132Bs15/18b – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch den Senatspräsidenten Dr. Dostal als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Vetter und den fac h - kundigen Laienrichter Oberst Mörwald als weitere Senat s mitglieder in der Vollzugssache des M***** G***** wegen Nichtgewährung des Strafvollzugs in Form des elektronisch überwachten Hausarrests über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts ***** als Vollzugsgericht vom ***** , GZ ***** , nach § 121b Abs 2 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerl i chen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstg e richt zurückverwiesen .
Text
B e g r ü n d u n g :
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Landesg e richt ***** als Vollzugsgericht einer Beschwerde des Verurteilten gegen den Bescheid der Anstaltsleiterin der Justizanstalt ***** vom ***** , GZ ***** , mit dem der Antrag des Verurteilten auf Vollzug der mit Urteil des Landesgerichts ***** vom ***** (rechtskräftig seit ***** ), AZ ***** , verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von ***** Monaten in Form des elektronisch überwachten Hau s arrests (im Weiteren: eüH) abgewiesen worden war, nicht Folge und hielt zusammengefasst fest, dass die Vorausse t zungen nach § 156c Abs 1 Z 1 bis Z 3 StVG vorlägen, allerdings von einer Missbrauchsgefahr iSd § 156c Abs 1Z 4 StVG auszugehen sei.
Dabei führte das Vollzugsgericht die ***** Vorverurte i lungen (davon im Hinblick auf §§ 31, 40 StGB ***** zählbare) an, wobei den Verurteilungen vorwiegend strafbare Han d lungen gegen fremdes Vermögen, die körperliche Unve r sehrtheit und gegen die Freiheit sowie auch Suchtmitte l delikte zugrunde lägen. Zuletzt sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichts ***** vom ***** , AZ ***** , rechtskräftig seit ***** wegen des Vergehens des ***** nach § ***** StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden, wobei die letzte Tathan d lung am ***** und somit rund ein halbes Jahr nach der gegenständlichen Verurteilung gesetzt wurde. Nach Angaben des Beschwerdeführers konsumiere dieser seit ***** keine illegalen Substanzen mehr. Im Rahmen des bei der Justizanstalt ***** am ***** durchg e führten Parteiengehörs erklärte der Beschwerdeführer gleichfalls, seit geraumer Zeit keinerlei illegale Su b stanzen konsumiert zu haben. Der am selben Tag durchg e führte Harntest ergab jedoch ein auf B***** posit i ves Ergebnis, woraufhin der Beschwerdeführer die Konsum a tion dieser Substanz zugestanden habe.
Bei B***** handle es sich um ein Suchtgift iSd
§ 2 Abs 3 SMG, zumal dieser Drogenersatzstoff im Anhang IV der Suchtgiftverordnung Punkt IV.2. ausdrücklich ang e führt sei. Auch wenn der Beschwerdeführer angebe, dieses Medikament im Rahmen des Substitutionsprogramms durch einen Arzt verschrieben bekommen zu haben, räume er selbst ein, dieses entgegen den strengen ärztlichen Vo r gaben aufbewahrt und erst nach Beendigung der Drogene r satztherapie ohne die erforderliche ärztliche Aufsicht eigenmächtig eingenommen und sohin illegal konsumiert zu haben. Da er nicht nachweisen habe können, dass er auf herkömmliche Schmerzmittel allergisch reagiere und de s halb B***** als Schmerzmittel eingenommen habe, sei insbesondere auch mit Rücksicht auf die kürzlich erfolgte Verurteilung durch das Bezirksgericht ***** zu ***** in Übereinstimmung mit der Anstaltsleiterin – die die Ablehnung einzig auf den positiven Harntests stützte - von einer Missbrauchsgefahr iSd § 156c Abs 1 Z 4 StVG auszugehen.
In seiner dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde (ON 6) moniert M ***** G ***** , dass er bereits im Rahmen des Parteiengehörs am ***** angegeben habe, das Medikament mit dem Wirkstoff B***** ärztlich verschrieben bekommen zu haben, weil er an einer Unverträglichkeit gegenüber anderen herkömml i chen Schmerzmitteln leide. Aus der bereits am ***** vorgelegten Stellungnahme des Dr. S ***** ergebe sich, dass beim Beschwerdeführer mehrfache Schmerzmittelallergien bekannt seien, welche einem Alle r giepass zu entnehmen sind. Dies bedeute nichts anderes, als dass der Beschwerdeführer bereits beim Parteiengehör am ***** die Wahrheit gesagt habe. Von der ärztlich verordneten Packung habe der Beschwerdeführer dann bei sich zu Hause auf Grund starker Schmerzen im Rücken eine Tablette genommen. Eine negative Missbrauch s prognose entbehre somit jeglicher Grundlage, da nicht zu befürchten sei, dass der Beschwerdeführer den eüH dazu missbrauchen werde, um in weiterer Folge Drogendelikte zu begehen.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das
Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 leg cit wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, wenn das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat.
Die Bewilligung eines eüH hängt von den Umständen
des jeweiligen Einzelfalls ab und begründet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 16a Abs 3 StVG, wenn das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen di e ser Vollzugsform abweicht, eine solche fehlt oder unei n heitlich ist. Dabei zu treffende Ermessensentscheidungen bewirken gemäß § 16a Abs 2 StVG keine Rechtswidrigkeit, insbesondere weil die Einschätzung, ob die Gefahr besteht, der Verurteilte werde die Vollzugsform des eüH missbrauchen, eine Prognoseentscheidung darstellt, bei welcher den Strafvollzugsbehörden innerhalb der gesetzl i chen Parameter ein Beurteilungsspielraum zukommt ( Pieber in WK2 StVG § 16a Rz 5; Drexler, StVG3 § 16a Rz 2).
Vorauszuschicken ist, dass im gegenständlichen Ve r -
fahren Neuerungsverbot besteht, weil Beschlüsse des Vol l zugsgerichts - das nicht als erste Instanz entscheidet - nach § 16 Abs 3 StVG nur wegen Rechtswidrigkeit angefoc h ten werden können (vgl Pieber in WK²StVG § 121a Rz 3; OLG Wien, 33 Bs 48/14x) und gemäß § 17 Abs 2 Z 2 iVm Z 1 StVG die Bestimmung des § 65 AVG, wonach Neuerungen im Ber u fungsverfahren zulässig wären, nicht anzuwenden ist.
Die nach Entscheidung des Vollzugsgerichts (ON 5) und nunmehr mit dem Rechtsmittel nochmals vorgelegte ärztliche Stellungnahme des Dr. S ***** ist daher unb e achtlich und vermag im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Wien keine Abänderung der bekämpften Entscheidung herbeizuführen.
Darüber hinaus hat das Vollzugsgericht zutreffend erkannt, dass B***** nach Anhang IV.2. der Such t giftverordnung den psychotropen Stoffen gleichgestellt ist. Insofern sich die Ablehnung des eüH auf den illeg a len Konsum dieser Substanz stützt, ist festzuhalten, dass bereits begangene strafbare Handlungen Risikofaktoren darstellen, die neben den Wohnverhältnissen und dem sozialen Umfeld des Verurteilten in die Beurteilung der Missbrauchsgefahr einzufließen haben. Darüber hinaus sind die Gefährlichkeit des Betroffenen, Art und Beweggrund der Anlasstat oder früherer Verurteilungen, der nunme h rige Lebenswandel und die Chance auf ein redliches For t kommen nach der Haft als weitere Aspekte zu berücksicht i gen ( Drexler , StVG³ § 156c Rz 8).
Nach § 30 SMG ist – soweit gegenständlich relevant –
zu bestrafen, wer einen psychotropen Stoff vorschrift s widrig besitzt. Abgesehen davon, dass ein Patient, der ein solches Medikament verschrieben bekommt, dieses nicht vorschriftswidrig besitzt, müsste sich auch der Vorsatz des Täters auf die Vorschriftswidrigkeit beziehen (vgl Schwaighofer in WK² SMG § 27 Rz 5 f). Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist eine strafbare Handlung des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem Konsum des psychotropen Stoffes sohin nicht indiziert und wäre daher auch nicht geeignet, den Widerrufsgrund nach § 156c Abs 2 Z 5 StVG zu verwirklichen (vgl Drexler aaO Rz 9).
Nur der Vollständigkeit halber bleibt anzumerken, dass nach dem materiellrechtlichen Strafausschließung s- grund des § 30 Abs 3 Z 1 SMG nicht strafbar ist, wer Ar z neimittel, die einen psychotropen Stoff enthalten, für den persönlichen Gebrauch besitzt. Mit dieser Regelung soll die Kriminalisierung von Personen verhindert werden, die Medikamente, die einen psychotropen Stoff enthalten, lediglich selbst missbrauchen ( Fabrizy , SMG6 § 30 Rz 4).
Somit vermag der vom Vollzugsgericht argumentativ in
den Vordergrund gerückte positive Harntest, der „insb e sondere auch mit Rücksicht auf die Verurteilung durch das Bezirksgericht ***** zu ***** wegen des Ve r gehens des ***** nach § ***** StGB“ zu einer Missbrauch s gefahr führe,
die negative Missbrauchsprognose nicht zu tragen.
Darüber hinaus nennt das Erstgericht zwar die Anzahl der Vorverurteilungen, berücksichtigt aber weder den Beweggrund der Anlasstat noch der strafbaren Handlung zum angeführten Urteil des Bezirksgerichts ***** . Ebens o wenig werden die Aspekte eines möglicherweise aufgrund von Schuldeinsicht geänderten Lebenswandels nach der Tat, noch die Möglichkeit sozialarbeiterischer Betreuung mi t einbezogen, obwohl im Hinblick auf die seit ***** aufrechte Beschäftigung (bei einem Gehalt von ***** brutto) - auch zu berücksichtigende - gute Cha n cen auf ein redliches Fortkommen nach der Haft indiziert sind ( Drexler , aaO).
Zwar ist die Risikoprognose hinsichtlich eines Mis s brauchs des eüH im Sinne des § 156c Abs 1 Z 4 StVG eine Ermessensentscheidung, allerdings wurde dieses Ermessen gegenständlich nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt, da die Erwägungen des Vollzugsgerichts zum negativen Har n test und dem illegalen Konsum von psychotropen Stoffen - wie bereits oben angeführt und den Feststellungen folgend - keine strafbare Handlung indizieren.
Im fortgesetzten Verfahren wird das Vollzugsgericht, insbesondere unter Berücksichtigung des von vielen, allerdings großteils länger zurückliegenden, Vorverurte i lungen geprägten Vorlebens des Beschwerdeführers, der Beweggründe der Anlasstat und der zuletzt zu AZ ***** des Bezirksgericht ***** verwirklichten stra f baren Handlung (vorrangig durch Beischaffung dieser Vo r strafakten) sowie des Lebenswandels seit Setzung der letzten strafbaren Handlungen und der Möglichkeit sozia l arbeiterischer Betreuung, neuerlich zu entscheiden haben.
Anzumerken bleibt, dass im fortgesetzten Verfahren – mangels Neuerungsverbots - auch auf die vorgelegte Best ä tigung des Dr. S ***** zurückgegriffen werden kann.