JudikaturOLG Wien

133R132/17k – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 2018

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen des Widerspruchs gegen die Marke AT 283 575 über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtsabteilung des Patentamts vom 11.5.2017, WM 142/2015 7, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

Die Antragstellerin beruft sich auf

a) ihre Unionsmarke EUTM 012062642 , mit dem Anmeldedatum 13.08.2013 (erste Widerspruchsmarke)

eingetragen für diese Waren:

05 Nahrungsergänzungsstoffe; Diätetische Erzeugnisse und Lebensmittel für medizinische Zwecke.

29 Obstprodukte; Gallerten (Gelees); Marmeladen; Konfitüren; Kompott; Konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Eier; Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette.

30 Diätetische Süßwaren und feine Backwaren; zuckerfreie Süßwaren und feine Backwaren; Süßwaren und feine Backwaren für Personen mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten; Süßwaren und feine Backwaren für Diabetiker; Kaffee; Tee; Zucker; Reis; Tapioca; Sago; Künstlicher Kaffee; Mehle und Getreidepräparate; Brot; Honig; Melassesirup; Hefe; Backpulver.

32 Glutenfreie Biere.

b) die Internationale Marke mit der IR 893 777 (Priorität vom 30.12.2005 [IT MI2005C013742]; zweite Widerspruchsmarke)

registriert für diese Waren:

05 Alimentary and dietetic integrators; dietetic products; all for medical purposes.

30 Coffee, tea, cocoa, sugar, rice, tapioca, sago, artificial coffee; flour and preparations made from cereals, bread, pastry and confectionery, ices; honey, treacle; yeast, baking-powder; salt, mustard; vinegar, sauces (condiments); spices; ice.

Sie widersprach – beschränkt auf die Waren der Klassen 29, 30 und 32 – dieser Wortmarke (angegriffene Marke) AT 283575 (Anmeldedatum 2.3.2015):

GUSTO

die – bezogen auf die angegriffenen Klassen – für folgende Waren eingetragen ist:

29 Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte; Eier; Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Meeresfrüchte und Weichtiere (für Speisezwecke, nicht lebend); Molkereiprodukte und deren Ersatzprodukte; Vogeleier und Eierprodukte, nämlich verarbeitete Eier, Fertiggerichte hauptsächlich bestehend aus Eiern; verarbeitetes Obst und Gemüse (einschließlich Nüsse, Hülsenfrüchte) sowie verarbeitete Pilze; Fertiggerichte und Snacks vorwiegend aus tierischer Herkunft sowie aus für den Verzehr oder die Konservierung zubereitetem Obst, Gemüse sowie aus Nüssen und Hülsenfrüchten; Suppen und Brühen; Desserts, vorwiegend bestehend aus tierischer Herkunft sowie aus für den Verzehr oder die Konservierung zubereitetem Obst, Gemüse sowie aus Nüssen und Hülsenfrüchten;

30 Kaffee, Tee, Kakao und Kaffee-Ersatzmittel; Reis; Tapioca und Sago; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Speiseeis; Zucker, Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig, Soßen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis; Fertiggerichte und pikante Snacks vorwiegend aus Teig, Teigwaren, Reis und Zusätzen für die Geschmacksverbesserung (Würzmittel) ; Speisesalz, Würzmittel, Gewürze, Aromastoffe für Getränk e (nicht ätherisch); Back- und Konditoreiwaren, Schokolade, Süßspeisen vorwiegend aus Teig, Teigwaren, Reis und Zusätzen für die Geschmacksverbesserung (Würzmittel) ; natürliche Süßungsmittel, süße Glasuren und Füllungen sowie Bienenprodukte zu Speisezwecken; Eis, Eiscreme, gefrorener Joghurt, Sorbets; Kaffee, Tee, Kakao und Ersatzstoffe hierfür; verarbeitetes Getreide und Stärken für Nahrungsmittel sowie Waren hieraus, nämlich getrocknete und frische Teigwaren, Nudeln und Knödel, Cerealien, Haferbrei , Grütze, Teig, Backteig und Backmischungen hierfür; Backzubereitungen (Backwaren) und Hefe ; Pizzen; gekochte Süßspeisen vorwiegend bestehend aus Getreide;

32

Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; Biere; nichtalkoholische Getränke ; Präparate für die Zubereitung von Getränken;

(In den Klassen 30 und 32 werden die Waren Kaffee, Tee und Kakao sowie Biere doppelt genannt, ungeachtet dessen ist über diese Waren nur einmal zu entscheiden.)

Die angegriffene Marke sei wegen der Warenähnlichkeit und überwiegenden -identität zur Verwechslung mit der Widerspruchsmarke geeignet.

Das Patentamt gab dem Widerspruch in Bezug auf die oben fett hervorgehoben Waren der Klassen 29, 30 und 32 unbekämpft Folge und wies ihn im restlichen Umfang zur Gänze ab.

Begründend wurde ausgeführt, dass zur Widerspruchsmarke IR 893 777 eine ernsthafte, markenmäßige Benutzung im relevanten Zeitraum nur für die Waren der Klasse 30 „Reis, Getreidepräparate, Brot, feine Back- und Konditorwaren” glaubhaft gemacht worden sei. Die Widerspruchsmarke gelte daher für den Zweck der Prüfung des Widerspruchs nur für diese Waren in der Klasse 30 als eingetragen.

Zu vergleichen seien daher folgende Waren gewesen:

Zur Verwechslungsgefahr führte das Patentamt aus, es sei für ihre Beurteilung auf das Verständnis des österreichischen Durchschnittskonsumenten abzustellen, da die maßgeblichen Waren von jedermann gekauft werden könnten. Ein Vergleich der Waren ergebe eine Identität folgender Waren:

Klasse 29: konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte; Eier; Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette;

Klasse 30: Kaffee, Tee, Kaffee-Ersatzmittel; Reis; Tabioca und Sago, Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Speiseeis; Zucker, Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Back-und Konditoreiwaren, Backzubereitungen (Backwaren) und Hefe; sowie Klasse 32: Biere.

Die übrigen in der Klasse 29 der angegriffenen Marke angeführten Produkte „Molkerei- und deren Ersatzprodukte” seien ähnlich den älteren Waren „Milch und Milchprodukte”. „Vogeleier und Eierprodukte, verarbeitete Eier und Fertiggerichte hauptsächlich bestehend aus Eiern” seien ähnlich oder nahezu ident mit den Waren „Eier”. Das „verarbeitete Obst und Gemüse sowie Pilze, Fertiggerichte daraus, Desserts bestehend aus zubereitetem Obst und Gemüse sowie Nüssen und Hülsenfrüchten” wiesen eine Ähnlichkeit mit den älteren Waren „Obstprodukte, Gallerten, Marmeladen, Konfitüren, Kompott, konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse und mit den diabetischen Süßwaren, zuckerfreien und sonstigen Backwaren für Diabetiker und Personen mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten” auf. „Fertiggerichte und Snacks vorwiegend aus tierischer Herkunft und solche Desserts” seien aufgrund des tierischen Ursprungs ähnlich den Waren der Klasse 29 „Eier, Milch- und Milchprodukte”. „Desserts” ähnelten auch den Waren „Süßwaren und feine Backwaren”.

Sämtliche eingangs fett gedruckten Waren der Klasse 30 seien ähnlich den älteren Waren der Klassen 29 und 30, da sie nicht völlig gegensätzlicher Natur seien und in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und Verwendungsweise sowie ihrer Beschaffenheit und Herstellung, vor allem aber auch in ihren Herstellungs- und Verkaufsstellen, einander berührten.

„Andere alkoholfreie Getränke und nicht alkoholische Getränke” seien ähnlich den Waren „Biere”, da alkoholfreie Biere zu den nichtalkoholischen Getränken zählen würden und diese regelmäßig glutenfrei seien.

Die übrigen angegriffenen Waren in der Klasse 29 und 30 fänden keine Entsprechungen in den Waren der Widerspruchsmarke.

Der Vergleich der Wort-Bildmarken mit der Wortmarke ergebe im Gesamteindruck jedenfalls eine Ähnlichkeit.

Gegen den abweisenden Teil dieser Entscheidung richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die angegriffene Marke zur Gänze zu löschen.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Gemäß § 29a iVm § 30 Abs 1 Z 2 MSchG ist auf Widerspruch des Inhabers einer früher angemeldeten noch zu Recht bestehenden Marke eine Marke zu löschen, wenn die beiden Marken und die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marken eingetragen sind, gleich oder ähnlich sind und wenn dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht würde.

1.1. Im Widerspruchsverfahren ist in erster Linie auf den Registerstand abzustellen, also abstrakt zu prüfen (RIS-Justiz RS0066553 [T13]; RW0000786; RW0000810). Daher sind die gegenüberstehenden Marken laut Registrierung zu vergleichen. Auch hinsichtlich der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind ausschließlich die entsprechenden Registereintragungen maßgeblich und nicht, für welche Waren und Dienstleistungen oder in welchen Vertriebskanälen die Marken tatsächlich verwendet werden ( Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 30 Rz 5 f mwN).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören – ausgehend vom Registerstand – insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl C 39/97, Cannon/Canon [Rn 23]; Koppensteiner, Markenrecht 4 117 mwN bei FN 108).

1.2. Für den Begriff der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr gilt ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab, den der EuGH in mehreren Entscheidungen konkretisiert hat (zB C 191/11 P, Yorma’s [Rn 43]; EuG T 599/10, Eurocool [Rn 97]); dem folgt auch die ständige österreichische Rechtsprechung. Danach ist die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (ÖBl 2001, 159, T One mwN; ÖBl 2003, 182, Kleiner Feigling ua; RIS Justiz RS0121500 [insb T4], RS0121482, RS0117324; 4 Ob 238/04k; 4 Ob 154/06k; 17 Ob 1/08h; 17 Ob 32/08t; 4 Ob 7/12a; jüngst 4 Ob 139/13i und 4 Ob 228/14d; Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10 Rz 51 ff mwN).

1.3. Eine umfassende Beurteilung bedeutet, dass auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere die Ähnlichkeit der Marken, ihre Kennzeichnungskraft und die Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen ist (vgl RIS-Justiz RS0121482). So kann eine höhergradige Gleichartigkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen eine geringere Ähnlichkeit der Marken ausgleichen und umgekehrt (C 39/97, Cannon/Canon ). Folge dieser Wechselwirkung ist, dass bei Waren- oder Dienstleistungsidentität ein wesentlich deutlicherer Abstand der Zeichen selbst erforderlich ist, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen (RIS Justiz RS0116294; 4 Ob 36/04d, Firn; 17 Ob 36/08f, Kobra/cobra-couture.at; Koppensteiner, Markenrecht 4 111 mwN).

1.4. Bei ausschließlich aus Worten bestehenden Zeichen ist für die Ähnlichkeitsprüfung auf Wortklang, -bild und -sinn Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0117324, RS0066753, insb [T9]; C 251/95, Sabel/Puma; C 206/04, Muelhens ). Dabei ist jedoch immer der Gesamteindruck maßgebend; entscheidend ist die Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren oder Dienstleistungen, der die Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die Einzelheiten achtet (RIS-Justiz RS0117324; 4 Ob 124/06y = ÖBl 2007, 210, Hotel Harmonie/Harmony Hotels ).

1.5. Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist in der Regel der Wortbestandteil für den Gesamteindruck maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort – sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RIS-Justiz RS0066779; Koppensteiner, Markenrecht 4 116). Das Recht an einer Wortbildmarke wird daher regelmäßig auch durch solche Zeichen verletzt, die nur den unterscheidungskräftigen Wortbestandteil in einer zur Herbeiführung von Verwechslungen geeigneten Weise wiedergeben (ÖBl 1988, 154, Preishammer; ÖBl 1996, 279, Bacardi/Baccara; 4 Ob 119/02g; 4 Ob 10/03d, More ).

1.6. Verwechslungsgefahr ist in der Regel schon dann anzunehmen, wenn Übereinstimmung in einem der Kriterien Bild, Klang oder Bedeutung besteht (4 Ob 330/97a = ÖBl 1998, 246, Go; 4 Ob 55/04y = RIS Justiz RS0079190 [T22]; 17 Ob 36/08f, Kobra/Cobra ).

Wird eine Marke vollständig in ein Zeichen aufgenommen, so ist regelmäßig – und zwar auch dann, wenn noch andere Bestandteile vorhanden sind – Ähnlichkeit und damit bei Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit auch Verwechslungsgefahr anzunehmen (4 Ob 138/03b, gotv; 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel; 4 Ob 181/14t, Peter Max/Spannmax = OLG Wien 34 R 5/14a; RIS-Justiz RS0079033). Bei der Übernahme eines schwachen Zeichens besteht Verwechslungsgefahr, wenn das übernommene Zeichen innerhalb des übernehmenden Zeichens keine untergeordnete Rolle spielt und nicht gegenüber den Bestandteilen, die den Gesamteindruck des übernehmenden Zeichens prägen, gänzlich in den Hintergrund tritt (Om 15/01 = PBl 2002, 135, Jack Jones; 17 Ob 1/08h, Feeling/Feel; 17 Ob 32/08t, Jukebox; RIS-Justiz RS0079033 [T20]; RIS-Justiz RS0079033 [insb T26]).

Auch nach der Judikatur des EuGH (vgl C 120/04, Thomson life) kann – übereinstimmend mit der vorgenannten, jüngeren Rechtsprechung – bei identischen Waren oder Dienstleistungen Verwechslungsgefahr für das Publikum bestehen, wenn das strittige Zeichen durch die Aneinanderreihung der Unternehmensbezeichnung eines Dritten und einer normal kennzeichnungskräftigen eingetragenen Marke gebildet wird und die ältere Marke im zusammengesetzten Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält (vgl 7 Ob 32/08t, Jukebox; Om 12/10 PBl 2011, 67, PeakZero; 4 Ob 181/14t, Peter Max/Spannmax ) .

1.7. Bereits aus älteren Entscheidungen des OGH ergibt sich, dass (unter bestimmten Voraussetzungen) ein abweichender Begriffsinhalt trotz Ähnlichkeit im Wortbild oder Wortklang die Verwechselbarkeit ausschließen kann (4 Ob 30/89 mwN; RIS-Justiz RS0079571 [T17, T18]; vgl zuletzt vgl 4 Ob 228/14d). Dies stimmt mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH überein, wonach Bedeutungsunterschiede die optische und klangliche Ähnlichkeit zweier Zeichen „neutralisieren” können. Dies setzt voraus, dass zumindest eine der kollidierenden Marken aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise eine eindeutige und bestimmte Bedeutung hat, welche die Verkehrskreise ohne weiteres erfassen können (C 361/04 P, Picaro/Picasso; C 206/04 P, Mühlens; C 16/06 P, Mobilix/Obelix; weitere Nachweise bei Ingerl/Rohnke, Markengesetz 3 § 14 Rz 928, und bei Onken in Beck’scher Online-Kommentar Markenrecht [Stand 1.12.2014] § 8 Rz 22; vgl auch BGH I ZR 102/07, GRUR 2010, 235, AIDA/AIDU, mwN zur deutschen Rsp).

1.8. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zudem eine Rechtsfrage und daher grundsätzlich auch keinem Beweisverfahren zugänglich (ÖBl 1994, 227, Ritter/Knight; stRsp RIS-Justiz RS0043640).

2. Wendet man diese Grundsätze hier an, so hat das Patentamt zutreffend die Verwechslungsgefahr in Bezug auf die in Rekurs gezogenen Warenklassen verneint. Das Rekursgericht hält die diesbezügliche Begründung der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen für zutreffend, sodass vorweg darauf verwiesen werden kann (§ 139 PatG iVm § 37 Abs 2 MSchG und § 60 Abs 2 AußStrG).

Im konkreten Fall stehen einander folgende Warenklassen gegenüber:

Zur Warenklasse 32 geht das Rekursgericht insofern von der Entscheidung des Patentamts aus, als die Löschung von „andere alkoholfreie Getränke” und „nichtalkoholische Getränke” den Bestand folgender Waren nicht beseitigt: „Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte” (obwohl nach dem allgemeinen Sprachgebrauch diese Flüssigkeiten auch dem Begriff „alkoholfreie/nichtalkoholische Getränke” unterfallen könnten); vergleiche angefochtene Entscheidung Seite 10 oben.

2.1. Die Antragstellerin moniert, die verbleibenden Warenklassen seien bereits deshalb ähnlich, weil sie alle typischerweise im Einzelhandel vertrieben und einander gegenseitig ergänzen oder als Zutaten dienen würden.

2.2. Die Argumentation der Antragsstellerin in Bezug auf die Ähnlichkeit der der Antragsgegnerin verbliebenen Warenklassen überzeugt das Rekursgericht nicht.

Nach der Rechtsprechung des EuGH muss die Nähe zwischen den fraglichen Waren/Dienstleistungen geeignet sein, bei den angesprochenen Verkehrskreisen die Vorstellung hervorzurufen, dass die Waren/Dienstleistungen, wenn sie mit dem gleichen oder einem ähnlichem Zeichen versehen sind, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann ( Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz 2 § 10 Rz 102 ff mwN).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen (vgl Punkt 1.1), die das Verhältnis zwischen den Waren und der Dienstleistung kennzeichnen. Dabei ist auf die Verkehrsauffassung nach den berechtigten Verbrauchererwartungen abzustellen. Für die Prüfung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit ist vor allem der Registerstand maßgeblich (vgl 4 Ob 225/03x, Lumina; 4 Ob 180/02d, Opus One ).

Des weiteren ist für die Auslegung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses grundsätzlich auf die Verhältnisse im Prioritätszeitpunkt abzustellen. Die im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis verwendeten Gattungsbezeichnungen sind entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch und nach dem objektiven Verkehrsverständnis auszulegen. Die im Nizzaer Abkommen festgelegte Klassifikation der Waren und Dienstleistungen dient ausschließlich Verwaltungszwecken. Es ist nicht entscheidend, ob die Waren und Dienstleistungen jeweils in der selben Klasse aufscheinen (Om 3/09, Arccos/Archos ).

Einander ergänzende Waren sind solche, zwischen denen ein enger Zusammenhang besteht, weil die eine Ware für die Verwendung der anderen Ware unverzichtbar oder bedeutsam ist, sodass der Verbraucher annehmen könnte, die Herstellung beider Waren liege in der Verantwortung desselben Unternehmens (funktionelle Komplementarität). Von einer Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit kann aber nur dann ausgegangen werden, wenn trotz der Identität der Marken die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Waren und Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist.

2.3. Ausgehend davon sind die der angegriffenen Marke verbliebenen Waren mit jenen der Widerspruchsmarke weder in der Art, der Beschaffenheit, dem Verwendungszweck und der Nutzung ähnlich, weil keine ausreichende Nahebeziehung zwischen den zu vergleichenden Waren geschaffen wird. Dass diese Waren mitunter in den selben Geschäften/Kaufhäusern verkauft werden, ist nicht aussagekräftig, weil der Verbraucher gewohnt ist, diesen Waren nicht automatisch dieselbe Herkunft zuzuschreiben (vgl C 104/05 P, Emidio Tucci/Emilio Pucci ). Fleisch, Fisch, Geflügel, Wild, Meeresfrüchte und Weichtiere sowie Fleischextrakte (sowie die im Rekurs nicht erwähnten Suppen und Brühen) werden tatsächlich so wie die relevanten Produkte der Widerspruchsmarke oft im Lebensmitteleinzelhandel vertrieben, die Beurteilung ausschließlich nach diesem Kriterium würde allerdings nahezu sämtliche Unterscheidungen von Lebensmittelgruppen hinfällig machen. Diese Argumentation greift in ihrer Allgemeinheit daher ebenso zu kurz wie die Ergänzung oder mögliche Verwendung als Zutat. Dies mag im Einzelfall gegeben sein, eine typische Verknüpfung, welche eine ausreichende Ähnlichkeit begründen würde, sieht das Rekursgericht allerdings nicht. Hier gibt es keinen Grund für den Durchschnittskonsumenten vom Vertrieb von Obst-, Gemüse- und Milchprodukten einen Rückschluss auf Fleisch- und Fischprodukte zu ziehen.

Ähnliches gilt in Bezug auf Kakao im Verhältnis zu Kaffee und Tee. Tee und Kakao unterscheiden sich bereits in ihrer stofflichen Beschaffenheit gravierend, Kaffee und Kakao ähneln einander zwar darin, richten sich aber an grundsätzlich unterschiedliche Abnehmerkreise. Wer Kaffee kauft, kauft nicht naheliegenderweise auch Kakao, möglicherweise sogar nie. Auch umgekehrt kann ein Kakaokonsument auch jemand sein, der nie Kaffee trinkt. Eine bekannte Kaffeemarke mit Kakao zu assoziieren drängt sich weder in die eine noch in die andere Richtung auf. Einen engen (bedeutsamer/unverzichtbarer) Zusammenhang kann der Verbraucher nicht herstellen, ebensowenig betreffend Ersatzstoffe für Kakao.

Auch Pizzen weisen insoweit nicht die notwendige Übereinstimmung auf, als bei der Gesamtbetrachtung der Klasse 30 eindeutig der Schwerpunkt auf süßen und speziell für Diabetiker oder Personen mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten geeigneten – ebenso süßen – Backwaren liegt. Bei den dort erfassten Backwaren steht der Teig und seine Zusammensetzung im Vordergrund. Im Gegensatz dazu definiert sich das Produkt „Pizza” regelmäßig über den Belag, der Teig ist untergeordnetes Trägermaterial. Dass das Patentamt Fertiggerichte und Snacks, vorwiegend aus Teig, zutreffenderweise als ähnlich angesehen hat, vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern, da dies der allgemeinere Überbegriff ist, unter den auch die von der Widerspruchsmarke angeführten Produkte fallen können.

Richtig ist zweifellos, dass Soßen, Senf, Essig und sonstige Würzmittel auch mit eingemachtem oder getrocknetem Gemüse gemeinsam verzehrt werden oder zu dessen Verfeinerung dienen können. Ein Zusammenhang, der in die Nähe einer funktionellen Komplementarität käme, ergibt sich daraus nach Ansicht des Rekursgerichtes aber nicht. Hier gibt es die Möglichkeit einer gemeinsamen Verwendung, die unter bestimmten Umständen passiert; besonders bedeutsam sind diese Produkte für die Waren der Widerspruchsmarke aber gerade nicht. Es fehlt an einer Unverzichtbarkeit, die einen engen Zusammenhang herstellen und damit die Verbindung zwischen den Unternehmen schaffen würde.

Auch Fleisch und Eier sowie Geflügel und Eier können, aber müssen gerade eben nicht im Bezug auf Hersteller, Endverbraucher und Vertriebskanäle übereinstimmen. Es fehlt auch hier an einem typischen Element, welches eine spezielle, für den Endverbraucher wahrnehmbare und damit relevante Verbindung zwischen diesen Produkten herstellen würde und somit diese Waren miteinander als von einem Unternehmen stammend in Verbindung bringen könnte.

Dass zwischen glutenfreiem Bier (nur das ist im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten) und Aromastoffen für Getränke eine Warenähnlichkeit bestünde, überzeugt nicht. Die grundsätzliche Möglichkeit, (glutenfreies) Bier – wie im übrigen viele andere Dinge auch – mit Aromastoffen zu versetzen, schafft keinen ausreichenden Zusammenhang. Die verbliebenen Warenklassen: „glutenfreie Biere und Mineralwasser, Fruchtsäfte sowie derartige Präparate” unterscheiden sich ausreichend, daran ändert sich entgegen der Ansicht der Rekurswerberin nichts dadurch, dass das Patentamt die Obergruppen von alkoholfreien Getränken in Folge ihrer Allgemeinheit als verwechslungsfähig beurteilt hat.

2.4. Im Hinblick darauf, dass in Bezug auf die verbliebenen Produkte keine Warenähnlichkeit gegeben ist, schadet die moderate Zeichenähnlichkeit nicht, und es ist daher in Bezug auf die verbleibenden Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke keine Verwechslungsgefahr gegeben.

Im Ergebnis bedarf daher die Entscheidung des Patentamts keiner Korrektur.

3. Da die Entscheidung keine bisher von der Rechtsprechung unbeantworteten Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufweist und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist, ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

Rückverweise