für eine Laufrolle eines Supermarkt-Einkaufswagens, jedoch keine Einrichtung zum Befördern von Personen.

Die Veröffentlichungen Beilagen ./F, ./H und ./I seien nachveröffentlicht und daher ausschließlich als Stand der Technik zur Beurteilung der Neuheit heranzuziehen.

Der Unterschied zwischen der in der Beilage ./C gezeigten Einrichtung und der Einrichtung gemäß Anspruch 1 bestehe darin, dass die erfindungsgemäße Einrichtung einen Radnabengenerator in einer Laufrolle (über die das Fahrwerk auf dem Fahrweg laufe) oder ein Reibrad (in reibschlüssiger Verbindung mit dem Fahrweg) aufweise. Deshalb offenbare die Beilage ./C keines der als erfindungswesentlich gekennzeichneten Merkmale des Anspruchs 1. Der Unterschied zwischen der in der Beilage ./C gezeigten Einrichtung und der erfindungsgemäßen Einrichtung gemäß Anspruch 2 bestehe darin, dass die erfindungsgemäße Einrichtung geschoben werde, dass ein Radnabengenerator vorgesehen sei und dass der Radnabengenerator in einem Reibrad, das mit dem Fahrweg in reibschlüssiger Verbindung stehe, angeordnet sei. Die maßgebende Fachperson zöge eine Kombination der Beilage ./C mit einer der Beilagen ./B, ./G oder ./J bis ./M überhaupt nicht in Betracht, weil sich diese Anlagen auf unterschiedliche technische Einsatzgebiete bezögen.

Die Beilage ./O betreffe ein seilgezogenes Fahrzeug; zwar sei eine Laufrolle im weitesten Sinn eingebaut, aber es werde keine Unterscheidung zwischen Lauf- und Reibrad gemacht. Dass es sich um ein antriebsloses Fahrzeug handle, sei eine unbestätigte Annahme.

Die Nichtigkeitsabteilung erklärte das Streitpatent wegen des Fehlens der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit für nichtig. In einer Gesamtschau sei festzustellen, dass sich die eigentliche erfinderische Idee im Verfahren als bekannt herausgestellt habe, nämlich ein sich ohnedies durch die Fahrbewegung drehendes Rad zur Abnahme von elektrischer Energie zu verwenden, die in der fahrenden Einrichtung zum Betrieb von erforderlichen oder erwünschten Geräten verwendet werden könne, und so eine gesonderte Stromversorgung während der Fahrt und ein immer wiederkehrendes Aufladen (mit einem entsprechend dimensionierten Stromspeicher und Stehzeiten während des Aufladens) unnötig zu machen. Die verteidigten Details oder Detailkombinationen trügen zu dieser erfinderischen Idee nichts mehr bei und seien – soweit technische Lösungsmerkmale im Streitpatent überhaupt offenbart seien – der Fachperson allesamt bekannt; sie könne diese Details in Abhängigkeit vom gewünschten Ergebnis beliebig einsetzen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin aus den Berufungsgründen der unrichtigen (unvollständigen) oder fehlenden Tatsachenfeststellungen sowie unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Patent mit den (geänderten) Ansprüchen aufrecht zu erhalten, hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Antragstellerin beantragte, der Berufung keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

1.1 Vorauszuschicken ist, dass eine Änderung eines Patents in § 91 Abs 3 PatG normiert ist und in der Regel nur bis zur Fassung des Erteilungsbeschlusses und ohne Abänderung des „Wesens der Erfindung” zulässig ist. Auf der – hier nicht unmittelbar gegebenen – Ebene des Gemeinschaftsrechts wäre zu prüfen, ob eine Änderung den Schutzbereich des Patents erweitern würde (Art 123 Abs 3 EPÜ); in diesem Fall wäre sie unzulässig.

Die Wendung „nicht erweitert” beschränkt zulässige Änderungen darauf, dass damit ein Minus an Schutz beansprucht wird; sowohl ein Plus als auch ein Aliud würden dieser Eigenschaft nicht gerecht. Auch eine Verringerung des Schutzumfangs wäre dann unzulässig, wenn der verkleinerte Schutzbereich (oder ein Teil davon) außerhalb des ursprünglichen Schutzbereichs läge; auch in diesem Fall wäre von einem Aliud zu sprechen (und nicht von einem Minus ).

Da die Antragstellerin weder im Verfahren vor dem Patentamt noch im Berufungsverfahren eine unzulässige Erweiterung der ursprünglichen Patentansprüche behauptet hat (es wurde in der Stellungnahme vom 13.11.2015 nur das Vorliegen eines Teilverzichts bestritten), und auch die Nichtigkeitsabteilung offensichtlich davon nicht ausgegangen ist, erübrigt es sich, darauf näher einzugehen (vgl Weiser, PatG GMG 3 § 112, 457).

1.2 Die Antragstellerin kündigt zwar einleitend an, die Entscheidung wegen unrichtiger (unvollständiger) oder fehlender Tatsachenfeststellungen bekämpfen zu wollen, führt dazu aber inhaltlich nichts aus. Der Berufungsvortrag zielt im Wesentlichen auf den Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltungen ab und auf die Wechselbeziehungen zu den Merkmalen des Streitpatents (inwieweit Merkmale verwirklicht oder aus den entgegenzuhaltenden Druckschriften bekannt sind) und ist somit unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu behandeln.

2.1 Die Antragsgegnerin beanstandet die Wertung des Patentamts, dass kein patentrechtsrelevanter Unterschied zwischen einer „Laufrolle” und einem „Reibrad” gegeben sei. Für die Fachperson würden bereits in den gewählten unterschiedlichen Begriffen „Laufrolle” und „Reibrad” eine geläufige Unterscheidung vorliegen. Zudem sei eine Laufrolle primär zum Tragen von Lasten ausgelegt, was bei einem Reibrad nicht zutreffe, weil dieses zum Übertragen eines Drehmoments ausgelegt sei. Auch die schriftliche Offenbarung der Beschreibungen [0010] und [0016] ließen für die Fachperson den Unterschied zwischen Laufrolle und Reibrad erkennen. Aus diesem Grund hätte die Nichtigkeitsabteilung zum Ergebnis gelangen müssen, dass ein „Reibrad” im Sinne des Patents ein zusätzlich zu Laufrädern oder Laufrollen vorhandenes Rad sei.

2.2 Vor diesem Hintergrund überzeugt die Argumentation des Antragsgegners nicht, es bestehe technisch ein Unterschied zwischen „Laufrolle” und „Reibrad” und ein „Reibrad” im Sinne des Patents sei ein zusätzlich zu Laufrädern oder Laufrollen vorhandenes Rad: Das Konzept der Laufrolle sagt im Wesentlichen aus, dass Kräfte normal zur Laufrichtung übertragen werden, die Rolle selbst jedoch nicht angetrieben ist, das heißt, dass kein Drehmoment vom Fahrweg auf die Rolle übertragen wird. Bei einem Reibrad steht die Übertragung eines Drehmoments zwischen dem Fahrweg und der Rolle im Vordergrund, wobei jedoch notwendigerweise auch eine Kraft normal zur Laufrichtung erforderlich ist, um dieses Drehmoment übertragen zu können.

Im Anspruch 1 des Streitpatents werden alternativ zwei Ausführungsvarianten unter Schutz gestellt, nämlich die Anordnung eines Radnabengenerators

Die Intention der Anspruchsformulierung ist insofern verständlich, als sowohl Ausführungsvarianten abgedeckt werden sollen, bei denen der Radnabengenerator in einer Laufrolle angeordnet ist, die ohnehin vorhanden ist, als auch Ausführungsvarianten, bei denen der Radnabengenerator in einer zusätzlichen Rolle (Reibrad) angeordnet ist, die ohne Radnabengenerator nicht erforderlich wäre. In beiden Fällen müssen sowohl eine Kraft normal zur Laufrichtung ausgeübt als auch ein Drehmoment übertragen werden. Somit liegt in beiden Fällen in der technischen Wirkungsweise im Wesentlichen keine Laufrolle, sondern ein Reibrad vor. Aus diesem Grund ist der Einschätzung der Nichtigkeitserteilung nicht entgegen zu treten, dass laut Streitpatent zwischen einem „Laufrad” (einer Laufrolle) und einem „Reibrad” kein relevanter Unterschied festzustellen ist.

3.1 Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung vorweggenommen oder naheliegend ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technischen Informationen der Fachperson klar und eindeutig ( Weiser, PatG 3 § 3 PatG 146 f und § 87a PatG 359 ff mwN zur Rsp des Patentamts) offenbart werden (4 Ob 214/04f, Paroxat; Op 3/11, Olanzapin; RIS-Justiz RS0119499).

Ob eine erfinderische Tätigkeit vorliegt, ist grundsätzlich eine Rechtsfrage (17 Ob 24/09t; 17 Ob 13/09z). Einer Neuentwicklung fehlt nicht schon dann die erfinderische Tätigkeit, wenn die Fachperson auf Grund des Standes der Technik zu ihr gelangen hätte können, sondern erst, wenn sie sie auf Grund eines hinreichenden Anlasses in Erwartung einer Verbesserung oder eines Vorteils auch tatsächlich vorgeschlagen hätte (vgl Kroher in Singer/Stauder, EPÜ 6 Art 56 Rz 55; Kinkeldey/Karamanli in Benkhard, EPÜ 2 Art 56 Rz 72; 17 Ob 24/09t; zuletzt Op 3/12): „could-would-approach”. Die erfinderische Tätigkeit muss auf einem nicht naheliegenden technischen Beitrag zum Stand der Technik beruhen ( Wiltschek, Patentrecht 3 § 1 PatG Anm 4; Weiser, PatG GMG 3 § 1 PatG 30 f; Haedicke, Patentrecht 3 Kap 6 Rn 4 ff), wobei bei der Auslegung nicht nur auf einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber sondern auch auf die Rechtssicherheit Dritter Rücksicht zu nehmen ist (vgl RIS-Justiz RS0118279; 4 Ob 178/06k; 4 Ob 29/06b ua).

Die Beurteilung, ob sich das eingetragene Patent für die Fachperson in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, ist in erster Linie von einer Tatfrage abhängig (RIS-Justiz RS0071399). Es bedarf entsprechender Feststellungen, was sich

für die Fachperson im Prioritätszeitpunkt aus den Vorveröffentlichungen ergeben hätte (vgl 17 Ob 4/11d ua).

3.2 Die Antragsgegnerin trägt zu Neuheit vor, dass die Veröffentlichung Beilage ./A eine elektrische Maschine als Motor und als Generator beschreibe. Da sie auch als Motor ausgelegt sei, sei diese Veröffentlichung nicht antriebslos und der Anspruch 1 daher gegenüber diesem Stand der Technik neu.

3.3 In dieser Druckschrift ist eine Seilbahn beschrieben, die auf offener Strecke über keine Stromzufuhr verfügt und daher über eine elektrische Maschine, die in einem Laufrad angeordnet ist, Strom erzeugen kann, um diverse Verbraucher zu betreiben. Nur im Bereich von Stationen kann die elektrische Maschine auch zum Antrieb des Wagens verwendet werden. Somit ist der Nichtigkeitsabteilung zuzustimmen, dass außerhalb der Station, also auf offener Strecke, funktionell „Antriebslosigkeit” vorliegt, auch wenn die elektrische Maschine als solche grundsätzlich dazu ausgelegt ist, die Funktion eines Motors auszuüben.

Bei der im Ausführungsbeispiel des Patents beschriebenen Lösung liegt Antriebslosigkeit deshalb vor, weil die elektrische Maschine ein Generator ist, der (vermutlich) nicht als Motor betrieben werden kann. Bei der Lösung gemäß der Veröffentlichung Beilage ./A liegt Antriebslosigkeit auf offener Strecke deshalb vor, weil keine Stromversorgung vorgesehen ist, die es ermöglichen würde, die elektrische Maschine als Motor zu betreiben.

Im Ergebnis ist daher der Beurteilung nicht entgegenzutreten, dass die Druckschrift Beilage ./A neuheitsschädlich für Patentanspruch 1 ist, was im Lichte der Gleichbedeutung von Laufrolle und Reibrad für beide Alternativen gilt.

3.4 Die Antragsgegnerin betont in Bezug auf die Druckschrift Beilage ./O neuerlich den Unterschied zwischen einem „Laufrad” und einem „Reibrad” und wendet ein, dass diese Druckschrift in Bezug auf den Anspruch 2 nicht neuheitsschädlich sei.

3.5 Da die wesentliche Unterscheidung zwischen Laufrolle und Reibrad – wie oben erklärt (siehe 2.4) – nicht geteilt werden kann, erübrigt es sich, näher darauf einzugehen.

4.1 Die Antragsgegnerin moniert, dass eine Fachperson die Dokumente Beilage ./C und ./B nicht kombiniert hätte, weil das Dokument Beilage ./B ein völlig anderes Fachgebiet mit gänzlich anderen technischen Rahmenbedingungen betreffe als das Dokument Beilage ./C. Dies gelte für die Variante gemäß Anspruch 1, bei der der Radnabengenerator in der Laufrolle angeordnet sei und viel mehr noch für die Varianten gemäß Anspruch 1 und 2, bei denen der Radnabengenerator in einem Reibrad angeordnet sei; die Dokumente Beilagen ./C noch ./B zeigten kein Reibrad im Sinne des Patents.

4.2 Es ist ein wesentliches Merkmal von Patentanspruch 1, dass die Einrichtung durch ein Zugseil gezogen wird. Im gegebenen Zusammenhang bedeutet dies, dass es sich letztlich um irgendeine Art von Seilbahn handelt. Daher ist es auch durchaus gerechtfertigt, wenn die Nichtigkeitsabteilung das Dokument Beilage ./C als nächstliegenden Stand der Technik ansieht. Nicht im Dokument Beilage ./C offenbart ist die Verwendung eines Radnabengenerators. Als objektive Aufgabe (die entgegengesetzt zur Meinung der Nichtigkeitsabteilung auch durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt ist) kann eine Vereinfachung des Systems angesehen werden.

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist nunmehr zu untersuchen, ob die Fachperson in der Lage gewesen wäre, das Dokument Beilage ./B aufzufinden und ob sie es in Betracht gezogen hätte, die dort beschriebene Lehre anzuwenden. Dafür ist insbesondere zu untersuchen, ob es in der Veröffentlichung Beilage ./C, von der die Fachperson ausgeht, Hinweise gibt, die sie entsprechend anleiten.

Grundsätzlich ist es nicht anzunehmen, dass die Fachperson, die sich mit einer Optimierung eines Seilbahnsystems befasst, in Betracht ziehen wird, Druckschriften zu recherchieren, die sich mit Einkaufswägen befassen. Die Tatsache, dass in einer solchen Druckschrift ein Hinweis darauf enthalten ist, dass die technische Lehre auch auf andere Fahrzeuge mit Rädern anwendbar ist, kann der Fachperson dabei nicht helfen.

Somit wird zwar die Einschätzung der Nichtigkeitsabteilung nicht geteilt, dass der Patentanspruch 1 durch eine Kombination der Dokumente Beilage ./C und ./B hinsichtlich der ersten Alternative und der Dokumente Beilage ./D und ./B hinsichtlich der zweiten Alternative nahegelegt ist. Jedoch trifft dies nicht auf die Kombination der Dokumente Beilage ./C oder ./D mit dem Dokument Beilage ./O zu, das ein Schienenfahrzeug betrifft. In technischer Hinsicht ist nämlich beispielsweise ein Wagen einer Standseilbahn sehr wohl unmittelbar mit einem Wagon einer gewöhnlichen Eisenbahn vergleichbar, sodass die Fachperson in Betracht ziehen würde, die entsprechenden Offenbarungen miteinander zu verknüpfen.

Da das Dokument Beilage ./O der Antragsgegnerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgehalten wurde, ist es nicht problematisch, dass die Nichtigkeitsabteilung eine solche Verknüpfung der Dokumente Beilage ./O und ./D nur in Bezug auf Patentanspruch 2 erörtert hat, nicht jedoch explizit im Hinblick auf Patentanspruch 1.

4.3 Im Ergebnis ist daher das Fehlen einer erfinderischen Tätigkeit für die Ansprüche 1 und 2 festzustellen.

Auch kann keiner der Unteransprüche die Rechtsbeständigkeit herstellen. Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen der Nichtigkeitsabteilung auf Seite 14 der angefochtenen Entscheidung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (§ 500a ZPO), kann noch angemerkt werden, dass zwar der Rückbezug des Anspruchs 3 auf den Anspruch 2 durch die Kombination der Merkmale „dass der Fahrweg von einem Tragseil gebildet ist” (Anspruch 3) und „Laufwerk, das entlang eines Fahrwegs geschoben wird” (Anspruch 2) gegeben ist. Eine derartige Kombination geht aber aus dem Streitpatent nicht hervor, womit auch angenommen werden kann, dass durch die Kombination der Merkmale kein besonderer technischer Effekt erzielt wird. Gleiches gilt auch für den Unteranspruch 4.

4.4 Unzutreffend ist, dass sich die Nichtigkeitsabteilung zu den Ansprüchen 5 bis 17 einer Aussage enthalten habe. Diesbezüglich wurde begründet, dass die Merkmale der Unteransprüche 5 bis 17 notorisch bekannt oder in dem von der Antragstellerin angeführten Dokumenten offenbart seien.

5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 122 Abs 1 und § 141 PatG iVm § 41 Abs 1 und § 50 ZPO.

6. Die ordentliche Revision war gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage zu lösen war, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zu käme. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO beruht auf der Bedeutung von Patentansprüchen im Wirtschaftsleben.

Rückverweise