132Bs375/17t – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch den Senatspräsidenten Dr. Dostal als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Vetter und den fac h kundigen Laienrichter Oberst Mörwald als weitere Senat s mitglieder in der Vollzugssache des W***** N***** über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom ***** , GZ ***** , nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen .
Text
B e g r ü n d u n g
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesg e richt für Strafsachen Graz als zuständiges Vollzugsg e richt eine Beschwerde des W***** N***** gegen den Bescheid des Leiters der Justizanstalt *****, GZ *****, vom *****, mit der seiner Beschwerde gegen die Anordnung des Beamten G***** R***** am *****, eine von der Anstalt zur Verfügung gestellte Box zum Transport seiner Utensilien zu verwe n den, nicht Folge gegeben wurde, als unzulässig zurück.
Begründend führte das Vollzugsgericht aus, dass W***** N***** seit ***** in der Justizanstalt ***** eine Lehrausbildung für Elektro- und Gebäudetec h nik absolviere. Seitens der Justizanstalt ***** seien den Strafgefangenen zur Beförderung unbedingt no t wendiger Utensilien durchsichtige Plastikboxen ausgefolgt worden. Am ***** wollte W***** N***** gegen ***** Uhr Schulsachen in den Arbeitsbetrieb mit seiner eigenen, etwas größeren und mit einem Tragegurt verseh e nen Box, in den Arbeitsbetrieb befördern. Im Bereich des zweiten Kontrollgitters wurde er von Hauptmann G***** R***** angewiesen, sich zurück in den Haftraum zu begeben und zur Beförderung der in der Berufsschule benötigten Schulutensilien, die von der Justizanstalt zur Verfügung gestellte Plastikbox zu verwenden. Dieser Aufforderung kam W***** N***** nach. Beim Eintreffen im Lehrbetrieb führte er die für den betreffenden Tag erforderlichen Schulutensilien mit.
Weiters schloss sich das Vollzugsgericht der Bewei s -
würdigung des Anstaltsleiters an und führte zusätzlich aus, dass sich aus den Stellungnahmen des Ing. K***** H***** und des AI H***** P***** zweifelsfrei ergäbe, dass die zur Verfügung gestellte Plastikbox geeignet gewesen sei, die unbedingt notwendigen Schulutensilien zu transporti e ren. Konkret lasse sich aus der vom Beschwerdeführer bemühten Bestimmung des § 22 StVG ein subjektiv-öffentl i ches Recht auf Transport für den Unterricht erforderl i chen Gegenständen in einer anderen als der vom Anstalt s leiter zur Verfügung gestellten Plastikbox nicht able i ten. Schließlich ließen auch die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Vereinsfreiheit keinen Rückschluss auf ein in diesem Zusammenhang stehendes subjektiv-öffentliches Recht zu.
Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde des W***** N*****(ON 8), in der er – soweit Bezug zum Beschwerdegegenstand herstellend – zusammengefasst au s führt, dass seine Schulutensilien nicht in der von der Justizanstalt zur Verfügung gestellten Kunststoffbox Platz finden würden, was sich sowohl aus der Stellun g nahme des AI P***** als auch des Berufsschullehrers Mag. H***** ergäbe. Weiters sei es technisch unmöglich, dass sein Bene-Ordner mit den Schulblättern in die von der Justizanstalt zur Verfügung gestellte Kunststoffbox passe. Die Entscheidung des Vollzugsgerichts sei insofern zu beanstanden, als Strafgefangene unter anderem unter Achtung ihres Ehrgefühls und der Menschenwürde zu beha n deln seien. Wenn einem Strafgefangenen die Anordnung erteilt werde, dass eine Kunststoffbox für den Transport verwendet werden muss, obwohl offensichtlich sei, dass die benötigten Schulartikel nicht dort Platz finden wü r den und der Lehrling sohin nicht alle wichtigen und ben ö tigten Schulartikel zum Unterricht mitnehmen dürfe, so werde in Bezug auf seine Person nicht nur § 22 StVG ve r letzt, sondern auch Artikel 11 EMRK.
Die Justizanstalt ziele sohin nicht darauf ab, die
notwendigen Lehrinhalte zu vermitteln, sondern ihn mit schikanösen und willkürlichen Anordnungen an der Ausbi l dung zu hindern. Überdies sei die Kunststoffbox für max i mal drei Kilo Füllvolumen ausgelegt, was ihm die Firma I***** bestätigt habe.
Weiters werden die §§ 62, 64 und 86 StVG ins Treffen
geführt, wonach der Strafgefangene ein subjektiv-öffen t liches Recht habe, Aufzeichnungen zu führen und ihm diese über Verlangen zu belassen seien, sowie ein Recht auf Führen von brieflicher Korrespondenz mit Behörden, weil dies nach § 90b StVG besonders privilegiert sei. Weiters habe gemäß § 8 AVG der Strafgefangene das subjektiv-öffentliche Recht seinen Standpunkt der Behörde darzutun und sei ihm gemäß § 45 AVG die Gelegenheit zu geben vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und Ste l lung dazu zu nehmen. Ohne Zugang zu seinen digitalen Au f zeichnungen habe die Justizanstalt *****, die ihm seinen PC abgenommen habe, ohne die gewünschten Dokumente in Papierform auszudrucken, Einfluss auf den Ausgang di e ses Beschwerdeverfahrens genommen.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Let z tere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat.
Strafgefangenen kommt gemäß §§ 120 f StVG ein su b jektiv-öffentliches Recht auf Beschwerde bei Behauptung einer Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte zu (vgl Pieber W K 2 StVG § 16 Rz 11/2). Beschwerde wegen einer Verletzung von Regelungen, aus denen für den Strafgefa n genen keine subjektiv-öffentlichen Rechte abgeleitet we r den können, sind als unzulässig zurückzuweisen ( Pieber , ebenda Rz 11/5).
Ob das StVG dem Einzelnen ein subjektiv-öffentliches Recht einräumt, ist nicht immer eindeutig dem Gesetze s wortlaut zu entnehmen. Der VwGH entwickelte daher eine Zweifelsregelung, nach der immer dann, wenn eine Person ein Interesse an der Erfüllung einer Pflicht hat, welche für die gesetzliche Festlegung der verpflichtenden Norm maßgebend war, die Vermutung für ihre Befugnis zur Rechtsverfolgung besteht ( Drexler, StVG3 § 22 Rz 6 mwN).
Wie vom Vollzugsgericht zutreffend erkannt lässt sich aus der vom Beschwerdeführer bemühten Bestimmung des
§ 22 StVG, wonach die Strafgefangenen mit Ruhe, Ernst und Festigkeit, gerecht sowie unter Achtung ihres Ehrgefühls und der Menschenwürde zu behandeln sind, ein subjektiv-öffentliches Recht auf Benützung einer nicht von der Ju s tizanstalt ***** zur Verfügung gestellten Plasti k box, nicht ableiten.
Darüber hinaus widerspricht die beanstandete Anor d nung des Justizwachebeamten G***** R*****, die vorgegebene Box zu verwenden, nicht dem Zweck des Strafvollzugs nach § 20 StVG, den Strafgefangenen zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepas s ten Lebenseinstellung zu verhelfen ( Drexler, StV G 3 § 20 Rz 5).
Insofern die Feststellung des Vollzugsgerichts moniert wird, in der von der Justizanstalt vorgegebenen Plastikbox hätten am Vorfallstag die notwendigen Schulu n terlagen Platz gehabt und hiefür die Stellungnahmen des AI P***** und des Berufsschullehrers Mag. H***** ins Treffen geführt werden, ist zu entgegnen, dass die vom Vollzugsgericht daraus gezogenen Feststellungen nicht zu beanstanden sind. Das Vorbringen des Beschwerdeführers aus der Stellungnahme des AI P***** ergäbe sich, dass die Schulutensilien nicht in der von der Justizanstalt zur Verfügung gestellten Kunststoffbox Platz finden wü r den, steht schon der Wortlaut dessen Aussage entgegen („ Als der Insasse im Installation 1 LB. ankam, wurde von mir und dem BS.-Lehrer kontrolliert, was der Insasse in seiner Plastikbox mitführt. Es waren die Schulutensilien die er für diesen Tag braucht“ [ON 5 S 23]). Ing. Mag. K***** H***** gab lediglich an, die fünf Zeilen unter Punkt IX. auf Seite 5/6 so bestätigen zu können (ON 5 S 24). Diese fünf Zeilen aus der Beschwerde des W***** N***** lauten „Dort angekommen schilderte ich den gesamten Sachverhalt den anwesenden Strafvollzugsbeamten Abteilungsinspektor P***** und dem bereits wartenden Berufsschullehrer DP Ing. Mag. K***** H*****, bakk. Phil. Ich erklärte mich auf Nachfrage damit einverstanden, dass in der Kunststoffbox Nachschau gehalten wird, ob ich nur für diesen Schultag im Betrieb benötigte Schulartikel mitführe. In weiterer Folge wurde festgestellt, dass meine Angaben zutreffend sind“.
Insofern der Beschwerdeführer aus der Äußerung des
Mag. H***** nun ableiten will, dass wie von ihm in seinem „Einspruch“ angegeben, die wichtigsten und benötigten unter Punkt IV. von ihm detailliert angeführten Schul u tensilien eben nicht in der von der Justizanstalt zur Verfügung gestellten Kunststoffbox Platz finden würden, stellt er eigene Interpretationen der Äußerung des Mag. H***** an, die nicht geeignet sind, die lebensnahen, auch in Einklang mit der Stellungnahme des AI P***** stehe n den, Schlussfolgerungen des Erstgerichts zu entkräften.
Inwieweit Art 11 EMRK (Versammlungs- und Verein i gungsfreiheit) dadurch verletzt worden sei, dass die Kunststoffbox nicht geeignet sei, einen Standard Bene-Ordner zu transportieren, ist aus dem Vorbringen nicht ableitbar. Nicht erkennbar ist auch, inwiefern der Stra f vollzugsbeamte G***** R***** durch die bekämpfte Anordnung das Grundrecht auf Vereinsfreiheit verletzt haben soll. Eine entsprechende Begründung bleibt der Beschwerdeführer schuldig und ist eine solche auch aus dem Akteninhalt nicht ableitbar.
Überdies ist aus den vom Vollzugsgericht getroffenen
Feststellungen nicht ersichtlich, dass die Box nicht geeignet war, die am Vorfallstag benötigten Schulutens i lien zu transportieren. Es liegen sohin keine Anhalt s punkte vor, die eine Feststellung dahingehend indizieren würden, dass die Plastikboxen generell nicht den vorges e henen Zweck erfüllen können, oder deren Benutzung die Ausbildung des Beschwerdeführers behindern würden.
In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass das Beschwerderecht nach §§ 120, 121 StVG auch nicht der Herbeiführung der Erlassung genereller Anordnungen für den Strafvollzug zu dienen hat ( Drexler , StV G 3 § 122 Rz 2). Vielmehr besteht die Möglichkeit bei einem vermein t lichen Missbrauch nicht subjektive Rechte betreffender Entscheidungs- oder Anordnungsbefugnisse des Anstaltsle i ters das Aufsichtsrecht des Bundesministeriums für Justiz anzurufen ( Drexler , StVG³ § 122 StVG Rz 5).
Insofern der Beschwerdeführer im Hinblick darauf, dass sein Laptop am ***** dem ***** übergeben worden sei und es ihm unmöglich gewesen sei, Zugang zu seinen digitalen Akten zu haben, vorbringt, nicht in der Lage gewesen zu sein, seine Rechtsmittel vollständig au s zuüben und daher die subjektiv-öffentlichen Rechte nach §§ 62, 64, 86, 90b StVG sowie §§ 8 und 45 AVG verletzt worden seien, vermag er keine Mängel an der Entscheidung des Vollzugsgerichts aufzuzeigen.
§ 62 StVG bezieht sich nicht auf elektronische Daten
( Drexler, StV G 3 § 62 Rz 2) und ist daher vorliegend nicht anwendbar. Ebenso sind aus den §§ 64, 86 90b StVG keine Schlussfolgerungen zu ziehen, die fallkonkret die Verle t zung eines subjektiv-öffentlichen Rechts bewirkt hätten. Darüber hinaus sind die Beschwerden ausführlich und zie l gerichtet ausgeführt und vermag der Beschwerdeführer auch nicht darzulegen, welche Unterlagen ihm eine andere inhaltliche Stellungnahme ermöglicht hätten. Der Vollständigkeit halber bleibt in diesem Zusammenhang anzume r ken, dass auch im Rechtsmittelverfahrens das Recht auf Akteneinsicht besteht. Weiters vermag der Beschwerdefü h rer im Hinblick auf den von ihm ins Treffen geführten Artikel 6 EMRK nicht darzulegen, inwiefern ihm rechtl i ches Gehör verweigert worden wäre.
Die §§ 8 und 45 AVG, vom Beschwerdeführer bezeichnet als das subjektiv-öffentliche Recht seinen Standpunkt der Behörde darzutun und Gelegenheit zu haben, zu Ergebnissen der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, wurden im Verfa h ren nicht verletzt und wurde hier auch vom Beschwerdefü h rer keine konkrete Verletzung benannt.
Insoweit der Beschwerdeführer Feststellungen ve r langt, etwa, dass es die Justizanstalt ***** kün f tig zu unterlassen habe, durch Abnahme digitaler Au f zeichnungen und gleichzeitiger Verweigerung diese in Papierform auszudrucken, auf den Ausgang von Strafvol l zugsverfahren Einfluss zu nehmen oder die Feststellung Hauptmann G***** R***** habe sein Verhalten ihm gegenüber entsprechend der Vorgaben des StVG und der EMRK anzupa s sen, wird nochmals darauf verwiesen, dass das Beschwerd e recht nach §§ 120, 121 StVG nicht der Herbeiführung der Erlassung genereller Anordnungen für den Strafvollzug dient.
Im Hinblick auf die behauptete Abnahme des PCs und der Verweigerung von Ausdrucken ist festzuhalten, dass diese Abnahme nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfa h rens ist.
Mangels Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts war sohin spruchgemäß zu entscheiden.